Donnerstag, 22. Dezember 2016
LIGNUM
Österreichischer Spieleautor, der auf den Vornamen Alexander hört? Die Wahrscheinlichkeit, dass 99% von Ihnen jetzt mit „Pfister“ antworten würden, ist extrem hoch. Mit Alexander Huemer wissen nur ganz wenige etwas anzufangen, dabei gibt es durchaus Parallelen beider Autoren. Beide sind in den frühen 70er Jahren in der österreichischen Provinz aufgewachsen, Pfister in den Tälern des Montafons und Huemer im Innviertel. Beide erzählen, dass schon ihre Kindheit spielerisch geprägt war und erste Erfindungen aus dieser Zeit stammen.
Wichtige Spiele beider Autoren sind in einem Wettbewerb ausgezeichnet worden, bei Pfister war es für den Vorläufer von MOMBASA der Hippodice Wettbewerb von 2011, Huemer war schon ein Jahr davor für LIGNUM Endrundenteilnehmer am Autorenwettbewerb von www.spielematerial.de. Beide mussten dann bis 2015 auf die Veröffentlichung ihrer Spielideen warten. Für Pfister war es eine von vielen Veröffentlichungen, für Huemer die allererste.
Aus den Anregungen des Wettbewerbs entstand bei Alexander Huemer ein Spiel über die Holzernte. Wie phantasievoll der Autor agiert, zeigt sich, wie er die Wettbewerbsvorgabe, Läuferfiguren in ein Spiel zu integrieren, interpretiert hat. Für ihn waren das keine Läufer, sondern Waldarbeiter, die einen Holzstamm schultern. Daher erscheint nun in der „Edition Läufer“ ein Waldarbeiter-Spiel, bei dem sich alle erst einmal verwundert über diese eigenartigen Figuren äußern.
Thematisch erfrischend unverbraucht ist LIGNUM ein anspruchsvolles Vielspieler-Produkt, das über ein Grundspiel zum Fortgeschrittenen- und Expertenspiel führt. Huemer siedelt es für zwei bis vier Holzunternehmer in 19. Jahrhundert an. Mit nur vier Talern, einem Holzhof- und einem Forstarbeiter muss jeder seinen Holzhof wirtschaftlich in zwei Jahren voranbringen.
Für die 730 Tage gliedern sich die Spielrunden in Jahreszeiten, sodass nach acht Runden Schluss ist. Bis auf den Winter ist der Rundenablauf in den anderen Jahreszeiten identisch. Im Zentrum des Spielplans sind sechs Waldgebiete, die für den Einschlag bereitstehen. Jeder markiert am Anfang ein sogenanntes Fällgebiet mit drei Brennholzanteilen. Drumherum führt ein Versorgungsweg mit 20 Feldern, bestückt mit Arbeiterfiguren, Nahrungssteinen und Anschaffungsplättchen, das können Fuhrwerke, Flöße, Sägen und weitere Handwerkerplättchen sein. In jeder Runde werden mit Hilfe von Markierungskarten diese Gebiete neu bestückt.
Anfangs wählt jeder geheim ein gewünschtes Fällgebiet aus, dort liegende Nahrungsressourcen werden gerecht unter den Beteiligten verteilt. Dann nutzen die Spieler den Versorgungsweg, um Anschaffungen zu tätigen und Arbeiter für die weitere effiziente Forstarbeit zu organisieren. Die meisten Felder dürfen nur von einer Figur betreten werden. Viele Anschaffungen sind kostenfrei, Arbeiter wie Träger und Holzfäller, auch Futtersteine müssen aber direkt bezahlt werden, nur die meisten Sägearbeiter sind kostenlos. Auf dem Markt können kurz vor Ende des Weges fehlende Ressourcen erworben, aber auch Handwerksplättchen verkauft werden.
Wer schnell den Weg durchläuft, ist der erste Spieler in der dann folgenden Forstarbeits-Phase, allerdings auch der letzte in der Spielreihenfolge für die nächste Jahreszeit. Die einzelnen Etappen dieser Phase werden über eine Anzeige im oberen Teil des Spielbretts abgehandelt. Es macht vor allem dann Sinn, Erster zu sein, wenn man in Konkurrenz zu Mitspielern im Fällgebiet steht. Der erste Spieler darf entsprechend der Einschlagmöglichkeiten Holzfäller in das Gebiet schicken und es eventuell maximal abgrasen. Bleibt nichts für den Nachfolger übrig, darf der immerhin gegen Zahlung eines Talers in ein freies Fällgebiet ausweichen. Geschlagene Hölzer kommen auf eine persönliche „Hiebsort“-Karte, das ist tatsächlich der übliche Fachbegriff für Holzernte-Sektoren. Danach muss der Abtransport über Träger, Fuhrwerke, Flöße und im Winter auch über Schlitten organisiert werden. Für alle Wege werden Träger benötigt, die unterschiedliche Mengen Holz transportieren können. Für den Wasserweg, der zeitverzögert abläuft, benötigt man zusätzliche Floßplättchen.
Alles Holz landet dann zur Weiterverarbeitung irgendwann im eigenen Holzhof. Dort braucht man nötige Sägearbeiter und entsprechende Sägen. Je nach Art des Holzes bekommt man ein bis vier verarbeitete Hölzer aus den Stämmen, die entweder im Brennholzvorrat für den Winter landen oder zum Trockenplatz gebracht werden. Je länger die Hölzer dort liegen, umso höher ist am Ende der Verkaufswert für die nächste Phase. Bauholz bringt fünf Taler, Nutzholz nicht zersägt 4, zersägt 6, entsprechend gilt für Brennholz die Relation 3 zu 5 Talern. Hinzukommt der Trocknungsbonus, der bis zu zwei Taler pro Holz betragen kann. Für die Folgerunden ist die Verkaufsphase sehr wichtig, um die Anstellung der Arbeiter sicherzustellen und für die notwendige Ernährung zu sorgen. Nach der Verkaufsphase wandert übrig gebliebenes Holz auf den Trocknungsplätzen weiter, die Aufnahmekapazitäten dieser Felder sind allerdings beschränkt.
Nach Ablauf einer solchen Jahreszeitenrunde müssen alle angeworbenen Arbeiter wieder zurück auf den Spielplan, der auf dem Weg und den Fällplätzen neu bestückt wird. Nach der dritten und siebten Spielrunde läuft jeweils die besondere Winterrunde ab. Fürs Überleben im unwirtlichen Winter sind Feuerholz und Nahrungsmittel nötig. Die Spieler wissen durch sogenannte Winterkarten vorher, was sie für die Notzeit sammeln sollten. Da auch die Arbeit in dieser Jahreszeit eingeschränkt ist, müssen sie sich entscheiden, ob sie ihren einzigen Holzhofarbeiter zum Fällen, Transportieren oder Sägen nutzen. Wer danach die Bedingungen der Jahreszeit nicht erfüllen kann, muss für jeden fehlenden Vorrat drei Taler bezahlen und eventuell dazu Schuldscheine aufnehmen. Nach dem zweiten Winter ist Schluss, übriges Holz darf noch verkauft, Schuldscheine müssen hochverzinst abgerechnet werden. Wer danach die meisten Taler besitzt, hat Lignum gewonnen.
Damit sind die wesentlichen Grundelemente des Basisspiels beschrieben. Im Spiel für Fortgeschrittene kommen Auftragskarten hinzu, die sich auf die Bearbeitung bestimmter Hölzer beziehen und bis zu 22 Taler am Ende einbringen können. Die Hölzer fehlen aber dem normalen Gewinnprozess, sodass noch knapper kalkuliert werden muss. Das gilt auch für das Expertenspiel, das LIGNUM um „geplante Tätigkeiten“ erweitert. Diese Karten sind effektiver als die eigentlichen Arbeitsschritte, da kann ein Sägearbeiter zwei Hölzer zersägen, da kann ohne Arbeiter und Floß geflößt werden, da können zwischendurch Nahrungssteine erworben werden. Das Schöne daran, jede Aktion ist für jeden Spieler nutzbar, mit dem kleinen Nachteil, dass nur der erste kostenlos zuschlagen darf, während nachfolgende Spieler immer mehr Geld zahlen müssen.
Wie es sich für ein Spiel zum Thema Holz gehört, ist der entsprechende Materialanteil hoch. 170 Gramm bringen die über 200 Holzteile auf die Waage. Auch sonst ist das Material ansehnlich, die Spielplangrafik gefällig und gut organisiert. Das Regelwerk erschlägt, allein das Grundspiel umfasst 16 Seiten, hinzukommen acht Seiten für die Erweiterungen und vier Seiten für den Spielaufbau. Trotzdem ist LIGNUM kein allzu komplexes Spiel. Die Kurzübersicht über den Spielablauf macht deutlich, dass der Jahreszeitenrhythmus recht einfach abgespult werden kann.
Es erinnert stark an die vielfältigen Abläufe von VITICULTURE, wie beim Weinanbau geht es hier um einen fein austarierten Optimierungsprozess, der anfangs unter extremer Geldknappheit abläuft. Jede Runde beginnt mit dem reizvollen Zugriff auf die Fällregionen, dann ist der Planungsablauf über den Versorgungsweg spannend und das Hofmanagement zwischen Wintervorsorge, schnellem Gelderwerb und lukrativer langfristiger Planung. Das ist schön austariert und wird vor allem durch die „geplanten Tätigkeiten“ vorzüglich ergänzt. Am besten tastet man sich an das Spiel zu zweit heran, da braucht man anfangs vielleicht 90 Minuten, spielt dann aber die Jahreszeiten in zügigen 45 bis 60 Minuten durch. Eine Viererpartie kann durchaus auch 180 Minuten dauern, mit geübten Spielern sind es dann immer noch zwei Stunden.
Für Harald Mücke ist LIGNUM das bisher teuerste Projekt seines kleinen Verlages. Er hat es daher über viele Schmiede als Crowdfunding-Projekt abgesichert und ist gut damit gefahren. Letztlich ist die mit 6000 Euro angesetzte Fördersumme dreifach überzeichnet worden, knapp 400 Unterstützer waren überzeugt von diesem Projekt. Zurecht, Huemers Spielidee ist ein Schmankerl für Vielspieler. Von dem inzwischen schon die zweite Auflage erschienen ist. An die Qualität von Alexander Pfisters MOMBASA reicht Alexander Huemers Holzspiel zwar nicht heran, aber trotzdem kann man nur hoffen, dass es nicht das letzte Spiel des Autors aus Linz gewesen ist.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LIGNUM
Autor: Alexander Huemer
Verlag: Mücke Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2- 4
Spielzeit: ca. 60 bis 120 Minuten
Preis: ca. 53 Euro
PELOPONNES CARD GAME
Nach einigen Erfolgen bei Abacus, Kosmos und Alea startete der Berliner Spieleautor Bernd Eisenstein seinen Eigenverlag Irongames 2009 mit dem Zivilisationsspiel PELOPONNES. Seine Vorliebe für antike Themen behielt er auch in allen weiteren Veröffentlichungen bei. In einer älteren Besprechung in der spielbox habe ich ihn einmal als den Heinrich Schliemann unter den Spieleautoren bezeichnet, der mit viel Fantasie antike Themen, die in Karthago, Rom oder Palmyra angesiedelt sind, ausgräbt. Nach sechs weiteren Spielentwicklungen und unendlich vielen Erweiterungen kommt er zurück auf die Insel des Pelops rund um Sparta und Olympia.
Er folgt dem Trend der Zeit und dampft seine große Spieleschachtel aus dem Jahr 2009 ein. Wie Stefan Feld, der aus den BURGEN VON BURGUND ein Kartenspiel machte, entsteht so bei Eisenstein das PELOPONNES CARD GAME.
