Donnerstag, 27. Februar 2020
VIGO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zwei Spieleautorinnen auf Schatzsuche
Das neue Jahr ist erst wenige Tage alt, da kommen schon vor der Spielwarenmesse in Nürnberg, die Anfang Februar die große Neuheitenschau für den Freizeitbereich Spiel sein wird, erste Brettspielneuheiten in die Spieleläden. 1994 beginnt vielversprechend: VIGO (Amigo), eine gelungene Kooperation zweier Spiele-Autorinnen, wobei Edith Grein-Böttcher eine neue Variante zum Thema spielerische Schatzsuche vorlegt und die Spielautorin Doris Matthäus für die gelungene graphische Gestaltung gewonnen werden konnte. MEMO-Leistung, die die Autorin mit zahlreichen taktischen Varianten verknüpft, machen VIGO zu einem hervorragenden Familienspiel.
Worum geht es? Schatzsuche ist ja auch in unseren Tagen noch ein Abenteuer der Moderne, ob Taucher zur "Titanic" vordringen, U-Boote aus der Nazizeit gehoben werden oder der sagenhafte Karibikschatz des spanischen Königshauses, der 1702 kurz vor der Kaperung durch die Engländer in der Bucht von Vigo versenkt wurde, gesucht wird. Dieses spielerische Abenteuer nehmen zwei bis sechs Spieler mit ihren Bergungsschiffen auf sich, um aus 108 Spielkärtchen, die am Anfang auf einem 9 mal 12 Felder großen Plan verteilt werden und eine blaue Wasserfläche ergeben, möglichst wertvolle Schatztruhen zu rekonstruieren. 24 dieser Kärtchen sind Ereigniskarten, die übrigen sind Überreste der verstreuten Schatztruhen, ihre Deckel, Böden, Schlösser, Schlüssel und Schätze. Die Schiffe können horizontal und vertikal ein bis sechs Felder weit fahren. Die Karte des Zielfeldes nimmt der Spieler dann an sich. Aus den Schatzkarten versucht er möglichst hochwertige Schatztruhen zu rekonstruieren, für die es einen etwas umständlichen Wertungsmechanismus gibt, an den man sich aber mit der Zeit gewöhnt.
Damit man nicht nur einfach ins Blaue hineinfährt und gezielter für seine Schatzsuche plant, bzw. wertvolle Schatzsammlungen der Mitspieler verhindern kann, bringen die Fahrtrouten der Schiffe ein Umdecken der noch liegenden Kärtchen mit sich. Fährt ein Spieler mit seinem Schiff sechs Felder, werden die dazwischen liegenden fünf Kärtchen erst einmal aufgedeckt. Lagen dort offene Spielkarten, werden diese wieder verdeckt gelegt. Mit Ereigniskarten lassen sich ganze Reihen umdrehen, kann man auf beliebige freie Felder springen und mit Piratenkarten auch Kärtchen entwenden. Das Spielende wird ebenfalls über die Ereigniskarten reguliert. Sechs Segelschiffe steuern die Bucht von VIGO an. Ist die sechste Karte aufgedeckt, endet das Spiel in der Regel sofort. Da mehrere Schatztruhenwertungen während des Spiels erfolgen, lässt sich der aktuelle Spielstand sofort an Wertungsmarkierungen, die um die Bucht von VIGO laufen, ablesen. Spieltaktisch spielt dies eine große Rolle.
Die von Doris Matthäus gezeichnete überbordende Schatztruhe auf der Spielschachtel spiegelt es gut wider: Mit diesem Spiel hat Edith Grein-Böttcher einen Spieleschatz gehoben, der zudem noch ganz preisgünstig erworben werden kann.
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1994 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Titel: VIGO
Autorin: Edith Grein-Böttcher
Grafik/Design: Doris Matthäus
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: 30 Minuten
Preis: ca. 25 DM
Spiel 1/1994 R 14/2020
Mittwoch, 26. Februar 2020
HYLE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HYLE - Das Spiel des Aristoteles
HYLE - Das Spiel des Aristoteles
Wer kennt es nicht, das Durcheinander, das von Zeit zu Zeit auf dem Schreibtisch herrscht.
