Samstag, 30. November 2019
DER FUCHS IM WALD
Das Stichspiel-Genre hat immer noch nicht ausgereizt. Das beweisen im Augenblick Ideen wie DIE CREW und auch DER FUCHS IM WALD. Stichspiele für zwei Personen sind rar, in letzter Zeit wusste CLAIM zu überzeugen (vgl. meine Besprechung in der Spielerei 119 vom Herbst 2018).
Joshua Buergels FUCHS IM WALD stellt herkömmliche Erwartungen auf den Kopf. Der amerikanische Autor setzt auf einen raffinierten Wertungsmechanismus, der Oma-Blätter und Durchmärsche bestraft und schlechte Karten in einem ganz anderem Licht erscheinen lässt. 33 Karten in drei Farben jeweils mit den Werten eins bis elf reichen ihm für spannende Spielphasen aus. 13 Handkarten stellen sicher, dass eine Runde FUCHS IM WALD nicht durchkalkuliert werden kann. Sieben Karten sind dadurch nicht im Spiel, eine davon wird aufgedeckt und legt die aktuelle Trumpffarbe fest. In der Stichbilanz am Ende bringen null bis drei Stiche sechs Siegpunkte für den Unterlegenen, während der scheinbare Gewinner punktlos nach Hause geht. Schon ein Stich mehr für den „Verlierer“ kehrt die Bilanz um. Der Gewinner erhält dann sechs Siegpunkte, der Verlierer nur noch einen.
Daraus entwickelt sich eine Spannung, die das Spiel oft auf der Kippe zwischen den unteren drei Stichen und den oberen neun oder zehn hält. Buergel toppt dieses Konzept noch durch spezielle Fähigkeiten aller ungeraden Kartenwerte. Die Spezialkarten ändern den Spielverlauf ständig und ergeben ganz eigene Strategien für die Stichrunden. Mit der „1“ kann man recht einfach das Ausspielrecht erwerben, immer dann, wenn diese Karte keinen Stich macht, geschieht das. Die Fuchskarte „3“eröffnet die Option, die Trumpffarbe durch Austausch zu ändern, mit dem Holzfäller „5“ wird eine Karte mit dem Nachziehstapel ausgetauscht. Der Gewinn einer „7“ bringt einen zusätzlichen Siegpunkt, während die Hexenkarte „9“ stets die Trumpffarbe annimmt, sofern sie allein im Stich ist. Mit der Königskarte „11“ zieht man dem Gegner entweder die „1“ oder seine höchste Karte der ausgespielten Farbe aus der Hand. Diese Sonderfunktionen bringen Salz und Pfeffer in den Kartenmix Buergels.
Gespielt wird übrigens laut Empfehlung auf 21 Siegpunkte, kleine Wertungsmarker liegen dem Spiel bei. Für kürzere Runden werden 16 Punkte empfohlen, nach hinten lässt sich DER FUCHS IM WALD über beliebige Etappenlängen spielen.
Die wenigen Regeln machen aus dem Stichspiel ein ganz besonderes psychologisches Duell. Eine Bewertung der Handkarten ist durch die Wechselwirkung der Spezialkarten schwierig, da sich prinzipiell dreimal die Trumpffarbe ändern kann. Man braucht ein Gefühl für die Kartenwirkungen, das sich erst mit der Zeit einstellt. Vor allem ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dass man bewusst auf Verlieren spielen darf. Bis zum sechsten Stich sollte man seine eigenen Rundenpläne verdeckt halten, denn der Gegner kann zu offensichtliches Vorpreschen leicht konterkarieren. Wertungsregelungen und Spezialfunktionen der ungeraden Karten machen aus DER FUCHS IM WALD ein ganz besonderes Stichspiel, bei dem man nicht das Gefühl hat, dass der dritte Mann fehlt.
