Donnerstag, 28. Juli 2016
GAUNER RAUS!
Der 35jährige Rene‘ Puttin, der u.a. auch Rezensent bei H@ll 9000 ist, hat mit GAUNER RAUS! sein allererstes Spiel veröffentlicht. Die Idee, die ursprünglich bei Noris lag, hat nun der Verlag Drei Hasen in der Abendsonne veröffentlicht. Zum Glück für Puttin, denn der unverkennbare Stil von Rolf Vogt tut der deduktiven Verbrecherjagd von GAUNER RAUS! gut.
Die Entstehungsgeschichte beschreibt der Autor auf seiner Seite „Spielen in Randerath“ so: Anfangs wollte er ein kompetitives Spiel in Anlehnung an HANABI entwickeln. Daraus sei LAST CARD STANDING entstanden, einer Mischung aus HANABI und DAVINCI CODE. Bei dieser Spielidee durfte nach Farbe oder Zahl von Karten gefragt, danach folgte eine Raterunde. Markus Müller, Redakteur bei Noris, setzte den Deduktionsgedanken innerhalb eines Rasters von 6x6 Feldern um. Dort konnten dann erfragte Ergebnisse nach Farbe und Zahl eingetragen werden. „Dadurch blieb die interessante Idee erhalten, dass keine Zahl eine eindeutige Information gibt. Gleichzeitig wurde aber erreicht, dass jede Zahl trotzdem eine sinnvoll lesbare Aussagekraft hat.“
Die thematische Einkleidung kam dann vom Team der Drei Hasen aus Uehlfeld. Kathi Kappler und Johann Rüttinger sorgten für die letzte Feinabstimmung, sodass wir uns letztendlich im Gangstermilieu bewegen. Im Grunde genommen geht es wie in CODENAMES zu, dort werden Agenten enttarnt, hier sind es Gauner. Dort helfen uns Sprachtipps weiter, hier ist es die deduktive Aufarbeitung von Informationen, dort arbeiten wir mit einem Raster von 5x5 Feldern, hier sind es 6x6 Felder.
Jeweils sechs Gangster in sechs Farben mit der Buchstabenkennung A bis F sind bei GAUNER RAUS! vorhanden. Davon erhält im Zweierduell jeder verdeckt 12 Karten, zu dritt sind es 10 und in Vollbesetzung zu viert nur 8 Karten. Diese Gauner auf den Handkarten gilt es zu enttarnen. Wer das gut kann, gewinnt nach 30 bis 45 Minuten das Spiel.
Damit am Anfang nicht ins Blaue hinein geraten wird, starten alle mit einer Würfelrunde. Ein Farb- und ein Buchstabenwürfel legt Informationen fest, die in den Deduktionsblock eingetragen werden. Nach den jeweiligen Würfen tragen alle Spieler ihr persönliches Ergebnis ein. Dabei suchen sie jeweils nach allen Karten mit der entsprechenden Farbe und dem gewürfelten Buchstaben und halten das addierte Ergebnis fest. Doppelzählungen dürfen allerdings nicht vorkommen.
Dieses Würfeln startet dann auch die Folgerunden, wobei nun aber nur der aktive Spieler das Ergebnis in seinen Block einträgt. Erst dann beginnt die eigentliche Entlarvungsrunde. Nun wird ein beliebiger Spieler nach einem konkreten Gauner befragt. Habe ich beispielsweise viele gelbe Karten auf der Hand und ein Mitspieler hat unter dem Feld Gelb D eine „4“ eingetragen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich in der Vierer-Reihe Treffer mit anderen Farben erziele. Tippe ich richtig, dürfen alle das Feld streichen, wobei der Befragte das entsprechende Feld als Treffer markiert. Die Karte wird dann offen ausgelegt und auch in Zukunft bei den Würfelergebnissen weiter berücksichtigt. Für den richtigen Tipp gibt es einen Siegpunkt und eine weitere Raterunde. Sobald alle Karten von eingetragenen Summen offen ausliegen, dürfen die entsprechende Farbspalten und Buchstabenreihen gecancelt werden. Die Köpfe rauchen, bis ein Spieler seine letzte Gaunerkarte rauslegen musste. Derjenige, der die meisten Gauner enttarnen konnte, gewinnt das Spiel.
GAUNER RAUS! erinnert mehr an das gute alte SCHIFFE VERSENKEN oder SUDOKO als an HANABI. Es ist aber deutlich komplexer, da die Ausgangslage für alle identisch ist. Schon beim SCHIFFE VERSENKEN ist die exakte Buchführung wichtig, das gilt umso mehr bei Puttins Spiel. Obwohl die Rechenanforderungen wahrlich nicht hoch sind, passieren immer wieder Fehler beim Zusammenzählen der passenden Karten. Wir belohnen inzwischen entdeckte Fehleintragungen. Der Entdecker darf nicht nur noch einmal raten, er bekommt auch zusätzlich einen Wertungspunkt. Persönlich spiele ich GAUNER RAUS! lieber im Duell. Zu dritt und zu viert wird dem, dem ein Hemd fehlt, schnell auch die Hose ausgezogen. Einen ersten Erfolg hat Puttins Spiel auch schon zu verzeichnen, beim Kinderspielpreis des BDJK ist es in der Kategorie der 10- bis 15jährigen Kinder nominiert.