Vieles erkennt man wieder, manches ist notwendig vereinfacht, zentral bleibt die Kärtchenverteilung über einen einfachen, aber raffinierten Bietmechanismus. Jeder startet von einem Stadtstaat aus, der durchaus unterschiedliche Bedingungen mitbringt. So ist die Einnahmentruhe der Polis in Argos nur mit drei Münzkarten gefüllt, während die Bewohner von Arcadia auf sieben Geldkarten zurückgreifen können. Auch die Bevölkerung schwankt zwischen Werten von eins bis fünf. Manche Regionen wie Messene verfügen schon über ein regen Getreideausbau, Arcadia geht hier ganz leer aus.
Geld wird benötigt, um in nur acht Runden den eigenen Stadtstaat zu erweitern. Dafür liegen anfangs sechs Machtkarten aus, die Gebäude- oder Landschaftskarten sein können. Für die Karten müssen reihum Mindestgebote abgegeben werden, die aber auch über dem Limit liegen dürfen. Das macht Sinn, da es nur eine Bietrunde gibt. Der Startspieler muss daher immer damit rechnen, überboten zu werden. Er darf sein Gebot nicht erhöhen, kann aber auf andere Karten ausweichen. Wer leer ausgeht, erhält immerhin drei Geldkarten zum Trost. Für das Errichten von Gebäuden benötigen die Spieler mit Holz und Stein zusätzliche Rohstoffe, anfangs können die Bauten aber auch Beliehen werden. Landschaftskarten bringen ohne weitere Kosten Erträge in unterschiedlichen Rohstoffbereichen. Die Geldkarten sind multifunktional einsetzbar, da sie gleichzeitig als Rohstoffreserve dienen. Ähnliches gilt für eine Art Jokerkarte, die Luxusproduktion des Stadtstaates widerspiegelt. Immer wenn beim Errichten eines Gebäudes Rohstoffe ungenutzt bleiben, steigt der Level der Luxusproduktion, wobei dieser jederzeit in Rohstoffe oder Geld zurückgetauscht werden darf.
Beim Einkauf ist auf eine vernünftige Bilanz von Bevölkerungsentwicklung, Ernährungsressourcen und Siegpunkten, die die Karten in unterschiedlicher Wertigkeit besitzen, zu achten. Nach jeder Runde gibt es Kartennachschub, der sich am Bevölkerungsstand orientiert. Außerdem müssen die Spieler den Schutz vor Katastrophen im Blick behalten, denn die jeweils ersten beiden zu versteigernden Machtkarten bringen alle Stadtstaaten näher an den Ausbruch einer Katastrophe. Da kann die Pest wüten, ein Erdbeben oder ein Unwetter Gebäude und Landschaften zerstören, die Dürre sich auf die Getreideproduktion auswirken und der allgemeine Verfall die Luxusproduktion einschränken. Wer sich nicht mit speziellen Karten oder einer Triple-Sammlung von entsprechenden Symbolen schützen kann, muss die Konsequenzen tragen, was vor allem den Verlust von Siegpunkten zur Folge hat. Das gilt auch für die dreimal vorkommende Versorgungsphase der Bevölkerung. Für jeden Bürger ist ein Getreidefeld oder eine entsprechende Karte nötig. Wer das nicht schafft, verliert hier sogar Machtkarten ganz. Das ist immer bitter, da man sein Reich ja um nur maximal acht Karten erweitern darf. In jeder Versorgungsphase müssen beliehene Gebäude ausgelöst werden. Auch hier gilt, dass immer noch fehlende Rohstoffe zum Verlust des Gebäudes führen.
Das Ende tritt nach der achten Runde ein. Zum Abschluss müssen alle Bewohner noch einmal versorgt werden, erst danach werden die Bewohnerzahl mit den erworbenen Siegpunkten verglichen. Der niedrigere Wert geht in die Vergleichsbilanz bei der Feststellung des Siegers ein.
Das PELOPONNES CARD GAME ist leicht zugänglich, besitzt im Spiel zu viert eine überschaubare Spieldauer von einer Dreiviertelstunde, zu zweit kann es sogar in 20 bis 30 Minuten absolviert werden. Die Grafik geht in Ordnung, auch das Material ist solide. Eine Spielhilfe zur Erläuterung aller Piktogramme und für die Konsequenzen der Katastrophen wäre wünschenswert gewesen.
Mit maximal acht Erweiterungskarten ist es ein überschaubares Zivilisationsaufbauspiel. Das Spielgefühl erinnert daher auch weniger an Aufbau als an Vorsorge. Da ist auf Getreide- und Bevölkerungsbilanz zu achten, da versucht man sich vor den Schäden der Katastrophen zu schützen, denn jeder Kartenverlust oder jede Einschränkung einer Karte ist richtig teuer. Hilfreich bleibt aber der multifunktionale Einsatz der Karten, der vor allem bei der Versorgung weiterhilft. Daher ist ständiger Kartennachschub über eine hohe Bevölkerung letztlich oft entscheidend für den Spielsieg. Auch wenn dann meist in den ersten sechs Runden nicht für eine ausgeglichene Bilanz der beiden Siegbedingungen gesorgt werden kann, können in den letzten zwei Runden Gebäudeeinkäufe mit vier bzw. fünf Siegpunkten, das noch verändern. Das richtige Austarieren bringt Spannung bis zum Ende und führt oft zu äußerst knappen Siegen. Im Vergleich zu PELEPONNES treten nicht mehr automatisch alle Katastrophen ein, Restriktionen bei der Ablage der Karten entfallen. Bernd Eisenstein hat seinen großen Spieleerstling sehr elegant vereinfacht und meiner Meinung nach deutlich verbessert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PELOPONNES CARD GAME
Autor: Bernd Eisenstein
Verlag: Irongames
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2- 5
Spielzeit: ca. 20 bis 60 Minuten
Preis: ca. 17 Euro
Mittwoch, 21. Dezember 2016
SHIFTAGO
Robert Witter und Frank Warneke scheinen ein Abonnement auf den „MinD Spielepreis“ zu besitzen. Für ihr raffiniertes Erstlingswerk BARRAGOON haben die beiden Autoren und Inhaber des Kleinverlags WiWa Spiele die Auszeichnung für 2016 erhalten. Nun haben sie mit SHIFTAGO ihr zweites Spiel veröffentlicht und sind für das Jahr 2017 erneut nominiert. Ein erster Erfolg mit dem Deutschen Lernspielpreis stand aber im November in Stuttgart schon an.
