Donnerstag, 22. Dezember 2016
LIGNUM
Österreichischer Spieleautor, der auf den Vornamen Alexander hört? Die Wahrscheinlichkeit, dass 99% von Ihnen jetzt mit „Pfister“ antworten würden, ist extrem hoch. Mit Alexander Huemer wissen nur ganz wenige etwas anzufangen, dabei gibt es durchaus Parallelen beider Autoren. Beide sind in den frühen 70er Jahren in der österreichischen Provinz aufgewachsen, Pfister in den Tälern des Montafons und Huemer im Innviertel. Beide erzählen, dass schon ihre Kindheit spielerisch geprägt war und erste Erfindungen aus dieser Zeit stammen.
Wichtige Spiele beider Autoren sind in einem Wettbewerb ausgezeichnet worden, bei Pfister war es für den Vorläufer von MOMBASA der Hippodice Wettbewerb von 2011, Huemer war schon ein Jahr davor für LIGNUM Endrundenteilnehmer am Autorenwettbewerb von www.spielematerial.de. Beide mussten dann bis 2015 auf die Veröffentlichung ihrer Spielideen warten. Für Pfister war es eine von vielen Veröffentlichungen, für Huemer die allererste.
Aus den Anregungen des Wettbewerbs entstand bei Alexander Huemer ein Spiel über die Holzernte. Wie phantasievoll der Autor agiert, zeigt sich, wie er die Wettbewerbsvorgabe, Läuferfiguren in ein Spiel zu integrieren, interpretiert hat. Für ihn waren das keine Läufer, sondern Waldarbeiter, die einen Holzstamm schultern. Daher erscheint nun in der „Edition Läufer“ ein Waldarbeiter-Spiel, bei dem sich alle erst einmal verwundert über diese eigenartigen Figuren äußern.
Thematisch erfrischend unverbraucht ist LIGNUM ein anspruchsvolles Vielspieler-Produkt, das über ein Grundspiel zum Fortgeschrittenen- und Expertenspiel führt. Huemer siedelt es für zwei bis vier Holzunternehmer in 19. Jahrhundert an. Mit nur vier Talern, einem Holzhof- und einem Forstarbeiter muss jeder seinen Holzhof wirtschaftlich in zwei Jahren voranbringen.
Für die 730 Tage gliedern sich die Spielrunden in Jahreszeiten, sodass nach acht Runden Schluss ist. Bis auf den Winter ist der Rundenablauf in den anderen Jahreszeiten identisch. Im Zentrum des Spielplans sind sechs Waldgebiete, die für den Einschlag bereitstehen. Jeder markiert am Anfang ein sogenanntes Fällgebiet mit drei Brennholzanteilen. Drumherum führt ein Versorgungsweg mit 20 Feldern, bestückt mit Arbeiterfiguren, Nahrungssteinen und Anschaffungsplättchen, das können Fuhrwerke, Flöße, Sägen und weitere Handwerkerplättchen sein. In jeder Runde werden mit Hilfe von Markierungskarten diese Gebiete neu bestückt.
Anfangs wählt jeder geheim ein gewünschtes Fällgebiet aus, dort liegende Nahrungsressourcen werden gerecht unter den Beteiligten verteilt. Dann nutzen die Spieler den Versorgungsweg, um Anschaffungen zu tätigen und Arbeiter für die weitere effiziente Forstarbeit zu organisieren. Die meisten Felder dürfen nur von einer Figur betreten werden. Viele Anschaffungen sind kostenfrei, Arbeiter wie Träger und Holzfäller, auch Futtersteine müssen aber direkt bezahlt werden, nur die meisten Sägearbeiter sind kostenlos. Auf dem Markt können kurz vor Ende des Weges fehlende Ressourcen erworben, aber auch Handwerksplättchen verkauft werden.
Wer schnell den Weg durchläuft, ist der erste Spieler in der dann folgenden Forstarbeits-Phase, allerdings auch der letzte in der Spielreihenfolge für die nächste Jahreszeit. Die einzelnen Etappen dieser Phase werden über eine Anzeige im oberen Teil des Spielbretts abgehandelt. Es macht vor allem dann Sinn, Erster zu sein, wenn man in Konkurrenz zu Mitspielern im Fällgebiet steht. Der erste Spieler darf entsprechend der Einschlagmöglichkeiten Holzfäller in das Gebiet schicken und es eventuell maximal abgrasen. Bleibt nichts für den Nachfolger übrig, darf der immerhin gegen Zahlung eines Talers in ein freies Fällgebiet ausweichen. Geschlagene Hölzer kommen auf eine persönliche „Hiebsort“-Karte, das ist tatsächlich der übliche Fachbegriff für Holzernte-Sektoren. Danach muss der Abtransport über Träger, Fuhrwerke, Flöße und im Winter auch über Schlitten organisiert werden. Für alle Wege werden Träger benötigt, die unterschiedliche Mengen Holz transportieren können. Für den Wasserweg, der zeitverzögert abläuft, benötigt man zusätzliche Floßplättchen.
