Freitag, 16. Dezember 2016
DOLORES
Wenn Bruno Faidutti und Eric M. Lang gemeinsam ein Spiel entwickeln, dann ist die Erwartungshaltung auf schwere Kost groß. Schon der Blick auf die kleine quadratische Spieleschachtel dämpft die Vorfreude, auch wenn sich ein gruseliges Skelett und eine ausgezehrte Nymphe über den gerahmten Spieltitel DOLORES zu duellieren scheinen.
Ein Duell prägt auch den Grundcharakter des Spiels, das aus 70 Waren- und 10 Flaschenpostkarten besteht. Die DOLORES war nämlich ein spanisches Handelsschiff, das im Kanal vor der englischen Küste Schiffbruch erlitt. Um die Ladungsreste von sieben Warensorten streiten nun zwei bis vier Strandpiraten. Die Flaschenpost besitzt die Qualität von Ereigniskarten, von denen jeweils fünf ins Spiel kommen, eine sechste Karte, der Sonnenaufgang, markiert das Spielende, das unter die letzten 15 Karten gemischt wird.
Alle Piraten starten mit einer zufällig gezogenen Anfangsbeute von zwei bis vier Schätzen. Um die restlichen Güter und Flaschenpostkarten finden Verteilungsduelle statt. Dabei geht es stets um vier Karten, von denen jeweils zwei den jeweiligen Duellanten zugeordnet sind. Die kreative Leistung der beiden Autoren besteht mit Blick auf das Duell ausschließlich aus einer Modifikation der STEIN-SCHERE-PAPIER-Auseinandersetzung. Die Hand kommt als Signalzeichen ebenso vor wie die Faust, nur die Schere wird durch ein Daumen hoch-Zeichen ersetzt.
Die Kombinationen sind weitgehend eingängig: Strecken beide die Hand aus, erhalten sie die jeweils vorher schon für sie bestimmten Karten. Entscheiden sich beide für die Faust und den gestreckten Daumen, gehen sie leer aus. Nur die Faust gegen die Hand bringt den vollen Zuschlag aller vier Karten für den aggressiveren Spieler. Wer sich für den gehobenen Daumen entscheidet, gewinnt bis auf die Pattsituation in jedem Fall eine beliebige Karte. Bevor das Kommando „Schnick-Schnack-Schnuck“ bzw. „Do-Lo-Res“ erfolgt, dürfen die Beteiligten beliebig lange verhandeln. Da darf das Blaue vom Himmel versprochen werden, nur um an bestimmte Karten zu kommen. Einhalten muss die Versprechungen keiner, wohl wissend, dass es Folgeduelle geben wird.
Deutlicher kreativer als beim Duell-Mechanismus gehen die beiden Autoren mit der Wertung um, denn die macht das Sammeln bestimmter Schätze erst richtig spannend. Gewertet werden am Ende nämlich nur Warensorten mit dem niedrigsten und höchsten Wert. Wer Goldbarren mit sieben Wertungspunkten gesammelt hat, aber nur einen Wein, darf sich zwar über das viele Gold freuen, schaut dann aber am Ende wahrscheinlich eher in die Röhre, da ein anderer Spieler drei Warensorten mit zwei Punkten besitzt und zwei weitere mit vier Punkten, sodass er mit 14 Punkten deutlich gewinnt. Mit Blick auf diese Abschlusswertung werden vor allem die letzten Duelle durchaus spannend, wenn man bewusst dem Gegner noch eine neue Ware unterjubelt, die nur einen Punkt ausmacht oder die Doppelspitze entwertet, wenn eine weitere Karte dazukommt.
Loben muss man wahrscheinlich mehr als die beiden Autoren den Grafiker. Die Kartengrafiken von Vincent Dutrait (AUGUSTUS, LEWIS & CLARK u.a.) sind mehr als gelungen und bringen die Atmosphäre ins Spiel, die der eigentliche Ablauf nicht bietet. Im Spiel zu viert führen die Zweierduelle, die stets im Uhrzeigersinn ausgeführt werden, zu ziemlichen Wartezeiten, wenn die Duellanten lange verhandeln. Der Funke im Zweierspiel will auch nicht so recht überspringen. Einigermaßen funktioniert DOLORES nur zu dritt. Da ist das Spiel vor allem in der Schlussphase richtig spannend, besonders dann, wenn die drei Beteiligten diskussionsfreudig sind und sich auf viele Versprechungen einlassen, dann Schnicken und Schnacken sie durchaus mit Spaß um die Schätze von DOLORES.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DOLORES
Autor: Bruno Faidutti und Eric M. Lang
Verlag: Lui-même, Vertrieb Asmodee
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 16 Euro
Donnerstag, 15. Dezember 2016
THE EYEZ
Im Grunde genommen geht es bei THE EYEZ (Goliath) nur um eine simple MEMO-Variante, die mit läppischen 48 Spielsteinen auskommt. Wirft man einen Blick auf die Motive, scheint es noch simpler zu werden: Ein MEMO-Spiel mit nur 12 Motiven auf runden Plastikscheiben.
