Dienstag, 22. Oktober 2019
NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE
Wer sich Neuburg an der Donau nähert, erblickt schon früh aus fast allen Himmelsrichtungen eine prächtige Schlossfassade mit markanten Rundtürmen. Das Schloss erinnert an Residenzstadtzeiten im frühen 16. Jahrhundert, als Kurfürst Ottheinrich Neuburg zur Hauptstadt des Fürstentums Pfalz-Neuburg machte.
Florian und Guntram Herold, die beide mit ihren Partnerinnen im pfalzgräflichen Schloss geheiratet haben, machen das Renaissanceleben Ottheinrichs zum Ausgangspunkt ihrer ersten Spieleveröffentlichung. Dafür haben sie den Verlag Herold und Herold unter dem Label H2.0 gegründet.
NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE ist ein Pokerspiel mit den typischen Bluff-Elementen, die man von verdeckter und offener Kartenauslage aus TEXAS HOLD’EM kennt. Fünf Kartensätze mit jeweils 16 Karten in unterschiedlicher Werteverteilung spielen mit. Diese stehen für Interessensbereiche des Kurfürsten. Er liebte den Schlossbau, prunkvolle Kleider, weite Reisen, kulinarische Genüsse und Geld. Die Spieler verstehen sich als Berater des Fürsten, die ihm Gutes anbieten wollen, aber den Gegenspielern auch das eine oder andere Angebot verhageln möchten. Spielen drei Berater mit, sind auch nur drei Kartensätze im Spiel. Für die ersten Runden sollte man sich an die Bereichsempfehlungen der beiden Autoren halten. Nur in Vollbesetzung wird mit allen 80 Angeboten gespielt.
Die Berater machen ihre Offerten in fünf Runden. Alle starten dabei mit neun Karten, die nach der ersten und zweiten Runde jeweils um die drei ausgespielten ergänzt werden. Für die letzten drei Runden muss jeder mit den restlichen neun Handkarten haushalten, insbesondere mit Blick auf die fünfte Runde, in der die Berater sich blank spielen.
In jeder Runde ändert sich die Spielreihenfolge, die stets dem aktuellen Wertungsstand entspricht. Entsprechend dieser Positionen spielen alle eine Karte offen und zwei verdeckt aus. Die Kartenwerte bewegen sich je nach Angebotsbereich maximal in einem Spektrum zwischen fünf Plus- und Minuspunkten. Der Wert der offenen Karte darf durch die beiden verdeckten nicht mehr überboten werden. Wer für die Reise Ottheinrichs ein Pferd mit dem Wert 3 anbietet, darf damit unter den verborgenen Karten keine Kutsche haben, da sie fünf Punkte einbringt. Dafür aber weitere Pferde oder Karren, die einen Punkt bringen. Wenn ein Gegenspieler ein leckeres Fasanenmenü mit vier Punkten als offenes Angebot zeigt, dann macht es durchaus Sinn, einen wurmstichigen Apfel für zwei Minuspunkte mit ins unbekannte Angebot zu legen, damit das kulinarische Menü nicht zu attraktiv wird.
Liegen drei Karten offen und verdeckt aus, muss jeder sich für einen Wertungsbereich entscheiden, in dem er mit dem Gesamtergebnis aller ausliegenden Karten auf dem Tisch punkten möchte. Zusätzlich werden noch RUHM UND INTRIGE-Chips gespielt, mit denen die Berater auf den vermutlichen Rundengewinner tippen. Das geht mit Risiko und bringt dann drei Siegpunkte, aber auch eventuell den Verlust eines Punktes, oder ohne Risiko für einen Gewinnpunkt. Falls hier der Tipp nicht stimmt, bekommt man einfach keine Punkte. Diese beiden Tipp-Chips dürfen immer wieder genutzt werden, der INTRIGE-Chip aber nur einmal. Spielt man diesen vor die Auslage der verdeckten Karten eines Gegners, darf man nach dem Aufdecken ein Angebot entfernen. In der folgenden Audienzphase entscheidet Ottheinrich, wer ihm die besten Angebote gemacht hat. Alle Spieler, die so in die Wertung kommen, bilanzieren sämtliche Karten der Kategorie, deren Punkte dann auf einer mäandernden Flusstafel abgetragen werden.
Beim Pokern um die Gunst Ottheinrichs spielt oft die letzte Runde eine entscheidende Rolle. Da hängt es dann von den richtigen Karten ab, die man zurückgehalten hat, ob noch viele Punkte abfallen. Oft genug kann es dabei vorkommen, dass jemand aus hinteren Positionen noch nach vorne prescht. Zurückhaltung ist sowieso angesagt. Frühe Punktgewinne bedeuten immer, dass man in Folge als erster Spieler Flagge zeigen muss, worauf andere dann reagieren können.
Als Kartenspiel zeigt NEUBURG die typische Glückslastigkeit dieses Genres. Wer keine Extremwerte bekommt, wird auch nicht hoch punkten können. Dafür schaffen aber die RUHM UND INTRIGE-Chips einen gewissen Ausgleich. Wer gut und mit etwas Risiko tippt, kann über die fünf Runden 15 Siegpunkte gewinnen, die eine gute Basis für den Spielgewinn sein können. Einen gewissen Vorteil haben auch die Spieler, die sich ausgespielte Karten gut merken können. Wer weiß, dass die beiden Schaukelpferde, die vier Strafpunkte in der Reisekategorie bringen, schon aus dem Spiel sind, kann sicherer seine Kutsche spielen. Alles lässt sich aber nicht kalkulieren, dafür sorgen die INTRIGE-Chips und die Regelung, dass drei bis fünf Karten nicht ins Spiel kommen.
Wer es noch etwas komplexer haben möchte, kann mit Auftragschips sich auf die nächste Spielebene begeben. Die beiden Autoren liefern damit gleich eine Erweiterung mit. Auch sonst denken sie mit Rundenablaufkarten und Übersichten über die Kartenverteilung an einen flüssigen Spielablauf.
Mir gefällt dieses Ringen um die Gunst Ottheinrichs gut. Ein Pokerspiel, das der neue Verlag ansprechend umgesetzt hat. Als Vater der beiden Autoren kann ich diesmal aber bei meiner Kritik nicht ganz neutral sein. Zumal für unseren jüngsten Sohn dies gleich eine doppelte Geburt war. Einen Tag, vor dem er die fertige Spieleschachtel in der Hand hielt, hatte er sein nur etwas größeres erstes Baby im Arm. In der Familie und mit vielen anderen Spielern mache ich jedenfalls gerne morgen wieder Angebote für Ottheinrich.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE
Autoren: Florian und Guntram Herold
Grafik/Design: Nathalie Jahnel
Verlag: H2.0 Herold&Herold
Alter: ab 8Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 72/2019
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