Dienstag, 5. Oktober 2021
FEUERBERG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Faszinierender FEUERBERG
Nach dem Hype, den letztes Jahr NACHT DER MAGIER entfacht hat, lohnt ein Blick auf das Umfeld der Dunkelspiele. Ein immer noch anhaltendes Abenteuer für Kinder ist das spannende WALDSCHATTENSPIEL von Walter Kraul, das der ehemalige Waldorflehrer Kraul seit 1985 im Eigenverlag anbietet. Spiele mit den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer für Kinder wollte Kraul in seinem Verlag anbieten. Am Anfang schien es ihm fast unmöglich, das Feuer als Kraftquelle für Spielzeug zu nutzen, doch dann hatte er die Idee zu einem Spiel mit Licht und Schatten, in dem die Spieler in die Schattenwelt eintauchen oder das Licht suchen. Im WALDSCHATTENSPIEL spielt ein Teelicht die entscheidende Rolle. Zehn unterschiedlich große Holztannen werden auf dem Spielbrett verteilt. Auf der einen Seite startet ein „Lichtführer“, ein Spieler, der mit einem Schieber das Teelicht im Wald bewegt, auf der anderen Seite verstecken sich bis zu sieben kleine lichtscheue Zwerge im Schatten der Bäume. Sind die Vorbereitungen getroffen, gilt: Licht aus! Der Wald in Krauls Spiel wirft gespenstische Schatten. Im Schutz der Baumschatten huschen die Zwerge hin und her und versuchen, sich alle unter einem Baum zu treffen; das Licht versucht alle Zwerge zu bannen. Fällt während der ausgewürfelten Bewegung des Teelichts der Lichtstrahl auf einen Zwerg, ist dieser verzaubert und darf erst wieder bewegt werden, wenn ein anderer Zwerg es schafft, ihn zu erreichen. Sein Spiel ist erkennbar Produkt der frühen kooperativen Ideen der 80er Jahre. Die Regeln sind aber offen gehalten und lassen Varianten zu.
Seit fünf Jahren hat Kraul ein weiteres Dunkelspiel in seinem Programm, das bisher von der Spielekritik überhaupt nicht entdeckt wurde: Sabine Erdmanns FEUERBERG. Nicht nur Erdmanns Spielidee ist ungewöhnlich, auch das Spielmaterial, ein sechseckiger Keramikteller, in dessen Zentrum eine Erhebung den vulkanischen FEUERBERG repräsentiert. Ein Teelicht thront in diesem Berg. In den sechs Ecken kann man sich durch leichte Wölbungen angedeutet steinzeitliche Höhlen vorstellen, die im Dunkeln liegen. Bis zu sechs Spieler treten den Kampf um das Feuer an. Die Vulkanlandschaft ist überzogen durch ein wabenförmiges Netz mit Verbindungslinien und Kreuzungspunkten. Die Spieler können so eine Zündleitung von ihrer Höhle zum Vulkan bauen, dazu „knobeln“ sie um die Feuerleitungsstücke. Geknobelt wird mit Würfeln, das Ergebnis kann daher nicht beeinflusst werden. Jeweils zwei Würfelseiten sind den Ereignissen Steinschlag, Sturm und Wasser zugeordnet, wobei drei Würfelseiten zusätzlich noch eine Flamme zeigen. Im klassischen Stein-Schere-Papier-Prinzip, schlägt das Wasser den Stein, siegt der Sturm über das Wasser und gewinnt der Stein gegenüber dem Sturm. Der Sieger des Würfelduells erhält ein kleines Stück Zündschnur, das an die ersten drei Teile angebaut werden kann, das die Spieler zum Start erhalten. Die Teile dürfen auch frei platziert werden und, was am Ende spannend werden kann, man darf auch versuchen, Verbindungen zu den Nachbarleitungen zu legen. Für jede gewürfelte Flamme gibt es im Übrigen auch ein Leitungsteil. Der Würfelkampf beschert von Zeit zu Zeit Pattsituationen, die eine besondere Rolle beim FEUERBERG spielen. Die Stein-Stein-Kombination beschert einen Erdrutsch, der zur Folge hat, dass Steine (im Spiel Kugeln) auf Kreuzungen gelegt werden, die den Weg zum FEUERBERG verlängern. Bei Wasser-Wasser werden Leitungsteile weggeschwemmt und tauchen an anderer Stelle wieder auf, ärgerlich ist auch die Sturm-Kombi, bei der Endteile in eine andere Richtung gelenkt werden. Geschützt sind die Spieler, wenn sie in der Pattsituation auf ihrer Würfelseite eine Flamme haben. Damit die Feuerleitung gut verlegt werden kann, liegt eine Pinzette dem Spiel bei. Sobald ein Spieler seine Leitung fertig gestellt hat, wird der Raum verdunkelt und die Leitung am vulkanischen Teelicht angezündet. Die Lunte brennt und bewegt sich in Richtung Höhle, hat ein Mitspieler angedockt, kommt es zum Wettlauf zweier Flammenstränge. In der Höhle selbst steckt ein Streichholz, das am Ende brennen muss.
