Samstag, 18. April 2015
Zurück auf Start
Griechen der fünfziger Jahre
Wer ist schuld an der Misere Griechenlands? Petros Markaris gibt viele Antworten in seinem aktuellen Fall für Kommissar Charitos. Die „Troika“ darf noch „Troika“ heißen, wir befinden uns in der Phase vor Tsipras, aber die Ursachen der griechischen Krankheit sind identisch.
Darunter leidet auch der Deutschgrieche Andreas Makridis. Er will zur Wiederbelebung Griechenlands beitragen, die ökologische Energiewende voranbringen. Sein Enthusiasmus ist bei diesen Strukturen zum Scheitern verurteilt, er will gradlinig seinen Weg gehen, ohne Vetternwirtschaft, ohne Bestechung, aber so funktioniert das nun mal nicht. Makridis ist kein Manager von Rheinmetall, er will privat etwas in Gang setzen und scheitert kläglich, sodass er für sich keinen anderen Ausweg sieht, als zum Strick zu greifen.
Die „Griechen der fünfziger Jahre“ sehen das ganz anders. Ihr Bekennerschreiben, das die Deutsche Botschaft erhält, spricht von Ermordung und Kommissar Charitos muss sich ganz lange fragen, wer sind denn diese alten Griechen, die in alte Werte erinnern? Jedenfalls sind die nächsten Toten, die auf ihr Konto gehen, tatsächlich ermordet worden, zudem noch mit einem alten Revolver aus der Nachkriegsära.
Daneben beschäftigt den Kommissar privat der fremdenfeindliche Rachefeldzug der radikalen Gruppen um die „Goldene Morgenröte“. Seine Tochter wird überfallen und zusammengetreten, weil sie anwaltlich für Flüchtlinge tätig ist. Er selbst wird bedroht und schnell wird deutlich, dass die griechische Polizei von der „Goldenen Morgenröte“ infiltriert ist.
Ein hochaktuelles Werk, schon 2012 in Griechenland erschienen und damit fast visionär, was die weitere Entwicklung angeht. Die Lösung des Fall Makridis selbst habe ich Am Ende zwar als sehr konstruiert empfunden, das Gesamtbild lässt aber problemlos noch eine gute Wertung zu.
Wertung: ****
Titel: Zurück auf Start
Verlag: Diogenes
Autor: Petros Markaris
Seiten: 356
Preis: 23,90 Euro
Sonntag, 12. April 2015
The Drop Bargeld
Vielschichtig wie Dennis Lehanes bisheriges Leben ist das Buch zum Film „The Drop Bargeld“ angelegt. Er arbeitete als therapeutischer Berater für geistig behinderte und sexuell missbrauchte Kinder, war Kellner, aber nicht Barkeeper, Chauffeur, Parkplatzwächter, arbeite in Buchläden und als Erntehelfer. Irgendwann kam er dann schließlich zum Creative Writing, und mit dem Schreiben kam der Erfolg. Bekannt ist er vor allen für seine Drehbücher für „The Wire“, „Shutter Island“ und „Mystic River“. Auch „The Drop“ ging ein Drehbuch voraus, das Lehane zu einer Kurzgeschichte („Animal Rescue“) geschrieben hat. Film und Buch sind 2014 veröffentlicht worden.
„Bob fand den Hund zwei Tage nach Weihnachten.“ So lakonisch wie dieser Roman einsetzt, endet er auch: „Man kann das Leben nicht kontrollieren.“ Dazwischen liegen die Errettungsgeschichte des Pitbulls Rocco, ein Überfall auf die Bar, in der Bob arbeitet, die Tätersuche des abgehalfterten Polizisten Torres, der dabei auf eine ganz alte Geschichte stößt, die mit dem Verschwundenen Richie Whelan zusammenhängt. Dann sind da auch noch Nadia, die bei der Hundeerziehung hilft, der ehemalige Hundebesitzer, Cousin Marvin als ehemaliger Barbesitzer und die tschetschenische Mafia um Boss Chovka, die die Bar als Geldwaschanlage benutzt.
