Dienstag, 6. April 2021
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Großes Kino: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Inzwischen dürfte es ebenso viele Verspielungen von ROBIN HODD wie Verfilmungen geben. BGG verzeichnet fast 50 Spiele zu den Abenteuern von Robin Hood und Little John. Keines davon dürfte die epischen Ausmaße des neuesten genialen Wurfs Michael Menzels besitzen.
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD bringt das ausgehende 12. Jahrhundert der englischen Geschichte anschaulich auf den Spieltisch und lässt ein kooperatives Eintauchen in die unterschiedlichsten Abenteuer Robin Hoods und seiner Freunde zu. Seine erste Welt von ANDOR hat Michael Menzel noch frei erfunden, aktuell knüpft er an die klassischen Erzählstränge von Robin Hood an.
Wir schlüpfen in die Rollen von Robin & Co. und werden wie schon in Andor spielend in die Regelabläufe eingeführt. Das Besondere diesmal ist aber der sich ständig wandelnde Puzzle-Spielplan, der aus acht Teilen zusammengesetzt wird. Wie auf einem großen Adventskalender öffnen sich immer wieder neue Felder, mit neuen Einblicken in Sherwood Forest oder in die Burg des Sheriffs von Nottingham. Manche Plättchen bekommen fast einen Drehwurm, weil sie als Wachen des Sheriffs einmal auftauchen und im nächsten Augenblick wieder verschwinden. Spitze Fingernägel sind jedenfalls neben der Treffsicherheit beim Bogenschießen durchaus gefragte Fähigkeiten in ROBIN HOOD.
Nicht nur der Wandel-Spielplan ist neu, auch die freie Bewegung der Figuren, deren Haare sogar bei weiten Wegen zu flattern anfangen, ergibt eine ganz eigene Dynamik. Hier schleichen wir uns irgendwie fast leibhaftig an die Burgmauern des Sheriffs an und hüten uns vor seinem Schergen Guy von Gisbourne, der uns nicht als Wendeplättchen, sondern beritten und bewaffnet ständig aufspürt und nachjagt. Die Bewegung in diesem Spiel mit mehreren Lauffiguren ist nicht nur genial gelöst, sie trägt auch zur Spieltaktik bei, denn kurze Entfernungen helfen Kraft sparen und bringen weiße Holzwürfel, die letztlich entscheidend bei Auseinandersetzungen sind.
Die gesamte Spielsteuerung läuft nämlich durchaus glückslastig über ein schwarzes Säckchen, das einerseits Holzscheiben für die Reihenfolge der Zugbewegungen einzelner Akteure enthält, dann weiße und violette Würfel für Kampfentscheidungen, wobei die Ausgangsposition im Verhältnis 1:6 mehr als ungünstig startet. Rundensiegel prägen zusätzlich den Spielablauf, der wie schon in Andor unter Zeitdruck abläuft.
Bei der Bewältigung der Abenteuer hilft uns ein dickes Buch, das uns Aufgaben stellt, Antworten handelnder Akteure anbietet und durchaus wandelbar und nicht geradlinig die Geschichten ablaufen lässt. Die narrative Komponente unterstützt das Buch überzeugend. Die Kooperation ähnelt der in ANDOR. Man muss sich gut absprechen, unterschiedliche Wege gehen und zum Teil auch verschiedene Aufgaben bewältigen, um eine Runde zu überstehen. Ein zweites Scheitern ist aber deutlich unwahrscheinlicher als in ANDOR. Zumal man bald erkennt, dass die Veränderung der Säckchenbilanz der Schlüssel zum Erfolg ist.
Die Erlebnisse sind grandios, der Wille, zu neuen Abenteuern aufzubrechen, ist groß. In Sherwood Forest kenne ich mich nun aus, wie Robin in seiner Westentasche, wenn er denn eine besessen hat. Nach dem wir den feuerroten Sonnenaufgang über Sherwoods Bäumen erleben durften und die Löwenbanner König Richards herannahen sahen, lehnen wir uns beseelt zurück und warten sehnsüchtig auf Menzels Verspielung der drei Musketiere, des Grafen von Monte Christo oder der Reise in 80 Tagen um die Welt.