Der FEUERBERG ist ein außergewöhnliches Spiel, dessen Spielmaterial zur ganz besonderen Spielatmosphäre beiträgt. Spielerisch ist das recht glücksabhängige Würfelduell zwar nicht gerade ein leuchtendes Beispiel kreativer Spielideen, das macht aber nichts, da Kinder auf das Ende fixiert sind und der Flammenstafette entgegenfiebern. Da stört es auch nicht, dass die Farbwürfelseiten schlecht zu unterscheiden sind, Hauptsache die Lunte brennt irgendwann und bewegt sich langsam kriechend auf eine Höhle zu. Wenn sie zum Schluss beim Streichholzkopf angelangt ist und der entflammt, dann fühlt man sich tatsächlich fast in eine steinzeitliche Höhle versetzt und kann sich die große Bedeutung des Feuers für die Menschheitsentwicklung vorstellen. Wer seinen Kindern ein ganz besonderes Geburtstagserlebnis verschaffen möchte, wer ungewöhnliche Spiele schätzt, wer seine Teelichter in besonderer Form präsentieren möchte, der kommt an dem Wohnzimmerschmuck von Sabine Erdmann nicht vorbei. Die Keramiklandschaft ist zwar nicht billig, aber allemal ihren Preis wert.
Titel: FEUERBERG
Verlag: Walter Kraul GmbH
Autorin: Sabine Erdmann
Spieleranzahl: 2 - 6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 15 bis 30 Min.
Preis: ca. 120 Euro
Spiel 07/2007 R172/2021
Die Rezension erschien 2007 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zur Autorin:
Zu Sabine Erdmann konnte ich nur den Eintrag für das Spiel FEUERBERG finden. FEUERBERG ist im Gegensatz zum WALDSCHATTENSPIEL im Augenblick nicht verfügbar, was sicherlich an der teuer zu produzierenden Porzellanschale liegt.
Bei BGG ist es verzeichnet, bei Luding musste ich erst einen Eintrag vornehmen. Die beiden Wertungen (4 und 7) sagen letztlich nichts aus.
Montag, 4. Oktober 2021
ELEMENTO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SUDOKU im Elementarbereich: ELEMENTO
Dass die ältere Generation durchaus eine attraktive Zielgruppe sein kann, hat Selecta schon vor zwei Jahren mit dem Start seiner Nobile-Reihe entdeckt. Ravensburger reagiert inzwischen auch auf diesen Trend. Zur Spielwarenmesse 2007 in Nürnberg stellte der Verlag eine Reihe mit Gesellschaftsspielen speziell für Menschen ab 50 Jahren vor, die im Herbst erscheinen sollen. Man darf gespannt sein, welche weiteren Verlage noch auf diesen Zug aufspringen. Bei Selecta sind inzwischen schon sieben Spiele unter dem Nobile-Label veröffentlicht. Ganz neu TOMOKO, ein vertracktes Kugelschieben, und ELEMENTO, ein an SUDOKU angelehntes taktisches Lege- und Würfelspiel.