Alles Holz landet dann zur Weiterverarbeitung irgendwann im eigenen Holzhof. Dort braucht man nötige Sägearbeiter und entsprechende Sägen. Je nach Art des Holzes bekommt man ein bis vier verarbeitete Hölzer aus den Stämmen, die entweder im Brennholzvorrat für den Winter landen oder zum Trockenplatz gebracht werden. Je länger die Hölzer dort liegen, umso höher ist am Ende der Verkaufswert für die nächste Phase. Bauholz bringt fünf Taler, Nutzholz nicht zersägt 4, zersägt 6, entsprechend gilt für Brennholz die Relation 3 zu 5 Talern. Hinzukommt der Trocknungsbonus, der bis zu zwei Taler pro Holz betragen kann. Für die Folgerunden ist die Verkaufsphase sehr wichtig, um die Anstellung der Arbeiter sicherzustellen und für die notwendige Ernährung zu sorgen. Nach der Verkaufsphase wandert übrig gebliebenes Holz auf den Trocknungsplätzen weiter, die Aufnahmekapazitäten dieser Felder sind allerdings beschränkt.
Nach Ablauf einer solchen Jahreszeitenrunde müssen alle angeworbenen Arbeiter wieder zurück auf den Spielplan, der auf dem Weg und den Fällplätzen neu bestückt wird. Nach der dritten und siebten Spielrunde läuft jeweils die besondere Winterrunde ab. Fürs Überleben im unwirtlichen Winter sind Feuerholz und Nahrungsmittel nötig. Die Spieler wissen durch sogenannte Winterkarten vorher, was sie für die Notzeit sammeln sollten. Da auch die Arbeit in dieser Jahreszeit eingeschränkt ist, müssen sie sich entscheiden, ob sie ihren einzigen Holzhofarbeiter zum Fällen, Transportieren oder Sägen nutzen. Wer danach die Bedingungen der Jahreszeit nicht erfüllen kann, muss für jeden fehlenden Vorrat drei Taler bezahlen und eventuell dazu Schuldscheine aufnehmen. Nach dem zweiten Winter ist Schluss, übriges Holz darf noch verkauft, Schuldscheine müssen hochverzinst abgerechnet werden. Wer danach die meisten Taler besitzt, hat Lignum gewonnen.
Damit sind die wesentlichen Grundelemente des Basisspiels beschrieben. Im Spiel für Fortgeschrittene kommen Auftragskarten hinzu, die sich auf die Bearbeitung bestimmter Hölzer beziehen und bis zu 22 Taler am Ende einbringen können. Die Hölzer fehlen aber dem normalen Gewinnprozess, sodass noch knapper kalkuliert werden muss. Das gilt auch für das Expertenspiel, das LIGNUM um „geplante Tätigkeiten“ erweitert. Diese Karten sind effektiver als die eigentlichen Arbeitsschritte, da kann ein Sägearbeiter zwei Hölzer zersägen, da kann ohne Arbeiter und Floß geflößt werden, da können zwischendurch Nahrungssteine erworben werden. Das Schöne daran, jede Aktion ist für jeden Spieler nutzbar, mit dem kleinen Nachteil, dass nur der erste kostenlos zuschlagen darf, während nachfolgende Spieler immer mehr Geld zahlen müssen.
Wie es sich für ein Spiel zum Thema Holz gehört, ist der entsprechende Materialanteil hoch. 170 Gramm bringen die über 200 Holzteile auf die Waage. Auch sonst ist das Material ansehnlich, die Spielplangrafik gefällig und gut organisiert. Das Regelwerk erschlägt, allein das Grundspiel umfasst 16 Seiten, hinzukommen acht Seiten für die Erweiterungen und vier Seiten für den Spielaufbau. Trotzdem ist LIGNUM kein allzu komplexes Spiel. Die Kurzübersicht über den Spielablauf macht deutlich, dass der Jahreszeitenrhythmus recht einfach abgespult werden kann.
Es erinnert stark an die vielfältigen Abläufe von VITICULTURE, wie beim Weinanbau geht es hier um einen fein austarierten Optimierungsprozess, der anfangs unter extremer Geldknappheit abläuft. Jede Runde beginnt mit dem reizvollen Zugriff auf die Fällregionen, dann ist der Planungsablauf über den Versorgungsweg spannend und das Hofmanagement zwischen Wintervorsorge, schnellem Gelderwerb und lukrativer langfristiger Planung. Das ist schön austariert und wird vor allem durch die „geplanten Tätigkeiten“ vorzüglich ergänzt. Am besten tastet man sich an das Spiel zu zweit heran, da braucht man anfangs vielleicht 90 Minuten, spielt dann aber die Jahreszeiten in zügigen 45 bis 60 Minuten durch. Eine Viererpartie kann durchaus auch 180 Minuten dauern, mit geübten Spielern sind es dann immer noch zwei Stunden.
Für Harald Mücke ist LIGNUM das bisher teuerste Projekt seines kleinen Verlages. Er hat es daher über viele Schmiede als Crowdfunding-Projekt abgesichert und ist gut damit gefahren. Letztlich ist die mit 6000 Euro angesetzte Fördersumme dreifach überzeichnet worden, knapp 400 Unterstützer waren überzeugt von diesem Projekt. Zurecht, Huemers Spielidee ist ein Schmankerl für Vielspieler. Von dem inzwischen schon die zweite Auflage erschienen ist. An die Qualität von Alexander Pfisters MOMBASA reicht Alexander Huemers Holzspiel zwar nicht heran, aber trotzdem kann man nur hoffen, dass es nicht das letzte Spiel des Autors aus Linz gewesen ist.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LIGNUM
Autor: Alexander Huemer
Verlag: Mücke Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2- 4
Spielzeit: ca. 60 bis 120 Minuten
Preis: ca. 53 Euro
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