Dabei scheint SHIFTAGO gar nicht so innovativ zu sein. Auf den ersten Blick denkt man sofort an ABALONE und VIER GEWINNT! . Es ist schon richtig, Kugeln spielen bei SHIFTAGO eine zentrale Rolle, aber im Gegensatz zu Lalets und Lévis Klassiker dürfen Witters und Warnekes Glasmurmeln das Spielfeld nicht verlassen. Eine der Siegoptionen entspricht tatsächlich dem von Howard Wexler und Ned Strongin in den 70er Jahren von MB veröffentlichtem Spiel VIER GEWINNT! Scheint der aufrecht stehende Klassiker durch die fallenden Scheiben des stehenden Bretts ein dreidimensionales Spiel zu sein, bietet SHIFTAGO trotz Spiel in der Fläche deutlich mehr Varianz. Die Kugeln gelangen hier nicht nur durch eine Seite ins Spiel, sondern über alle vier des quadratischen Spielbretts, außerdem gibt es Siegpunkte bis zu einem „Sieben gewinnt!“.
Grundsätzlich ist aber das Spielziel dem von VIER GEWINNT! ähnlich. Die zwei bis vier Spieler versuchen auf einem 7x7 Felder großen Brett durch beliebiges Einschieben ihrer Kugeln vom Rand her und Verschieben anderer Kugeln eine Gewinnkonstellation über horizontale, vertikale oder diagonale Reihen herzustellen. Je nach Spielvariante und Spieleranzahl müssen dazu Kugelreihen einer Farbe in unterschiedlicher Länge gebildet werden. Jeder erhält dafür 22 Kugeln in den gut zu unterscheidenden Farben orange, grün, weiß und blau. Die beiden Autoren bieten drei Varianten vom schnellen Familien- bis zum anspruchsvollen Kennerspiel an.
In der einfachsten Variation müssen im Spiel zu zweit fünf Kugeln in eine Reihe gebracht werden und ab drei Spielern gilt dann das klassische Ziel von VIER GEWINNT! . Die Begrenzung auf das Spielbrett und die Störmanöver von allen vier Seiten machen SHIFTAGO aber anders als vergleichbare Spiele. Im Spiel ab drei Spielern läuft dabei die Bedrohung schon oft durch eine entsprechende Vorbereitung über eine Seitengrundlinie. Da müssen alle aufpassen, dass nicht ein schneller Grundliniensieg zu einem abrupten Ende nach nur wenigen Minuten führt.
Reizvoller wird das Expertenspiel, das auf das Erreichen von zehn Punkten zielt, für die eine eigene Wertungstafel beiliegt, die nicht nur der Punktzählung dient, sondern auch die Konstellationen zeigt, die Punkte bringen. Je länger die Kugelreihe ist, umso mehr Punkte sind mit ihr zu erzielen. Damit es nicht zu Dauerwertungen kommt, werden anschließend fast alle Kugeln der Reihe entfernt. Im Spiel zu zweit bleiben die beiden Randkugeln der gewerteten Reihe auf dem Feld, ab drei Spielern nur eine der Randkugeln. Wer wertet, ist gleich noch einmal am Zug, sodass die Kugelentnahme nicht allzu schmerzliche Nachteile hat. Das Ganze führt aber zu einem meist ausgeglichenen Ablauf. Richtig kompliziert wird es in der extremen Variante, die im Prinzip wie das Expertenspiel funktioniert, aber ab drei bzw. vier Kugeln eine Wertung beinhaltet, die null Punkte und den Verlust von Glasmurmeln bringt. Das zu umgehen, ist nicht immer einfach und macht diese SHIFTAGO-Variante zu einem wirklichen Gehirnverdreher.
Für die Planung im Raum braucht es schon einen ganz speziellen Blick, den manche Spieler besitzen, bei dem andere wieder verzweifeln, weil sie das eigentlich Offensichtliche wieder einmal übersehen. Für solche Fälle empfehlen die Autoren einen Spielstärkeausgleich. Je nach Absprache verzichten die besonders guten Spieler auf ihre ersten Züge.
Der Spielanspruch wächst mit seinen Varianten, trotzdem sollten alle mit dem einfachen Grundspiel beginnen, um ein Gefühl für die verschiedenen Optionen und Zwänge zu bekommen. Obwohl SHIFTAGO bewusst auch für mehr Spieler angelegt ist, gefällt es mir pur zu zweit deutlich besser. Da muss ich mich nicht über Mitspieler ärgern, die wieder einmal nicht aufgepasst haben und wegen Nichtagierens Vorlagen für andere geben. Im Duell darf ich mich an meine eigene Nase fassen, wenn etwas schief läuft.
Das Spielmaterial ist wie schon bei BARRAGOON hervorragend: Große Glaskugeln, ein für den Schiebeprozess sauber produziertes Spielbrett, solide Regeln und Kurzübersichten. Alle Voraussetzungen dürften gegeben sein, dass WiWa Spiele 2017 zum zweiten Mal in der Spielebrücke in Marburg den „MinD Spielepreis“ in Empfang nehmen darf.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SHIFTAGO
Autoren: Frank Warneke und Robert Witter
Verlag: WiWa Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2- 4
Spielzeit: ca. 5 bis 45 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
Montag, 19. Dezember 2016
GLÜX
Jakob Andrusch ist als Spieleautor bisher nur mit dem Geschicklichkeits-Kartenspiel AFFENZIRKUS (Die Spiegelburg) aufgetreten. Mit GLÜX (Queen Games) bewegt er sich in einem ganz anderen Genre, dem der abstrakten Spiele.
