Montag, 27. Juni 2016
MOMBASA
MOMBASA kann durchaus als neuer Geniestreich Alexander Pfisters bezeichnet werden. Für seine österreichischen Landsleute um die de Cassans ist es 2016 DER Spielehit für Experten und die Chancen auf den Deutschen Spielepreis, der in den letzten Jahren stets deutlich über Kenner-Niveau lag, stehen gut.
2011 konnte Pfister mit dem Vorläufer des Spiels den ersten Platz im Hippodice Autorenwettbewerb gewinnen. Dann musste er allerdings vier Jahre warten, bis sein AFRIKA 1830 von dem Redakteur Viktor Kobilke bearbeitet nun als MOMBASA bei eggertspiele erschien.
Pfister führt in die Zeit des Kolonialismus, als Handelskompanien und imperialistische Staaten Afrika unter sich aufteilten. Der Autor reduziert diese Thematik hauptsächlich auf die wirtschaftliche Komponente. Die Spieler sind Investoren von Kompanien, die sich RISIKOartig auf dem Kontinent verbreiten, sie handeln mit den klassischen Waren der Kolonien, lieben vor allem die Diamanten. All das verlangt eine hochexakte Buchhaltung. Was fasziniert, ist die perfekte Verzahnung unterschiedlicher Mechanismen. Raffiniert ist das spielsteuernde Kartenmanagement, das anfangs über drei Kartenslots abläuft, die Aktionsmöglichkeiten regeln. Spannend ist durchweg das konkurrierende Gerangel bei der Ausbreitung der Handelsgesellschaften, das gleichzeitig eine Art Aktienwert der Kompanien regelt. Fein austariert ist die Siegpunktsammlung über die Buchhaltungsleiste und das leichtere Sammeln von Punkten auf der Diamantenleiste. Am Ende entscheidet nicht nur das perfekte Aktienmanagement über den Spielsieg, hilfreich ist zumindest ein Durchmarsch auf einer der Zusatzleisten.
Die Vielfältigkeit sorgt dafür, dass es nicht DIE Strategie in MOMBASA gibt, aber ein ständiges Reagieren auf das Vorgehen der anderen. Oft helfen sinnvolle Koalitionen weiter, die aber oft für eine gewisse Nivellierung der Aktienwerte sorgen. All das braucht Zeit. MOMBASA spielt sich nicht schnell in sechzig Minuten. In voller Besetzung muss man durchaus drei Stunden Zeit einkalkulieren, aber die spürt keiner der Spieler. Langeweile kennt das Spiel nicht. Das ist alles ganz dicht verzahnt und eine in sich stimmige Komposition, die bisher nur wenige Spiele erreicht haben.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: MOMBASA
Autoren: Alexander Pfister
Verlag: eggertspiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2-4 Spieler
Spielzeit: ca. 120 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Sonntag, 26. Juni 2016
ISLE OF SKYE
Chapeau! Was 1999 und 2000 das damalige Autorenduo Wolfgang Kramer und Michael Kiesling vorgemacht haben, könnte das aktuelle Traumduo Alexander Pfister und Andreas Pelikan 2015 und 2016 wiederholen. Ging es bei Kramer&Kiesling noch um den roten Pöppel, einen anderen gab es damals nämlich noch nicht, treten die beiden österreichischen Autoren zum zweiten Mal um den Kampf um das Kennerspiel an. BROOM SERVICE war die große Überraschung 2015, der könnte nun ISLE OF SKYE folgen.
Was wie eine einfache schottische CARCASSONNE-Variante aussieht, ist ein deutlich komplexeres Legespiel, in dem jeder an seiner persönlichen Hebriden-Insel basteln darf. Die Haupteinnahmequellen auf Skye sind der Tourismus, die Landwirtschaft, die Fischerei und die Produktion von Whisky. All das spiegelt sich in ISLE OF SKYE wider. Da gibt es Burgen, die touristisch durch Wege erschlossen werden, Schafe und Schiffe kommen auch vor, viel eindrucksvolle Landschaften mit Wiesen, Seen und Gebirgen und immer wieder Whisky-Fässer.
Ausgehend von einem Burgplättchen erweitern bis zu fünf Clan-Häuptlinge in sechs Spielrunden ihre Inseln. Pfister&Pelikan haben sich einen hochinteressanten Kartenerwerb ausgedacht. Dazu zieht jeder drei Plättchen aus einem Beutel und legt diese vor seinen Sichtschirm. Dahinter herrscht Spannung pur, denn ein Plättchen fliegt raus, es erhält einen Abwurfmarker. Für die anderen werden Preise festgelegt. Kärtchen, die man selbst behalten möchte, setzt man natürlich höher an, verschleudert wird aber nichts. Da jeder nur eine Karte kaufen darf, kann so ein Spieler am Ende mit Glück drei Karten an seine Burg legen, weil nichts bei ihm eingekauft wurde. Wenn er Pech hat, wird er aber alle los und erweitert sein Dominium um nur ein Plättchen. Der eine wird danach ganz arm sein, der andere hat immerhin viel Geld. Beim Erwerb und beim Legen gilt es immer, Zwischenwertungen im Blick zu behalten. Da geht es um die meisten Schiffe, geschlossene Bergketten oder viele Schafe. Der Wertungen sind viele, sodass kein Spiel dem anderen gleicht, zumal diese Wertungen sich auch an unterschiedlichen Stellen dreimal wiederholen. Mit 16 Wertungskarten, von denen nur vier in unterschiedlicher Reihenfolge ins Spiel kommen, ist eine extreme Varianz möglich.
