Samstag, 6. März 2021
HALLERTAU
HALLERTAU
Zwischen Ingolstadt und Landshut erstrecken sich auf einer Fläche von 2400 Quadratkilometern große Monokulturen, die Garant für das Gelingen eines Getränks sind, das viele Deutschen mögen. Humulus Lupulus heißt die im Hallertau-Gebiet angebaute Hanfpflanze, der beruhigende Wirkung zugeschrieben wird. Schon Hildegard von Bingen war im 11. Jahrhundert begeistert von den weiblichen Pflanzblüten, sie würden als Tee zubereitet bei nervöser Unruhe, bei Magenbeschwerden und auch bei Schlafproblemen helfen. Ich gehe davon aus, dass für solche Zwecke heute kaum noch etwas von den Ernteergebnissen abgezweigt wird. 95 Prozent der Fruchtstände werden zu Pellets verarbeitet und verleihen dem Bier sein ausgeprägtes Aroma und die spezielle Bitterkeit.
Der Hopfenanbau ist in der Region schon seit 1200 Jahren bekannt, daneben spielt eigentlich nur noch Spargel in der Gegend von Schrobenhausen eine zentrale Rolle. Uwe Rosenberg führt uns auf seiner Wanderschaft der agrarischen Entwicklungsspiele in diese Kulturlandschaft. Wir bewegen uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als zwar die Industrialisierung schon spürbar war, aber in der Hallertau Ackerbau und Viehzucht im Hauptfokus der dort lebenden Menschen stand. Nur kleine Manufakturen dienten der Weiterverarbeitung von Flachs, Wolle und Fellen. Und natürlich gab es Brauereien, die Gerste und Hopfen nach dem deutschen Reinheitsgebot verarbeiteten.
HALLERTAU erweist sich in diesem Genre als erstaunlich leicht zugängliches Spielkonstrukt Rosenbergs, für das er wieder auf den Worker-Placement-Mechanismus zurückgreift. 20 Felder eines Aktionsplans warten auf Arbeitereinsatz. Wer zuerst da ist, schließt andere nicht von der Nutzung der Felder aus, für die wird es nur teurer, sodass theoretisch fast jedes Feld dreimal genutzt werden kann. Die Aktionsfelder sorgen dafür, dass prioritär der Ackerbau vorangetrieben wird, dass Saatgut da ist und Ernteerträge lukrativ ausfallen. Das regelt Rosenberg über einen Ackerplan. Neben den Ackerprodukten reduziert der Autor die Tierhaltung ganz auf Schafzucht, der auch viele Aktionsfelder gewidmet sind. Dienen die wolligen Tiere doch wie Kühe der Milchproduktion und zur Not fallen auch Fleisch und Wolle ab. Wer es verpasst, genügend Lehm für die Ziegelfertigung zu haben, wird Probleme bekommen, darauf weist die Regel aber extra hin.
Der ganze Produktionsbereich dient wie meist in solchen Spielen der Generierung von Siegpunkten. Dazu kann man auch über die Arbeiter Siegpunkt- und Bonuskarten erwerben, aber vor allem auf Wanderschaft gehen. Dabei sind es keine Gesellen, die in der Gegend herumziehen, sondern – reichlich an den Haaren herbeigezogen – Häuser, die über die Landschaft wandern. Der Ertrag der sechs Spielrunden wird mit steigender Anforderung zum Rundenende stets eingesetzt, um das Dorfgemeinschaftshaus vor jedem Spieler nach rechts zu verschieben. Das bringt einerseits weitere Arbeiter, aber vor allem Siegpunkte. Wer es nicht schafft, dass am Ende möglichst das Maximum mit 70 Siegpunkten im Hausfenster auftaucht, hat kaum Chancen auf den Spielsieg. Es ist zwar nicht einfach, aber bei guter Ernteproduktion und entsprechender Tierhaltung zumindest in den Zweierpartien regelmäßig möglich. Obwohl der Autor den Spielern zusätzliche Erschwernisse in Form von großen Findlingen in den Weg legt. Auch das ist thematisch ziemlich abstrus, wobei wir mit Hammer und Zange die Steine beiseiteschieben.
