
Im Herbst letzten Jahres haben Till Meyer und Nicole Stiehl mit der Spieleschmiede eine neue Reihe von Spielen begonnen. Mikrospiele, die maximal 10 Spielkarten als Spielmaterial umfassen sollen. Was sonst gebraucht wird, Spielsteine, etwas zum Zählen der Siegpunkte oder Würfel, befindet sich in jedem Haushalt oder konnte als Option dazu gewählt werden. Der Start der Reihe war mehr als erfolgreich. Das Deduktionsspiel DIE KRIEGER VON JEIN brach alle Rekorde der Spieleschmiede. Es fehlte nur eine Minute an fünf Stunden, dann war die Mindestförderung für das Spiel schon erreicht. Letztendlich kam mehr als das Vierfache der erwarteten Summe zusammen.
Der Grundansatz war entsprechend preiswert. Schon ab 1 Euro gab es eine Print&Play-Variante und sogar die Spielkartenversion kostete mit digitaler Regel nur 3 Euro. Während der Entwicklung entstanden eine Reihe weiterer Ideen, die Meyer und Stiehl interessant fanden. Die meisten Spiele brauchten allerdings mehr als 10 Karten, sodass der Verlag in Kooperation mit Sabine und Torben Knochenhauer von Anspieler eine entsprechende Spielesammlung unter dem Titel DIE BOX veröffentlicht hat. Sieben ganz unterschiedliche Spiele mit allem Material, grafisch ansprechend von Christian Opperer aufbereitet stecken in der BOX.
Da ist das Kartenspiel GANZ NACH PLAN!?, in dem es darum geht, als erster seine Karten loszuwerden. 20 dieser Karten sind im Spiel, zu viert besitzt jeder fünf Handkarten. Die Karten regeln den Spielablauf: Platztausch, Richtungswechsel, Kartenabgabe, Kartenaufnahme, Übernahme des Abwurfstapels. Ein reges Durcheinander, das meist ganz und gar nicht nach Plan verläuft. Wer Glück hat, die Übersicht bewahren kann und nach Ablegen der letzten Karte, keine weiteren Karten bekommt, gewinnt nach maximal zehn Minuten das nette Wechselspielchen.
Im taktischen Würfelspiel SCHLAURAFF gilt es, möglichst viele Chips zu ergattern. Davon sind je 10 gelbe im Wert von 1 oder 11, grüne im Wert von 3, blaue und rote jeweils im Wert von 5 bzw. 10 im Spiel. Diese liegen zufällig verteilt in Fünfer-Spalten aus, die reihum von den Spielern abgearbeitet werden. Innerhalb der Spalten muss die Reihenfolge von oben nach unten eingehalten werden. Das geschieht mit sechs Würfeln. Wer passend bei einer 1, 3 oder 5 trifft, hat den Würfel erbeutet und darf sich an den nächsten Chip machen. Wer für eine 10 oder 11 entsprechend mehr Würfel braucht, kann einen dieser Würfel dem nächst tiefer liegenden Chip zuordnen. Neu gewürfelt werden darf immer dann, wenn ein Würfel einem Chip zugeordnet wurde. Kann ein Spieler nicht alle Chips einraffen, was häufig passiert, wandert der Rest an den nächsten Spieler weiter und verlängert seine Spalte der zu erbeutenden Chips. Da mit sechs Würfeln maximal sechs Chips ergattert werden können, sind solche Zusatzgewinne oft spielentscheidend, denn am Ende zählen nicht die Punkte auf den Chips, sondern die simple Anzahl. Ein gut funktionierendes Würfelspiel, das mit einer leichten Regeländerung allerdings flüssiger läuft. Die Zwangszuordnung beim Zweiteinsatz eines Würfels auf den darunter liegenden Chip passt nicht immer. Ist das zum Beispiel ein gelber Chip, der beim Überschreiten einer 1 bis zur 11 aufgefüllt werden muss, ist der Weg mühsam. Hilfreich ist hier eine freie Zuordnung innerhalb der Spalte, die natürlich mit dem Risiko verbunden ist, dass dieser Chip gar nicht mehr erreicht wird. Trotzdem macht diese kleine Änderung den Spielablauf flüssiger.