Wer es immer noch nicht weiß, dass obere und untere Würfelseiten addiert den Wert „7“ ergeben, wird es sich spätestens nach einer GLÜX-Partie eingeprägt haben. In dem Queen-Spiel sind keine Würfel in der Spieleschachtel, sondern 96 Zahlenplättchen, die Würfelseiten entsprechen. Jeder Spieler erhält 24 solcher runden Scheiben in einer Farbe, die alle in einen Stoffbeutel kommen.
Der Spielplan für drei und vier Spieler umfasst 15x15 Felder, meist dunkle Flure, aber auch 11 helle Raumbereiche, die 4 bis 9 Felder umfassen. Dort landen die Würfelscheiben, die als Lichtplättchen bezeichnet werden, da sie zur Erleuchtung der helleren Räume beitragen sollen.
Eine Spielgeschichte ist das wirklich nicht, Spielbrett und Spielmaterial ergeben eben nichts anderes als ein abstraktes Spiel, das atmosphärisch wie ein leerer Kühlschrank daherkommt. Beim Spiel selbst springt der Funken aber schnell über, schafft Kribbeln in den Fingerspitzen, die in den Stoffsäckchen wühlen und sorgt für eine steil steigende Spannungskurve.
Andrusch schafft mit ganz wenigen Regeln einen interessanten Spielablauf. Jeder startet am Anfang in einer Spielplanecke, die Würfelseite, die dort gewählt wird, definiert die Zugweite für den nächsten orthogonalen Zug. Man zieht stets ein Plättchen nach und kann damit schon seinen Folgezug planen und überlegen, welche Plättchenseite für weitere Züge zum Einsatz kommen soll. Ziel ist es dabei, in die Räume zu kommen, die am Ende allein Siegpunkte bringen. Wer die meisten Punkte in einem Raum besitzt, erhält unabhängig von der Größe des Raumes vier Siegpunkte, der zweite Platz bringt immerhin noch zwei Punkte. Beachtet werden muss nur noch, dass fremde oder eigene Plättchen nicht übersprungen werden dürfen, dass man aber Zweiertürme bilden darf. Einerseits um fremde Steine zu besetzen, durchaus aber auch mit der Überlegung, eigene Steine in Zielbereichen zu schützen.
Da werden Drohgebärden aufgebaut, Zwickmühlen installiert, da liegen dann Einer-Plättchen vor den hellen Räumen einmarschbereit, um Mehrheiten zu kippen. Je mehr Plättchen im Spiel sind, umso schwerer wird es allerdings auch, die Übersicht über alle eigenen und fremden Optionen zu behalten. Wer das gut meistert, hat Chancen auf den Spielsieg. Dabei sollte man sich beim Kampf um die Mehrheiten nicht verzetteln, ein Vierer-Raum ist einfacher zu sichern als der große mittlere Raum mit neun Feldern.
Wer sich überwindet und sich dem Spiel stellt, wird mit einer spannenden intellektuellen Herausforderung belohnt. GLÜX ist auch zu zweit mit einem verkleinerten Spielplan und größeren Räumen gut spielbar. Meine Empfehlung: Augen zu – und spielen!
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: GLÜX
Autor: Jakob Andrusch
Verlag: Queen Games
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Mittwoch, 14. Dezember 2016
ICECOOL
ICECOOL scheint ein richtiges Retro-Spiel zu sein. Eine Spielverpackung wie bei einer Matrjoschka, was hier ineinander gestapelt ist, ergibt aber am Ende eine traumhaft große Pinguinschule. Die Spielfiguren sind kleine Stehaufmännchen, Pinguinkinder, die sich dank ihrer Schwerpunktverlagerung mit dem halbrunden Sockel wunderbar schnippen lassen.
Die Spielgeschichte ist frech: Leon & Co. schwänzen ihren Pinguinunterricht und gehen verfrüht auf Fischjagd, nur vorm Hausmeister müssen sie sich in Acht nehmen. Anfangs wird die Schule mit Steckklammern in Fischform zu einem großen Gebäude mit fünf Räumen aufgebaut. Die schwänzenden Pinguine starten alle den Fischfang in ihrem Klassenzimmer. Drei Türen der Schule sind mit der Jagdbeute in der Farbe der frechen kleinen Pinguine bestückt. In diagonaler Entfernung vom Klassenraum befindet sich die Küche, dort startet der Hausmeister und geht auf Schülerjagd.
Im Spiel zu viert gibt es damit drei Fischjäger und einen Pinguinfänger. Gespielt werden vier Runden, in denen die Pinguin-Kinder immer wieder versuchen, alle Fische ihrer Farbe einzusammeln. Das klappt immer dann, wenn sie erfolgreich unter einer entsprechenden Tür durchgeschnippt werden. Die Runde endet aber auch dann, wenn der Hausmeister alle Pinguine gefangen hat. Er kassiert stets deren Schülerausweise ein. Zwischendurch gibt es für jeden Fisch Punktekarten mit Werten von 1 bis 3 zur Belohnung, die auch am Ende der Runde für jeden Ausweis vergeben werden. Um das Glück beim Ziehen dieser Punktekarten etwas zu relativieren, dürfen zwei Karten mit dem Wert „1“ für einen Bonuszug eingesetzt werden. Nach einer Runde wechselt die Hausmeisterrolle, bis dann am Ende jeder einmal Fänger war und alle Siegpunktkarten addiert über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Anfangs ist etwas Training nötig, um die Wackelfiguren einigermaßen kontrolliert durch die Klassenräume zu bugsieren. Mit Schnippen von der Seite bekommt man auch Drehungen der Pinguine hin. Der richtige Treffer am Kopf, lässt die Figuren sogar über die Bande springen. Den Pinguinen bringt das zwar nichts, weil sie unter den Türen durch müssen, um ihre Fische zu bekommen, aber der jagende Hausmeister kann so überraschend im Rücken der Schulkinder auftauchen. Coole Schnipp-Tricks zeigt Amigo in einem gelungenen Teaser zum Spiel.