Dieses Grundgerüst variiert Uwe Rosenberg durch verschiedene Kartendecks, die zu unterschiedlichen Spielschwerpunkten führen. Punktekarten und Bonuskarten bleiben zwar stets identisch, aber für das Einstiegsdeck von 30 Karten und für die 35 Hofkarten bietet der Autor jeweils vier Varianten an. So kann man sich vom Anfänger- über Kenner – und Experten- zum Profi-Deck vorarbeiten. Wobei vor allem die Bedingungen für die Erfüllung bestimmter Karten immer anspruchsvoller werden. Bei den Hofkarten gibt es ein Hopfen-, Schaf-, Acker- und Schmuck-Deck. Die Karten bringen Erleichterungen und Boni, auch zusätzliche Karten, sodass man seine fünf Startkarten durchaus ergänzen sollte. Das gilt besonders für die eine Punktekarte, die man anfangs bekommt. In der Kartenhand sollten sich am Ende deutlich mehr befinden, da die damit zu erreichenden Siegpunkte oft über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Die meist üppige Ernteentwicklung und sorgsame Schafhaltung sorgt über die Runden hinweg für die Erfüllung der meisten Ziele. Das ist in der Abwicklung gut vernetzt und wird wie üblich bei Uwe Rosenberg durch Spielerhilfen, Spielplanlenkung und eingängige Ikonographie überzeugend abgewickelt. Man ist dadurch ganz schnell im Spiel drin, hat am Ende allerdings Übersichtsprobleme mit den Ertragsmassen, die über den Ackerplan nicht unbedingt leicht zu managen sind. Die Varianz der Wege zum Ziel, die rosenbergsche Produkte auf diesem Niveau bisher immer ausgezeichnet haben, geht HALLERTAU etwas ab. Das Voranbringen des Dorfgemeinschaftshauses steht nicht nur wegen der vielen Siegpunkte im Mittelpunkt, auch die Zahl der Arbeiter hängt davon ab. Die Karten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Allerdings ist der Glücksfaktor bei der Zuteilung der Startkarten recht hoch, das Nachkaufen bleibt ebenfalls letztlich glücksabhängig. Zumindest anfangs könnte ein Draftverfahren hilfreich sein.
Obwohl das Spiel wahrscheinlich besser Magdeburger Börde hätte heißen müssen, da wir uns mehr mit klassischer Landwirtschaft als mit Hopfenanbau beschäftigen, obwohl die wandernden Häuser für das 19. Jahrhundert völlig absurd sind, spiele ich gerne den Bauern, Schafzüchter und Bürgermeister in HALLERTAU. Das Spiel reizt mich immer noch, da auch noch nicht alle Kartenkombis ausprobiert sind. Deshalb reicht es zu einer Bewertung für „gerne morgen wieder“, obwohl ARLER ERDE und AGRICOLA für mich recht deutlich die Nase vorn haben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HALLERTAU
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Lukas Siegmon, Klemens Franz
Verlag: Lookout Games
Spieler: 1-4
Alter: ab 12
Spieldauer: ca. 50 - 140 Minuten
Preis: 60 Euro
Spiel 11/2021
Donnerstag, 4. März 2021
IQ 5
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
IQ 5
Raffiniert, was sich Klaus Beuth da ausgedacht hat. Sein bei Varioplay erschienenes Spiel IQ 5 gehört zu den taktischen Schmankerln, die mit einem Minimum an Regeln auskommen, dafür aber ein Maximum an Hirnschmalz fordern. Seine Zutaten sind einfach, sie wirken auch irgendwie bekannt: Ein Lochbrett mit hundert Bohrungen, senkrecht aufgestellt. Zur Füllung liegen für die beiden Spielpartner jeweils 30 Spielstifte bereit. Je zehn davon haben an ihren Enden die Farbkombination blau – rot, bzw. blau – gelb oder rot – gelb. Jeder denkt erst einmal an VIER GEWINNT und gähnt, aber stets nur solange, bis es ans Einlochen geht.