Aber die haben es in sich. Zum einen sind sie nicht in einer regelmäßigen Verteilung von jeweils vier Scheiben auf dem Spieltisch. Die Anteile schwanken zwischen drei und sechs Spielsteinen. Damit ist klar, dass nicht alle Sorten zu Pärchen zusammengeführt werden können. Zum anderen ähneln sich die Motive so sehr, dass sie teilweise nur leichte graduelle Unterschiede aufweisen. Wir blicken ins Augenweiß von 12 Personen mit meist runden Pupillen und offenen, halboffenen oder fast geschlossenen Augenlidern. Manchmal unterscheidet sich die Lidform nur durch geraden, leicht konkaven oder konvexen Abschluss oder der Yin-Yang-Form.
Der Spielablauf sorgt dann für die pure Verwirrung. Die Steine liegen alle verdeckt aus und die Spieler dürfen stets nur mit einer Hand eine Scheibe aufnehmen, sich anschauen und dann wieder hinlegen. Wer meint, so auf zwei identische Augenbilder gestoßen zu sein, legt sie übereinander und sichert sich das Paar. Der Blick auf die „Augenblicke“ läuft solange, bis alle der Meinung sind, dass nur noch Einzelsteine im Spiel sind. Dann folgt die große Offenbarung. Beim Horusauge und schmalen Schlitzauge sind sich die Spieler meist sicher, aber alle halboffenen Lider sind so nah beieinander, dass in der Regel keiner ohne Fehler bleibt. Jedes richtige Paar bringt zwei Punkte, wer zwei identische Paare sammeln konnte, erhält einen Bonuspunkt. Jedes falsche Paar wird mit einem Minuspunkt bestraft. Wer die Übersicht behält, gewinnt nach zehn bis fünfzehn Minuten das Spiel.
Das gemeinsame Grabschen sorgt für die notwendige Hektik, die zusätzlich das Erinnerungsvermögen trübt. Der Aufforderungscharakter durch das wertige Spielmaterial und die grafische Aufbereitung ist hoch. Das Tiefziehteil der Schachtel hat Sammelfächer für alle Spielsteine und zusätzlich noch für eine Aufbewahrungsdose, mit der THE EYEZ zu einem Mitnahmespiel wird, das man zwischendurch immer wieder schnell hervorholen kann. Wer sich anfangs über seine Misserfolge ärgert, bekommt mit der Zeit einen besseren Blick für lohnende Sammelteile. Es macht daher Sinn, sich auf die Teile zu konzentrieren, die häufiger im Spiel sind, um die Bonuspunkte abzukassieren und die Fehlerquote zu minimieren. Mit Blick auf die Spielerzahl setzt Goliath kein Limit. Wir halten aber bei den wenigen Steinen eine Begrenzung auf maximal vier Spieler für sinnvoll. THE EYEZ ist vom Design her eher ein Spiel für Familien und Erwachsene, Kinder ab sechs Jahren können aber problemlos mitspielen.
Wertung: Gerne nächste Woche wieder
Titel: THE EYEZ
Autor: Dominique Breton, Cédrick Chaboussit
Verlag: Goliath
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 bis 15 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Mittwoch, 14. Dezember 2016
ICECOOL
ICECOOL scheint ein richtiges Retro-Spiel zu sein. Eine Spielverpackung wie bei einer Matrjoschka, was hier ineinander gestapelt ist, ergibt aber am Ende eine traumhaft große Pinguinschule. Die Spielfiguren sind kleine Stehaufmännchen, Pinguinkinder, die sich dank ihrer Schwerpunktverlagerung mit dem halbrunden Sockel wunderbar schnippen lassen.