Die Sogwirkung von ICECOOL in reinen Kinderrunden, mit Familien, aber auch nur mit erwachsenen Spielern erinnert mich an CARABANDE, das vor 20 Jahren mit dem Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel ausgezeichnet wurde. Im Augenblick gibt es zwar viele Schnipp-Spiele auf dem Markt (RUMMS!, FLICK’EM UP!, KATAKOMBEN, SCHNIPP-TRICK), von denen allerdings nur wenige als generationsübergreifendes Spiel taugen. ICECOOL steht da ganz oben auf dem Sockel und lässt sich auch durch ganz raffinierte Schnippversuche nicht herunterstoßen, das hat auch die Entscheidung der Kinderjury am 19. Juni gezeigt. ICECOOL ist "Kinderspiel des Jahres" 2017.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ICECOOL
Autor: Brian Gomez
Verlag: Amigo
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Dienstag, 13. Dezember 2016
DODELIDO
Schnelle Ablegespiele mit ein bisschen Gehirnzwirbel sind das Lieblingsgenre des Luxemburgers Jaques Zeimet. Bei ihm tanzen Kakerlaken auf und um den Tisch, können Ganoven nicht bis Sieben zählen und DODELIDOln blaue Flamingos und rosa Schildkröten.
Zeimet verlässt ausnahmsweise einmal die Kakerlaken- und Tarantel-Welt und widmet sich eher klassischen Zootieren. In DODELIDO gibt es je 20 Flamingos, Kamele, Zebras, Pinguine und Schildkröten, außerdem noch fünf rare Krokodile. Bis auf die Echsen gibt es alle anderen Tiere in fünf verschiedenen Farben, jeweils vier Tiere also von einer Farbe.
Mit wenigen Regeln zaubert Zeimet aus diesem Tier-Sextett wieder einmal ein erstaunlich pfiffiges Ablegespiel. Wie üblich werden alle Karten reihum an maximal sechs Spieler verteilt. In der Mitte entstehen drei Ablagestapel, die die Beteiligten abwechselnd bedienen. Je nach Auslage überprüft der aktive Spieler, ob es eine Tier- oder Farbenmehrheit gibt und nennt dann schnell die entsprechende Tierart oder Farbe. Gibt es keine Übereinstimmung, muss er das auch mit „Nix!“ bestätigen. Ins Trudeln gerät man, wenn plötzlich zwei gelbe Kamele neben einem weißen Pinguin ausliegen. Da ist man schnell versucht „Kamel“ oder „Gelb!“ zu rufen. Beides ist aber falsch, da zwischen den Tieren und der Farbe ja eine Pattsituation vorliegt. Zeimet hat dafür natürlich eine passende Antwort parat und die entspricht dem Spieltitel DODELIDO.
Wer falsch antwortet oder zulange zögert, drei Sekunden sind die Orientierungsgröße, kassiert alle ausliegenden Karten und startet eine neue Runde. Damit garantiert Bewegung im Spiel bleibt, taucht von Zeit zu Zeit ein Krokodil auf, das die Spieler gemeinsam vertreiben müssen. Wer da zulange zögert und seine Hand zu spät nach dem Raubtier ausstreckt, kassiert ebenfalls alle Karten. Fast besinnliche Gelassenheit bringt nur die Schildkröte ins Spiel. Wer geneigt ist mit einem zögerlichen „Öh“ seine richtige Antwort hinauszuzögern, muss dies bei der Schildkröte sogar tun. Da kann es sogar zu einem „Öh, öh, öh -Schildkröte“ kommen. Nach einer Viertelstunde ist meist ein Kartenstapel leer und ein Sieger steht fest, der seine Trophäe aber auch sofort verteidigen muss, denn ohne Revancherunden bleibt es nicht in der Welt der Pinguine, Zebras und Schildkröten.
Die Sogwirkung, die Zeimet mit KAKERLAKENSALAT oder DIE FIESEN 7 erreicht hat, gelingt ihm auch mit DODELIDO. Hier stimmt wieder alles: Die fetzige Idee, die perfekte Umsetzung durch Drei Magier, die grafische Gestaltung von Rolf Vogt. Den meisten meiner Mitspielern gefällt das aktuelle Spiel deutlich besser als DIE FIESEN 7, das 2016 immerhin auf der Empfehlungsliste der Jury „Spiel des Jahres“ landen konnte.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DODELIDO
Autor: Jaques Zeimet
Verlag: Drei Magier / Schmidt
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Montag, 12. Dezember 2016
TEMPEL DES SCHRECKENS
Yusuke Satos TIME BOMB mit terroristischen Anklängen passt im Augenblick nicht so recht ins Programm eines großen deutschen Spieleverlags. Die Redaktion von Schmidt um Torsten Gimmler hat deshalb Satos Idee in unverfänglichere Dschungelbereiche verlegt und geht dort mit möglichst vielen Abenteurern auf Schatzsuche in einem unheimlichen Tempel.
TEMPEL DES SCHRECKENS ist ein kommunikatives Rollen- und Bluffspiel, das im weiteren Sinne in das Genre der WERWOLF-Kategorie passt. Die Rollen sind allerdings sehr reduziert, es gibt nur Abenteurer und Tempelwächterinnen bei der Schatzsuche. Die Rollenverteilung stellt sicher, dass jede Rolle mindestens einmal vertreten ist. Eine Übersichtskarte zeigt die Aufteilung für drei bis zehn Spieler, manchmal ist dabei eine Karte mehr im Spiel, als Beteiligte in der Runde sitzen, manchmal gehen die Karten exakt auf, sodass jeder weiß, wie viele Wächterinnen und Abenteurer es geben muss.
