Samstag, 26. August 2017
ONITAMA
Unter den Top 10 der abstrakten Spiele rangiert ONITAMA bei BoardGameGeek. Im Augenblick liegt das 2014 erschienene Zweipersonen-Spiel von Shimpei Sato auf einem guten siebten Rang und damit nur einen Platz hinter dem Klassiker GO. Seit wenigen Wochen gibt es ONITAMA in einer deutschen Ausgabe von Pegasus.
Der ungewöhnliche Turmschuber zeigt aufgeklappt opulentes Spielmaterial. Die gerollte Matte erinnert an alte Perlhuhn-Pläne, die handlichen Spielfiguren mit zwei Lehrmeistern und acht Schülern wecken SCHACH Assoziationen mit König und Bauern. Wir sind nicht weit weg vom SCHACH und trotzdem spielt sich ONITAMA ganz anders und immer wieder neu.
Auf 5x5-Feldern stehen sich der rote und blaue Lehrmeister und ihre jeweils vier Adepten gegenüber. Die Lehrmeister besetzen ein zentrales Tempelfeld, rechts und linke begleitet von den Schülern. Wie beim SCHACH gewinnt derjenige, der Lehrmeister bzw. König schlägt. Zusätzlich bringt bei ONITAMA die Besetzung des gegnerischen Tempelfeldes den Sieg.
Das Besondere an ONITAMA sind die Zugmöglichkeiten und hier liegt die herausragende Autorenleistung von Shimpei Sato. Er weist den Figuren nicht die üblicher Weise fest definierten Zugweiten zu, sondern gibt jeder Figur die Möglichkeit, eine von zwei Bewegungskarten zu nutzen. 16 sind insgesamt im Spiel, jeweils zwei davon bekommt jeder Spieler, zusätzlich wird eine fünfte Karte gezogen, deren Farbmarkierung festlegt, welcher Spieler beginnen darf.
Jede Karte zeigt grafisch die Zugmöglichkeiten. Da ist der Tiger, der zum Sprung über ein Feld ansetzen kann, dort ist der Elefant der eher kompakt seitlich orthogonal oder diagonal nach vorn sich bewegen darf. Da ist die Krabbe, die in springenden Seitwärtsbewegungen fast die Optionen des springenden Tigers übertrifft, dort ist der hakenschlagende Hase, der ebenfalls zu Sprüngen ansetzt, schließlich der dynamische Drache, der Pferdesprünge wie im Schach beherrscht. Das Spannende an den Karten ist, dass sie nicht fest zugeteilt bleiben, sondern ständig in Rotation sind. Wenn der Startspieler mit der Krabbe langsam vorangekrochen ist, legt er diese Karte an den Spielfeldrand und nimmt sich dafür die fünfte Karte, die ihm den Startvorteil beschert hat. Damit ist klar, dass jeder irgendwann jede Zugmöglichkeit nutzen kann. Besonders starke Karten wie den Drachen hält man zwar möglichst lange zurück, aber irgendwann startet auch der zu seinem Drachenflug.
Wie beim SCHACH sind damit die Bewegungsmöglichkeiten des Gegenspielers offensichtlich und werden in die eigene Planung mit einbezogen. Zu beachten ist nur der Perspektivwechsel. Jede Figur kann geschlagen werden, was mittelfristig einen Sieg über Besetzung des gegnerischen Tempels zur Folge haben kann. Ein kompaktes Vorgehen mit zwei oder drei Schülern kann aber auch den Lehrmeister in die Bredouille bringen. Gleichwertige Partner erhöhen den Reiz, das ist beim SCHACH nicht anders.
ONITAMA hat dabei den großen Vorteil, dass jedes Spiel ganz neu daherkommt, da plötzlich der Kranich fliegt, das Wildschwein wühlt oder der Affe umherspringt. Das macht Satos Spiel immer wieder spannend und abwechslungsreich. Hier stimmt alles. Das Material ist beeindruckend, die Grafik fernöstlich angehaucht, die Varianz ist extrem hoch. Ich bin sicher der Höhenflug von ONITAMA auf der BGG-Wertungsliste ist noch nicht beendet.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ONITAMA
Autor: Shimpei Sato
Verlag: Pegasus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 23 Euro
Spiel 51/2017
Mittwoch, 16. August 2017
MEMOARRR!
William Hurter, ein Schweizer Militärattaché in London, spielte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Bilderlegespiel, das sein Vater selbst gebastelt hatte. Dieses Spiel begleitete die Familie noch in den 50er Jahren, bis es Hurter 1958 Erwin Glonnegger in Ravensburg anbot. Ein Jahr später begann die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Legespiels MEMORY ©.
