Martin Walker hat es immerhin schon zum achten Fall für Bruno, Chef de police in Saint Denise, gebracht. Der Kleinstadt-Polizist hat zwar in den letzten Jahren seine erfrischende Naivität abgelegt, die Geschichten um ihn leben aber immer noch von seinen Liebes-Eskapaden, den kulinarischen und kulturgeschichtlichen Ausflügen ins Périgord, den historischen Exkursen und den Einblicken ins politische Alltagsgeschäft. Der bald 70jährige Schotte kann seine Herkunft als Historiker und politischer Journalist nicht leugnen und fügt diese stets kenntnisreich in die idyllischen Ausflüge in seine zweite Heimat im Südwesten Frankreichs ein.
Nach acht Romanen taucht mittlerweile schon eine ganze Bühnenbesetzung auf, die in den Vorgängergeschichten eine Rolle gespielt hat. Da ist die Rote Komtesse, da ist der ehemalige britische Geheimdienstoffizier, da ist die Mannschaft um die Höhle von Lascaux. Eingeweihte nicken und erinnern sich, neue Leser fühlen sich oft außen vor. Walker arbeitet mit Vertrautheiten, ohne für neues Vertrauen zu sorgen. Immerhin ist seine Lesegemeinde in den letzten Jahren ständig gewachsen, sodass er sich das wahrscheinlich erlauben kann.
Zumindest beschränkt sich der Autor diesmal auf wenige Handlungsstränge, das macht die ESKAPADEN zu einem sehr kompakten Roman, der stringenter als seine direkten Vorgänger verläuft. Hauptsächlich geht es um einen Fliegerheld Frankreichs, der als erster Franzose die Schallmauer durchbrach, während des Zweiten Weltkriegs auf russischer Seite die deutschen Invasoren bekämpfte und danach half, die Luftfahrtindustrie Frankreichs mit aufzubauen. Von den Russen und Franzosen dekoriert, war er auch in Zeiten des Kalten Krieges oft ein Mittler zwischen den jeweiligen politischen Führungen. „Der Patriarch“, wie Marco Desaix genannt wird, gehört auch zu den Jugendidolen Brunos. Von daher ist es ihm eine besondere Ehre, die Rote Komtesse zum 90. Geburtstag des Kriegshelden begleiten zu dürfen.
Bruno feiert mit, ist aber schon am nächsten Tag als Ermittler auf dem Schloss gefragt, da ein naher Bekannter der Familie während der Feier ums Leben kam. Für alle ist klar, dieser Gilbert, ehemaliger Pilot und engster Freund des Sohnes des Patriarchen, wurde ein Opfer seiner Alkoholsucht. Auch der hinzugezogene Arzt scheint da keine Zweifel zu haben. Bruno ist unsicher und sein Misstrauen wächst, als der Tote im äußerst beschleunigten Verfahren eingeäschert wird. Das fordert ihn heraus, sodass er bald die ganze Familie des Patriarchen unter die Lupe nimmt.
Der Haupterzählstrang wird ergänzt durch zwei Nebenhandlungen, die nur indirekt mit der Haupthandlung verwoben sind. Da geht es um eine sehr schräge, radikale grüne Naturschützerin, die auf ihrem großen, nicht eingezäunten Grundstück dem Rotwild der Gegend ein Refugium vor der Jagdverfolgung bietet. Der Wildwechsel vor ihrem Haus nimmt extrem zu und führt zu Unfällen. Dies eskaliert, als dabei die Frau eines politisch ambitionierten Rechtsanwalts umkommt. Bruno hat schon viel um die Ohren, da kann er eigentlich private Probleme gar nicht gebrauchen. Aber die Schottin Pamela sucht nach dem Tod ihrer Mutter einen mehrfachen Neuanfang. Sie kündigt Bruno zwar nicht die Freundschaft, aber den freien Zutritt in ihr Schlafzimmer, außerdem will sie sich vergrößern und einen Reiterhof mit vielen Ferienwohnungen erwerben.
Walker erzählt das alles sehr unaufgeregt, ohne allzu große Effekte. Die Atmosphäre stimmt, es menschelt in vielen Begegnungen und die Geschmacksnerven werden immer wieder angeregt. Das liest sich gut, wird diesmal historisch interessant vor allem in die russische Geschichte eingebettet. Kein großartiger neuer Roman, aber eine gute Fortsetzung der Bruno-Geschichte.
Wertung: ****
Titel: ESKAPDEN: DER ACHTE FALL FÜR BRUNO, CHEF DE POLICE
Verlag: Diogenes
Autor: Martin Walker
Seiten: 400 Seiten
Preis: 24 Euro