Neben der Rollenkarte erhält jeder fünf Schatzkammer-Karten, die meist leere Kammern, einige mit Gold und maximal drei Feuerfallen beinhalten. Die Karten darf sich jeder anschauen, sie müssen dann aber gemischt und umgedreht ausgelegt werden, damit niemand weiß, wo eventuelle Schätze und Fallen liegen.
Der Startspieler, meist der jüngste, erhält eine goldene Schlüsselkarte und hört sich erst einmal an, was die ehrlichen Mitstreiter über ihren Charakter und ihre Schatzauslage so zu erzählen haben. Er selbst schließt sich dieser Mischung aus Lüge und Wahrheit natürlich auch an. Alle sind garantiert Abenteurer und möchten nicht, dass die Gruppe in Feuerfallen tappt oder nur leere Räume findet.
Der Besitzer der Schlüsselkarte geht in einen für ihn attraktiven Tempelbereich und öffnet eine Tür. Der neue Schlüssel-Inhaber öffnet dann die nächste Tür, bis so viele Tempelbereiche offen sind wie Spieler teilnehmen. In der Mitte werden dann die umgedrehten Karten gesammelt, sodass immer klar ist, wie viele Schätze und Feuerfallen schon aus dem Spiel sind. Denn darüber wird das Spielende definiert. Wenn alle Schätze gefunden sind, gewinnen die Abenteurer, wenn alle Feuerfallen aufgedeckt wurden, siegen die Wächterinnen. Diese gewinnen auch, wenn die Schatzsucher nach vier Runden nicht alle Goldschätze finden konnten.
Der Erfolg von TEMPEL DES SCHRECKENS hängt von den kommunikativen Fähigkeiten der beteiligte Schatzsucher ab. Mit steigender Zahl der Spieler wächst auch der Spielspaß. Zu dritt und zu viert, wenn die Wächterinnen die Mehrheit haben können oder zumindest eine ausgeglichene Beteiligung erreichen, haben die Abenteurer meist keine Chancen auf den Spielsieg. Ab fünf Spielern wird es spannender, wenn gelogen wird, dass sich die Balken biegen und falsche Schätze wohlfeil angeboten werden. Die Spannung steigt vor allem dann, wenn nur noch drei oder zwei Karten im Spiel sind und mindestens eine Wächterin bisher unerkannt blieb.
TEMPEL DES SCHRECKENS ist ein atmosphärisches dichtes kommunikatives Deduktionsspiel, das ausgezeichnet in großen Gruppen ab sechs Spielern funktioniert. Die redaktionelle Umarbeitung von TIME BOMB ist Schmidt vorzüglich gelungen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TEMPEL DES SCHRECKENS
Autor: Yusuke Sato
Verlag: Schmidt
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 10 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Sonntag, 11. Dezember 2016
WORD SLAM
2016/17 könnte zum erfolgreichsten Spielejahrgang für Inka und Markus Brand werden. Zurzeit haben die beiden Autoren aus Gummersbach einen richtig guten Lauf. Bei den ESCAPE-Spielen haben sie mit ihren EXIT-Varianten (Kosmos) die Nase vorn, mit NOCH MAL! (Schmidt) machen sie QWIXX & Co. gehörig Konkurrenz und mit TOURIA (Huch! & friends) sind sie mit einem genialen Aktionsprinzip mit drehenden Türmen im anspruchsvollen Familienspielbereich unterwegs. Ihr Meisterstück liefern sie allerdings mit ihrem weiteren Kosmos-Spiel ab.
Nach der Wortspielflut im Jahrgang 2015/16 und der Kürung von CODENAMES als Spiel des Jahres, habe ich eigentlich Ebbe in diesem Spielsegment erwartet oder zumindest nur die üblichen SCRABBLE-Variationen. Das Ehepaar Brand setzt nun mit WORD SLAM ein nachträgliches i-Tüpfelchen in diesem Genre.
WORD SLAM ist, ganz kurz vergleichend beschrieben, CONCEPT mit Wörtern. Statt 117 Piktogrammen stehen 105 Wörter zum Erklären zur Verfügung. Hauptsächlich Nomen, einige Adjektive und Verben und ein paar sonstige Wortarten wie Präpositionen und Numerale. Wurde man bei CONCEPT von der Vielfalt des Spielplans erschlagen, muss man sich hier durch viele Karten durcharbeiten. Der besondere Pfiff von WORD SLAM besteht allerdings in der direkten Team-Auseinandersetzung. Zeitgleich versuchen zwei Erklärbären ihren Teams mit identischen Kartensätzen ein gemeinsam erwürfeltes Wort von einer Ratekarte zu erläutern. Dafür legen sie passende Wortkärtchen auf Kartenbänke und die Mitspieler raten gleichzeitig und wild durcheinander das zu suchende Wort. Es lohnt daher, nicht nur die Erklärwörter des eigenen Erklärers im Blick zu behalten, sondern beim Nachbarteam gut zuzuhören. Wer richtig rät, erhält die Karte. Das Team, das dann nach 21 oder 25 Karten die Nase vorn hat, gewinnt nach einer mehr als unterhaltsamen Raterunde die Partie WORD SLAM.
Die Gleichzeitigkeit des Ratevorgangs bringt die ganz besondere Stimmung ins Spiel. Alle sind immer involviert und auch irgendwann dran mit der Rolle des Erklärers. Die fällt deutlich leichter als die des Agentenführers bei CODENAMES, dort kommen viele über ein xy 1 oder yz 2 nicht hinaus. Irgendetwas Passendes findet man dagegen bei WORD SLAM immer, oft ist es hier sogar so, dass wenige Hinweise effektiver sind als eine Kartenflut. Will der eine das „Konzert“ mit „Gebäude“, „Nacht“, „Vorgang“, Technik“ und „Musik“ erklären, reicht für den anderen ausschließlich „Hören“ und „Musik“ aus.