In Beuths IQ 5 geht es um keine Viererreihe, sondern um fünf gleichfarbige Spielstifte in einer waagrechten, senkrechten oder diagonalen Reihe. Wenn das der einzige Unterschied zum MB-Klassiker wäre, könnten wir weiter gähnen. Der Spielwitz und damit der gedankliche Reiz ergeben sich aus den verschiedenen Farbkombinationen der Stifte, die abwechselnd an beliebigen Orten in das Spielbrett gesteckt werden müssen. Erscheint auf meiner Seite ein blauer Stift, weiß ich nur, dass gegenüberliegend die Farbe rot oder gelb vorhanden ist. Sollte ich daher die Farbe blau bei mir erweitern wollen, besteht die 50-prozentige Chance, dass ich meinem Gegner helfe, der – wissend, dass ich blau benötige – mit einem gelben Stift kontern könnte und für sich schon den dritten roten hätte. Sie merken IQ 5 spielt sich nicht locker, schnell dahin, da steckt Anspruch dahinter.
Ich arbeite mit meiner Stiftauswahl einerseits an meinen Siegbedingungen, muss andererseits aber auch die möglichen Kombinationen auf der Gegenseite „im Blick behalten“. Anfangs kann man das auch wörtlich nehmen, da das löcherige Spielbrett kiebitzen zu leicht macht. Die Spieler müssen darauf achten, dass die andere Partei beim Einstecken der Stifte die zweite Farbe nicht mitbekommt. Das Spiel erfordert eine außerordentliche Gedächtnis- und Kombinationsleistung. So muss ich mir einerseits merken, was ich dem Gegenspieler für seine Seite angeboten habe, anderseits muss ich die Gefährdung, die von gegnerischen Stiften ausgeht, richtig einschätzen. Ein fantastisches Spiel, das in zwei ansprechenden Ausführungen von dem Varioplay Spiele Verlag angeboten wird. Für rund 25 Euro gibt es eine kompakte Kunststoffausführung, fast doppelt so viel (49 Euro) kostet die dekorative Holzfassung, die von einer Behinderten Werkstatt in Landsberg am Lech qualitativ hochwertig produziert wird. Zum gleichen Preis bietet auch Clemens Gerhards Holzwarenfabrik, das Spiel in Lizenz an. Ob Kunststoff- oder Holzausführung - die Anschaffung lohnt.
Wieland Herold
Titel: IQ 5
Verlag: Varioplay Spieleverlag, Am Schlossblick 13a, 89250 Senden
Autor: Klaus Beuth
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25.- € (Kunststofffassung), 49.- € (Holzfassung)
Spiel 15/2003 R46/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Von Klaus Beuth gibt es nur dieses eine Spiel. Bekannter ist er als Fachbuchautor vor allem für den Vogel Verlag. Dort erschienen Bücher zur Elektronik, Nachrichten- und Digitaltechnik. Seine Standardwerke erscheinen zum Teil schon in der 20. Auflage. Lizenzen dieser Bücher sind zum Teil sogar an China und Russland vergeben worden.
HUNDSGEMEIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Piatnik hat in letzter Zeit erfolgreich mit Venice Connection zusammengearbeitet, dabei sind so tolle Spiele wie TOSCANA von Niek Neuwahl herausgekommen. Das italienische Mensamitglied Dario Zaccariotto ist über Venice Connection 2003 ebenfalls bei Piatnik gelandet und so zu seiner ersten Spieleveröffentlichung gekommen. HUNDSGEMEIN, sein raffiniertes Legespiel enthält pfiffige Elemente, aber ein unheimlich aufgesetztes Thema.