Wo ist denn die verdammte Telefonnummer, eben hatte ich sie doch noch in der Hand. Ehefrau, Kinder, Hund und Katze werden beschuldigt, bis der kleine Zettel neben dem Papierkorb vom Jüngsten aufgehoben wird. Der Chaosmacher war wieder einmal am Werk.
Spielerisch nachempfinden lässt sich das Chaotisieren seit kurzem in einem vorzüglichem kleinen Spiel für zwei Personen von Eric Solomon: HYLE. Für Aristoteles war "Hyle" [gr. Holz oder Wald] der Urstoff, der noch formbar war. Und um Formbares geht es auch in dem Spiel: 25 verschiedenfarbige Holzscheiben sollen möglichst geformt, strukturiert auf einem Spielplan von fünf mal fünf Feldern geordnet werden.
Ein Spieler, der "Mustermacher", versucht möglichst erfolgreich Strukturen auf dem Spielplan zu entwickeln, der "Chaosmacher" verhindert dies, so gut er kann. Dazu holt er jeweils einen Stein aus einem Stoffsäckchen, in dem zu Beginn alle Spielsteine stecken, und platziert ihn auf dem Spielfeld. Der "Mustermacher" darf jeweils einen Stein auf dem Spielplan versetzen, mit dem Ziel, symmetrische farbige Muster in den waagrechten und senkrechten Reihen aufzubauen. Der nächste Stein des "Chaosmachers", richtig platziert, kann die schönsten Musterideen aber schon wieder zerstören.
Für beide Spieler steht genügend Denkarbeit an, bis die 25 Steine gesetzt sind und eine Wertung erfolgt. Die Revanche ist mit eingeplant, der "Chaosmacher" wird in der zweiten Runde zum "Mustermacher".
Ein brillantes Denkspiel, das zu mehreren Wiederholungen herausfordert. Es ist dank der Initiative des Franjos-Verlags zum ersten Mal in Deutschland erhältlich, Vorzüglich produziert, zudem noch zu einem akzeptablen Preis. Von ähnlicher Qualität hat der Verlag noch ein zweites Spiel Eric Solomons veröffentlicht, BLACKBOX, das vor etwa zehn Jahren als LOGO bzw. ORDO auf dem Markt war.
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1991 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
„Dr. Eric Solomon, Jahrgang 1935, ist Engländer, genauer gesagt Londoner, und als solcher hatte er schon immer eine große Schwäche für Sport und Spiel, worunter seine berufliche Karriere wie auch sein Seelenfrieden sehr zu leiden hatten, wie er behauptet.
Das ist jedoch etwas übertrieben: Mit nur 24 Jahren promovierte er im Fach Mathematik, arbeitete dann zunächst erfolgreich in einem Rechenzentrum, bis er sich 1965 als DV-Consultant selbständig machte.
Als Mathematiker ist Solomon bemüht, seinen Spielen eine besonders klare und einfache Struktur zu geben, ohne dass sie dadurch etwa selbst zu einfach oder langweilig würden.
Die schönste Belohnung der mühsamen (und zumeist schlecht bezahlten) Arbeit eines Spiele-Autors sieht Eric Solomon darin, dass er sicher sein darf, vielen spielenden Menschen eine Menge Freude bereitet zu haben und so möglicherweise ihr Weltbild ein kleines bisschen mit beeinflusst zu haben.
Vor allem in den 70er und frühen 80er Jahren erschienen eine ganze Reihe von Eric Solomon-Spielen auch in Deutschland.
Sein erstes publiziertes Spiel war SIGMA FILE, das in der deutschen Erst-Ausgabe AGENT hieß. Es zählt in Fachkreisen zu den bedeutendsten modernen Spiele-Klassikern überhaupt. 1991 war das Spiel in Deutschland als CASABLANCA wieder zu haben.
Größere Verbreitung fanden BALLONRENNEN und vor allem ALASKA, beide im Ravensburger-Verlag erschienen.