Kartenerwerb und variabler Wertungsrhythmus machen aus ISLE OF SKYE ein ganz besonderes Spiel. Aber auch die Feinabstimmung stimmt, da gibt es Geldnachschub, wenn die Clan-Burg mit besonders vielen Whiskyfässern verbunden ist, zusätzlich gibt es einen Nachteilsausgleich für hinten liegende Häuptlinge, für die damit der Einkauf in der nächsten Runde erleichtert wird. Abwechslungsreich und durchweg spannend ist dieses Legespiel von Pfister und Pelikan. Die elegante Verzahnung vieler innovativer Mechanismen und Ideen grenze an Perfektion, meint die Jury „Spiel des Jahres“. Eine Perfektion, die die beiden Österreicher vielleicht wieder zu einer Pöppel-Übergabe führt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: ISLE OF SKYE
Autoren: Alexander Pfister, Andreas Pelikan
Verlag: Lookout Games
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2-5 Spieler
Spielzeit: ca. 60 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Dienstag, 14. Juni 2016
PANDEMIC LEGACY
Seit Juli 2014 lebt Matt Leacock ausschließlich vom Spieleerfinden. Der Amerikaner wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Zentrum des Silicon Valley, dort hat er auch vor 2014 mit Arbeiten für Sococo, Yahoo!, AOL, Netscape und Apple einen Großteil seines Geldes verdient. Leacock ist ein Teamplayer, bekannt gemacht haben ihn vor allem kooperative Spiele wie PANDEMIE, DIE VERBOTENE INSEL und DIE VEGESSENE STADT. Vor allem der PANDEMIC-Virus pflanzt sich in gut der Hälfte seiner Spielentwicklungen fort. Das Schöne daran, dieser Virus muss nicht bekämpft, er darf gespielt werden.
Sein Partner, Rob Daviau, aus Massachusetts hat fast 15 Jahre lang Spiele für Hasbro entwickelt. Da saß er dann an der 113. TRIVIAL PURSUIT-Variante, hat MONOPOLY- und RISIKO-Welten bedient und dabei auch das LEGACY-Prinzip entwickelt. Seit drei Jahren arbeitet er selbständig vor allem vom LEGACY-Virus infiziert. Daviaus Grundidee geht von einem sich ständig entwickelnden, ständig verändernden Brettspiel aus, indem es (so gut wie keinen) Reset-Knopf gibt, sondern alle Entscheidungen Folgewirkungen für die nächsten Spielrunden haben.
Wenn zwei derartig angesteckte, entflammte Autoren aufeinandertreffen, ihre beiden Grundideen miteinander vermischen, dann entsteht ein neuer Virus, der sich global rasend schnell ausgebreitet hat. Ihr PANDEMIC LEGACY SEASON 1 hat innerhalb kürzester Zeit mit fast 10.000 Bewertungen das lange führende TWILIGHT STRUGGLE vom ersten Platz der BGG-Liste verdrängt.
Rund um den Globus sind alle begeistert. Die Franzosen, die Italiener und die Deutschen würdigen die kreative Leistung der beiden Autoren und viele, viele Preise werden noch folgen. Dabei wird von den Spielern einiges abverlangt. Der Wiedererkennungswert an PANDEMIE ist erst einmal groß. Wieder müssen für vier gefährliche Seuchen möglichst schnell von Wissenschaftlern und Forschern Heilmittel entwickelt werden, die meist erfolgreich in den Forschungszentren arbeiten, wenn sie logistische Unterstützung haben. Da sind aber ständig neue Hürden im Weg, der über 12 Monate hinweg möglichst mit gleicher Mannschaft begangen wird. Spielästheten graut es, wenn schon nach zehn Spielminuten die Aufforderung erfolgt, eine Spielkarte zu zerreißen, weil sie nicht mehr gebraucht wird. Da werden Spielplan und Spielregel beklebt, da werden Geheimdosiers wie Adventskalender geöffnet, oft mehrfach hintereinander, sodass man das Gefühl hat, eine ganze Woche nachzuholen, die großen Überraschungen stecken dann noch in kleinen Päckchen, sodass man sich wie unter dem Weihnachtsbaum fühlt. Aus dem Allerweltspiel, das demnächst vielleicht eine Million Mal auf den Spieltischen liegt, wird ganz schnell ein sehr individuelles auf die Spielgruppenerfahrungen zugeschnittenes Unikat, das am Ende dann aber in der Mülltonne verschwinden kann, denn es ist nicht mehr spielbar. Da existieren Logistiker und Forscherin nur noch als Papierschnipsel, da sind Städte zugrunde gegangen oder zerstört. Diese Dezemberwelt hat nichts mehr mit der vom Januar zu tun.
Leacock und Daviau nehmen ihre Akteure wie in einer Filmserie á la „Game of Thrones“ gefangen. Das Schöne an diesem erzählerischen Ansatz ist, dass die Spieler die fesselnd erzählte Geschichte stets selbst miterleben und mitgestalten. So gesehen ist nach ca. 18 Spielen (jeder Monat darf maximal zweimal gespielt werden) zwar Schluss, aber vergleichbare Spielerlebnisse findet man sonst nirgends. Wie bei den Filmserien werden SEASON 2 und 3 folgen und die Zahl der wartenden Seuchenbekämpfer wächst weiter an. „Das eh schon grandiose PANDEMIE wird nun zum Meisterwerk“, meint die Jury „Spiel des Jahres“, das gilt natürlich auch für das LEGACY-Prinzip. Hier ist symbiotisch etwas entstanden, was unbedingt zusammengehören sollte.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: PANDEMIC LEGACY
Autoren: Matt Leacock, Rob Daviau
Verlag: Z-Man Games/ Asmodee
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 2-4 Spieler
Spielzeit: ca. 40 Min.
Preis: ca. 45 Euro
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