Abstrakt lässt sich Zaccariottos Idee so beschreiben: Stellen Sie sich ein Gitternetz von sechs waagrecht und senkrecht sich kreuzenden Wegen vor, so dass neben den Wegen ein Spielfeld mit 49 Feldern entsteht. Das zentrale mittlere Feld wird zur Tabuzone erklärt. Den meisten Wegen können dadurch links und rechts oder oben und unten jeweils sieben Felder zugeordnet werden. Nur zu den vier Wegen neben der Tabuzone gehören 13 Felder. Auf die Wege werden beliebig Punkteplättchen verteilt, die je dreimal in den Werten zwei bis fünf vorhanden sind. Um diese Punkte rangeln die zwei bis vier Spieler. Dazu erhalten sie einen Farbsatz mit Plättchen, die auf die 48 Felder gelegt werden können. Diese Plättchen sind auf der einen Seite durch die Spielerfarbe gekennzeichnet, auf der anderen Seite befinden sich vier unterschiedliche Symbole, die jeder Spieler in der gleichen Verteilung erhält. Auf den Spielplan gelegt werden die Plättchen nur mit ihrer Symbolseite nach oben. Unter zwei Plättchen dürfen die Spieler stets wählen. Bei der Ablage müssen sie beachten, dass identische Symbole nicht benachbart gelegt werden dürfen. Das schließt auch diagonales Legen aus. Sobald durch diese Einschränkung kein Kärtchen mehr gelegt werden kann, endet das Spiel. Die Plättchen werden umgedreht und die Punktekarten je nach Farbmehrheiten in den zugeordneten Wegen verteilt.
Das ist es schon! Simpel, aber raffiniert. Einerseits Memory, da ich mir ja zumindest ungefähr merken muss, wo ich Mehrheitschancen besitze und dies möglichst auf punkteträchtigen Wegen. Damit ich mich nicht verkalkuliere, muss ich mir möglichst ebenfalls die gegnerischen Farben merken. Dann bringt mir die Ablageregel zusätzliche Blockademöglichkeiten, da ich die Auslage meiner Mitspieler vor Augen habe und so gezielt Symbolkärtchen spielen kann, die sie fern von mir halten. Diesen Einschränkungen unterliege ich aber auch selbst, so dass das Warten auf ein passendes Symbol zur Qual werden kann. Hundsgemein kann das sein.
Was macht ein Spieleredakteur (oder der Autor selbst) mit einer solchen Grundidee? Kris Burm hätte für das 49. Feld einen GIPF-Stein geopfert und alles wunderbar abstrakt, im Edellook als DNUH herausgegeben, was dem Spiel nicht schlecht bekommen wäre. Kosmos hätte die neue Reihe von Brett- und Kartenspielen in der kleinen Reihe genutzt. Fritz Gruber hätte getextet, „ich suche dir ein Schätzchen, Kleines“ und hätte die Spieler auf Diademsuche für Nofretete geschickt, die Symbolkärtchen wären Hieroglyphen gewesen, die Punktekarten wertvolle ägyptische Klunker. Ravensburger hätte in dem Straßenlabyrinth sofort Ähnlichkeiten zu Kobberts Verrücktheiten entdeckt und den guten Max an die Überarbeitung der Spielidee gesetzt. Was macht Piatnik draus? Das appetitliche Thema: Flöhe auf Hundejagd. Kein Wunder „Kommissar Rex“ jagt noch durch Wien, also finden wir Rex mit höchstem Wert im Spiel wieder. Verkaufsfördernde Lizenzgebühren zahlt Piatnik natürlich nicht, jegliche Anspielungen auf die Serie fehlen. Die wiederum sich wohl auch kaum hergegeben hätte für einen verlausten Rex und einen sich ständig kratzen müssenden Marc Hoffmann.
Unter einen Deutschaufsatz würde ich jetzt schreiben: „Leider haben Sie das Thema verfehlt, aus dieser guten Grundidee hätten Sie viel mehr machen können!“ Für einen Deutschaufsatz wäre das der Totalverriss mit mangelhaftem Ergebnis. Uns Spielern bleibt der durchaus vorhandene Spielspaß.
Wieland Herold
Titel: HUNDSGEMEIN
Autor: Dario Zaccariotto
Grafik: Oliver Freudenreich
Verlag: Piatnik
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 14/2003 R45/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 52jährige Dario Zaccariotto stammt aus Dolo bei Venedig. Sehr früh kommt er in Kontakt zu Dario de Toffoli und Leo Colovini. Mit beiden entwickelt er zusammen Spiele und veröffentlicht Bücher. Er gehört zum Team von Studiogiochi, das u.a. verantwortlich für den Premio Archimede ist.
HUNDSGEMEIN ist sein erstes und auch einziges Spiel, das nur von ihm stammt. 2005 und 2006 folgen CHALLENGE SUDOKU und KAKURO CHALLENGE mit Colovini und de Toffoli. 2007 erscheint von dem Trio das letzte Spiel MINENRÄUMER bei Clementoni.