In Eric Solomons Heimat England war sein erfolgreichstes Spiel vermutlich BLACK BOX, das seit 1990 gleichzeitig mit HYLE im franjos-Verlag erschien. Das 1993 bei franjos erstveröffentlichte Känguru-Rennen BILLABONG schaffte 1994 sogar den Sprung auf die Auswahlliste der Jury "Spiel des Jahres".“ (Quelle franjos)
Titel: HYLE
Autor: Eric Solomon
Grafik/Design: Franz-Josef Schulte
Verlag: Franjos Verlag
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: 45 Minuten
Preis: ca. 30 DM
Spiel 1/1991 R 13/2020
Dienstag, 25. Februar 2020
CHAMÄLEON
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wer meinte, das Thema Schach und Schachvarianten sei schon ausgereizt, der konnte sich auf der "Spiel '90" in Essen eines Besseren belehren lassen. Ein kleiner Stand eines neuen Spieleverlages (VSK; Verlag für Spiel und Kunst) war ständig umlagert, obwohl nur ein einziges Spiel vorgestellt wurde: CHAMÄLEON.
Das CHAMÄLEON entpuppt sich sehr schnell als eine überaus gelungene Schachvariante: Gespielt wird mit vier Spielfiguren auf 64 farbigen Quadraten. Wie ein Chamäleon verändern die Spielsteine ihre Bedeutung beim Wechsel auf ein andersfarbiges Spielfeld. Jede Spielfigur kann so als CHAMÄLEON zur "Dame" werden, als "Raupe" zum "Turm", als "Käfer" zum Läufer" und als "Schmetterling" zum "Springer". Dieses Wechselspiel eröffnet ständig neue, verblüffende Situationen, die das Spiel sehr schnell werden lassen, zumal der Spielplan sich ständig verengt. Die Verkleinerung des Rollplans aus Skai ist eine besonders raffinierte Idee. Wird eine Randreihe frei von Spielfiguren, verschieben die Spieler Spielplanbegrenzungsstege, so dass am Ende meist nur noch neun Quadrate übrigbleiben. Auf dem schrumpfenden Spielfeld wird es dann gar nicht mehr so einfach, ein sicheres Plätzchen zu finden. Eine gelungene Herausforderung nicht nur für Schachfreunde.
Als Chamäleon erwies sich im Übrigen auch der Autor, der anonym mit diesem Erstling in den westdeutschen Spielemarkt einsteigen wollte; es hätte ja auch ein Flop werden können. Wolfgang Großkopf, ein Spielerfinder aus Erfurt, hat inzwischen Farbe bekannt. Das erste Spiel eines Autors aus der ehemaligen DDR auf dem Westmarkt macht Lust auf weitere!
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1990 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Das Multitalent Großkopf, der nicht nur Spieleautor war, sondern auch als Kleinkünstler und Flohzirkusbesitzer unterhielt, ist leider am 1. Januar 2019 im Alter von 82 Jahren verstorben.
Großkopf veröffentlichte schon zu DDR-Zeiten Spiele, bekannt ist vor allem sein 1981 bei Plasticart erschienenes TRAIN. Außergewöhnlich waren auch seine äußerst aufwändig hergestellten Prototypen, von denen er viele 2011 in Göttingen vorstellte.
1990 nahm er erstmalig am Spieleautorentreffen in Göttingen teil, wo sein Spiel CHAMÄLEON Aufmerksamkeit fand und vom gerade in Neu-Anspach gegründeten Verlag VSK (Verlag Spiel und Kunst)übernommen wurde. Beim Deutschen Spielepreis 1991 kam CHAMÄLEON auf den 7. Platz.
Titel: CHAMALEON
Autor: Wolfgang Großkopf
Grafik/Design: Axel Gesinn
Verlag: VSK-Erwachsenenspiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 30 Minuten
Preis: ca. 35 DM
Spiel 1/1990 R 12/2020
Donnerstag, 20. Februar 2020
ALEXANDER DER GROSSE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
In einer Stunde zum Indus: Eroberungen im Schnelldurchgang
Ronald Hofstätter und Dietmar Keusch ist ein erstaunlich zügiges Nachspiel der Feldzüge Alexander des Großen gelungen. Das, was den großen Feldherren ausgezeichnet hat, dass er zwischen seinem zwanzigsten und dreiunddreißigsten Lebensjahren die damaligen Großreiche Persien, Ägypten und Indien bezwang, spielt sich in verdichteter Form in schnellen Eroberungsetappen innerhalb von 90 Minuten ab. Eingespielte Runden gelangen sogar in einer Stunde bis zum Indus. Gespielt wird nicht bis zum bitteren Ende, der Rückmarsch nach Babylon und Alexanders Tod 323 v. Chr. wird den Historikern überlassen.