BAD BUNNIES lässt grüßen, wenn man RAUFER spielt. Der Doppelmoppel bleibt zwar aus, aber es geht rauf und runter, je nach Vorgabe des ausspielenden Spielers. Ganz im Sinne der minimalistischen BOX bleibt die Kartenzahl überschaubar. Wir befinden uns in einem Treppenhaus mit 20 Stockwerken, haben entsprechend nur 20 Karten zur Verfügung. Je nach Spielerzahl erhält jeder Spieler drei bis fünf Karten, der Rest steht als Nachziehstapel zur Verfügung. Wer eine Karte ausspielt, befiehlt seinem Nachbarn die Richtung, in der er im Haus weiterlaufen soll. Kann er das nicht, zieht er eine Karte vom Nachziehstapel und legt diese verdeckt vor sich ab. Landet die Runde wieder beim ersten Befehlsgeber und auch der kann seinem eigenen Befehl nicht Folge leisten, erhält er alle gezogenen Karten in dieser Runde, ansonsten nehmen alle die vor ihnen liegende Karte auf. Sobald ein Spieler seine letzte Karte legen kann, ist die Runde beendet. Ist übrigens der Nachziehstapel zuende, scheidet automatisch der Spieler, der nicht reagieren kann, aus. Das Spielgefühl ist durchaus mit BAD BUNNIES vergleichbar, dadurch dass jede Karte nur einmal vorhanden ist und der Memoeffekt stärker wirkt, ist der Spielablauf kalkulierbarer. Die wenigen Karten machen RAUFER allerdings auch massiv glücksabhängig.
Richtig gut gefällt mir das deduktive Spiel NUSSKNACKER, dessen Schwierigkeitsgrad variiert werden kann. Haselnuss-Karten in den Werten 1 bis 8 sind zweimal im Spiel. Für die Anfangspartien wird zu Recht empfohlen, nur 12 Karten bis zu den 6er Nüssen zu nehmen. Es geht um den Zahlenwert einer anfangs verdeckt gezogenen Karte. Die restlichen werden vollständig unter die Rategruppe verteilt. Gefragt wird reihum nach einem konkreten Zahlenwert. Das Problem dabei, der Fragende muss eben diesen Zahlenwert selbst auf der Hand haben, das muss nicht der exakte Wert sein, er kann auch durch Addition mehrerer Karten gebildet werden. Der befragte Spieler antwortet entsprechen mit einer oder mit mehreren Karten oder passt. Danach schieben die Beteiligten sich die passenden Karten zu. Für die Zuschauer birgt dieser Vorgang nur dann Informationen, wenn einzelne Karten und damit exakte Werte verschoben werden. Durch dieses Hin und Her entwickeln sich bald Vermutungen, welche Karte nicht doppelt vorhanden ist. Wer meint, die Lösung zu kennen, kann auch außerhalb der Reihe einen Tipp abgeben. Stimmt der, erhält er einen Gewinnchip, stimmt er nicht, erhalten den alle anderen Spieler. Das läuft solange, bis ein Spieler 5 Chips gewinnen konnte. Bei Gleichstand geht es in noch eine weitere Runde. Das Spiel hat Pfiff, macht auch zu zweit Spaß, wobei es dort vor allem auf die richtigen Fragen ankommt, die von der Bewertung des eigenen Kartenblatts abhängen.
Fast ein vollwertiges Brettspiel ist SCHOLLENSCHUBSER, das auf einer variablen Kartenauslage abläuft. Von der Spielidee her müssen Arktisforscher wegen des einbrechenden arktischen Sommers so schnell wie möglich rettende Schiffe erreichen. Alles ist in Bewegung, da treiben Eisschollen in einem 4x5 Felder großen Gebiet gen Süden, diese schmelzen teilweise und lassen immer weniger Platz für die Forscher. Wer es als erster schafft, in dieser Eispartie seine vier Forscher auf die Schiffe zu bringen, gewinnt. Gesteuert wird alles über Würfel, die aber eine gewisse Auswahl zulassen. In der ersten Zugphase geht es um die Bewegung der Eisschollen. Vom Wurfergebnis mit zwei Würfeln, darf ein Wurf ausgesucht werden. Die Zahlen 1 bis 4 beziehen sich auf die Spalten, in denen sich die Eisschollen bewegen. In der Regel wird eine Scholle der ausgewählten Spalte um ein Feld gen Süden gezogen. Alternativ können ganz im Norden neue Eisschollen ins Spiel gebracht werden. Bei der 5 gibt es freie Auswahl, interessanter ist das Wurfergebnis 6, das eine Scholle zum Schmelzen bringt. Dort wo Platz für vier Forscher war, ist dann nur noch für drei Fläche übrig. Entsprechend kann es bis zur 1er-Scholle runtergehen. Wer die Scholle verlassen muss, entscheidet der würfelnde Spieler. In der zweiten Zugphase bewegen sich die eigenen Forscher. Vom Rand auf eine Eisscholle, von einer Scholle in Richtung der rettenden Schiffe oder gen Süden. Wer letztlich bewegt wird, entscheidet der Spieler je nach Ausgangslage und zukünftigen Optionen. Wer das alles geschickt im Blick hat, wird als erster seine vier Forscher auf die Schiffe bringen können. Ein solides taktisches Würfelspiel, das gut funktioniert, Ärgerkomponenten enthält und trotz des Würfeleinsatzes kaum glücksabhängig ist.