Die Arbeit an Spielebüchern vor allem mit Denkaufgaben stellt Zaccariotto aber nicht ein. Neben acht Spieleveröffentlichungen hat er es inzwischen auf 25 Buch-Publikationen gebracht. Die meisten veröffentlichte er zusammen mit de Toffoli. Zuletzt erschien 2020 „Aumenta il tuo quoziente intellettivo (Increase your IQ)“ nur von Zaccariotto.
Mittwoch, 3. März 2021
GULO GULO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Alarm bei den Bärenmardern: GULO GULO
Es gibt ihn wirklich, den Gulo Gulo, er ist keine Erfindung der Zochschen Spielefabrik aus München. Unter dem Namen "Bärenmarder" kennt ihn kaum jemand, dabei passt dieser ausgezeichnet zum größten Landmarder aus den Tundren der Nordhalbkugel. Unter dem Namen "Vielfraß" ist er besser bekannt und ab sofort wird er noch viel bekannter werden, denn das KRAG-Team um Wolfgang Kramer hat ihm ein spielerisches Denkmal der Extraklasse gesetzt, kongenial vom Zoch-Verlag umgesetzt.
Kreativität gehört zu den Markenzeichen des KRAG-Teams (Kramer, Raggan, Grunau), dreidimensionale Spielansätze auch (PIEPMATZ, VULCANO). Für den spielerischen Pfiff ist diesmal ein Eiergelege mit „Alarmanlage“ verantwortlich. Geier-Eier sind die Leibspeise der Vielfraße, dafür nehmen sie weite Wege auf sich. Auch vor den ganz kleinen Gulos sind die Geier Nester nicht sicher. Klein Gulo hat sich dabei aber verirrt, so dass die Sippschaft – wir Spieler – auf die Suche nach dem Nachwuchs gehen muss.
Eine Wegstrecke von 19 verdeckten Plättchen liegt vor der Suchmannschaft, am Schluss wartet ein Stapel mit fünf Plättchen, unter denen sich der Ausreißer verbirgt. Die Spieler decken das nächste verdeckt liegende Wegekärtchen auf. Um auf das Feld zu gelangen, muss zuerst ein Ei der entsprechenden Kärtchenfarbe aus dem Gelege geholt werden. Man kann natürlich auch auf schon aufgedeckte Felder gehen, indem man das passende Ei stibitzt. Die Holzeier sind unterschiedlich groß und durch eine raffinierte Alarmanlage geschützt. Bei den Geiern heult keine Sirene los, wenn sich Eierdiebe nähern, die stets nur einhändig räubern dürfen. Sie haben zum Schutz ihrer Nester einen Alarmstab entwickelt, der im Eigelege steckt. Werden Eier gestohlen, verliert der Stab allmählich seine stabilen Halt, senkt sich und fällt schließlich aus dem Nest. Dadurch wird der Eieralarm ausgelöst. Der ungeschickte Vielfraß muss zurück auf das letzte Plättchen der entsprechenden Eierfarbe. Gelingt der Eierklau, darf der Dieb vorwärts ziehen. Das geschieht solange bis ein Vielfraß vor dem Schlussstapel steht, von dem jeweils das oberste Kärtchen aufgedeckt wird, bis der Ausreißer gefunden ist. Gelingt es dann noch, eines der beiden kleinen violetten Eier aus dem Gelege zu fischen, ist Klein Gulo gerettet und das Spiel hat einen Gewinner.
Bei GULO GULO stimmt so ziemlich alles. Das Material – stabile Wegeplättchen, schöne Vielfraße und das Eiergelege aus Holz - fantastisch, die Spielgrafik von Victor Boden witzig-gefällig. Die Idee ist originär und originell, sie birgt in sich alle Vorzüge, die ein gutes Kinder- und Familienspiel ausmachen. In diesem kurzweiligen (15 Minuten) Geschicklichkeitsspiel können Kinder ab fünf Jahren mit ihren kleinen Fingern gut gegen grobmotorische Erwachsene bestehen. Das Spielvergnügen kostet allerdings ein paar Euro, mit knapp 30 müssen Sie schon rechnen.