An dieser Stelle soll ELEMENTO näher vorgestellt werden. Auf dem großen, stabilen, quadratischen Holzspielbrett gibt es vier mal vier Felder, die vier farbigen Regionen zugeordnet sind. Beim Spiel zu zweit erhält jeder Spieler acht Holzspielsteine, je zwei der vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Diese gilt es passend in SUDOKU-Manier abzulegen. Da sie nur einmal in den Reihen, Spalten und Farbquadraten des Spielplans vorkommen dürfen, beendet der Spieler eine Spielrunde, der das entscheidende vierte Element setzt. Wer als erster fünf Siegpunkte, große Glassteine, erhält, gewinnt das Spiel. Ganz ohne Siegpunktberechnung gewinnt im Übrigen der Spieler, der es schafft, alle acht Spielsteine zu platzieren.
Nicht alles in dem Spiel bleibt der Strategie überlassen, ein beträchtliches Glückselement stellen zwei Farbwürfel dar, die den jeweiligen unteren beiden bzw. oberen beiden Farbquadraten zugeordnet sind, so dass ein Spielstein nur auf eins der gewürfelten Farbfelder gesetzt werden darf. Dadurch kann es passieren, dass ein Spieler gar keinen Stein ins Spiel bringen kann. Was gar nicht so tragisch ist, da er dafür einen eigenen Stein orthogonal um ein Feld verschieben darf. Allerdings ist auch bei diesem Ersatzzug der Würfelwurf von Bedeutung, da nur von diesen Farbfeldern aus ein Stein verschoben wird. Geht das auch nicht, verfällt dieser Zug. Kommt es zu einer Wertung, entscheidet der Spieler, der mit dem Glasstein belohnt wird, ob alle gegnerischen oder eigenen Steine aus dieser Wertungsreihe oder dem Wertungsfarbfeld entfernt werden. Sie stehen dem jeweiligen Spieler dann wieder zur Verfügung.
Der Startspieler hat einen gewissen Nachteil, wenn der nachziehende Spieler aufpasst, ist der Startspieler derjenige, der mit der Belegung des neunten Feld die Option zum Schließen einer Reihe oder eines Farbfeldes eröffnet. Die Würfel dienen hier als sinnvolles Korrektiv, da der Zweite seine Chance eventuell nicht nutzen kann. Unbefriedigender verläuft das Spiel zu dritt oder zu viert. In dieser Variante stehen den Spielern alle 16 Spielsteine zur Verfügung. Gespielt wird nach den Regeln des Grundspiels, allerdings nur auf drei Siegpunkte. So richtig steuern kann man den Spielverlauf nicht, aber auch hier ist es so, dass der Spieler an zweiter Stelle oft einen Anfangsvorteil hat.
ELEMENTO ist kein hochkarätiges Strategiespiel, soll es vom Anspruch der Nobile-Reihe her auch gar nicht sein. Wer leichte Kost mag, ist zumindest mit der Zweierversion des Spiels, das Selecta solide, aber nicht nobel umgesetzt hat, ordentlich bedient.
Titel: ELEMENTO
Autor: Momo Besedic, Wilfried Lepuschitz
Verlag: Selecta
Spieler: 2- 4
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Spiel 06/2007 1996 R171/2021
Die Rezension erschien 2007 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Für das österreichische Autorenduo Besedic und Lepuschitz war es die einzige Zusammenarbeit. Momo Besedic hat dann nur noch mit ADIOS AMIGOS (Pegasus, 2009) ein weiteres Spiel veröffentlicht. Der 41jährige Wiener Wilfried Lepuschitz gehört zu den bekannteren österreichischen Autoren (DEUKALION, Parker 2008; MAKE`N BREAK PARTY, Ravensburger 2012, PROFESSOR TEMPUS, Gigamic 2013).
Für beide war ELEMENTO die erste Veröffentlichung.
Das Spiel hat auf BGG eine Wertung von 6,4, es gibt allerdings nur vier Wertungen.
Sonntag, 3. Oktober 2021
MR. PRESIDENT
SAMMELSURIUM
MR. PRESIDENT
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
Gut die Hälfte der 3M-Spiele kommt ohne Autorennennung aus, hauptsächlich tauchen Sackson (AQUIRE, BAZAAR, EXUCUTIVE DECISION) und Randolph (TWIXT, BREAKTHRU, OH-WAH-REE) auf, daneben noch Frank Thibaut (CONTIGO, PLOY), Winters (HIGH BID), Bernett (PHLOUNDER) und Lipman (POINT OF LAW).