Wertung: Jederzeit wieder (wenn Michael Menzel dieses Konzept auf andere Buchwelten überträgt)
Titel: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Autor: Michael Menzel
Grafik/Design: Michael Menzel
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2-4
Spielzeit: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 22/2021
Montag, 5. April 2021
NEUE SPIELE IM ALTEN ROM
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NEUE SPIELE IM ALTEN ROM
Zu jedem Verlagsprogramm gehört eine gute Spielesammlung. Ravensburger spendierte sie einst sogar der ganz besonderen Casino-Serie. Was eher ungewöhnlich ist, dass sich aus der Kooperation eines deutschen Buchverlags mit einem ausländischen Spieleverlag das Projekt für eine Spielesammlung ergibt.
Hugendubel veröffentlicht in seiner von Stefan Wilfert betreuten Reihe homo ludens NEUE SPIELE IM ALTEN ROM, die Spielideen stammen alle von Reiner Knizia, das Spielmaterial von der Wiener Firma Piatnik. Herausgekommen ist eine virtuose Spielesammlung mit einem Spielebuch das wunderbar auf 14 Spielideen einstimmt und Knizias Talent als Arrangeur ganz unterschiedlicher Bereiche zeigt.
Als Historiker begeistert mich die Einbettung des Ganzen in die römische Geschichte von der Gründung Roms bis zur römischen Kaiserzeit, Da tauchen die sieben Gründungshügel ebenso auf wie die Punischen Kriege und Phase der spannenden römischen Revolution im ersten vorchristlichen Jahrhundert.
Spielerisch erleben wir natürlich ein Wagenrennen im CIRCUS MAXIMUS. Der Erfinder von MODERN ART verzichtet auch nicht auf den Auktionsmechanismus (MERCATOR). Verhandelt wird in TRIBUNAL, Bluff spielt im Duell um DIE SIEBEN HÜGEL ROMS eine entscheidende Rolle. Sogar um eine MEMO-Variante macht Knizia keinen Bogen (KONSUL). Um Mehrheiten geht es in der Auseinandersetzung ums IMPERIUM und die von Knizia gewohnte Kombinatorik begegnet uns in der VERSCHWÖRUNG DES CATILINA wider.
Das ist großes historisches Kino, das uns hier geboten wird. Zurecht ist das Projekt mit der Essener Feder 1994 ausgezeichnet worden. Die Spiele sind alle gut bis solide, lassen sich schnell mit mindestens zwei Spielern spielen, nur für TRIBUNAL braucht man vier oder mehr. Materialmäßig hätte Piatnik das Ganze schon spezieller ausstatten können, das ist eher herkömmliche Pöppelware, die neben dem tollen Buch im Kasten steckt. Für die Grafik zeichnet Franz Vohwinkel verantwortlich. Wer eine ganz besondere Spielesammlung zu Hause haben möchte, der sollte hier aber unbedingt zugreifen.
Titel: NEUE SPIELE IM ALTEN ROM
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Hugendubel & Piatnik
Spieler: 2-7
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 15-60 Minuten
Preis: 59 DM
Spiel 11/1994 R59/2021
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Gestern habe ich eine ganz besondere Spielesammlung Reiner Knizias aus dem Mittelalter vorgestellt. Zeitgleich widmete sich der fleißige Autor auch den Spielen im alten Rom. Piatnik brachte diese Sammlung in Kooperation mit Hugendubel 1994 heraus, deren Regelbuch mit der Essener Feder gewürdigt wurde.
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt von Franz Vohwinkel aus dem Buch NEUE SPIELE IM ALTEN ROM.