Mit akribischer Buchführung wird GAUNER RAUS! zu einer ansprechenden Tüftelaufgabe. Man darf sich aber nichts vormachen, zum Spielgewinn trägt durchaus auch das Kartenglück bei. Wer sich mit hohen Eintragungen schon am Anfang entlarvt, wird kaum Chancen gegen Gegner haben, die sich hinter niedrigen 2er und 3er Werten verstecken.
Bleibt zum Schluss die Frage, wie akribisch der Autor mit seinem Vornamen umgeht. Die Netzsuche ergibt nämlich zwei unterschiedliche Schreibweisen. Da ist einmal die ganz Ungewöhnliche mit Apostroph am Ende, dann die mit Accent aigu, die die Drei Hasen auf dem Schachteldeckel verwenden. Wie mir Kathi Kappler verraten hat, steckt dahinter eine ganz eigene Geschichte. Geburtsurkundlich ist der Autor ein klassischer René. Als Kind mochte er sich aber an diese frankophone Akzentsetzung gar nicht gewöhnen, er fand das deutsche „Hochkomma“ viel passender. Weil ihn keiner wirklich korrigierte, war diese Schreibweise für ihn richtig. Ein Umgewöhnen kam später für ihn nicht in Betracht, deshalb schreibt er sich auch heute noch mit Apostroph. Wie sähe das aber auf einer Spieleschachtel aus, da könnte ja jemand denken, in der fränkischen Heimat des Verlags beherrscht man neben den Umlauten wie dem „Ü“ auch den Accent aigu nicht.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: GAUNER RAUS!
Autor: Rene‘ Puttin
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Dienstag, 26. Juli 2016
VIVA TOPO!
Alte Schätze – neu gehoben!
Ein Blick auf die aktuellste Pressemitteilung von Selecta (Mai 2016) zeigt, dass kreative Brettspiele kein Thema mehr für den Verlag aus Edling sind. Innovativ scheinen nun Greifling und Schnullerkette, „weil uns Kinder wichtig sind.“ Als Claudia Wieczorek noch Redakteurin für Selecta war, sah das ganz anders aus. An anderer Stelle habe ich auf die großen Erfolge des Verlags schon hingewiesen. Daher ist es nur gut so, dass sie nun als Claudia Geigenmüller einige der damaligen Perlen mit zu ihrem neuen Arbeitgeber Pegasus nahm, um dort eine annähernd erfolgreiche Kinderspielreihe aufzubauen.
2002 und 2003 durfte Selecta einen ähnlichen Doppelsieg einfahren wie als Autorenduo heuer Alexander Pfister und Andreas Pelikan. Dem grandiosen MASKENBALL DER KÄFER folgte VIVA TOPO! als Kinderspiel des Jahres. Gegenüber dem gefühlvollen STERNENSPIEL von Laura (Amigo) und den Schubsversuchen in ROBBYS RUTSCHPARTIE (Kosmos) konnte sich die Idee von Manfred Ludwig damals klar durchsetzen.
Der ehemalige Französisch- und Sportlehrer gehört zur alten Autorengarde Deutschlands. Wie Wolfgang Kramer hat er schon in den 70er Jahren mit Spielentwicklungen begonnen. 1983 landete er mit dem schönen Titel FUZZI, HEINZ und SCHLEDRIAN FAHREN MIT DER EISENBAHN (Spear) erstmals auf der Auswahlliste der Jury. Neben VIVA TOPO! nahm er 2010 für DIEGO DRACHENZAHN (Haba) zum zweiten Mal den begehrten blauen Pöppel in Empfang. In diesem Jahr feiert er seinen 80. Geburtstag, dass er dabei auf hohem Niveau mit seinen Konkurrenten mithalten kann, belegt u.a. FRÖSCHLEIN AUFGEPASST! (Noris), das 2015 von der Jury empfohlen wurde.
Mit VIVA TOPO! greift Ludwig in die Klassiker-Kiste. Inhaltlich widmet er sich der Katz-Maus-Käse-Thematik, die immer zieht, was Pegasus aktuell mit der Nominierung von Knizias MMM! erleben durfte. Spielmechanisch erinnert das Ganze schon sehr an Kramers MITTERNACHTSPARTY, wobei die Kinder hier nur nicht „Hugo kommt!“ schreien, sondern „Hilfe, die Katze kommt!“. Im Spiel zu dritt oder zu viert besitzt jedes Kind vier niedliche kleine Holzmäuse mit Öhrchen und Schwänzchen, die aus ihrer Mäusehöhle ins weit entfernte (21 Felder) Käseparadies wandern. Dort wartet auf sie ein schöner runder Käselaib. Wer vorher Freunde auf den Eckfeldern besucht, bekommt kleinere Stücke, was immer noch besser ist, als von der Katze erwischt zu werden, die zwei Runden lang auf Mäusejagd geht.