Die Spielgeschichte ist frech: Leon & Co. schwänzen ihren Pinguinunterricht und gehen verfrüht auf Fischjagd, nur vorm Hausmeister müssen sie sich in Acht nehmen. Anfangs wird die Schule mit Steckklammern in Fischform zu einem großen Gebäude mit fünf Räumen aufgebaut. Die schwänzenden Pinguine starten alle den Fischfang in ihrem Klassenzimmer. Drei Türen der Schule sind mit der Jagdbeute in der Farbe der frechen kleinen Pinguine bestückt. In diagonaler Entfernung vom Klassenraum befindet sich die Küche, dort startet der Hausmeister und geht auf Schülerjagd.
Im Spiel zu viert gibt es damit drei Fischjäger und einen Pinguinfänger. Gespielt werden vier Runden, in denen die Pinguin-Kinder immer wieder versuchen, alle Fische ihrer Farbe einzusammeln. Das klappt immer dann, wenn sie erfolgreich unter einer entsprechenden Tür durchgeschnippt werden. Die Runde endet aber auch dann, wenn der Hausmeister alle Pinguine gefangen hat. Er kassiert stets deren Schülerausweise ein. Zwischendurch gibt es für jeden Fisch Punktekarten mit Werten von 1 bis 3 zur Belohnung, die auch am Ende der Runde für jeden Ausweis vergeben werden. Um das Glück beim Ziehen dieser Punktekarten etwas zu relativieren, dürfen zwei Karten mit dem Wert „1“ für einen Bonuszug eingesetzt werden. Nach einer Runde wechselt die Hausmeisterrolle, bis dann am Ende jeder einmal Fänger war und alle Siegpunktkarten addiert über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Anfangs ist etwas Training nötig, um die Wackelfiguren einigermaßen kontrolliert durch die Klassenräume zu bugsieren. Mit Schnippen von der Seite bekommt man auch Drehungen der Pinguine hin. Der richtige Treffer am Kopf, lässt die Figuren sogar über die Bande springen. Den Pinguinen bringt das zwar nichts, weil sie unter den Türen durch müssen, um ihre Fische zu bekommen, aber der jagende Hausmeister kann so überraschend im Rücken der Schulkinder auftauchen. Coole Schnipp-Tricks zeigt Amigo in einem gelungenen Teaser zum Spiel.
Die Sogwirkung von ICECOOL in reinen Kinderrunden, mit Familien, aber auch nur mit erwachsenen Spielern erinnert mich an CARABANDE, das vor 20 Jahren mit dem Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel ausgezeichnet wurde. Im Augenblick gibt es zwar viele Schnipp-Spiele auf dem Markt (RUMMS!, FLICK’EM UP!, KATAKOMBEN, SCHNIPP-TRICK), von denen allerdings nur wenige als generationsübergreifendes Spiel taugen. ICECOOL steht da ganz oben auf dem Sockel und lässt sich auch durch ganz raffinierte Schnippversuche nicht herunterstoßen, das hat auch die Entscheidung der Kinderjury am 19. Juni gezeigt. ICECOOL ist "Kinderspiel des Jahres" 2017.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ICECOOL
Autor: Brian Gomez
Verlag: Amigo
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Dienstag, 13. Dezember 2016
DODELIDO
Schnelle Ablegespiele mit ein bisschen Gehirnzwirbel sind das Lieblingsgenre des Luxemburgers Jaques Zeimet. Bei ihm tanzen Kakerlaken auf und um den Tisch, können Ganoven nicht bis Sieben zählen und DODELIDOln blaue Flamingos und rosa Schildkröten.
Zeimet verlässt ausnahmsweise einmal die Kakerlaken- und Tarantel-Welt und widmet sich eher klassischen Zootieren. In DODELIDO gibt es je 20 Flamingos, Kamele, Zebras, Pinguine und Schildkröten, außerdem noch fünf rare Krokodile. Bis auf die Echsen gibt es alle anderen Tiere in fünf verschiedenen Farben, jeweils vier Tiere also von einer Farbe.
Mit wenigen Regeln zaubert Zeimet aus diesem Tier-Sextett wieder einmal ein erstaunlich pfiffiges Ablegespiel. Wie üblich werden alle Karten reihum an maximal sechs Spieler verteilt. In der Mitte entstehen drei Ablagestapel, die die Beteiligten abwechselnd bedienen. Je nach Auslage überprüft der aktive Spieler, ob es eine Tier- oder Farbenmehrheit gibt und nennt dann schnell die entsprechende Tierart oder Farbe. Gibt es keine Übereinstimmung, muss er das auch mit „Nix!“ bestätigen. Ins Trudeln gerät man, wenn plötzlich zwei gelbe Kamele neben einem weißen Pinguin ausliegen. Da ist man schnell versucht „Kamel“ oder „Gelb!“ zu rufen. Beides ist aber falsch, da zwischen den Tieren und der Farbe ja eine Pattsituation vorliegt. Zeimet hat dafür natürlich eine passende Antwort parat und die entspricht dem Spieltitel DODELIDO.