Titel: GULO GULO
Verlag: Zoch
Autor: KRAG-Team (Kramer, Raggan, Grunau)
Grafik: Viktor Boden
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: 15 bis 20 Minuten
Preis: 25 - 30 Euro
Spiel 13/2003 R44/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Das KRAG-Team um Wolfgang Kramer, Jürgen Grunau und Hans Raggan war seit 1992 mit SCHAUPLATZ SÜDWEST gemeinsam erfolgreich unterwegs. Die ganz großen Preise wie das Kramer&Kiesling Duo fuhr es zwar nicht ein, aber immerhin waren die drei Autoren mit ROBBYS RUTSCHPARTIE (2003) und MACIUS – ACHTUNG, FERTIG, LOS! (2004) zum Kinderspiel des Jahres nominiert und mit BLOX (2008) auf der Nominierungsliste für das Spiel des Jahres.
GULO GULO ging damals leider leer aus. Haba legte es später als PHARA-OH-OH! 2015 erneut auf.
Gemeinsam im Bild habe ich nur Grunau und Kramer 1995 in Göttingen. In dem Jahr haben die drei Autoren PIEPMATZ (Haba) und PERSONALITY (F.X. Schmid) veröffentlicht.
Dienstag, 2. März 2021
GRUFTMEISTER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
GRUFTMEISTER
Vor noch nicht einmal einem Jahr war der Hanauer Druckereibesitzer Kemal Yun im Brettspielbereich völlig unbekannt, erst seit Mai 2003 macht er auf sich aufmerksam, nur spielbegeisterte Atari- und Mac-Besitzer kannten den 34-jährigen schon lange als versierten Programmierer unter dem Namen Kemal Ezcan, der vor 21 Jahren sein Taschengeld mit Programmen für den Atari 400 aufbesserte. Seitdem sind viele Spiele für Atari und jetzt auch für Mac-Rechner von ihm entwickelt worden. Die Bekanntheit, die er sich in der Computerspielszene erworben hat, wünscht er nun im Brettspielbereich zu erlangen. Seit Anfang 2003 entwickelt er Ideen für Brettspiele. Direkter Auslöser für das erste Spiel war Yuns persönliche Kritik an Fantasy Klassikern der frühen 80er, so am HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG und am DRACHENLABYRINTH. Spiele, die ihm zu glücksabhängig waren. „Das kann ich besser“, meinte er vollmundig und entwickelte das Spiel GRUFTMEISTER. Volker Schwägerl, der 2002 für das Kartenspiel MÖMMEN den Spielverlag DIE WUSELMÄUSE gründete, lernte das Fantasyabenteuer im Frühjahr 2003 kennen und versprach Yun, es als erstes großes Spiel im Rahmen seines Kleinverlages herauszubringen, was er in Rekordzeit bis Mai 2003 auch umsetzte.
GRUFTMEISTER ist ein familientaugliches Dungeon-Spiel, das nicht zu komplex ist und auch nicht ewig dauert. 12 rechteckige Spielplanteile können beliebig zu einem 3x4 Felder großen Gruftplan ausgelegt werden. Jeder der zwei bis vier Spieler erhält zwei Spielfiguren (einfache Holzpöppel), einen großen Gruftmeister und seinen kleinen Gruftknecht, außerdem einen Monsterstein und eine Spielerkarte, die der Besitzstandsanzeige dient und mit drei Herzen und einem Schlüssel als Startkapital ausgestattet ist. Auf den Spielplan werden recht aufwändig noch knapp 120 Plättchen mit Schlössern, Särgen, Kisten und Türen abgelegt. Es geht darum fünf Schätze zu finden, die in den Särgen versteckt sind. Diese müssen in eine Startzone, die für jeden Spieler festgelegt ist, gebracht werden, außerdem müssen am Ende Gruftmeister und –knecht auf diesem Feld stehen.