Sonntag, 4. April 2021
ALLERLEY SPIELEREY
SAMMELSURIUM
PRO LIGNO: ALLERLEY SPIELEREY
Auf Holzmaterial setzte ab 1991 die Spielwerkstatt Pro Ligno von Siegfried Biehler, die leider nur wenige Jahre Spiele anbot. Die auf 500 Stück beschränkten Auflagen der taktischen Schmankerl von Reiner Knizia waren meistens schnell ausverkauft, so dass die Spiele dieses Verlages wohl jetzt in Sammlerhänden sein werden. Das Konzept von Pro Ligno, kleine, aber feine Spielideen vor allem des Spieleautors Reiner Knizia in hochwertiger Umsetzung herauszubringen, ist überzeugend umgesetzt worden. Der Start mit vier Spielen, darunter Knizias PRISMA (ehemals Spiel im Heft in der spielbox) und COMPLICA gelang 1991 eindrucksvoll. Fortgesetzt wurde das Programm 1992 mit CATENA von Reiner Knizia, es gipfelte zwei Jahre später in der wohl einmaligen Spielesammlung ALLERLEY SPIELEREY. Mit PYRAMIDO, ebenfalls von Knizia, schloss Pro Ligno die Werkstatttore 1996.
ALLERLEY SPIELEREY
Pläsier bei Spiel und Trank verspricht die Spielregel dieses ziemlich einmaligen Projekts. Siegfried Biehler beschränkte seine Handarbeit auf 100 Exemplare, die er wohlfeil für 199 DM verkaufte.
Reiner Knizia hat dem Projekt sechs Spiele spendiert, daher enthält der große Holzkoffer sechs wertige, gefräste Spielbretter, eine Menge Spielmaterial, Bohnen eingeschlossen, zusätzlich für den Trank eine Flasche Pfälzer Riesling, halbtrocken und sicher gelagert.
Reiner Knizia bettet seine eher abstrakten Spielideen in die Zeit des ausgehenden Mittelalters ein. Landsknechte stellt er sich beim Zocken vor und versucht dabei seine Ideen den Bedingungen der Zeit anzupassen. So gibt es mit CONTRA ein einfaches Setz- und Schlagspiel als Duell in der Sammlung, ein raffiniertes Würfel- und Laufspiel unter dem Titel SCHANZEN, außerdem ein taktisches Setzspiel (DAS HUFEISENSPIEL) und ein Tauschspiel (UM SPEIS’ UND TRANK). DER STEIN DER ZÜNFTE ist ein taktisches Ablegespiel für zwei Spieler. Schließlich führt Knizia mit einem Knobelspiel an den HOF DES KÖNIGS.
Die Spiele sind meist recht einfach und auch nicht unbedingt originell, wie beispielsweise DAS HUFEISENSPIEL oder CONTRA. In manchen keimt der Erfolg später veröffentlichter Ideen. So kann das Würfelspiel SCHANZEN als Vorläufer von dem großen Knizia-Erfolg HECKMECK AM BRATWURMECK angesehen werden.
Das Außergewöhnliche dieser Spielesammlung sind weniger die Spielideen als die stimmungsvolle Umsetzung der Knizia-Spiele durch Siegfried Biehler. Das Spielmaterial ist dabei nur Durchschnitt, aber die pyramidal gefrästen dicken Spielbretter im Format 25x25 cm sind wunderschön und für einige Spiele lohnt es sich auch nach fast 30 Jahren, diesen Holzkoffer immer einmal wieder zu öffnen. Der pfälzische Wein ist zwar schon lang geleert, aber eine neue Begleitung für Spiel und Trank lässt sich immer finden.
Titel: ALLERLEY SPIELEREY
Autor: Reiner Knizia
Grafik: o.A.
Verlag: Pro Ligno
Spielerzahl: 1 - 7
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 200.- DM
Wertung: Von gerne morgen wieder bis vielleicht nächsten Monat
Sammelsurium 14 - S14/2021
Samstag, 3. April 2021
YINSH
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
YINSH
Kris Burm ist etwas Einmaliges gelungen, im unbeliebten Marktsegment der abstrakten Zweipersonenspiele nicht eins, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, sondern inzwischen fünf hervorragende Spiele entwickelt zu haben. Ich will dabei gar nicht auf das alle Spiele verbindende Gipf-Projekt eingehen, mit dem ich nie viel anfangen konnte. Ich will auch nicht auf meine persönlichen Vorlieben eingehen, natürlich gibt es die, natürlich finde ich das eine Spiel dann doch noch etwas besser als die anderen ebenfalls sehr guten Spiele. Ich will an dieser Stelle nur ausdrücklich den Autor loben, der fünf völlig unterschiedliche Spiele anbietet, die alle faszinierend umgesetzt sind und von außerordentlicher Spielqualität sind.