Eingebunden in eine Märchengeschichte sind die fantasievollen Grafiken der ungeraden Karten gut gelungen, farblich sind mir allerdings die beiden lila Töne der Mond- und Schlüsselkarten zu nah beieinander. Das ist aber auch meine einzige Kritik an diesem außergewöhnlichen Stichspiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DER FUCHS IM WALD
Autor: Joshua Buergel
Grafik/Design: Jennifer L. Meyer
Verlag: Schwerkraft
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 76/2019
Freitag, 29. November 2019
PALM ISLAND
Die Perlen versteckt Kosmos mit seinem Herbstprogramm in den ganz kleinen Schachteln. DIE CREW ist grandios, aber fast ebenso pfiffig und besonders ist PALM ISLAND, ein Solospiel von Jan Mietling über eine „Insel to go“, wie der Untertitel verrät. Alles ist doppeldeutig in diesem Spiel. Thematisch geht es um den Aufbau eines kleinen Dorfes auf einer Palmeninsel. Spielmechanisch läuft alles in unserer Hand ab, der Begriff „palm“ steht dabei für die Handfläche. Wir kennen diesen Begriff auch von Kartentricks. Wer ein guter Zauberer ist, der palmiert Karten, er lässt sie in seiner Hand verschwinden.
So ein bisschen Zauberei steckt auch in der Verbesserung des Kartendecks von PALM ISLAND. Da werden Karten über acht Spielrunden wie altmodische Fahrzeugblinker aus- und eingeklappt und sorgen so für den Bau und die Aufwertung von Wohnhütten und Tempelanlagen.
16 Spielkarten und ein Rundenzähler stellen das Kartendeck am Anfang dar. Prioritär versteht Mietling dabei seine Idee als Solospiel, das wirklich „to go“ und damit überall gespielt werden kann, im Bus, in der Bahn, in der großen Pause oder auch unter der Schulbank. Der doppelseitige und jeweils geteilte Aufbau der Spielkarten lassen eine aufbauende Verwendung zu. Die Karten besitzen alle eine Anfangsausrichtung, werden gemischt und stehen dann in der Handfläche zur Verfügung. Benutzt werden können stets die beiden obersten Karten, die dritte darf man sich ansehen. Nutzung bedeutet, Karten dürfen um 180 Grad gewendet oder auf die Rückseite gedreht werden, das kostet Ressourcen wie Fische, Holz oder Stein. Eben diese Rohstoffe müssen vorher im eigenen Lager sein, indem man sie um 90 Grad nach außen geklappt hat. Maximal vier Rohstoff-Karten darf der Spieler in seinem Lager bereitstellen.
So rotieren die Karten im Stapel stets von vorn nach hinten, bis die Rundenkarte auftaucht, die, ebenfalls gedreht, als aktuelle Rundenanzeige dient. Alle Aktivitäten dienen der Aufwertung der Insel, wobei das Drehen und Wenden vor allem bei den jeweils zwei Wohnhütten und Tempeln Siegpunkte bringt. Die Kosten für die Schlussaufwertung der Tempel auf ein feuerbeschienenes Prachtgebäude von zehn Siegpunkten kostet aber jeweils drei Holz- und Fisch-Ressourcen und sogar vier Steine. Das macht deutlich, dass man zusätzlich die neun Rohstoff-Karten aufwerten und außerdem Hilfskarten wie den Werkzeugmacher, den Markt und den Handelsposten mit einbeziehen muss.
Nach acht Runden wird die aktive Kartenhand bilanziert und bringt Wertungen wie „respektabel“, die sich durchaus auch schon in ersten Runden erreichen lassen. Für Punktwerte über 30 benötigt man schon zwei oder drei Partien, aber auch „überragende“ Leistungen mit 40 Punkten und mehr sind nicht illusorisch. Durch gute Ergebnisse lassen sich Errungenschaftskarten freischalten, die das Spiel variieren. Kooperativ ist durch einen zweiten Kartensatz auch das Bekämpfen von Katastrophen möglich, seine eigentliche Stärke besitzt aber PALM ISLAND als Solospiel.