Wer falsch antwortet oder zulange zögert, drei Sekunden sind die Orientierungsgröße, kassiert alle ausliegenden Karten und startet eine neue Runde. Damit garantiert Bewegung im Spiel bleibt, taucht von Zeit zu Zeit ein Krokodil auf, das die Spieler gemeinsam vertreiben müssen. Wer da zulange zögert und seine Hand zu spät nach dem Raubtier ausstreckt, kassiert ebenfalls alle Karten. Fast besinnliche Gelassenheit bringt nur die Schildkröte ins Spiel. Wer geneigt ist mit einem zögerlichen „Öh“ seine richtige Antwort hinauszuzögern, muss dies bei der Schildkröte sogar tun. Da kann es sogar zu einem „Öh, öh, öh -Schildkröte“ kommen. Nach einer Viertelstunde ist meist ein Kartenstapel leer und ein Sieger steht fest, der seine Trophäe aber auch sofort verteidigen muss, denn ohne Revancherunden bleibt es nicht in der Welt der Pinguine, Zebras und Schildkröten.
Die Sogwirkung, die Zeimet mit KAKERLAKENSALAT oder DIE FIESEN 7 erreicht hat, gelingt ihm auch mit DODELIDO. Hier stimmt wieder alles: Die fetzige Idee, die perfekte Umsetzung durch Drei Magier, die grafische Gestaltung von Rolf Vogt. Den meisten meiner Mitspielern gefällt das aktuelle Spiel deutlich besser als DIE FIESEN 7, das 2016 immerhin auf der Empfehlungsliste der Jury „Spiel des Jahres“ landen konnte.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DODELIDO
Autor: Jaques Zeimet
Verlag: Drei Magier / Schmidt
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Montag, 12. Dezember 2016
TEMPEL DES SCHRECKENS
Yusuke Satos TIME BOMB mit terroristischen Anklängen passt im Augenblick nicht so recht ins Programm eines großen deutschen Spieleverlags. Die Redaktion von Schmidt um Torsten Gimmler hat deshalb Satos Idee in unverfänglichere Dschungelbereiche verlegt und geht dort mit möglichst vielen Abenteurern auf Schatzsuche in einem unheimlichen Tempel.
TEMPEL DES SCHRECKENS ist ein kommunikatives Rollen- und Bluffspiel, das im weiteren Sinne in das Genre der WERWOLF-Kategorie passt. Die Rollen sind allerdings sehr reduziert, es gibt nur Abenteurer und Tempelwächterinnen bei der Schatzsuche. Die Rollenverteilung stellt sicher, dass jede Rolle mindestens einmal vertreten ist. Eine Übersichtskarte zeigt die Aufteilung für drei bis zehn Spieler, manchmal ist dabei eine Karte mehr im Spiel, als Beteiligte in der Runde sitzen, manchmal gehen die Karten exakt auf, sodass jeder weiß, wie viele Wächterinnen und Abenteurer es geben muss.
Neben der Rollenkarte erhält jeder fünf Schatzkammer-Karten, die meist leere Kammern, einige mit Gold und maximal drei Feuerfallen beinhalten. Die Karten darf sich jeder anschauen, sie müssen dann aber gemischt und umgedreht ausgelegt werden, damit niemand weiß, wo eventuelle Schätze und Fallen liegen.
Der Startspieler, meist der jüngste, erhält eine goldene Schlüsselkarte und hört sich erst einmal an, was die ehrlichen Mitstreiter über ihren Charakter und ihre Schatzauslage so zu erzählen haben. Er selbst schließt sich dieser Mischung aus Lüge und Wahrheit natürlich auch an. Alle sind garantiert Abenteurer und möchten nicht, dass die Gruppe in Feuerfallen tappt oder nur leere Räume findet.
