Dienstag, 16. Januar 2018
KRASS KARIERT
Kartenspielautoren greifen auf ein überschaubares Repertoire zurück. Da werden Klassiker variiert, Ravensburger probiert das aktuell mit MAU MAU, Pokerelemente aufgegriffen, perfekt zur Zeit in HALF PINT HEROES. Richtige Innovationen wie zuletzt bei HANABI sucht man vergeblich, dafür finden wir die 1001 Stich- oder Stichvermeidungsvariation.
KRASS KARIERT (Amigo) von Katja Stremmel ist ein solch bemühtes Produkt, das Genialität vortäuscht, aber letztlich Altbekanntes liefert. In Stremmels Erstveröffentlichung treffen BOHNANZA und KARRIEREPOKER (oder: DER GROSSE DALMUTI, DAS GROSSE UND DAS KLEINE A) aufeinander. Jedes Vorbild für sich ist klasse, in der karierten Fassung aber eher Krampf.
Mit 48 Zahlenkarten mit Werten von jeweils viermal 1 – 12 und drei Spezialkarten in doppelter Ausführung wird KRASS KARIERT gespielt. Jeder besitzt zwei bis drei Chips, die vorerst sein Überleben garantieren und erhält zehn Handkarten. Wie bei BOHNANZA werden die Karten ungeordnet auf die Hand genommen, sie dürfen auch später nicht sortiert werden. Immerhin gibt es zur Verbesserung der Ausgangslage zwei offene Reservekarten, die vor jedem der drei bis fünf Beteiligten ausliegen.
Der Spielablauf entspricht dem klassischen KARRIEREPOKER, jedes Kartengebot muss nachfolgend überboten werden. Da die Kombinationen durch die unsortierten Kartenhände in der Regel ziemlich eingeschränkt sind, reduziert Stremmel die Maximalzahl der abzulegenden Karten auf drei. Paare und Drillinge überbieten Straßen, die beste Kombination ist damit ein 12er Drilling. Wer nicht überbieten kann, darf eine Reservekarte aufnehmen und die immerhin passend einsortieren. Rettend sind oft auch die Spezialkarten, so ein Joker und eine Stopp-Karte, die sofort die Runde beendet, so dass man danach mit einer Einzelkarte starten darf. Wer den Durchgang verliert, gibt einen seiner Chips ab. Am Ende wird den Verlierern auch noch eine „Schwimmrunde“ zugestanden, erst wenn die verlorengeht, endet das Spiel, bei dem es dann nach einer halben Stunde mehrere Gewinner gibt.
Das Spiel funktioniert, die Regel ist ordentlich, das Kartenmaterial gut. Über die karierte Kartengrafik lässt sich wohl streiten. So richtig zünden will aber die Idee nicht. Mehrfach musste ich beim Ausprobieren Spielabbrüche erleben, wo schon nach der ersten Chipabgabe keine Bereitschaft mehr bestand, in die nächsten Runden zu gehen. KRASS KARIERT ist seelenloses Konstrukt, dem die Bemühtheit, die Vorbilder neu auszureizen, anzumerken ist. An die fantastischen Herbstspiele von Amigo wie DRUIDS und SCHÖNE SCH #!?E kommt dieses kleinkarierte Kartenspiel Katja Stremmels überhaupt nicht heran.
Wertung: Nächsten Monat wieder
Titel: KRASS KARIERT
Autor: Katja Stremmel
Grafik/Design: ?
Verlag: Amigo
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 3/2018
Montag, 8. Januar 2018
CAFÉ FATAL
Es gibt Entscheidungen der Jury „Spiel des Jahres“, bei denen nach vielen Jahren klar wird, eigentlich hätte ein anderes nominiertes oder empfohlenes Spiel in dem Jahrgang die Nase vorn haben sollen. Der Klassiker stammt aus der Frühzeit der Juryarbeit, 1986 wurde DAS VERRÜCKTE LABYRINTH nur empfohlen und HEIMLICH & Co. prämiert, das schon ein Jahr zuvor auf der Empfehlungsliste gelandet war. Der gefühlte Sieger von 2012 war LAS VEGAS, das gegen KINGDOM BUILDER unterlag.
Rüdiger Dorns Würfelspiel ist der typische Türöffner für Wenigspieler. Ein klassisches Zockerspiel, das immer wieder auf unseren Spieltischen landet. In Essen erschien im Herbst 2017 ein LAS VEGAS-Derivat, dem zumindest beachtliche Nähe zum Original attestiert werden darf.
Die beiden englischen Autoren Brett J. Gilbert und Trevor Benjamin veröffentlichen mit CAFÈ FATAL im Zoch-Verlag ein Mehrheitenspiel mit Würfeln, bei dem es nicht um Casinogewinne, sondern um Torten- und Pizzastückchen geht. Die Nähe zum Vorbild ist signifikant, trotzdem ist eine gewisse abgrenzende Eigenständigkeit von CAFÈ FATAL zu erkennen. Die ergibt sich hauptsächlich aus der Topologie der Cafétische. Wie in einem Pariser Bistro stehen sieben bis 13 Tische auf engstem Raum nebeneinander. Zufällig werden dort die Pizzahäppchen verteilt. Fast nichts wert sind die 30 Käseecken, die einen Gourmetpunkt bringen und als fünfteilige Käsepizza 10 Punkte. Die Salamipizza mit 20 Ecken verdoppelt die Punktwerte, schließlich bleibt die kostbare Heidelbeertorte mit nur zehn Tortenteilen, von denen jedes fünf Punkte wert ist. Wer eine vollständige Torte erwürfelt, ist sofortiger Gewinner, sonst reichen 40 Häppchenpunkte aus, um nach 20 bis 30 Minuten die Würfelschlacht in CAFÈ FATAL zu gewinnen.
Der Zusatzreiz, den die Caféhaus-Würfelei bietet, besteht in der Einschätzung der Startauslage. Wer sieht, dass sich viele andere um Heidelbeertische prügeln, kann sich in Sektoren bewegen, mit denen er mit weniger Konkurrenz schneller an fertige Käse- und Salamipizzen gerät, denn eine Ausbreitung der eigenen Würfel ist nur orthogonal angrenzend zum Starttisch möglich. Identische Augenzahlen eines Spielers dürfen nur an einem Tisch liegen, dafür entscheiden bei Gleichstand höhere Würfelwerte.
Der Würfelreiz mit viel Emotionen am Spieltisch kann auch im CAFÉ nachempfunden werden, allerdings hätte gerade der Zoch Verlag etwas mehr Liebe in die Umsetzung stecken können. Zur Würfelhaptik eines guten Zockerspiels gehören ordentliche Würfel und nicht solche Kleinstausgaben. Das gilt auch für die winzig kleinen Essenshäppchen, das ist Gourmetniveau angepasst und fast nur mit der Lupe erkennbar. Die grafisch sterilen Tischquadrate geben auch nicht viel her, hätten durchaus größer und atmosphärischer ausfallen dürfen. Nicht einmal eine HECKMECK-Schachtel wird damit zur Hälfe gefüllt.
Ich konstatiere durchaus Spielspaß, hätte mir aber eine viel attraktivere Umsetzung gewünscht. Wer LAS VEGAS kennt, wird allerdings beim Originalspiel bleiben.
Wertung: (Über)Nächsten Monat wieder
Titel: CAFÉ FATAL
Autoren: Brett J. Gilbert, Trevor Benjamin
Grafik/Design: Victor Boden / Dennis Lohausen
Verlag: Zoch Verlag
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 1/2018
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