Kris Burm, ich ziehe meinen Hut: „Hochachtung!“
Nach dieser Einleitung ist klar, dass die Beschreibung von Burms neuestem Spiel kein Verriss sein kann. YINSH folgt dem „Fünf in einer Reihe“-Prinzip, enthält aber auch Elemente von REVERSI. Die Burmsche Besonderheit sind die fünf Ringsteine, die jeder der Spieler besitzt, sie steuern das Spiel und sorgen für dessen Ausgewogenheit, so dass es am Ende stets knapp zugeht. Auf einem sechseckigen mit einem Dreiecksraster markierten Spielfeld, dem die sechs Ecken allerdings fehlen, platzieren die Spieler ihre Ringe auf die Schnittpunkte der Linien. Diese Ausgangspositionen sind insofern von besonderer Bedeutung, weil im Spiel jeder bewegte Ring eine Spur in Form eines Markierungssteines hinterlässt. Diese 51 Steine besitzen eine schwarze und eine weiße Seite, sie bleiben statisch, was ihre Position angeht, trotzdem sind sie unsichere Kantonisten, da sie immer wieder ihre Farbe wechseln können. Immer dann, wenn ein Ringstein über ausliegende Markierungssteine springt, müssen sie gedreht werden. Die Ringsteine dürfen sich geradlinig beliebig weit bewegen, sie sind in ihrer Zugweite nur blockiert durch die Grenzen des Spielfeldes, durch andere Ringsteine, nicht durch Markierungssteine, die müssen notwendigerweise übersprungen werden. Hierbei ist nur zu beachten, dass der Ring, sobald er einen oder mehrere zusammenhängende Steine überspringt, exakt hinter dem letzen landen muss. Ziel des Springens und Drehens ist es, fünf Steine einer Farbe in einer Reihe zu haben. Diese fünf Steine kommen vom Spielbrett zurück in den Vorrat der Markierungssteine, zusätzlich muss ein Ringstein aus dem Spiel genommen werden. Gelingt das einem Spieler dreimal, endet eine Partie YINSH.
Sie sehen, YINSH ist ein schnell zugängliches Spiel, dass, wie meist bei Kris Burm, seine Vielschichtigkeit erst im Spielablauf beweist. Genial ist bei YINSH die Schwächung des Führenden gelöst. Einerseits schwächt der Verlust des Ringsteines die Positionen des Spielers auf dem Spielbrett, so dass ein Aufholen deutlich leichter wird, andererseits öffnet auch die Herausnahme der fünf Markierungssteine neue Perspektiven für den nachziehenden Gegenspieler. Entscheidend ist die dritte Fünfer-Reihe und nur um die muss man sich langfristig Gedanken machen. Gerade bei YINSH erlebt man immer wieder die Bestätigung des Sprichworts: Die Letzten werden die Ersten sein.
Nicht nur das Spiel ist fantastisch, auch in der Umsetzung hält Kris Burm die Qualität der bisherigen GIPF-Spiele. Die Grafik ist äußerst gelungen, das Spielmaterial ist funktional und ansprechend, das Spielbrett kommt vielleicht etwas blass daher. Aber wir wollen uns ja auf das Notwendige, das Spiel konzentrieren.
Titel: YINSH
Verlag: Don & Co.
Autor: Kris Burm
Spieler: 2
Alter: ab 9
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 25 Euro
Spiel 26/2003 R58/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Kris Burm startete mit dem österreichischen Verlag Peri-Spiele. INVERS, sein erstes Spiel, war gleich ein großer Erfolg. Er landete damit auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres 1991. Später erschienen neben OXFORD noch BI-LITAIRE und TASHKENT DOMINO bei Peri.
Der 1957 geborene belgische Autor ist aber vor allem bekannt durch sein GIPF-Projekt, mit Ideen, die er ursprünglich im Eigenverlag Don & Co herausgebracht hat, die später dann zuerst bei Schmidt und ab 2016 bei HUCH! erschienen.
Mit fast allen Spielen dieser Reihe landete er auf der Auswahl- oder späteren Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres. Darunter GIPF selbst 1998, ZÈRTZ (2000), DVONN (2002), YINSH (2003), PÜNCT (2006) und TZAAR (2008).