Der Besitzer der Schlüsselkarte geht in einen für ihn attraktiven Tempelbereich und öffnet eine Tür. Der neue Schlüssel-Inhaber öffnet dann die nächste Tür, bis so viele Tempelbereiche offen sind wie Spieler teilnehmen. In der Mitte werden dann die umgedrehten Karten gesammelt, sodass immer klar ist, wie viele Schätze und Feuerfallen schon aus dem Spiel sind. Denn darüber wird das Spielende definiert. Wenn alle Schätze gefunden sind, gewinnen die Abenteurer, wenn alle Feuerfallen aufgedeckt wurden, siegen die Wächterinnen. Diese gewinnen auch, wenn die Schatzsucher nach vier Runden nicht alle Goldschätze finden konnten.
Der Erfolg von TEMPEL DES SCHRECKENS hängt von den kommunikativen Fähigkeiten der beteiligte Schatzsucher ab. Mit steigender Zahl der Spieler wächst auch der Spielspaß. Zu dritt und zu viert, wenn die Wächterinnen die Mehrheit haben können oder zumindest eine ausgeglichene Beteiligung erreichen, haben die Abenteurer meist keine Chancen auf den Spielsieg. Ab fünf Spielern wird es spannender, wenn gelogen wird, dass sich die Balken biegen und falsche Schätze wohlfeil angeboten werden. Die Spannung steigt vor allem dann, wenn nur noch drei oder zwei Karten im Spiel sind und mindestens eine Wächterin bisher unerkannt blieb.
TEMPEL DES SCHRECKENS ist ein atmosphärisches dichtes kommunikatives Deduktionsspiel, das ausgezeichnet in großen Gruppen ab sechs Spielern funktioniert. Die redaktionelle Umarbeitung von TIME BOMB ist Schmidt vorzüglich gelungen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TEMPEL DES SCHRECKENS
Autor: Yusuke Sato
Verlag: Schmidt
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 10 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Sonntag, 11. Dezember 2016
Spiele zum Lutherjahr
Im ZDF-Ranking der „100 größten Deutschen“ schlägt der Reformator aus Eisleben fast die ganze Elite. In dieser Abstimmung, an der 1,5 Millionen Menschen beteiligt waren, landet Luther hinter Adenauer auf Platz 2. Reformen lagen den Deutschen immer schon näher als Revolutionen, entsprechend schafft Marx es auch nur auf Platz 3 und der revolutionäre Zeitgenosse Luthers, Thomas Müntzer, taucht nicht einmal in der erweiterten 200er-Liste auf.
2017 jährt sich zum 500. Mal Luthers Thesenpublikation in Wittenberg. Die meisten Deutschen werden diesen Jahrestag nur deshalb dankbar registrieren, weil er ihnen einen zusätzlichen Feiertag beschert. Die EKD, die Evangelische Kirche Deutschlands, bereitet sich aber schon seit 2008 mit ihrer „Luther-Dekade“ auf das Jubiläum vor. Der 31. Oktober 2016 gilt als Startpunkt in das Lutherjahr. Schon vorher fand eine vielbeachtete ökumenische Pilgerreise ins Heilige Land statt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm betonten beim gemeinsamen Besuch der christlichen Ursprungsorte ihre Verbundenheit im Glauben. Was Luther einst trennte, bringt sein Jubiläum zumindest in ökumenischer Sicht vielleicht etwas näher.
Die evangelischen Christen werden sich vor Luther-Aktionen nicht retten können. Im oldenburgischen Ammerland bekamen sie Tontopf, Apfel, Kerze und Hefe zum Reformationsfest überreicht. Den Topf „als Symbol für Wachstum und Blüte“ wie die Pastorin Dorothee Testa aus Bad Zwischenahn erklärt, den Apfel wegen seiner Wahrhaftigkeit mit Kernen, die keimen und wachsen können, wie die Hefe ein Treibmittel sei für die Kraft, „die die Christen antreibt“. Schließlich sei die Kerze „eines der ältesten christlichen Symbole“. Ein Spiel liegt nicht mit im Geschenkkorb, dafür aber der Hinweis auf eine Bibel-App mit kostenlosen Download der neu übersetzen Lutherbibel.
Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, ist Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017. Jürgen Klopp macht Reklame, auch Gundula Gause betont die Bedeutung der Reformation. Das ZDF dreht einen Zweiteiler unter dem Titel „Himmel und Hölle“, in dem Maximilian Brückner den Luther gibt. Den kirchlichen Segen für Merchandising Produkte tragen der Playmobil Luther, Wittenberg in der Streichholzschachtel, aber auch Luther-Bonbons, Kekse und Kaffeetassen und immerhin ein Spiel. Denn die Spielebranche schläft nicht, wenn der Reformator nächstes Jahr derart im Fokus stehen wird, wird es auch Spiele zu ihm und seiner Zeit geben.
