Freitag, 10. Mai 2019
DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL
Der Berliner Redaktionschef von Schmidt Spiele ist großzügig, gleich fünf Module spendiert er mit der Grundpackung von Wolfgang Warschs TAVERNEN IM TIEFEN THAL. Weiß er doch, dass dieser Autor, der dem Verlag 2018 gleich zwei Nominierungen und einen Hauptpreis der Jury eingefahren hat, Garant für gute Spielideen ist.
Beim aktuellen Spieltitel hätte der Verlag durchaus in Quedlinburg-Manier einer deutschen Ortschaft ein Denkmal setzen können. Die Gemeinden Tiefenthal existieren gleich zweimal in Rheinland-Pfalz, einmal im Landkreis Bad Dürkheim in der Pfalz, dann an der Nahe in der Nähe von Bad Kreuznach in Rheinhessen. Aber die Kneipen, deren Wirte wir spielen dürfen, liegen nur im TIEFEN THAL und das gleich vierfach. Irgendwie wäre es ja auch unpassend gewesen, den Gerstensaft dem Wein vorzuziehen, der wohl eher in den rheinpfälzischen Tiefenthälern anzutreffen ist.
Durch HEAVEN & ALE in die Braukunst eingeführt, kümmern wir uns diesmal eher um den Getränkeabsatz. Spieltechnisch kehrt der Bagbuilder Warsch zum Deckbuilder zurück, dafür bringt er einen neuen Drafting-Aspekt ins Spiel ein. Angeregt wahrscheinlich durch die vielfache Würfelnutzung in seinen „cleveren“ Würfelspielen steckt die Neuigkeitsprise im Dice-Drafting.
Jeder startet mit einer noch rudimentär ausgestatteten Taverne und einem Handkartenreservoir von sieben Stammgästen mit einer Kellnerin, einem zusätzlichen Tisch und einem Bierlieferanten. In den folgenden acht Runden gilt es, die Taverne aufzuwerten und vor allem für lukrativere Gäste zu sorgen.
Mit Öffnung der Taverne kommen die ersten Gäste, dazu decken alle zeitgleich ihre Karten auf. Jeder Gast beansprucht einen eigenen Tisch, von denen es zu Beginn nur drei gibt. Wer also drei Gäste hintereinander aufdeckt, hat ruckzuck diese Phase beendet. Wer mehr Glück hat, deckt vorher einen vierten Tisch auf, ergänzt eventuell durch Kellnerin und Bierlieferant. In diesem Fall werden gleich sieben der zehn Anfangskarten genutzt.
Nach dieser Phase draften die Wirte vier Würfel. Bin ich vorher an die Kellnerin gekommen, steht mir ein weiterer Würfel zur Verfügung, den ich nicht weitergeben muss. Alle Aktionsbereiche in der Taverne verlangen bestimmte Würfelzahlen. Dort aktiviert, spülen die Gäste Geld in meine Kasse, außerdem fließt der Biernachschub. Zusätzlich kann ich mich in einem Klosterbereich fortbewegen, um Boni einzuheimsen.
Daraus ergeben sich zwei Währungen für das Folgespiel. Mit Bier kann ich neue Gäste in mein Deck holen, die mir mehr Geld und Siegpunkte bringen. Lukrativ sind dabei besonders die Adligen, die zwar viel Gerstensaft kosten, dafür aber zehn Siegpunkte für die Endabrechnung bedeuten. Mit Geld komme ich an neue Tavernenkarten wie weitere Tische und Kellnerinnen, außerdem kann ich Geld für den Ausbau der Taverne investieren. Das wertet nicht nur meine Taverne auf, zum Beispiel durch fest angestellte Mitarbeiter, sondern bringt mir zusätzlich wertvolle Adlige an den Kneipentisch. Das Gute beim Adel ist nämlich, dass er zusammenglucken will und stets nur einen Tisch benötigt.
Nach acht Runden wird abgerechnet, wobei ganz einfach alle Siegpunkte auf den Karten addiert werden. Nur bei Gleichstand werden restliches Geld und Bierreserven zur Entscheidung herangezogen.
In den Folgemodulen wird Schnaps an der Theke serviert, Gaukler und Barden ziehen in die Taverne ein. Der Ruf der Tavernen wird miteinander auf einer speziellen Leiste verglichen und bringt Schnapsvorteile und Adlige. In dieser Variante ergänzen die Wirte die Siegpunkte durch die Wertigkeit ihres Rufes. Das vierte Modul, „Aller Anfang ist schwer“, sorgt für unterschiedliche Startvoraussetzungen. Im letzten Modul spielen Gästebücher eine Rolle. Jeder Gast trägt sich ins Gästebuch ein, was meist mit unterschiedlichen Boni verbunden ist. Originell ist die Idee, dass Originalunterschriften in diese Bücher kommen. Da verewigen sich nicht nur Redakteure, Grafiker und Autor, sondern ganz viele Testgruppen, die Rückmeldungen zu dem Prototyp gegeben haben. Neben Gimmler, Warsch und Lohausen findet man dort beispielsweise Andreas Buhlmann und Wolfgang Ditt wieder.
Das Ambiente ist stimmungsvoll, der Ablauf reizvoll, wobei aber das Kribbeln, das den Zaubertrank bei den Quacksalbern prägte, ausbleibt. Die Tavernen funktionieren, werden auch durch das Regelwerk vorzüglich vorbereitet, laufen sogar ähnlich ab wie beim Kennnerspiel des Jahres 2018. Dort wollte ich mir möglichste viele Bewegungen aus dem Säckchen ermöglichen, hier viele Karten in die Kneipe bringen. Trotz der vergleichbaren Abhängigkeit vom Zufall sind die Zwänge bei den Tavernen stärker. Bei den Quacksalbern war ich selbst Herr über das Aufhören, hier zwingt mich das Spiel zum Rundenende, wenn alle Tische besetzt sind. Das Dice-Drafting ist Augenwischerei, es beschert mir nur zum Teil bessere Würfel. Wenn die Gesamtauslage nichts hergibt, werde ich bestimmte Kneipenbereiche nicht aktivieren können. In gewisser Hinsicht ähnelt das Spiel VEJEN aus dem Verlag Spielefaible, bei dem es um dänische Kronen und deutsche Taler geht, was mit der Bier- und Geldwährung im Tiefen Thal vergleichbar ist. Beide Spiele kommen nur langsam in Gang und explodieren fast am Ende.
DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL gefallen mir gut, ich bin fast immer bereit mitzuspielen, aber die großen Emotionen, die in Quedlinburg spürbar waren, bleiben aus. Insofern bin ich schon verwundert über den ersten Platz dieses Spiels beim Pfefferkuchel in „Oberhof“. Auf alle Fälle spiele ich morgen gerne wieder mit, am besten mit vielen Modulen. Nachts wecken lassen würde ich mich aber nicht für dieses Spiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL
Autor: Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Schmidt
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 60 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 38/2019
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.