Das Bild stammt aus Essen 1997, als Burm GIPF erstmalig präsentierte.
Freitag, 2. April 2021
VIELE DINGE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiele mit Sprache - VIELE DINGE
Wer denkt bei "C" an einen Clown, obwohl dieser auf der Bildkarte "Zirkus" nicht abgebildet ist? Viele Bilder liegen auf dem Tisch. Ein Buchstabe wird aufgedeckt und sofort suchen bis zu acht Spieler nach Begriffen auf den Karten. Dabei dürfen auch Dinge genannt werden, die nicht direkt zu sehen sind, aber zum Thema einer Bildkarte passen. Doch man muss schnell sein, bevor ein anderer zugreift!
Um sprachliche und gedankliche Kreativität und Geschwindigkeit geht es in dem neuen Adlung-Spiel VIELE DINGE. Voraussetzung für das Ergreifen von kleinen Bildkarten ist, dass vorher ein Begreifen stattgefunden haben muss. Adlungs Bildkärtchen sind einerseits mit Buchstaben und andererseits mit sehr klar gehaltenen Bildmotiven aus unterschiedlichen Erfahrungsbereichen bedruckt. Die Hälfte der Karten wird mit der Bildseite nach oben ausgelegt. Eine Buchstabenkarte wird umgedreht, so dass nun zu den Bildern passende Begriffe, die mit der Buchstabenvorgabe beginnen, gesucht werden.
Sobald einer der Spieler sechs Karten gefunden hat, ist die Spielrunde beendet. In der Auswertung werden die gefundenen Begriffe überprüft, schon genannte dürfen nicht weiter verwandt werden, so dass nach kreativen Ersatzlösungen gesucht werden muss. Für den Spieler mit den meisten gültigen Begriffen gibt es zwei Karten als Siegpunkte, der Nächstplatzierte erhält noch eine. Die Kartenauslage wird danach ergänzt, nach sechs Runden steht dann der Sieger von VIELE DINGE fest.
Das Spiel, das Karsten Adlung zusammen mit Bernhard Naegele entwickelt hat, ist anspruchsvoll. VIELE DINGE ist viel mehr als ein Lernspiel, die beiden Autoren bezeichnen es als „(be)griffiges Kartenspiel“. Es ist ein Kommunikationsspiel, das nicht nur für Kinder reizvoll ist. In zwei Varianten für Drei- bzw. Sechsjährige wird mit den Kartenfarben gespielt. Wie so oft, liefert uns Adlung in einer kleinen und äußerst preiswerten Kartenspielschachtel beachtliches Spielvergnügen, das, ohne aufdringlich zu sein, en passant exzellente Sprach- und Argumentationsschulung für Kinder bedeutet.
Titel: VIELE DINGE
Autoren: Bernhard Naegele, Karsten Adlung
Grafik: T. Hammer und J. Martens
Verlag: Adlung Spiele
Spieler: 2-8
Alter: ab 3 Jahren
Preis: ca. 6 €
Spiel 27/2003 R57/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Möbelgriffe haben den damals 27 -jährigen Korntaler Behördenangestellten Karsten Adlung vor 30 Jahren zu seinem ersten Spiel CHEROLI inspiriert. Er bot das Spiel damals Franckh Kosmos an, wo es wegen der Materialfülle abgelehnt wurde. Dort bekam er aber den Tipp, es beim Göttinger Spieleautorentreffen zu versuchen. In Göttingen brachte eine Partie mit Alex Randolph, der begeistert war, die Entscheidung, dass er das Spiel selbst herausbringen wollte.
Der Verlag Adlung-Spiele war auf den Weg gebracht und damit ein gewichtiges Spiel, das fast 2 Kilo wog, vollgepackt, ganz ohne Luft, ein Spielkasten der später gut die Hälfte seiner rund 150 kleinen Folgespiele hätte aufnehmen können.