Zwei bis fünf Spieler können sich dem Eroberungszug Alexanders anschließen. Gegner tauchen im eigentlichen Sinne nicht auf, die Heere fetzen sich weder am Granikos noch bei Gaugamela, die spielerischen Feinde stehen in den eigenen Reihen. Der Machtkampf der Diadochen wird gewissermaßen vorweggenommen. Letztlich geht es um Provinzeroberungen, Städtegründungen und Tempelbau in den sechs Regionen des Alexanderreiches.
Hofstätter und Keusch haben in Zusammenarbeit mit Phalanx Games ein schnell zugängliches Spielkonzept entwickelt. Entscheidend für die Steuerung des Spiels sind 15 Ressourcen-Steine, die jeder Spieler vor Beginn der Eroberung einer Region geschickt auf einem Tableau hinter einem Sichtschirm verteilen muss. Zur Verfügung stehen vier Einflussbereiche, da geht es einmal um die Festlegung der Spielreihenfolge, dann um den Einsatz von Armeen und um Tempelbau und Städtegründungen.
Der große Spielplan ist in sechs Regionen aufgeteilt, die zwischen vier und sechs Provinzen umfassen. Die Eroberung einer Region dauert maximal drei Spielrunden, in vier Provinzen kann aber schon nach einer Spielrunde Schluss sein. Der Startspieler und die dann folgenden Spieler ziehen mit der von ihnen festgelegten Anzahl von Armeen in die erste Provinz einer Region. Bei einem Spiel um den Strategen Alexander ist das natürlich Makedonien. Von dort aus können sie sich in maximal zwei weitere Provinzen bewegen, sie dürfen dabei Armeen zurücklassen, müssen zum Teil aber beim Überwinden schwierigen Geländes Ressourcen aus den Bereichen Tempelbau oder Stadtgründung bezahlen. Nach der Bewegungsphase dürfen die Spieler in besetzten Provinzen ihr Interesse am Tempelbau oder der Gründung einer Stadt kundtun. Sobald alle Beteiligten mit ihren Armeen gezogen sind und von ihren Optionsrechten Gebrauch gemacht haben, endet eine Spielrunde mit ersten Provinzwertungen. Punkte, die auf einer Wertungsleiste sofort angezeigt werden, erhalten die Beteiligten für die Armeemehrheit in einer Provinz (2 Punkte), für den Tempelbau (3 Punkte) und für eine Stadtgründung (5 Punkte). Ob ein Tempel oder eine Stadt gebaut werden kann, hängt einmal von den Provinzen selbst ab, die ein entsprechendes Bausymbol besitzen müssen, dann aber auch von den notwendigen Ressourcen, die diese Bauvorhaben kosten. Für einen Tempelbau muss mindestens ein Ressourcenstein im Tempelbaufeld liegen, bei der Stadtgründung sind es sogar zwei. Richtig teuer wird es, wenn die Spieler um solche Bauten konkurrieren, was in der Regel der Fall ist Der Spieler, der die meisten Ressourcensteine besitzt, darf bauen, zahlt aber so viele Steine wie der an zweiter Stelle liegende Spieler besitzt plus eine weitere Ressource. Wird nur eine Runde gespielt, ist das nicht so tragisch. Da es in einigen Regionen aber mindestens zwei Runden gibt und die Steine nach jeder Rundenwertung neu verteilt werden dürfen, muss ein früher großer Aderlass gut überlegt sein. Er lohnt sich meist bei den Stadtgründungen, denn die dürfen nur einmal in einer Provinz vorgenommen werden. Tempel können in jeder Spielrunde erneut gebaut werden. Ist in einer Region die besonders gekennzeichnete Übergangsprovinz erreicht, endet die Eroberungsphase nach der abschließenden Wertung. Alle Spieler erhalten ihre Ressourcensteine zurück und machen sich hinter ihren Sichtschirmen bereit zur nächsten Etappe. So werden sechs Regionen bis zum Spielende abgewickelt, wobei die Schlusswertung immer mit im Blick sein sollte. Für die meisten Städte gibt es nämlich zehn und für die meisten Tempel 15 Extrapunkte. Außerdem werden alle Regionen noch einmal mit fünf Punkten in Hinblick auf Städte- und Tempelmehrheiten belohnt. Beliebig sind diese Bauten im Übrigen nicht, da jeder Spieler nur zehn Tempel und acht Städte besitzt. Spielsieger ist der mit den meisten Punkten. „Er darf sich Alexander der Große nennen“ oder zumindest für sich behaupten, er konnte am besten mit seinen Ressourcen haushalten.