Das kirchliche abgesegnete Lutherbild liefern das Ehepaar Schlegel und der Kosmos-Verlag ab. Mit LUTHER DAS SPIEL signalisiert schon der Titel, wer der Platzhirsch im reformatorischen Spiele-Viergestirn sein will. Mit Cranachs Lutherbild auf dem Cover wird schon gediegene Arbeit signalisiert, die das Gefallen der EKD gefunden hat. Die als Reise- und Sammelspiel angelegte Idee kommt als klassisches Familienspiel daher. Die zwei anderen großen Titel, die zum Thema Reformation in Essen erschienen sind, bieten das historische und spielerische Kontrastprogramm. Mit MEA CULPA von Rüdiger Kopf und Klaus Zoch bewegen wir uns im Sündenpfuhl der vorreformatorischen Zeit, dessen Strukturen Luther letztlich zu deutlicher Kritik u.a. am Ablasshandel geführt haben. Seine Antwort war klar, allein der Glaube – SOLA FIDE – reiche aus, um zur Vergebung der Sünden zu kommen. Jason Matthews und Christian Leonhard verdichten in der gleichnamigen Spielworxx-Umsetzung die Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der neuen reformatorischen Bewegung auf ein Zweipersonen-Duell um die Macht in zehn Reichsterritorien. Beide Verlage haben erst gar nicht versucht, das EKD-Siegel zu bekommen. Für das eher satirisch angelegte Zoch-Spiel, in dem der Papst beim Besuch eines Bordells enttarnt werden darf, war das von vornherein illusorisch. SOLA FIDE besitzt nicht den Anspruch einer historischen Simulation, es fußt auf dem Wahlkampfspiel CAMPAIGN MANAGER 2008, als es um McCain gegen Obama ging, nun arbeitet es aber durch 90 Aktionskarten immerhin intensiv mit thematischen Eindrücken aus der Reformationszeit. Trotzdem ist es undenkbar, dass die evangelische Kirche ein Spiel akzeptiert, bei dem es sein kann, dass sich die Reformation nicht durchsetzt. Was fehlt, ist das unvermeidliche Quizspiel zur Epoche. Peter Neugebauer hat es bei HUCH & friends veröffentlicht: MARTIN LUTHER – KIRCHE, KULT und KONFESSIONEN … DAS QUIZ NICHT NUR UM GLAUBENSFRAGEN. In der kleinen Schachtel sind überschaubare 255 Fragen vor allem zur Lutherwelt, aber auch allgemein zur Bibel und zu Filmen aus diesem Bereich.
Wer meint, die Spiele böten nun einen neuen Zugang zum frühen 16. Jahrhundert, einen mit Sogwirkung, die die aufgewühlte Epoche widerspiegelt, sieht sich getäuscht. Strukturell sind die Spiele so angelegt, dass sie sich auch auf andere Epochen übertragen ließen. Da wird zu wenig Geschichte erzählt, auch wenn Broschüren Hintergrundinformationen liefern. Von der erzählerischen Kraft, von der Sprachgewalt des Reformators ist nur wenig zu spüren. Vielleicht sollten die Macher von TIME STORIES uns einmal nach Wittenberg 1517 entführen. Insofern wird wahrscheinlich 2017 die Macht des Bildes stärker sein als der Einfluss von Spielen. Das gerade in Wittenberg eröffnete Panorama LUTHER 1517 von Yadegar Asisi entfaltet diese Kraft. Auf 15x75 Metern lässt seine Bilderwelt ein wirkliches Eintauchen in die Reformationszeit zu. Allein im nächsten Jahr werden mindestens 500.000 Besucher in dem 360-Grad-Panorama erwartet. In diese Regionen werden die Luther-Spiele nicht vordringen, sie sind ein Beitrag zum Jubiläumsjahr, dem sich nun jeder im Duell, satirisch, wissensbezogen oder auf Luthers Spuren reisend auf den Weg ins Luther-Jahr machen kann. Wenn sie gemeinsam eine Auflage von 50.000 Exemplaren erreichen, dann läuft es gut für sie.