Insgesamt gibt es 29 Spiele der Bookshelf-Reihe, in Deutschland sind dann allerdings nur 10 erschienen (AQUIRE, BAZAAR, BREAKTHRU, EXECUTIVE DECISION, FACTS IN FIVE, FEUDAL, PLOY, STOCKS AND BOUNDS und TWIXT), ergänzt durch drei Klassiker (BACKGAMMON, GO und SCHACH).
Die deutschen Spiele hat Michel Matschoss betreut, der zusammen mit Alex Randolph SAGALAND entwickelt hat und lange Zeit Produktmanager für Winning Moves war.
MR. PRESIDENT
Das Spiel von Jack Carmichael (BEAT THE CAT, POWERPLAY, beide 1970) ist 1967 in den USA erschienen. Es gehört zu den Spielen der Bookshelf-Reihe, die es nicht zu einer deutschen Ausgabe gebracht haben. Es geht um eine recht nahe Adaption des amerikanischen Wahlkampfes in den 60ern, das mag ein Grund gewesen sein, dass man auf eine deutsche Veröffentlichung verzichtet hat.
Schade eigentlich, denn MR. PRESIDENT gehört zu den guten Wahlspielen. Die zwei oder vier Spieler erhalten Kandidatenkarten mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen beispielsweise in ihrer Kampagnenfähigkeit, ihren Geldgebern, ihrer Presseunterstützung und Werbung. Sie stehen für die Demokraten oder Republikaner und vertreten spezifische politische Ansätze. Zu zweit übernehmen die Kontrahenten die Rolle von Präsidentenkandidat und Vizepräsidenten, zu viert werden die Rollen aufgeteilt.
Zusätzlich gibt es spezifische Decks für die Kandidaten, die Stimmergebnisse für einzelne Staaten anzeigen, die den vier Regionen Südstaaten, Oststaaten, Weststaaten und dem mittleren Westen zugeteilt sind. Im Deck für die Präsidentenkandidaten stecken stärkere Karten als in denen der Vizepräsidenten. Alle Ergebnisse und sonstigen Daten werden auf einer abwischbaren Tafel bilanziert.
Am Anfang geht es um diesen Karteneinsatz in mit zwei Würfeln ausgewürfelten Bundesstaaten. Die Stimmkarten werden dabei verdeckt abgelegt, sodass der Gegenspieler nicht über die dort abgegebenen Stimmen informiert ist. Das machen beide so lange, bis sie keine Karten mehr habe. Briefwahlzettel kommen ebenfalls noch dazu. Am Ende wird gezählt, wer die meisten Stimmen in einem Bundesstaat hat, bekommt dessen Wählerstimmen, mit denen der Präsident bestimmt wird.
In einer Expertenvariante spielen dann Werbung, Spenden und Debattenthemen eine Rolle, die das Spiel deutlich aufwerten. Schon allein die Themen spiegeln die 60er Jahre wider, wenn es beispielsweise um das Weltraumprogramm geht.
Spannend sind die prinzipiellen Entscheidungen, bei welchen Bundesstaaten man kämpfen möchte und welche man aufgibt. Das entspricht fast den aktuellen Kämpfen um die Swing States. Man kann nicht überall sein, aber muss in wichtigen Staaten schon dabei sein.
Einerseits ist MR. PRESIDENT ein Stück Zeitgeschichte der USA in den 60ern, anderseits ist der verdeckte Karteneinsatz ein Spielelement, das auch heute noch trägt.
Titel: MR. PRESIDENT
Verlag: 3M
Autor: Jack Carmichael
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 40 – S40/2021
Samstag, 2. Oktober 2021
FRÖSCHIS
FRÖSCHIS
Einen treueren Autoren als den 71jährigen Israeli Haim Shafir besitzt die Firma Amigo nicht. Shamir veröffentlicht alle seine Spiele für den deutschen Markt seit inzwischen 30 Jahren ausschließlich bei der Firma aus Dietzenbach. Das mag auch daran liegen, dass das erste Spiel TUTTI FRUTTI als HALLI GALLI ein Welterfolg wurde.