CHEROLI folgte 1992 noch das Würfelspiel KARMAS. Ein Jahr später zeichneten sich schon die eigentlichen Umrisse seines erfolgreichen Weges als Verleger ab. Seine eigenen Spielideen passten in immer kleinere Schachteln, wie auch schon TAKTVOLL. Der Weg zur Profilierung im Bereich Kartenspiele war beschritten.
Den großen Durchbruch schaffte er zusammen mit Reinhard Staupe und dem Ablegespiel SPEED. Große Erfolge hatte er dann später noch mit Spielen wie MEUTERER und VERRÄTER. Daneben war er auch auf der Empfehlungs- oder Nominierungsliste der Kinderspiele mit Ideen wie IM MÄRCHENWALD (nominiert 2001) VIELE DINGE (empfohlen 2004) und MANIMALS (empfohlen 2007). An VIELE DINGE und MANIMALS war Bernhard Naegele beteiligt, der ausschließlich Spiele für Adlung Spiele veröffentlicht hat. Naegele arbeitet als Projekt Manager bei Bosch Thermotechnik, für Adlung übernimmt er auch redaktionelle Arbeiten.
Adlung, der sich selbst als hyperaktiv bezeichnet, ist sicher, dass seine Spiele ihn therapiert hätten. Lern- und Förderspiele sind ihm daher stets im Programm wichtig gewesen und haben vor allem in den letzten 15 Jahren seine Veröffentlichungen geprägt. Deshalb hat er sich auch von der Spiel in Essen zurückgezogen und besucht seit 2018 die zeitgleich stattfindende Messe Therapie in Hamburg.
Das Bild zeigt Karsten Adlung 2015 in Nürnberg.
Donnerstag, 1. April 2021
GO FOR GOLD
Neue Minnys bei NSV: 5 MINUTEN PUZZLE und GO FOR GOLD
Nach HAMSTERN & Co. 2020 setzt NSV die Angebote an preiswerten vernähten Spielideen fort. 2021 beschränkt sich der Spielkarten Verlag aus Fürth bei Nürnberg aber nicht mehr nur auf einen Autor, damals war es der noch völlig unbekannte Moritz Dressler, und auf ein Genre, das der Roll & Write-Spiele, neu sind nun Kartenspiele. Was vergleichbar bleibt, ist die Anzahl der Ideen, vier nämlich. Außerdem verzichtet NSV weiterhin auf eine Pappschachtel, die Ideen kommen immer noch in reiner Papierverpackung daher. Oben und unten vernäht, schält sich aus dem aufgerissenen Material ein Papiercover, eine Spielregel und unterschiedliche Materialien, diesmal liegen sogar Stifte bei.
Redaktionell betreut hat Steffen Benndorf die Reihe schon im letzten Jahr. 2021 steuert er gleich selbst anderthalb neue Spiele bei. Da ist einmal sein 5 MINUTEN PUZZLE, ein Roll&Write-Spiel, in dem amorphe Formen aus Kreisen und Sechsecken in einem entsprechend wabenartigen Spielfeld untergebracht werden müssen. Die Würfelvorgabe gibt die Puzzleteile vor, der Rest sind gute räumliche Vorstellung und möglichst lückenlose Füllung des Plans. Wenn alle 12 Puzzleteile abgewickelt sind, dann steht nicht nach fünf Minuten, sondern meist nach zehn Minuten die Abrechnung an. Nicht gefüllte Puzzlefelder und -flächen bringen Minuspunkte, wer die wenigsten hat, gewinnt das Spiel. A- und B-Seiten der Pläne und eine Aufgabenstellung für Profis bringen Varianz ins 5 MINUTEN PUZZLE.
Auch das zweite Spiel Benndorfs stammt aus der Roll&Write-Ecke. GO FOR GOLD ist eine eher klassische Schatzsuche, in der Ausrüstungsgegenstände wie Schaufeln das Glück minimieren helfen. Bei diesem Spiel ist Benndorf nicht alleine unterwegs, mit Hand angelegt beim Schatzausgraben hat Kaddy Arendt, auch als Spielefritte bekannt und als Kollegin Benndorfs, allerdings bei der Konkurrenz. Die Kölnerin Arendt arbeitet als Spieleredakteurin für die Edition Spielwiese in Berlin. Beim vorinszenierten Jubel für die Auszeichnung für MICROMACRO: CRIME CITY beim As d’Or 2021 war sie voll in ihrem Element.