WORD SLAM
2016/17 könnte zum erfolgreichsten Spielejahrgang für Inka und Markus Brand werden. Zurzeit haben die beiden Autoren aus Gummersbach einen richtig guten Lauf. Bei den ESCAPE-Spielen haben sie mit ihren EXIT-Varianten (Kosmos) die Nase vorn, mit NOCH MAL! (Schmidt) machen sie QWIXX & Co. gehörig Konkurrenz und mit TOURIA (Huch! & friends) sind sie mit einem genialen Aktionsprinzip mit drehenden Türmen im anspruchsvollen Familienspielbereich unterwegs. Ihr Meisterstück liefern sie allerdings mit ihrem weiteren Kosmos-Spiel ab.
Nach der Wortspielflut im Jahrgang 2015/16 und der Kürung von CODENAMES als Spiel des Jahres, habe ich eigentlich Ebbe in diesem Spielsegment erwartet oder zumindest nur die üblichen SCRABBLE-Variationen. Das Ehepaar Brand setzt nun mit WORD SLAM ein nachträgliches i-Tüpfelchen in diesem Genre.
WORD SLAM ist, ganz kurz vergleichend beschrieben, CONCEPT mit Wörtern. Statt 117 Piktogrammen stehen 105 Wörter zum Erklären zur Verfügung. Hauptsächlich Nomen, einige Adjektive und Verben und ein paar sonstige Wortarten wie Präpositionen und Numerale. Wurde man bei CONCEPT von der Vielfalt des Spielplans erschlagen, muss man sich hier durch viele Karten durcharbeiten. Der besondere Pfiff von WORD SLAM besteht allerdings in der direkten Team-Auseinandersetzung. Zeitgleich versuchen zwei Erklärbären ihren Teams mit identischen Kartensätzen ein gemeinsam erwürfeltes Wort von einer Ratekarte zu erläutern. Dafür legen sie passende Wortkärtchen auf Kartenbänke und die Mitspieler raten gleichzeitig und wild durcheinander das zu suchende Wort. Es lohnt daher, nicht nur die Erklärwörter des eigenen Erklärers im Blick zu behalten, sondern beim Nachbarteam gut zuzuhören. Wer richtig rät, erhält die Karte. Das Team, das dann nach 21 oder 25 Karten die Nase vorn hat, gewinnt nach einer mehr als unterhaltsamen Raterunde die Partie WORD SLAM.
Die Gleichzeitigkeit des Ratevorgangs bringt die ganz besondere Stimmung ins Spiel. Alle sind immer involviert und auch irgendwann dran mit der Rolle des Erklärers. Die fällt deutlich leichter als die des Agentenführers bei CODENAMES, dort kommen viele über ein xy 1 oder yz 2 nicht hinaus. Irgendetwas Passendes findet man dagegen bei WORD SLAM immer, oft ist es hier sogar so, dass wenige Hinweise effektiver sind als eine Kartenflut. Will der eine das „Konzert“ mit „Gebäude“, „Nacht“, „Vorgang“, Technik“ und „Musik“ erklären, reicht für den anderen ausschließlich „Hören“ und „Musik“ aus.
Das Konzept von WORD SLAM bietet viel Varianz. So gibt es Einsteigerkarten, einfachere und etwas anspruchsvollere und dann noch die schwarzen Expertenkarten. Die können dann je nach Erfahrung der Runde zusammengestellt werden. Mit 1200 Begriffen ist die Wiederholungsgefahr nicht allzu groß. WORD SLAM macht vor allem in großen Runden viel Spaß, zu dritt gibt es eine Sonderregel, nach der einer erklärt und die beiden anderen raten müssen.
Es wäre spannend gewesen zu sehen, wo sich WORD SLAM zwischen oder vor CODENAMES und KRAZY WORDZ vor einem halben Jahr eingruppiert hätte. Mit dem hohen Niveau beider Spiele kann die Idee von Inka und Markus Brand allemal mithalten und geht damit im Augenblick ohne Konkurrenz in die Entscheidungsprozesse des nächsten Jahres.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: WORD SLAM
Autor: Inka und Markus Brand
Verlag: Kosmos
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 - ∞ Spieler
Spielzeit: ca. 45 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Samstag, 10. Dezember 2016
KINGDOMINO
Den Klassiker DOMINO zu plagiieren, scheint nicht besonders kreativ. Im Grunde genommen macht Bruno Cathala mit KINGDOMINO (Pegasus) eben dies. Statt Würfelpunkten von 0 bis 6 gibt es auf Cathalas zweiteiligen Plättchen sechs Landschaften in unterschiedlicher Häufigkeit, statt 28 Spielsteinen gibt es bei ihm 20 mehr.