Die Ausstattung des Spiels ist gut: Holzspielmaterial, gelungene grafische Aufbereitung, wenn man von den kantig gesetzten Zahlen absieht, die zum Teil eher an Buchstaben erinnern,. Eine ordentliche Spielregel, die aber zum Nachschlagen nicht so gut geeignet ist, dafür gibt es eine übersichtliche Kurzspielregel, die allerdings nur einmal vorhanden ist. Die Sichtschirme sind leider etwas schmal geraten.
ALEXANDER DER GROSSE ist ein taktisches Schmankerl. Die Ausgangspositionen sind für alle Spieler gleich, der Glücksfaktor ist völlig ausgeschaltet. Dieser Vorzug ist gleichzeitig ein Nachteil des Spiels, da der Einsatz der Ressourcen-Steine gut überlegt sein will und daher dauern kann. Besonders bei voller Spielrunde kann die Planungsphase einige Zeit kosten. Die Optionen, die sich dann aber aus dem Spiel heraus ergeben, sind erstaunlich vielfältig und lassen in allen Zusammensetzungen einen spannenden Spielablauf zu. Die Festlegung der Spielreihenfolge ist dabei oft von entscheidender Bedeutung. Wer hier investiert und dann als letzter Spieler in die Spielrunde geht, kann auf Entscheidungen seiner Mitspieler reagieren, zumal die Investitionsvorgaben dann offenbart und Zusatzkosten beglichen sind. Raffiniert gelöst, sind die kostenintensiveren schnellen Eroberungszüge, so lässt sich der Persien-Feldzug durch sofortigen Einmarsch in die Provinz Media schon nach einer Spielrunde beenden. Dieser Weg kostet aber vier Ressourcen, die den Tempel- oder Städtefeldern entzogen werden müssen. Von Interesse kann außerdem die Seewegnutzung sein, dadurch können Spieler zum Beispiel den kleinasiatischen Feldzug nach Syrien auf eine Spielrunde verkürzen: Wer so aus der Hinterhand zweimal drei Ressourcen für die Schiffsbenutzung opfert, kann bei günstiger Konstellation sogar zwei Städtegründungen schaffen. Alles hängt letztlich aber von den Aktionen der Mitspieler ab, auf die man sich immer wieder neu einzustellen hat. Zwar tüftelt jeder an seiner strategischen Vormarschleistung erst einmal individuell vor sich hin, dann zeigen sich aber besonders beim Spiel zu viert und zu fünft, die nicht unbedingt angelegten, sich aber aus dem Spielablauf ergebenden kommunikativen Stärken des Spiels. Da werden mehr oder weniger sinnvolle Tipps gegeben, kurzfristige Allianzen geschmiedet, langsame Feldzüge abgesprochen, bis dann am Ende das große Rechnen losgeht und doch wieder jeder gegen jeden antritt. Kleinere Fehler verzeiht das Spiel, da die Chancen für den Neuanfang in jeder Region wieder für alle gleich sind. Wer es aber in zwei Regionen versäumt, Tempel oder Städte zu bauen, was vor allem im Spiel zu fünft durchaus häufiger passieren kann, hat keine Chancen mehr auf den Spielgewinn. Ein solcher Feldherr spielt dann nur noch mit, kann allenfalls Zünglein an der Siegeswaage sein, was dem Spiel nicht unbedingt guttut. Trotzdem möchte ich allen Freunden der einfacheren strategischen Kost dieses Spiel ausdrücklich empfehlen. Wer kurzweiliges taktisches Geplänkel mag, wer dabei gern auf den Risikofaktor Würfel verzichtet, der wird seine Freude am Nachspielen der Feldzüge Alexanders haben.
Titel: ALEXANDER DER GROSSE
Autor: Ronald Hofstätter, Dietmar Keusch
Grafik/Design: Franz Vohwinkel
Verlag: Phalanx Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: 90 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals sehr freundliche 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 3/2005 R 6/2020
Mittwoch, 19. Februar 2020
PERFECT MATCH
Dass Spieler auf einer Wellenlänge schwimmen, war Wolfgang Warsch schon wichtig bei seinem Kultspiel THE MIND. In WAVELENGTH kommt es erneut genau darauf an, man muss sich telepathisch eingrooven, um die Signale des Senders zu verstehen, und dann geht es um genaue Justierung wie bei einem alten Röhrenradio, wenn man den Sender sucht. Fantastisch ist, dass alle spielmechanisch den Eindruck haben, sie sitzen vor einem Volksempfänger und drehen an dessen Zeigeranzeige.
Von Anfang an: Zum einen gehört es sich, dass ich neben dem in Deutschland bekannten Warsch seine Teamkollegen erwähne. Alex Hague und Justin Vickers sind in den USA für die vielen Varianten ihres tabuähnlichen Personenratespiels MONIKERS ebenso berühmt wie Warsch bei uns. Für die New York Times ist ihr MONIKERS „das perfekte Partyspiel“. Im Ranking dieses Genres liegt ihre 2015 erschienene Idee bei BGG zurzeit auf den siebten Platz.
Vor einem Jahr startete für WAVELENGTH eine Kickstarter Kampagne, die im März mit 8600 Unterstützern und eine Finanzierungssumme über 324.000 $ endete. Damit konnte der Zielbetrag verzehnfacht werden. Durch die Kontakte, die Torsten Gimmler, ehemaliger Chefredakteur bei Schmidt Spiele, seit seinen Erfolgen für GANZ SCHÖN CLEVER oder die QUACKSALBER VON QUEDLINBURG zu Wolfgang Warsch hat, bekam der Berliner Verlag die deutschen Rechte. 2020 wäre WAVELENGTH womöglich beim neuen Arbeitgeber von Gimmler in Ravensburg gelandet.
Eingedeutscht hat der Berliner Verlag den Titel leider nicht unter der direkten Übersetzung WELLENLÄNGE, was perfekt passen würde, sondern mit PERFECT MATCH den deutschen Markt mit hier unnötigen Anglizismen konfrontiert. Dann hätte man doch gleich bei WAVELENGTH bleiben können, zumal der englische Begriff auf der Rückseite der Drehscheibe weiterhin auftaucht. In Hinblick auf Kritik an dem Spiel bin ich damit aber schon fast fertig.
PERFECT MATCH geht in die Richtung von Partyspielen mit Einschätzungskomponenten. Zentrales Objekt ist eine Zeigertafel, die optisch tatsächlich an einen alten Volksempfänger erinnert. Im Sendersuchlauf gibt es einen kleinen drehbaren Zielbereich, der ca. 20 Prozent der sichtbaren Skala ausmacht und je nach Zufallsdrehung einmal eher im linken, mittleren oder rechten Sektor der Bandbreite auftauchen kann. Die Skalierung des Zielsektors enthält fünf Segmente mittig um den Wertungssektor „4“ angeordnet, jeweils rechts und links davon gibt es zwei oder drei Punkte.
Das im Teamprozess entstandene Spiel funktioniert im gegeneinander von zwei Teams oder im Miteinander kleiner Gruppen. Ein Tippgeber erhält eine Tippkarte mit gegensätzlichen Begriffen wie „laut und leise“ oder „Bösewicht und Held“. Er dreht dann verdeckt das Skalierungsrad und ordnet dem Skalenstand eine für das Team nachvollziehbare Lösung zu. Ist die Skala eher auf der rechten Seite zu sehen, wählt er im ersten Fall ein „Schlagzeug“ aus. Tendiert die Anzeige ganz nach links, gibt er eventuell den Tipp „Schneefall“. Danach verschließt er mittels einer Abdeckung, die eingedreht wird, den Anzeigenbereich und präsentiert seinem und dem gegnerischen Team die Aufgabe. Seine Crew wird diskutieren, wie es den roten „Wellensucher“ einstellen wird, um möglichst exakt seine Wellenlänge zu treffen. Steht ihre Anzeige, geben die Gegner einen Tipp ab, ob sie das Ergebnis eher rechts oder links vom Zeiger sehen. Erst dann enthüllt der Tippgeber seine Einstellung. Je mittiger sein Team den Zielsektor getroffen hat, umso mehr Punkte erhält es. Die gegnerische Mannschaft bekommt bei korrekter Vorhersage einen Punkt. Im Anschluss wechselt die Aufgabe zum zweiten Team. Gespielt wird auf zehn Siegpunkte, die innerhalb der Spielschachtel, in der auch die Scheibe steht, angezeigt werden. Kooperativ bearbeiten alle sieben Karten, die durch Zentrumstreffer mehr werden. Ab 19 Punkten schwimmt die Gruppe auf einer Wellenlänge, kann sich aber bis zur „Gedankenverschmelzung“ steigern, an die man sofort eine Runde THE MIND anschließen sollte.
Herz des Spiels ist die Plastikanzeige mit der Drehscheibe und dem „Wellensucher“, das Gerät funktioniert gut, besitzt aber ein Anzeigedefizit. Da der Zielsektor in der Mitte der Farbanzeige liegt, kommt es bei Extremwerten zu Irritationen. Wenn die Skala sich vollständig im rechten Sektor befindet und wir beispielsweise bei der Zuordnung aus dem oberen Beispiel, die Lautstärke eines startenden Eurofighters eingestellt haben möchten, dann ist die Gefahr einer Einstellung im ganz rechten Sektor groß. Das wäre dann falsch, da durch die Einteilung der Skala äußerst rechts nur zwei Punkte zu erreichen sind. Darüber müssen alle informiert sein. Die Spielregel äußert sich zu diesem Problem aber nicht. Im Gegenteil, sie lässt sogar zu, dass rechts oder links vom mittleren Bereich die Farbskalen nicht zu sehen sein müssen. Das ist unsinnig, weil damit die Grenzbereiche überhaupt nicht mehr kalkulierbar sind. Im Augenblick muss die Scheibe neu gedreht werden, wenn „der blaue Bereich (Mittelpunkt) des Zielbereichs nicht komplett sichtbar“ ist. Das würde ich generell ändern in:
Alles andere macht PERFECT MATCH richtig. Das Konzept ist äußerst originell, die Regeln und damit der Zugang zum Spiel sind ganz einfach. Da die Gegensatzpaare in ihrer Zuordnung von Begriffen abhängig sind, die sich aus der jeweiligen Lage der Skala ergeben reichen die knapp 200 Gegensätze erst einmal lange aus. PERFECT MATCH lebt von der Gruppe, von den Gesprächen über die Einschätzungen und die Vermutungen über die Gedanken des Tippgebers und den Diskussionen danach. Der Tippgeber steht bei der Suche nach einem passenden Begriff unter stärkerem Druck als die diskutierenden Spieler seines Teams. Manchmal möchte er am liebsten das Drehrad neu bewegen, um eine günstigere Zieleinstellung zu erreichen. Die andere Seite hat den Ratespaß. Ihre soziale Interaktion ist die Stärke des Spiels, sowohl für den zuhörenden Tippgeber als auch für das gegnerische Team, denn das bleibt nicht außen vor, sondern kann mit dem richtigen Tipp von dieser Runde ebenfalls partizipieren. Der Moment der Enthüllung ist dann wahrlich der Höhepunkt, der zelebriert wird. Wie bei einer Theateraufführung wird der Vorhang aufgezogen, wenn das Ergebnis enthüllt wird. Das hat etwas Besonderes und beweist die ganzen Qualitäten von Warsch & Co. .
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PERFECT MATCH
Autor: Alex Hague, Justin Vickers, Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Nan Na Hvass, Sofie Hannibal
Verlag: Schmidt Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 12
Spielzeit: 45 Minuten
Preis: ca. 39 Euro
Spiel 13/2020
(Seite 1 von 1, insgesamt 5 Einträge)