Amigo schuf extra dafür ein eigenes Gütesiegel, das auf Spielen des israelischen Autors prangt: „Vom Erfinder von HALLI GALLI“. Das Logo von Spiel des Jahres für Auszeichnungen auf der Empfehlungsliste Kinderspiel kam für COCOTAKI, KLACK!, KUDDELMUDDEL, SCHAU MAL! WAS IST ANDERS? und SPEED CUPS dazu.
Das kleine Kartenspiel FRÖSCHIS besitzt gute Anlagen in die Fußstapfen der ausgezeichneten Spiele zu treten. Shafirs Spiel folgt den Ideen der BIBERCLAN-Familie, zu der Shafir schon die BIBER GANG beigetragen hat. Dabei geht es bei FRÖSCHIS nicht um niedrige Auslagewerte von Karten, sondern um das Erzielen einer korrekten Zahlenfolge von 1 bis 8 und später immer niedriger werdenden Werten.
Die Zielgruppe sind diesmal Kinder ab fünf Jahren, die durch ein einfaches Tauschverfahren ihre Kartenreihe vervollständigen müssen. Jedes Kind hat eine zufällig verteilte Reihe mit acht verdeckten Karten vor sich. Das können wild durcheinander gewürfelte Zahlenkarten sein, dort liegen aber auch kleine Fröschis, die lustigen Jokerkarten in dem gleichnamigen Spiel, und die eine oder andere Müllkarte, die sofort entsorgt werden muss.
Wer am Zug ist, nimmt sich eine verdeckte Karte vom Nachziehstapel oder eine offene aus der Kartenablage. Zahlenkarten werden entsprechend ihrer Position in die eigene Reihe eingeordnet. Ist die damit verdrängte Karte erneut eine Zahlenkarte, deren Position noch nicht belegt ist, darf weitergespielt werden. Das gilt auch für Joker. Die Zugfolge endet allerdings, wenn an der entsprechenden Stelle schon eine Karte offen liegt oder eine Müllkarte aufgedeckt wird.
Sobald ein Spieler seine Reihe komplettiert, sind alle anderen noch einmal am Zug, dann endet die erste Runde. Alle Spieler mit kompletten Zahlenreihen müssen ab sofort nur noch sieben Karten auslegen und so werden die Reihen kürzer und kürzer, die Aufgabe reduziert sich von Sieg zu Sieg, bis der glückliche Gesamtsieger am Ende eine 1 oder einen Fröschi aufdeckt und das Spiel gewinnt.
Ein hoher Glücksanteil, aber auch ständige Erfolgserlebnisse führen zu sehr positiven Reaktionen kleiner Kinder auf die Spielidee Shafirs. Grafisch hat Marina Zlochin dem Spiel ganz niedliche Froschfiguren spendiert. Die Zahlen entsprechen ihren üblichen Bildern, gerade kleinere Kinder hätten hier vielleicht noch zusätzliche visuelle Hilfe für die Zuordnung der Zahlenwerte gebraucht. Warum nicht Mini-Fröschis zum Abzählen? Das unterstützt nicht nur das Zahlenverständnis, sondern außerdem die Mengeneinschätzung. Auch die Müllentsorgung, die etwas Zeit kostet, ist ein pädagogischer Zusatzeffekt, der Kindern einleuchtet. Ein fast rundes Spiel im Froschteich mit den vielen Zahlen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FRÖSCHIS
Autor: Haim Shafir
Grafik: Marina Zlochin
Verlag: Amigo
Spieler: 2-4
Alter: ab 5 Jahre
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 64/2021
Freitag, 1. Oktober 2021
DSCHINGIS KHAN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mauerbauer an der chinesischen Grenze: DSCHINGIS KHAN
Die großen Strategen Alexander und Karl hat Leo Colovini spielerisch schon in die Mangel genommen, in CLANS uns zu den Anfängen der Menschheit geführt und nun öffnet er sich asiatischer Geschichte. Wer eignet sich da besser als der Mongolenfürst DSCHINGIS KHAN, der 1215 Peking eroberte.
Der Venezianer Colovini hat bisher stets ein hervorragendes Gespür für historische Spiele bewiesen. Ohne zu komplex zu werden, gelang es ihm in den meisten Spielen, Zeitkolorit und Spielspaß zu gelungenen Symbiosen zusammenzuführen. Im Zentrum des neuen Winning Moves Spiels um den großen Khan steht die Chinesische Mauer, die ähnlich wie in seinem 2006 erschienenen Spiel MAUERBAUER das zentrale, äußerst flexible Steuerungselement des Spiels um den Mongolen ist.