Der wesentliche Unterschied beider Spiele besteht nur darin, dass keine Wegeschlange gelegt wird, sondern der französische Autor eine kompakte Auslage in maximaler Ausdehnung von 5x5 Feldern zulässt. Deshalb gibt es auch einen Startstein, auf dem eine kleine Pappburg steht, zu der jeder einen farblich passenden Holzkönig erhält An der Burg darf beliebig angelegt werden, drumherum muss mindestens eine Landschaft passen. Das ist durchaus auch im Interesse der Landschaftsbauer, denn sie versuchen größere zusammenhängende Gebiete in ihrem Königreich aufzubauen, für die sie besondere Kronenkarten haben wollen. Denn am Ende zählen die Gebiete nur, wenn sie mit Kronenfelder multipliziert werden können. Wer acht Getreidefelder ohne Mühle mit Krone auslegt, bekommt keine Punkte. Stehen dort aber drei Mühlen, sind das schon 24 Punkte. Die relative Verteilung der Felder ist daher im Blick zu behalten. Beim häufigen Getreide sind nur etwa 20 Prozent Kronenfelder, die Relation verbessert sich beim Wald und beim Wasser. Auf den deutlich selteneren Weiden und im Moor tauchen dann sogar Doppelkronenfelder auf. Das alles wird von den erzhaltigen Gebirgeteilen getoppt, da gibt es zwar nur 6 Felder, die besitzen zusammen aber 10 Kronen.
Der Erwerb der DOMINO-Steine verläuft in einem alternierenden Rhythmus. Anfangs wird die Zugreigenfolge zufällig ausgelost. Danach okkupieren die Spieler eines von vier ausliegenden DOMINO-Teilen, die, nach ihrer Rückseite sortiert, in aufsteigender Zahlenreihenfolge ausliegen. Unten befinden sich stets die wertvolleren Karten, die meist Kronen zeigen, oben einfache Landschaftsteile. Wer oben steht, holt sich sein Kartenteil als erster und hat damit auch den ersten Zugriff auf vier neue Landschaftsteile, sodass man meist in jeder zweiten Runde in die Fläche bzw. auf die Punkte geht.
Da Legezwang besteht, muss mit Blick auf die 5x5 Felder gut geplant werden. Für Getreide- und Waldflächen fällt das meist nicht schwer, beim Gebirge kann es durchaus sein, dass man nur ein Teil bekommt. Auch der Blick in die Auslagen der Mitspieler ist dabei immer hilfreich. Gegen Ende reißen Kronenfelder, die man unbedingt noch unterbringen möchte, oft auch Lücken in die Auslage, sodass es nicht zum Bau eines vollständigen Königreiches kommt.
Schon nach 12 Spielrunden ist Schluss, gewertet werden dann nur die Landschaftstypen mit Kronenfeldern. Wer will, kann mit Hilfe der Zusatzregeln Punkte für vollständige Reiche oder das „Reich der Mitte“ mit der Burg im Zentrum vergeben. Im Spiel zu zweit ist auch ein Duell um ein 7x7 Felder großes Dominium möglich.
KINGDOMINO erweist sich in seiner einfachen Spielstruktur als geniales Familienspiel. Die Regeln sind schnell erklärt, trotzdem bieten der Kartenerwerb und die Anlegeregeln genügend Herausforderungen. Die jeweiligen Positionskämpfe sind Runde für Runde immer wieder spannend. Auch das Kartennachziehglück hält sich dadurch in Grenzen, zumal in Vollbesetzung gegen Ende alles berechenbarer wird. Zu kritisieren gibt es eigentlich wenig. Die erweiterten Punktwertungen bringen nicht allzu viel Varianz ins Spiel. Um Vielspieler auf die Dauer bei der Stange zu halten, sind schon weitergehende Erweiterungen nötig. Mir persönlich ist der Stoffbeutel zu klein, aus dem die Karten gezogen werden. Ein Mischen ist nicht möglich, auch der Abrieb der Kanten könnte mit der Zeit zum Problem werden. Letztlich bleiben die Kritikpunkte aber marginal, wenn der Gelegenheitsspieler im Zielgruppenfokus bleibt. Das „machtvolle DOMINOspiel“ ist eine exzellente Werbung für das Spielen in der Familie.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KINGDOMINO
Autor: Bruno Cathala
Verlag: Pegasus
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 - 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
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