Yun verzichtet in seinem Spiel GRUFTMEISTER auf Würfelabhängigkeit. Jede Spielfigur darf bis zu fünf Feldern pro Zug ziehen, Aktionen werden zwischendurch abgewickelt, sie beenden den Zug eines Spielers nicht. Die große Spielfigur kann Türen, Kisten, Schlösser und Särge öffnen, Gegenstände aufheben und Monster bekämpfen. Der Gruftknecht hat eine rein tragende Rolle, er darf maximal zwei Gegenstände von seinem Meister übernehmen, um ihm Tragelast abzunehmen bzw. Schätze in Sicherheit zu bringen. Das Spiel besteht weitgehend aus dem Einsammeln von Gegenständen und Schätzen. Wandert ein Gruftmeister auf eines der 28 Kistenfelder, erhält er Ausrüstungsgegenstände, Waffen, Rüstungsteile, Werkzeuge oder Schlüssel. Durch ein knappes Drittel der Türen gelangt man nur mit einem Schlüssel oder einem passenden Werkzeug. Die Waffen werden benötigt, um Monster zu bekämpfen, die die Särge bewachen. Rüstungen schützen zusätzlich vor dem Verlust von Schadenspunkten. Das Duell ist ein Schüttelvorgang, ein Monsterplättchen und vorhandene Waffen und Rüstungen, maximal jeweils zwei, werden in beide Hände genommen, geschüttelt und fallen gelassen. Mit jeweils 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit fügt das Monster dem Angreifer einen Schadenspunkt zu, der durch Rüstungen abgewehrt werden kann. Das Monster stirbt, sobald eine Waffe sichtbar ausliegt. Sollte der seltene Fall eintreten, dass ein Spieler seine drei Lebenspunkte verliert, bleiben seine erworbenen Schätze und Ausrüstungen im Sarg und er beginnt mit neuen Lebenspunkten von seinem Startfeld. Wenn dies zwischendurch aufgesucht wird, dient es auch als Auftankstation für die Herzen.
YUN sieht neben den Sammelaktivitäten und kleinen Gefechten überhaupt nichts an Interaktion zwischen den Spielern vor. Er hat wohl seinen Atari-Spieler vor Augen, der allein durch die Gänge rast und sammelt und sammelt und kämpft und kämpft. Man kann den anderen nichts abjagen, steht sogar ganz friedlich auf gleichen Feldern herum. Eine wirkliche Gefährdung besteht zu keiner Zeit. Das gilt auch für die Knechte, nicht einmal die beharken sich gegenseitig oder dürfen von einem Großmeister auseinandergenommen werden. Ein bisschen Taktik kommt durch die Rucksack-Logistik ins Spiel, da der Gruftmeister nur fünf Gegenstände tragen darf und sein Knecht zwei. Auf der Spielerkarte steht zwar missverständlich „5 Steine“, was sich gut nur auf die Schätze beziehen ließe, die Spielregel macht aber deutlich, dass alle Gegenstände einbezogen sind. Für die Kämpfe ist es sinnvoll möglichst eine Waffe und eine Rüstung zu haben, dann braucht man auch noch Axt oder Stemmeisen und Schlüssel als Türöffner und dann natürlich die Schätze. Für ein gewisses Auslagern am Anfang, um sich gut auszurüsten, und dann vor allem für den Schatztransport ist der Gruftknecht sehr hilfreich.
GRUFTMEISTER genügt den hohen Ansprüchen des Autors keineswegs. Da helfen auch nicht die vielen Spielvarianten, die die Regel anbietet. Yuns Erstling wirkt nicht ganz ausgereift, etwas mehr Entwicklungszeit hätte dem Spiel sicher gut getan, denn durchaus interessante Ansätze sind erkennbar. Das Material ist weitgehend akzeptabel, stabile Spielplanteile und Kärtchen, mit einer auf das notwendige reduzierten Computergrafik, auch die Regel ist in Ordnung. Die Pappcounter kann man für 9 Euro inzwischen auch gegen stabile Holzsteine austauschen, oder gleich GRUFTMEISTER DELUXE erwerben. Der Autor gesteht selbstkritisch, dass sein im Herbst 2003 erschienenes Spiel DAS SCHLOSS erst das Spiel sei, das GRUFTMEISTER ursprünglich werden sollte.
