Sonntag, 19. Dezember 2021
EXPLORERS
EXPLORERS
Phil Walker-Harding entführt uns in EXPLORERS (Ravensburger) in eine unentdeckte Welt der schwebenden Felsen, durchaus belebt mit Dörfern, Tieren, alten Tempeln, aber nicht so ganz einfach zu erschließen.
Jeder hat einen eigenen Puzzlerahmen dieser Landschaften vor sich, der aber identisch mit vier von acht Landschaftsplättchen bestückt wird. Der Rahmen enthält noch drei Wertungstafeln, die Auskunft geben über Ernährungspunkte, Dorf- und Edelstein-Wertungen.
Alle wählen ein Startdorf, vom dem aus sie über drei verschiedene Geländeformationen und Wassergebiete spezielle Felder zu erreichen versuchen. Dabei sind die Wertungen im Blick, so gilt es Edelsteine anzukreuzen, Ernährungsfelder und neue Dörfer. Schlüssel sind hilfreich, um an Tempel zu kommen, die, früh erschlossen, viele Punkte bringen. Die Vorteile von Pferden, in Form einer zusätzlichen Bewegung, und Landkarten, die flexiblere Eintragungen zulassen, nutzt man zusätzlich gern.
EXPLORERS gehört in die Reihe der Flip&Write Spiele. Für die Eintragungen entscheidend sind Erkundungskarten, die meist zwei Geländetypen zeigen. Sieben von den acht Karten sind jede Runde im Spiel. EXPLORERS verläuft dabei über vier Runden.
Wer am Aufdecken ist, wählt eine von beiden Geländearten und setzt drei Kreuze in dieses Gelände. Alle anderen Spieler dürfen ebenfalls drei Kreuze machen, sie müssen aber das andere Gelände wählen. Wollen sie das nicht, dürfen sie nur zwei Kreuze in die Geländeart, die der aktive Spieler gewählt hat, setzen. Etwas mehr Auswahl hat man bei zwei Karten, die Geländeduos zeigen, wo die Kreuze in beide Geländeformen gesetzt werden dürfen.
Sind alle sieben Karten aufgedeckt, endet die Runde mit einer kurzen Zwischenwertung, bei der Siegpunkte für gesammelten Proviant und die Edelsteine vergeben werden.
In der Schlusswertung zählen noch alle angeschlossenen Dörfer. Je nach Erschießung derselben kann ein Dorf viele Punkte bringen. Zwischendurch werden Punkte für aufgeschlossene Tempel vergeben. Der jeweils erste Spieler bei den vier Tempeln bekommt zwölf Punkte. In Vollbesetzung zu viert erhält der Letzte nur noch sechs Punkte. Mit Expertenvariante und zusätzlichen Auftragsplättchen sorgt Phil Walker-Harding für Abwechslung in den Folgerunden. Wer möchte, erforscht diese neue Welt auch alleine.
Die einfachen Regeln machen EXPLORERS zu einem guten Familienspiel, das vor allem durch die hohe Varianz überzeugt. Jeder kreuzt zwar so vor sich hin, aber die Wettläufe um die Tempelwertungen bringen schon etwas Interaktion ins Spiel. Die Spielgeschichte, die die Einleitung am Anfang erzählt, kommt aber überhaupt nicht rüber. Die rudimentäre Pixelgrafik mag funktional sein, Atmosphäre liefert sie nicht. Für meinen Geschmack hätten die Planteile ein bisschen größer ausfallen können, der breiten Schriftstärke der abwischbaren Filzstifte angepasst. Ich kann verstehen, dass man alles tut, damit die Stifte nicht austrocknen, aber irgendwie muss man die Kappen abziehen können. Hier braucht man teilweise eine Kombizange.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: EXPLORERS
Autor: Phil Walker-Harding
Grafik: Sabrina Miramon
Verlag: Ravensburger
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 75/2021
Montag, 13. Dezember 2021
TOKUGAWA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wenn Tizian und Viktor Spiele entwickeln: TOKUGAWA
2006 zeichnete das Deutsche Kinderhilfswerk im Rahmen einer Aktion „100 Ideen für kinderfreundliche Spielorte in Deutschland“ unter anderem kleine Jungen für die Erfindung eines Brettspiels aus. Der achtjährige Tizian Blumenthal und der elfjährige Viktor Gilhaus hatten sich mit japanischer Geschichte beschäftigt und in dem Spiel SAMURAI zwei Spieler um die Herrschaft Japans kämpfen lassen. Das Kinderhilfswerk hat die Umsetzung des Spielprojekts mit 5000 € unterstützt, wobei der Berliner Autor Günter Cornett die Weiterentwicklung professionell betreut hat. Herausgekommen ist nun mit TOKUGAWA eine Weiterentwicklung, die sich aber an den Grundideen der beiden jungen Autoren orientiert.
Die TOKUGAWA sind eine japanische Shogun-Dynastie. Offiziell waren sie Untergebene des Kaisers, tatsächlich aber die unumschränkten Herrscher Japans. Für japanische Verhältnisse herrschten sie lange, weit über 200 Jahre bis ins 19. Jahrhundert hinein. 1603 verlegte der erste Herrscher der Dynastie Tokugawa Ieyasu den Regierungssitz von Kyoto nach Yedo, dem heutigen Tokio. Zwar blieb Kyoto als Kaiserresidenz offizielle Hauptstadt Japans, doch das tatsächliche Machtzentrum verlagerte sich nach Yedo.
Im Spiel der beiden Jungen findet ein Machtkampf zwischen den beiden Metropolen Yedo und Kyoto statt. Ausgestattet mit zuerst fünf Bogenschützen, zwei Lanzenträgern und einem Schwertkämpfer werden die Provinzen Japans besetzt. Wer an der Reihe ist, hat drei Aktionen zur Verfügung. Er darf Einnahmen kassieren, pro Kämpfer in einer Provinz ein Koku, der japanischen Reiswährung, Gärten in dieser Provinz erhöhen die Einnahmen, wobei diese aber begrenzt sind. Koku brauchen die Kontrahenten, um zum Beispiel neue Samurais einzusetzen, jeder Bogenschütze (Kampfwert 0) kostet ein Koku, der Lanzenträger (Kampfwert 1) zwei und ein Schwertkämpfer (Kampfwert 2) fünf Koku. Als dritte Aktionsmöglichkeit bleibt neben dem Rekrutieren neuer Samurais deren Bewegung. Einheiten dürfen sich beliebig weit über eigene besetzte Felder fortbewegen, sofern dies in identischem Gelände geschieht. Bewegung kosten nichts, sind aber zum Teil wetter- und geländeabhängig, was ausgewürfelt wird. Auch Schiffstransporte sind möglich, können aber vom Sturm unterbunden werden. Wer schlecht würfelt, verbraucht bei der Bewegung Aktionen, ohne voranzukommen. TOKUGAWA ist ein Kampfspiel, in dem Sinne folgen die beiden jungen Autoren dem klassischen RISIKO-Klischee, