Donnerstag, 2. April 2020
MASKENBALL DER KÄFER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kinderspiel des Jahres: MASKENBALL DER KÄFER
Vor 13 Jahren hat die Firma Selecta ihre letzte große Auszeichnung für ein Kinderspiel aus ihrem Hause erhalten, damals für das wunderschöne GUTE FREUNDE des Altmeisters Alex Randolph. 2002 durfte sich der Verlag mit seiner Redakteurin Katja Volk und der Autor Peter Paul Joopen erneut über den obersten Platz auf dem Siegertreppchen freuen. Für Joopen war es ebenfalls schon die zweite Auszeichnung. Der Ingenieur der Elektrotechnik aus Zülpich hat gerade einmal drei Spiele bei Verlagen unterbringen können und zwei davon sind „Kinderspiel des Jahres“ geworden. Hätte es 1997 schon die Auswahlliste gegeben, wäre sein erstes Spiel WILLI WICHTEL (Amigo) mit Sicherheit mindestens auf der Liste gelandet. Zwei Jahre später hat er für KAYANAK (Haba) den Kinderspielpreis erhalten. Auf seiner Homepage (www.joopen.de) beschreibt er spielerisch seinen Werdegang: „1986 wollte ich dann doch nicht DAS LETZTE KAMEL sein. Also ging ich zum HEXENTANZ und suchte mir eine DAME. Da wir uns eine VOLLE HÜTTE wünschten und noch kein TABU kannten, übten wir uns in FAMILIENSPIELE. Da die Spielregel jedoch sehr komplex ist, kam unsere MISSISSIPPI QUEEN erst im Jahre 1992. Zwei Jahre später folgte dann der JADE KÖNIG und wir waren alle IM 7. HIMMEL. Heutzutage halten mich SOLCHE STROLCHE stets AUF TRAB. Darum geht es oft DRUNTER & DRÜBER.“
Beim 2002 ausgezeichneten Spiel MASKENBALL DER KÄFER nutzt der Autor seit langer Zeit einmal wieder die Kräfte des Magnetismus. Zuletzt wurde das Prinzip des Abstoßens und Anziehens 1991 mit FORMICA perfekt umgesetzt. Thematisch und gestalterisch ist dieses Prinzip noch nie so schön dargeboten worden wie in Joopens Maskenball. Acht Marienkäferfiguren sind mit Magnetmündern ausgestattet, die die Anziehungskraft durch einen plastischen „Kuss“ zum Ausdruck bringen, die Ablehnung mit einer deutlichen Kehrtwendung.
Die acht Marienkäfer starten von Blütenblättern aus zum Maskenball. Damit sie möglichst bunt verkleidet dort erscheinen, tauschen sie ihre anfangs fünf einfarbigen Käferpunkte – kleine Holzstäbchen – in verschiedenfarbige. Dazu müssen sie sich untereinander besuchen, mögen sie sich, dürfen sie Stäbchen tauschen, falls sich einer abwendet, geht’s zurück zum eigenen Blütenblatt. Der Spielmotor ist ein Drehpfeil, der auf dem Spielplan angebracht ist. Solange der Pfeil auf ein Blütenblatt gedreht wird, darf der dort sitzende Marienkäfer zu einem anderen Käfer fliegen und sein Tauschglück versuchen. Bleibt der Pfeil aber zwischen zwei Blütenblättern stehen, kommen Ameisen ins Spiel, die sich ebenfalls am Maskenballbüfett laben wollen. Dadurch erhält das Spiel einen leicht kooperativen Touch.
Eigentlich nur fremdgesteuert durch das Drehen des Pfeils, ist das Bestreben der Kinder trotzdem groß, mit den acht Marienkäfern schneller vollständig zum Fest zu erscheinen als die sieben Ameisen. Da helfen sich die Kinder untereinander und geben die richtigen Tipps, bei welchen Käfern Kusserfolge garantiert sind. Die Spielgeschichte mit den Käferküssen kommt bei Kindern hervorragend an, sie sorgt für Spielspannung und Spielatmosphäre, die sogar erwachsene Mitspieler nicht kalt lässt. Viel besser kann Spielfreude über das Spielmaterial und über die Spielgeschichte nicht transportiert werden.
Wieland Herold
Titel: MASKENBALL DER KÄFER
Verlag: Selecta
Autor: Peter Paul Joopen
Grafiker: Barbara Kinzebach
Spieler: 2 - 6
Dauer: ca. 15-20 Minuten
Alter: ab 4 Jahren
Preis: ca. 30.- Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/2002 R 30/2020
Die Erfolgsquote des Autors hielt an. Bis heute hat er gerade einmal sechs Spiele veröffentlicht. Die Hälfte davon hat hohe Auszeichnungen gewonnen, zuletzt KAKERLAKAK, das den Deutschen Kinderspielpreis gewann, den österreichischen Preis „Spiel der Spiele“ und den Toy Innovation Award in Nürnberg.
Eine Neuauflage von MASKENBALL DER KÄFER erschien 2015 bei Pegasus.
Das Bild stammt von der Preisverleihung 2002, links ist die Redakteurin Katja Volk zu sehen.
Mittwoch, 1. April 2020
DIE SEIDENSTRASSE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Abenteuer Seidenstraße?
Der älteste interkontinentale Fernhandelsweg der Menschheit, der einstmals Europa und Asien verband, „das bedeutendste Band, das es je auf Erden zwischen Völkern und Kontinenten gab“, wie es der Forschungsreisende Sven Hedin bezeichnet hat, war die Seidenstraße. Ein uralter Karawanenweg von einer Oase zur anderen, von einer Wasserstelle zum nächsten Brunnen, der nicht nur zum Austausch von Waren, der beliebten Seide aus China, den fernöstlichen Gewürzen diente, sondern auch Ideen, Kunststile und Religionen transportierte. Ein wundervolles Spielethema, das Schmidt Spiele in diesem Jahr aufgegriffen hat, das aber auch Erwartungen weckt.
Dem Spiel des Berliner Nachwuchsautors Hartmut Kommerell fehlt etwas der Stallgeruch, der atmosphärische Dung, das Knistern der Seide, die abenteuerliche Spannung einer Wüstendurchquerung. DIE SEIDENSTRASSE ist letztlich ein abstraktes Laufspiel mit einem integrierten Wertungsmechanismus, der allerdings interessante Aspekte enthält.
Damit ist nichts gegen die Spielidee gesagt, die der Autor dem Verlag geliefert hat, nur eignet sie sich wahrscheinlich besser für ein Fahrradrennen mit Zwischenspurts und Bergwertungen als für dieses historische Thema.
Zwei bis sieben Spieler können sich auf die Reise von China nach Venedig begeben. 80 Spielfelder liegen vor ihnen, drei Bewegungskarten haben die Spieler auf der Hand, außerdem besitzt jeder noch eine Basarkarte und ein Startkapital von zehn Unzen Silber, die auf einer etwas schmalen Wertungsleiste am Rande des Spielplans markiert werden. Der Spielablauf ist einfach. Zu Beginn können die Spieler je eine Bewegungskarte für sich ausspielen, die dann offen ausgelegt werden muss. Mit den Karten können eine oder mehrere Personen vorwärtsbewegt werden. Ihr Einsatz ist teilweise abhängig von der jeweiligen Position der Spieler, maximal zehn Felder können so überwunden werden.
Interessant wird das Spiel ab der zweiten Runde: Nachdem alle wieder drei Karten auf der Hand haben, kann jetzt entschieden werden, ob erneut eine Karte zum Vorwärtskommen der eigenen Figur ausgespielt wird oder ob die ausliegende Karte auf einen Mitspieler übertragen wird. Da maximal drei Karten offen vor einem Spieler ausliegen dürfen, besteht spätestens dann der Zwang, andere Spieler zu berücksichtigen. Dieser Mechanismus ist Kommerell vorzüglich gelungen.
DIE SEIDENSTRASSE ist allerdings kein reines Laufspiel. Unterwegs gilt es, Silberunzen zu verdienen. Dies ist in allen Handelsstädten auf der Strecke nach Venedig möglich. Sobald ein Kaufmann eine dieser Stationen erreicht, findet eine Wertung statt, in der der erste zwischen zehn und maximal zwanzig Unzen gutgeschrieben erhält.
Die anderen können, sofern sie nicht zu weit zurückgeblieben sind, ebenfalls noch Silber erwirtschaften. Da am Ende nur der Geldstand entscheidend ist und die aktuellen Positionen durch die Randmarkierungen stets allen vor Augen sind, können die anfangs Führenden sicher sein, dass die Wohltaten der Mitspieler immer spärlicher werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Geldakquise besteht im Ausrufen eines Basars. Auch hier wird nicht richtig gehandelt, Silber kassieren nur die drei Spieler, die vorn liegen. Wer am Ende auf der Wertungsskala auf vorderster Position steht, hat die „Abenteuer zwischen Xi’an und Venezia“ am besten bestanden.
Spielmechanisch macht das preisgünstige Spiel vor allem in Gruppen mit fünf und mehr Spielern Spaß. Der Zwang, gute Karten auf die Mitspieler ausspielen zu müssen, wirkt sich positiv auf hinten liegende Figuren aus. Dadurch hat man auch in fast aussichtslosen Situationen immer noch gute Chancen, am Ende vorn mit dabei zu sein. Der Spannungsbogen trägt daher über gut sechzig Spielminuten.
Wieland Herold
Titel: DIE SEIDENSTRASSE
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Grafiker: Nicholas Price
Spieler: 2 - 7
Dauer: ca. 60 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 35.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 4/1998 R 29/2020
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 das erste große Spiel des aktuellen SAZ-Vorsitzenden Hartmut Kommerells. Atmosphärisch war ich damals zwar enttäuscht, spielmechanisch wusste das Spiel aber durchaus zu überzeugen, sodass ich 7 von 10 Sternen vergab.
Ein Jahr nach Übernahme der Schmidt Spiele durch die Berliner Blatz-Gruppe, die 1997 die Produktion eigener Spiele einstellte und ab sofort nur noch Ideen unter dem Schmidt Label veröffentlichte, war DIE SEIDENSTRASSE des Berliner Autors Kommerell das erste große Flaggschiff des neuen Verlages, das zu einem damals unschlagbar günstigen Preis von 35 DM auf den Markt kam.
Für Hartmut Kommerell spielte das Autorentreffen in Göttingen schon früh eine wichtige Rolle. Im Bild sehen wir ihn 2003, ein Jahr, in dem er mit acht Prototypen angereist war.
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