Wieland Herold
Titel: GRUFTMEISTER
Autor: Kemal Yun (www.yungames.de)
Verlag: Spieleverlag Die Wuselmäuse (www.diewuselmaeuse.de)
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 22 Euro (in der Deluxe-Fassung 29 Euro)
Spiel 12/2003 R43/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Nach der Zusammenarbeit mit Volker Schwägerl gründete Kemal Yun den Verlag Yun Games und brachte in den Folgejahren bis 2008 gut ein Dutzend Spiele heraus.
Inzwischen heißt er nicht mehr Yun, sondern dank Heirat Zhang. Er agiert unter Yoda’s Spiele Manufaktur immer noch von Hanau aus. Hier bietet er Entwicklungsunterstützung und Produktion von Kleinauflagen an. Seine Kompetenz preist er dort wie folgt an: Er sei „Spieleentwickler mit Leidenschaft, Musik Produzent, Firmengründer und Life Coach. Bereits im Alter von 13 Jahren schreibt er Spiele für Atari Computer, kurz darauf gründet er seine eigene Firma für Computerspiele. Später folgt eine eigene Zeitschrift, Print-Service, Musik Veröffentlichungen, Brettspiele und ein Escape Room Center.“
Erreichbar ist diese neue Seite immer noch unter www.yungames.de.
Das Bild zeigt ihn 2003 in Göttingen.
Montag, 1. März 2021
GRAWORIE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gewichtsmemory: GRAWORIE
Das klassische Merkspiel ist MEMORY. Inzwischen gibt es viele Nachahmer, die mit der Zahl der zu sammelnden Plättchen variieren, die Duft- oder Geräuschkomponenten dazu nehmen. Ganz neu ist ein Spiel mit Gewichten, die der Designer Heiko Tullney sich mit seinem Spiel GRAWORIE hat einfallen lassen. 18 Edelstahlwürfel sind mit Kreisen, Quadraten und Dreiecken versehen. Die edlen Spielsteine unterscheiden sich aber dadurch, dass es unter den sechs identischen Formen jeweils zwei schwere, mittelgewichtige und leichte Würfel gibt. Gesucht wird ganz klassisch nach passenden Pärchen. Es reicht aber nicht, zwei identische Symbole aufzudecken, diese müssen zusätzlich noch gewichtsidentisch sein.
Vor dem Spiel sollten die Spieler eine Übungsrunde Gewichtheben einlegen, denn man braucht das richtige Feeling, um im Spiel die passenden Paare zu finden. Keine Probleme hat man mit den leichten und schweren Aluminiumwürfeln, das mittlere Gewicht wird aber immer einmal wieder falsch zu geordnet. Wichtig ist bei diesem Spiel auch, dass immer nur mit der rechten oder der linken Hand aufgenommen wird, da wir unterschiedliche Wahrnehmungen entwickelt haben.
GRAWORIE eröffnet eine ganz neue Dimension des Merkspiels. Im klassischen Spiel erhält der Gegenspieler alle Informationen, die er für sein eigenes Spiel weiter verwenden kann. Hier gibt es nur Teilinformationen über die geometrischen Symbole. Man weiß dann zwar, wo sich ein Kreiswürfel oder ein Dreicksymbol verbirgt, man weiß aber nichts über deren Gewicht. Heiko Tullneys Spiel eröffnet nicht nur eine neue Gefühlswelt im Merkspiel, es ist auch ein optischer und haptischer Hochgenuss zu einer schnellen Runde GRAWORIE anzutreten. Ein Spiel, das nicht in der schwarzen Verpackunsschachtel bleiben sollte, sondern in seiner ganzen Schönheit aufforderungsbereit im Wohn- oder Spielzimmer aufgebaut sein muss. Klasse Idee! Ein hochwertiges Weihnachtspräsent.
Wieland Herold
Titel: GRAWORIE
Verlag: Troika
Autor: Heiko Tullney
Spieler: 2
Alter: ab 6
Spieldauer: 5 bis 10 Minuten
Preis: 110 Euro
Spiel 16/2002 R42/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
GRAWORIE ist von einer Webeartikel-Firma vertrieben worden. Troika liefert normalerweise Schlüsselanhänger, Kulis etc. , bezeichnet sich selbst aber als Spezialisten für Männergeschenke. In dieser Sparte tauche Tullneys Idee damals auf. Aktuell gibt es im Programm nur noch einen „Würfelbecher TO GO“.
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