Wir dürfen uns nun nicht die klassische Konfrontationssituation Chinesen versus Mongolen vorstellen, die auch eher nur für ein Duell von zwei Spielern getaugt hätten. Colovini entwirft seine Spielidee für zwei bis vier Spieler, die jeweils beide Seiten vertreten müssen. Zu ihren 17 achteckigen und stapelbaren Plastikspielsteinen gehören jeweils fünf mongolische und chinesische Krieger, außerdem fünf neutrale Bauern und ein Pest- und Heilkraut-Stein. Zusätzlich besitzt jeder Spieler eine Kundschafter-Figur. Acht von 28 Mauerteilen trennen mittig den Spielplan. Die Verbindungen werden zwischen Wachtürmen hergestellt, die sich an den Eckpunkten eines Netzgitters, das über den Landschaftsplan gedruckt ist, befinden. Im Zentrum der 38 Gitterfelder befinden sich Dörfer, deren Besitz am Ende über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Am Anfang muss jeder seine Spielsteine mischen, stapeln und zwei ziehen. Erst jetzt darf man sie ansehen und im mongolischen oder chinesischen Teil, nördlich oder südlich der Mauer benachbart und verdeckt platzieren. Auf einen der beiden Steine kommt die Kundschafterfigur. Nun muss man wissen, dass Colovini die Mongolen in seinem Spiel gar nicht unbedingt in China haben will. Für die Schlusswertung gibt es jeweils drei Punkte, wenn chinesische Krieger südlich der Mauer, also in China sind, und Mongolen im Norden bleiben. Ist das nicht der Fall gibt es drei Punkte abgezogen. Bauern zählen auf beiden Seiten einen Pluspunkt. Die Pest, die in einem Dorf ohne Heilkräuter ausbricht, bringt für alle, unabhängig vom Standort, drei oder einen Minuspunkt. Im positiven Sinne gilt dies für ein Dorf ohne Pest aber mit Heilkräutern, da darf sich ein Chinese, der in der Mongolei lebt, wie in China fühlen.
Zurück zum Spielbeginn. Neben den drei auf dem Plan platzierten Spielsteinen erhalten die Spieler noch zwei Mauerteile und zwei weitere Spielsteine als aktiven Vorrat für die Spielzüge. Diese beginnen stets mit der Ergänzung des Vorrats um zwei Teile, die beliebig gemischt sein dürfen. Die einzige Begrenzung ergibt sich aus der Maximalzahl von vier Mauer- oder Spielsteinen, die man vor sich liegen haben darf. Als zweite Aktion kommt es zum Einsatz der Spielsteine. Dabei müssen entweder alle Mauern oder alle Spielfiguren gesetzt werden. Für die Verteilung der Steine sorgt die Kundschafterfigur, die in der Regel vom Ausgangsstandort aus sich in benachbarte Dörfer bewegt. Zu Beginn des Spiels stellt auch die Mauer kein Hindernis dar, da sie durch ein Tor eine Unterquerung ermöglicht. Der Kundschafter darf sich außerdem auf der Mauer bewegen und diese an beliebiger Stelle mit offenem Tor verlassen. Mauerteile, die so genutzt werden, müssen danach umgedreht und damit geschlossen werden. Besetzt werden dürfen freie Dörfer, aber auch Orte, in denen sich schon andere Spielsteine außer den Kundschaftern befinden. Der jeweils oben liegende Spielstein besitzt und kontrolliert das Dorf, der entsprechende Spieler darf sich zum Beispiel auch alle dort liegenden fremden Spielsteine anschauen. Beim Mauerbau ist zu beachten, dass dieser als Verbindung zwischen den Türmen stets in Verbindung zur Großen Mauer erfolgen muss. Sobald dadurch entstehende Mauerschleifen wieder zur Hauptmauer zurück geführt werden, muss das kürzere Mauerstück entfernt werden, denn es darf stets nur eine durchgehende Mauer existieren. Die neu gesetzten Mauerteile sind stets offen, ermöglichen damit den Wechsel auf die chinesische oder mongolische Seite. Durch das Schließen der Mauer, können Kundschafter bewegungsunfähig werden. Deshalb darf in einem solchen Fall diese Figur statt des sonstigen Einsetzens vom Spielbrett genommen werden. Wobei der Kundschafter in der nächsten Runde von einem eigenen Dorf oder beliebigen Feld aus startet.
Wenn keine Mauern und keine Spielsteine einer Farbe mehr im Vorrat liegen oder wenn das für die Spielsteine zweier Farben gilt, wird die letzte Spielrunde eingeläutet. Jeder ist noch einmal an der Reihe, bis schließlich jedes Dorf wie oben beschrieben gewertet wird.
Auch wenn es thematisch durchaus stimmigere Spiele Colovinis gegeben hat - die wandernde Mauer und die Mongolen, die gar nicht nach China wollen, sind schon eigenartig -, die Spielideen wirken aber erst einmal interessant. Die Umsetzung von Winning Moves ist gefällig, auch wenn das viele Plastikmaterial erst einmal erschlägt, seiner Funktion wird es aber gut gerecht. Die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Kundschafter durch die Mauer und über die Mauer an vielen Stellen auftauchen zu können sind interessant, das Schicksal mit Hilfe der Verschiebung der Mauer beeinflussen zu können ebenfalls. Trotzdem ist keine meiner bisherigen Spielrunden vor Begeisterung zu neuem Mauerbau angetreten.
DSCHINGIS KHAN erweist sich als Konstrukt mit aufgesetzten Spielelementen. Ein Hauptproblem besteht in den verdeckt liegenden Spielsteinen. Immer wieder kauft man die Katze im Sack ein, wobei Veränderungen leider doch nicht so einfach vonstattengehen, wie das Spiel vorgaukelt. Wer meint, hinter einem Spiel mit dem Titel DSCHINGIS KHAN müsse sich ein taktischer Leckerbissen verbergen, wird enttäuscht. Wer gerne Mauerteile verschiebt, sollte dann doch besser zu dem bei Schmidt erschienenen MAUERBAUER von Colovini greifen und die CHINESISCHE MAUER in der Knizia-Fassung von Kosmos in Angriff nehmen.
Titel: DSCHINGIS KHAN
Autor: Leo Colovini
Grafik: Claus Stephan
Verlag: Winning Moves
Spieler: 2- 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 bis 45 Minuten
Spiel 06/2007 1996 R170/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
der promovierte Historiker Leo Colovini ist mit rund 100 Veröffentlichungen der wohl bekannteste Spieleautor Italiens. Schon als 12jähriger lernte der Venezianer Alex Randolph in einem Schachclub kennen. Daraus erwuchs eine lange Freundschaft. Über den Status des Spieletesters wurde er bald Co-Autor. 1986 war DRACHENFELS die erste Veröffentlichung beider Autoren. Nur zwei Jahre später bekam er mit Alex Randolph eine Auszeichnung für INKOGNITO (1988).
1995 gründete er gemeinsam mit Randolph und Dario de Toffoli den Spielerverlag Venice Connection. Er gehört außerdem zum Team von Studiogiochi, das u.a. verantwortlich für den Premio Archimede ist, der nach der Corona-Pause im letzten Jahr in diesen Tagen in Venedig vergeben wird.
Nachdem Colovini sein Geschichtsstudium mit einer Arbeit über Karl den Großen (Carolus Magnus) und die Langobarden in Italien abgeschlossen hatte, entwickelte er daraus das Spiel CAROLUS MAGNUS, das ihn zu seiner ersten Nominierung zum Spiel des Jahres führte. 2002 gelang ihm das noch einmal mit CLANS.
Auch in DSCHGIS KHAN widmet er sich erneut einem historischen Thema. Das Spiel wird im Augenblick auf BGG mit 5,2 bewertet, liegt damit auf dem allgemeinen Platz 19.361, bei den abstrakten Spielen sieht es mit Platz 993 etwas besser aus. (Stand 28.09.21)
2016 galt er als der geheime Gewinner des Kinderspielpreises für LEO MUSS ZUM FRISÖR (vgl. Bild), für dieses Spiel von Abacus erhielt er die Kinderspielauszeichnung des Deutschen Spielepreises.
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