MISD könnte man sich gut als Staupe-Spiel vorstellen á la KUNTERBUNT oder IKARUS. Ein Beobachtungsspiel, das sich trotz der eher abstrakten Grafik auch gut für Kinder eignet. Auf 10 doppelseitig bedruckten Karten sind jeweils neun von zehn unterschiedlichen geometrischen Formen zu sehen in neun von zehn unterschiedlichen Farben. Mit im Spiel sind 20 Bestimmungskarten, die sich auf Farbe und Form beziehen, und Gewinnchips. In der einfachen Variante wird nur mit den Symbolkarten gespielt. Die Spieler suchen die fehlende Form und Farbe. Schwieriger wird es, wenn die Bestimmungskarten ins Spiel kommen. Das sollte man anfangs mit nur fünf ausliegenden Symbolkarten spielen, wobei diese Zahl allmählich steigen kann. Dazu wird jeweils eine Form- und eine Farbkarte aufgedeckt und es gilt, so schnell wie möglich herauszufinden, auf welcher Symbolkarte dieses Motiv zu finden ist oder ob die Kombination gar nicht offen liegt. Dieses Spiel wird auf eine vorher festgelegte Zahl von Gewinnchips gespielt. Insgesamt ist das eine durchaus anspruchsvolle Beobachtungsaufgabe, die unter Zeitdruck abläuft, wobei auch MISD dem grundsätzlichen Problem ähnlicher Spiele nicht entgeht, dass manche solche Dinge ruckzuck im Blick haben und andere ewig hingucken müssen, bis sich der Formen- und Farbdschungel lichtet.
Ähnlich wie SCHOLLENSCHUBSER hat das letzte Spiel BAUAB Brettspielqualität. Es ist an Go angelehnt und das einzige reine Zweipersonenspiel in der BOX. Die Kontrahenten sind Bauunternehmer, die ein Stadtviertel mit 16 Grundstücken bebauen sollen. Für Bauoptionen und Planungen hat jeder 11 Chips, die zum Teil unterschiedliche Zahlenwerte besitzen. Außerdem spielen 15 neutrale Parkchips noch eine Rolle. Die Grundstücke, die Kartenrückseiten von RAUUFER, werden beliebig angeordnet. Für die ersten Partien wird eine Vorgabe gemacht. Wer an der Reihe ist, platziert einen Chip auf einem beliebigen Feld. Er eine Option abgeben oder direkt ein Gebäude planen. Je höher dessen Wert ist, desto punkteträchtiger ist das Haus. Die Baubestimmungen unterliegen einer sogenannten Nachbarschaftsregel. Gleiche Werte dürfen niemals benachbart sein, das gilt allerdings nicht für Optionen und Grünflächen. Zum Überleben entscheidend sind wie beim japanischen Vorbild die freien Grundstücke, die „Freiheiten“. Wer in der Mitte plant hat anfangs vier solcher Freiheiten um sich. Wenn man es schafft, dem Gegner alle Freiheiten zu nehmen, erbeutet man seinen oder seine Chips. Deshalb besteht das wesentliche Spielziel im Sichern der eigenen Freiheiten. Die Grünflächen dürfen nur auf Felder gelegt werden, von denen Chips entfernt wurden. Sie sind unveränderbar und bleiben bis zum Ende liegen. Wer diese Option nicht nutzen will, gibt das Feld wieder frei, das er aber selbst erst im übernächsten Zug wieder bebauen könnte. Sobald beide Spieler nicht mehr setzen können, ist Schluss. Im Endergebnis werden die Werte der Planungschips auf dem Spielplan und die eroberten des Gegners addiert, wer in der Bilanz am besten dasteht, gewinnt BAUAB. Sehr schön ist, dass der Ablauf in einem ausführlichen Beispiel grafisch erläutert wird.
DIE BOX ist absolut nicht mit einer herkömmlichen Spielesammlung vergleichbar. Hier wird unterschiedlich anspruchsvolle spielerische Kost geboten. Da ist wirklich für jeden Spielgeschmack etwas dabei und jeder wird mindestens zwei bis drei Spiele finden, die ihm sogar außergewöhnlich gut gefallen. Christian Opperer sorgt für das optische Vergnügen und die Autoren für das spielerische. Ich hätte nur gern gewusst, wer von den insgesamt vier in der Spielregel angeführten Spieleautoren für welches Spiel verantwortlich war. Im Detail kann man nachsteuern (vgl. SCHLAURAFF), teilweise bleibt auch unklar, ob die Spielidee nun für bis zu vier oder fünf Personen geeignet ist (RAUFER). Das sind aber Marginalien, das Konzept stimmt und für wenig Geld gibt es viele gute Spiele!
Note: Gerne morgen wieder
Titel: die Box
Verlag: Spieltrieb GbR
Autor: Till Meyer, Nicole Stiehl u.a.
Spieleranzahl: unterschiedlich je nach Spiel 2 - 8
Alter: unterschiedlich je nach Spiel ab 5 Jahren
Dauer: ca. 10 bis 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro, Messepreis: 15 Euro