Dem Zauber von PALM ISLAND kann ich mich nicht entziehen. Anfangs ist zwar das Ein- und Ausklappen und Drehen und Wenden der Karten etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Probleme legen sich schnell. Obwohl das Grunddeck nur aus 16 Karten besteht, ergibt die immer wieder neue Reihenfolge der Inselkarten jeweils andere Anforderungen an den Spielablauf. Der Spielregel-Tipp, sich vor dem Spiel die Positionen der Karten anzusehen, sollte deshalb ernst genommen werden. Die letzte Tempelaufwertung hinzubekommen, erfordert schon kartenlogistische Meisterleistungen. Manchmal möchte man dann zaubern können, um passend einen Handelsposten mit drei Steinen aus der Handfläche hervorzuholen. Die Optimierungsaufgaben auf der Palmeninsel besitzen jedenfalls Suchtcharakter. Ein Solospiel, das dieses Genre aus dem Randbereich in die Hände ganz vieler Spieler bringen könnte.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALM ISLAND
Autor: Jan Mietling
Grafik/Design: Jon Mietling, Mirko Akikra Suzuki
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 2
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 75/2019
Donnerstag, 7. November 2019
COLOR BRAIN
Rolf Mutter hat schon viele erfolgreiche Spielideen für den Schweizer Verlag Game Factory entdeckt. Dazu gehören Spiele wie BELLZ, KLASK und SLEEPING QUEENS. Im aktuellen Programm 2019 fällt vor allem das 2017 bei der englischen Firma Big Potato erschienene COLOR BRAIN auf.
Der Autor Tristan Williams hatte die pfiffige Idee zu einem Farbquiz. Das Lösungspotential haben alle auf der Hand, dazu bekommt jeder der vier Spieler oder Teams ein Farbkarten-Set aus elf Karten. Zusätzlich gibt es noch eine spezielle Farbkopierer-Karte. In einer Box mit Sichtfenster stecken 75 doppelseitige Fragenkarten, die durch weitere 75 Karten ergänzt werden können.
Da wird zum Beispiel nach der unbeliebtesten Autofarbe bei den Neuzulassungen 2017 gefragt. Wer meint, braune Fahrzeuge seien besonders unbeliebt, irrt, es gibt andere Farben, die deutlich weniger nachgefragt sind. Jeder sucht sich aus seinem Kartenset, die vermutete Farbe aus. Nachdem die verdeckt abgelegten Karten aufgedeckt sind, darf ein Spieler, der einen einmalig spielbaren Farbkopierer gespielt hat, diesen durch eine Farbkarte ergänzen und dann wird gewertet. Jede falsche Antwort bringt einen Gewinnpunkt, der auf einem Wertungsblock abgetragen wird. Sollten alle richtig liegen , erhält keiner Punkte. Dafür gibt es aber in der nächsten Spielrunde einen zusätzlichen Gewinnpunkt.
Flaggen, Serien, Musik, Comics, Computerspiele und vieles andere, die Fragen sind teilweise schon sehr speziell. Deshalb macht COLOR BRAIN als Teamspiel auch mehr Spaß, weil sich so Wissensdefizite besser ausgleichen lassen. Bei vielen Fragen reicht eine Antwort nicht aus. Wer weiß, wie viele Farben im Regenbogen nicht vorkommen, muss schon fünf richtige Karten in seinem Antwort-Set haben.
COLOR BRAIN lebt von den Überraschungen, vom Hervorkramen aus dem Unbewussten, beispielsweise wenn nach den Nutella-Farben gefragt wird. Da müssen Bilder im Kopf entstehen, denn sofort hat man die passenden Farben meist nicht parat. Damit wird Williams Idee zu einem ganz besonderen Quiz, das mit 15 Gewinnpunkten zu dritt und zu viert viel zu schnell vorbeigeht.
Das ist im Augenblick noch der größte Nachteil von COLOR BRAIN, 300 Fragen sind zu wenig und recht schnell durchgespielt. Die Game Factory arbeitet hoffentlich schon an Ergänzungsfragen. Zum „Spiel des Jahres“ wird es nicht reichen, auch wenn nach den Hauptfarben der Logos der Jury gefragt wird, aber im Partyspielbereich wird das unterhaltsame COLOR BRAIN seinen Platz finden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: COLOR BRAIN
Autor: Tristan Williams
Grafik/Design: Big Potato Games & Game Factory
Verlag: Game Factory
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 12
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 23 Euro
Spiel 74/2019
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