Zur Entstehung des markenrechtlich geschützten Namens erzählt Glonnegger: „Als ich ihn (Hurter) damals gefragt habe, wie heißt das Spiel eigentlich, sagte er: ‚Na, ja, wir haben da keinen so richtigen Namen dafür, in Basel heißt das Spiel ZWILLINGSSPIEL, aber die Nachbarskinder, wenn die immer kamen zum Spiel, oder wenn sie spielen wollten, sagten die: Let's play your memory game.‘ Da sagte ich: ‚Da haben wir doch einen Titel, den nehmen wir.‘“
In seinem „Spiele-Buch“ verweist der ehemalige Verlagschef von Ravensburger darauf, dass die Wurzeln des ZWILLINGSSPIELS weit zurückreichen. Schon im Japan gab es mit KAI-AWASE seit dem 12. Jahrhundert Muschelschalen, von denen jeweils zwei identisch bemalt waren. Im 19. Jahrhundert taucht die Idee als PAIRS in England und in den USA auf. Auch in Hurters Heimat der Schweiz existiert ein direkter Vorläufer von Bertha von Schroeder, deren Fassung Carlit als PUNTA in den 50er Jahren herausbrachte.
Inzwischen gibt es unendliche Variationen der Pärchensuche, jenseits von Worker Placement und Kartendrafting ist Jahr für Jahr das MEMO-Prinzip das am häufigsten auftauchende Spielelement unter allen Neuerscheinungen. Die Varianten sind vielfältig und immer wieder überraschend, so 2016 in LEO MUSS ZUM FRISÖR oder ganz aktuell 2017 in MEMOARRR! von der Berliner Spielwiese.
Carlo Bortolini reduziert in seiner ersten Veröffentlichung die MEMO-Anforderung auf 24 Karten. Wer meint, damit eine Kleinkinderausgabe des Erinnerungsspiels vor sich zu haben, der irrt. Sein Berliner Verlag empfiehlt MEMOARRR! erst für Achtjährige. Die Besonderheit dieses Spiels besteht darin, dass nur so etwas Ähnliches wie Pärchen gesucht werden. In der Schatzsucherwelt von Kapitän Goldfisch bebt ein Vulkan. Dort hat Goldfisch in einer tief gelegenen Höhle sieben Schatztruhen mit unterschiedlich vielen Rubinen versteckt. Wer diese erfolgreich heben möchte, muss seine Kontrahenten in die Irre führen. Nur wer den Weg zwischen fünf tierischen Inselbewohnern in fünf verschiedenen Insellandschaften regelkonform findet, wird zu den Rubinen gelangen.
Schildkröte, Pinguin, Krebs, Walross und Tintenfisch tauchen dabei nicht nur im Wasser auf, sondern sind ebenfalls am Strand zu sehen, in den Blütenfeldern und grünen Wäldern der Insel, sogar auf den Lavastreifen unterhalb des Vulkans. Die Karten liegen in MEMOARRR! in einem 5x5-Raster aus, die Tierkarte des zentralen Feldes wird aus dem Spiel genommen, da sich dort die Schatztruhen befinden und bis zu drei Vulkankarten. Die drei mittleren Karten einer Spielplanseite darf sich jeder anschauen, sodass Anfangskenntnisse über Tierwelt und Landschaften bei jedem vorhanden sind. Der Startspieler deckt eine Karte auf, der folgende Spieler muss ein entsprechendes Tier oder eine passende Landschaft finden. Wem das nicht gelingt, der nimmt eine Vulkankarte. Bleibt nur noch ein Spieler übrig, stößt der auf eine der Schatzruhen.
Anfangs tappen alle fast im Dunkeln, aber die Insel offenbart mit der Zeit immer mehr Informationen. Wer sich die gut einprägen kann, wird häufiger bis zum Ende übrigbleiben und mit dem Inhalt einer Schatztruhe belohnt werden, um am Ende die meisten Rubine zu besitzen. Wie bei dem herausragenden Kinderspiel LEO MUSS ZUM FRISÖR lebt MEMOARRR! durch den Lernzuwachs der Spielrunden. Auch wer anfangs früh ausscheidet, wird gespannt weiter zusehen, weil er für die nächsten Duelle gewappnet sein will.
Das ist stets spannend, von vielen Emotionen begleitet und macht immer wieder Spaß. Wer es anspruchsvoller mag, kann zum Expertenspiel greifen, in dem den Tieren Fähigkeiten zugewiesen werden. Da kann der Tintenfisch Karten vertauschen oder der Pinguin sich Karten ansehen. MEMOARRR! ist grafisch toll umgesetzt und bietet nicht nur Vergnügen für eine fünfzehnminütige Schatzsuche. Das ist ein Spiel, das alles hat, zum Dauerbrenner zu werden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MEMOARRR!
Autor: Carlo Bortolini
Verlag: Edition Spielwiese / Pegasus
Alter: ab 8 Jahren / im Nachinein auf 6 Jahre vom Verlag geändert
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 - 20 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 47/2017
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