Rückblenden konturieren einzelne Personen genauer, Kirchenbesuche charakterisieren vor allem Bob und Torres. Erst allmählich lichtet sich das oft alkoholgeschwängerte Dunkel. Nicht alles, was gut scheint, ist wirklich gut. Da wirkt das Ende fast zu kitschig, zu harmonisch, wenn da nicht der Wink mit dem Schicksal wäre, das „Kreischen von Bremsen, der dumpfe Aufprall von Metall auf einem Hundekörper“. Aber Rocco läuft und springt – ganz frei und ungezwungen, es sei denn, der Ball, dem er nachjagt, landet doch auf der Straße.
Wertung: ****
Titel: The Drop Bargeld
Verlag: Diogenes
Autor: Dennis Lehane
Seiten: 224
Preis: 19,90 Euro
Freitag, 3. April 2015
Krieg
Heimatfront
Es sind die täglichen Nachrichten vom Krieg in aller Welt, die an uns vorbeirauschen, uns kaum noch berühren. Jochen Rausch lässt diese Nachrichten in seinem Roman „Krieg“ in die Alltagswelt einbrechen. Da muss an ein junger Mann nach Afghanistan. Er ist Sohn, er ist Verlobter und Rausch serviert die Konsequenzen vor allem aus der Perspektive der Zurückgebliebenen.
In die heile Welt des Lehrerhaushalts der Eltern bricht die Angst um das Leben des einzigen Kindes ein, nur aus den Mails des Sohnes erfahren wir die Kriegsrealität. Die Mutter wird zur Trinkerin, der Vater versucht das Leben auszuhalten. Parallel dazu erleben wir schon im Nachhinein den Vater in einem einsiedlerischen, nur von einem Hund begleiteten Leben auf einer Berghütte.
Der Leser ahnt, dass der Sohn nicht zurückkehren wird. Der Krieg nimmt der Verlobten den Geliebten, den Eltern das Kind. Nicht nur das, der Vater verliert auch noch seine Frau, die im Eis verschwindet. Eine heile Welt, die völlig zusammenbricht und in der der Vater auch auf seiner Berghütte plötzlich Bedrohung erlebt, die zu seinem eigenen Krieg führt. „Vielleicht weil der Frieden ein Zustand ist, den sie (die Menschen) gar nicht ertragen.“
Rausch erzählt atemberaubend dicht. Sein Buch kann man nicht aus der Hand legen.
Wertung: ****
Titel: Krieg
Verlag: Berlin Verlag
Autor: Jochen Rausch
Seiten: 224
Preis: 18,99 Euro
Tribunal
Spannender Politthriller
Der knapp 50jährige André Georgi hat erst mit 35 das Schreiben begonnen, vor allem als Drehbuchautor hat er eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Er hat Vorlagen für den Tatort, für Bella Block, Marie Brand und Letzte Spur Berlin und die Verfilmungen von Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach und Siegfried Lenz verfasst. „Die Flut ist pünktlich“ von Lenz ist gerade erst im Fernsehen gelaufen. Das Thema der Konflikte im auseinanderfallenden Jugoslawien hat ihn schon länger fasziniert, nun macht er es im Kontext mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zur Grundlage seines ersten Romans.
Georgi erzählt sehr dicht und in wechselnden Perspektiven über ein brutales Attentat auf einen Kronzeugen in Den Haag. Die Ermittlerin des Tribunals, Jasna Brandic, entkommt nur knapp diesem Überfall. Wer soll nun überhaupt noch gegen den Kriegsverbrecher Kovac aussagen? Jasna begibt sich nach Serbien, um einen neuen Zeugen aufzutreiben, sie reist damit auch in ihre Vergangenheit. Der heutige Umgang mit dem Thema, das Verdrängen und Wegschauen werden zum Teil äußerst brutal vorgeführt. Georgi erweist sich als grandioser Arrangeur, gleichzeitig als sehr politischer Autor, der das Thema sehr ernst nimmt und nicht nur als Staffage nutzt. Ein spannender Erstling, wahrscheinlich auch die Basis für eine spätere Verfilmung, für die Georgi nun einmal die Vorlage liefern darf.
Wertung: ****
Titel: Tribunal
Verlag: Suhrkamp
Autor: André Georgi
Seiten: 316
Preis: 14,99 Euro
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