Da gilt es viel abzuwägen für die Kleinen. Setzen sie auf wenige Mäuse, die aber das Käseparadies erreichen, oder geben sie allen Familienmitgliedern eine Chance, für die mehrere kleine Stücke auch großen Käse ergeben können. Die ersten taktischen Überlegungen machen aus VIVA TOPO! ein rundes Familienspiel, das wegen der Würfelsteuerung ziemlich glücksabhängig ist, was aber für das anvisierte Spielalter ab vier Jahren völlig in Ordnung geht. Das fantastische Spielmaterial sorgt für hohen Aufforderungscharakter. Zwar haben die Mäuse und die Katze keine Filzohren mehr, aber der Plastik- und Holzersatz sieht immer noch gut aus, zumal die Mäuse deutlich standfester als in der ersten Selecta-Ausgabe sind.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: VIVA TOPO!
Autor: Manfred Ludwig
Verlag: Pegasus Spiele
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 25 Euro
ALTE SCHÄTZE NEU GEHOBEN
Montag, 25. Juli 2016
IMAGINE
Das Konzept des japanischen Autorentrios Shingo Fujita, Motoyuki Ohki und Hiromi Oikawa geht voll auf. Ihren Begriffsratespaß IMAGINE setzten sie mit 60 transparenten Folienkarten um und treten damit gekonnt in die Fußstapfen des 2014 nominierten Spiels CONCEPT. Hatten dort einige Spieler Zugangsprobleme mit den vielen Ober- und Unterbegriffen, wird nun die Begriffssuche auf das Wesentliche reduziert. Wer mag, kann nun sogar auf die dritte Dimension zugreifen oder den Erklärungsvorgang animieren.
Das ist genial gelöst, man braucht nicht die 117 Bilder und Piktogramme aus CONCEPT, es reichen 60 Folien mit Bildern, Formen und Symbolen, die überlappt gelegt, in Bewegung gebracht und in die Senkrechte gestellt werden können.
Die zu ratenden Worte liefern 65 doppelseitig bedruckte Karten mit jeweils acht Begriffen. Hilfreich ist dabei, dass eine Kategorie genannt wird, aus der der Begriff stammt. Der linke Nachbar nennt dazu eine Zahl zwischen 1 und 8, derjenige der den Begriff nun mit den Folien darstellen darf, hat noch die Wahl zwischen dem nächsthöheren oder tieferen Begriff. Spielen Kinder mit, sollte man diesen ganz freie Auswahl lassen. Der Folienschieber nennt die Kategorie und bedient sich nun aus den in zwei Kreisen ausliegenden Folien, die im Zentrum arrangiert werden. Fast alles ist erlaubt, man darf nur nicht sprechen oder mit den Händen Rückmeldung geben. Sobald die erste Karte liegt, dürfen die Mitspieler wild durcheinander ihre Vermutungen äußern.
Ein Beispiel für solche eine erklärende Animation gefällig. Es geht um einen Film. Wir sehen ein Rechteck, dann nähert sich ein Kopf mit einer Krone diesem Rechteck. Wenig später kommt eine dunkle Gestalt mit einem Schwert zu dieser ersten Bildgruppe hinzu und bewegt sich gleich danach weg. Jetzt sehen wir eine junge Frau, die davonläuft. Erst kommt sie in einen Wald, dann zu einem Haus, wo sie sich schlafen legt. Schließlich kommen sieben Folienmänner in dieses Haus und betrachten die schlafende Frau. Spätestens dann dürfte klar sein, dass „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ gemeint waren. 15 Folien dienen dieser kleinen Animation des Begriffs, oft reichen viel weniger Folien aus. Der „Ritter“ lässt sich recht einfach als Mann mit Schwert darstellen, die „Sonnenfinsternis“ mit einem roten Kreis, vor den sich eine schwarze Wolke schiebt. Schwieriger wird es bei Persönlichkeiten wie Louis Pasteur oder Naturbegriffen wie „Venusfliegenfalle“. Da ist man oft froh, dass man auf die danebenliegenden Begriffe ausweichen darf.
Alle brauchen anfangs meist etwas Gewöhnung, um mit allen Möglichkeiten, die die Folien bieten, sinnvoll experimentieren zu können. Dann lässt diese kreative Begriffsentschlüsselung die meisten Spieler aber nicht mehr los. Ach ja, wer will kann auch Punkte vergeben und nach zwei runden Bilanz ziehen. Die Wertung wird aber wie schon beim Vorgänger schnell weggelassen, das gemeinsame Raten macht auch ohne Punktevergabe Spaß und kann bei den 1040 Begriffen ganz schön lange dauern.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: IMAGINE
Autoren: Shingo Fujita, Motoyuki Ohki und Hiromi Oikawa
Verlag: HUCH! & friends
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 - 8 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 25 Euro
(Seite 1 von 1, insgesamt 4 Einträge)