In GO FOR GOLD liegt vor den zwei bis vier Schatzsuchern ein Inselplan aus, der Zugänge über vier Hafenbuchten zulässt. Jeder startet von einem anderen Hafen ins Inselinnere, ausgestattet mit vorerst zwei Schaufeln und einer Fußspur. Auf der Insel gibt es fünf Tempelanlagen und zehn Schatzfelder, die Punkteerträge abwerfen, die letztlich entscheidend für den Spielsieg sind.
Gewürfelt wird stets für alle. Das Wurfergebnis legt die Zugweite beim Erkunden der Insel fest. Diese muss voll ausgenutzt werden, es sei denn, man verzichtet und nutzt einen Fuß, der beliebige Strecken zwischen einem und sechs Feldern ermöglicht. En passant werden unterwegs weitere Schaufeln und Füße eingesammelt. Auf Schatz- und Tempelfeldern muss man genau landen. Bei Schätzen muss die aufgedruckte Zahl mit Hilfe eines Würfelwurfs erreicht werden. Geringere Ergebnisse können durch abgegebene Schaufeln nachgebessert werden. Schätze können die Spieler beliebig einsammeln, Tempel werden nur einmal erfolgreich erkundet. Dazu muss das Wurfergebnis mit der vorhandenen Schaufelzahl korrelieren. Wer mindestens so viele Schaufeln besitzt, wie er gewürfelt hat, darf sich neun Gewinnpunkte notieren. Für alle anderen wirft dieser Tempel keinen Ertrag mehr ab, zusätzlich kosten diese neun Punkte sämtliche Schaufeln, die im Einsatz waren. Außerdem ist die Tempelentdeckung mit dem Risiko verbunden, dass misslungene Erkundungen mit einem Fluchpunkt geahndet werden. Da jeder maximal sechs Ergebnisse eintragen kann, ist das ein erheblicher Ballast.
Das Spiel endet, wenn ein Spieler eben diese sechs Eintragungen vornehmen konnte oder keiner mehr Punkte eintragen kann. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt GO FOR GOLD nach schnellen zehn bis 15 Minuten.
Klar, GO FOR GOLD ist ein reines Glücksspiel, aber jeder hat schon ein paar Stellschrauben, die Wahrscheinlichkeit für sich ausnutzen zu können. Das Wettrennen um die Tempelanlagen steht dabei im Vordergrund. Wer einen Randtempel und den zentralen weißen Tempel für sich gewinnt, steht schon einmal mit 18 Punkten auf der Liste. Dies ergänzt durch kleinere Schatzwerte wie die Vierer-Schätze kann zum Spielsieg beitragen. Da insgesamt 12 Schaufeln im Spiel sind, von denen man meistens auch gut zehn erreicht, bleiben oft auch Schaufeln zum Schatzausgraben übrig. Wer allerdings Pech hat und mit fünf Schaufeln zweimal an einem Tempel scheitert, hat keine Chance. Er kassiert nicht nur Fluchpunkte, sondern verflucht wahrscheinlich das Spiel und sein Würfelglück.
Die Schatzsuche und Tempelerkundung in GO FOR GOLD ist eher herkömmliche Roll&Write-Kost, die trotzdem das Minny-Angebot 2021 von NSV solide ergänzt. Preiswert, überall mitnehmbar, nur ergänzt durch eine Zip-Tüte, trägt dieses Konzept mit ordentlichen Spielideen von NSV und kann für meinen Geschmack gerne 2022 fortgeführt werden.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: GO FOR GOLD
Autor: Kaddy Arendt, Steffen Benndorf
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2-4
Spielzeit: ca. 10-15 Minuten
Preis: ca. 4 Euro
Titel: 5 MINUTEN PUZZLE
Autor: Steffen Benndorf
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1-6
Spielzeit: ca. 5- 10 Minuten
Preis: ca. 4 Euro
Außerdem in der Reihe erschienen sind:
BUNTE BLÄTTER, Jens Merkl, Jean-Claude Pellin
LOOT SHOOT WHISKY, Moritz Dressler
Spiel 21/2021
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