Das Konzept von WORD SLAM bietet viel Varianz. So gibt es Einsteigerkarten, einfachere und etwas anspruchsvollere und dann noch die schwarzen Expertenkarten. Die können dann je nach Erfahrung der Runde zusammengestellt werden. Mit 1200 Begriffen ist die Wiederholungsgefahr nicht allzu groß. WORD SLAM macht vor allem in großen Runden viel Spaß, zu dritt gibt es eine Sonderregel, nach der einer erklärt und die beiden anderen raten müssen.
Es wäre spannend gewesen zu sehen, wo sich WORD SLAM zwischen oder vor CODENAMES und KRAZY WORDZ vor einem halben Jahr eingruppiert hätte. Mit dem hohen Niveau beider Spiele kann die Idee von Inka und Markus Brand allemal mithalten und geht damit im Augenblick ohne Konkurrenz in die Entscheidungsprozesse des nächsten Jahres.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: WORD SLAM
Autor: Inka und Markus Brand
Verlag: Kosmos
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 - ∞ Spieler
Spielzeit: ca. 45 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Samstag, 10. Dezember 2016
KINGDOMINO
Den Klassiker DOMINO zu plagiieren, scheint nicht besonders kreativ. Im Grunde genommen macht Bruno Cathala mit KINGDOMINO (Pegasus) eben dies. Statt Würfelpunkten von 0 bis 6 gibt es auf Cathalas zweiteiligen Plättchen sechs Landschaften in unterschiedlicher Häufigkeit, statt 28 Spielsteinen gibt es bei ihm 20 mehr.
Der wesentliche Unterschied beider Spiele besteht nur darin, dass keine Wegeschlange gelegt wird, sondern der französische Autor eine kompakte Auslage in maximaler Ausdehnung von 5x5 Feldern zulässt. Deshalb gibt es auch einen Startstein, auf dem eine kleine Pappburg steht, zu der jeder einen farblich passenden Holzkönig erhält An der Burg darf beliebig angelegt werden, drumherum muss mindestens eine Landschaft passen. Das ist durchaus auch im Interesse der Landschaftsbauer, denn sie versuchen größere zusammenhängende Gebiete in ihrem Königreich aufzubauen, für die sie besondere Kronenkarten haben wollen. Denn am Ende zählen die Gebiete nur, wenn sie mit Kronenfelder multipliziert werden können. Wer acht Getreidefelder ohne Mühle mit Krone auslegt, bekommt keine Punkte. Stehen dort aber drei Mühlen, sind das schon 24 Punkte. Die relative Verteilung der Felder ist daher im Blick zu behalten. Beim häufigen Getreide sind nur etwa 20 Prozent Kronenfelder, die Relation verbessert sich beim Wald und beim Wasser. Auf den deutlich selteneren Weiden und im Moor tauchen dann sogar Doppelkronenfelder auf. Das alles wird von den erzhaltigen Gebirgeteilen getoppt, da gibt es zwar nur 6 Felder, die besitzen zusammen aber 10 Kronen.
Der Erwerb der DOMINO-Steine verläuft in einem alternierenden Rhythmus. Anfangs wird die Zugreigenfolge zufällig ausgelost. Danach okkupieren die Spieler eines von vier ausliegenden DOMINO-Teilen, die, nach ihrer Rückseite sortiert, in aufsteigender Zahlenreihenfolge ausliegen. Unten befinden sich stets die wertvolleren Karten, die meist Kronen zeigen, oben einfache Landschaftsteile. Wer oben steht, holt sich sein Kartenteil als erster und hat damit auch den ersten Zugriff auf vier neue Landschaftsteile, sodass man meist in jeder zweiten Runde in die Fläche bzw. auf die Punkte geht.
Da Legezwang besteht, muss mit Blick auf die 5x5 Felder gut geplant werden. Für Getreide- und Waldflächen fällt das meist nicht schwer, beim Gebirge kann es durchaus sein, dass man nur ein Teil bekommt. Auch der Blick in die Auslagen der Mitspieler ist dabei immer hilfreich. Gegen Ende reißen Kronenfelder, die man unbedingt noch unterbringen möchte, oft auch Lücken in die Auslage, sodass es nicht zum Bau eines vollständigen Königreiches kommt.
Schon nach 12 Spielrunden ist Schluss, gewertet werden dann nur die Landschaftstypen mit Kronenfeldern. Wer will, kann mit Hilfe der Zusatzregeln Punkte für vollständige Reiche oder das „Reich der Mitte“ mit der Burg im Zentrum vergeben. Im Spiel zu zweit ist auch ein Duell um ein 7x7 Felder großes Dominium möglich.
KINGDOMINO erweist sich in seiner einfachen Spielstruktur als geniales Familienspiel. Die Regeln sind schnell erklärt, trotzdem bieten der Kartenerwerb und die Anlegeregeln genügend Herausforderungen. Die jeweiligen Positionskämpfe sind Runde für Runde immer wieder spannend. Auch das Kartennachziehglück hält sich dadurch in Grenzen, zumal in Vollbesetzung gegen Ende alles berechenbarer wird. Zu kritisieren gibt es eigentlich wenig. Die erweiterten Punktwertungen bringen nicht allzu viel Varianz ins Spiel. Um Vielspieler auf die Dauer bei der Stange zu halten, sind schon weitergehende Erweiterungen nötig. Mir persönlich ist der Stoffbeutel zu klein, aus dem die Karten gezogen werden. Ein Mischen ist nicht möglich, auch der Abrieb der Kanten könnte mit der Zeit zum Problem werden. Letztlich bleiben die Kritikpunkte aber marginal, wenn der Gelegenheitsspieler im Zielgruppenfokus bleibt. Das „machtvolle DOMINOspiel“ ist eine exzellente Werbung für das Spielen in der Familie.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KINGDOMINO
Autor: Bruno Cathala
Verlag: Pegasus
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 - 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
(Seite 1 von 1, insgesamt 9 Einträge)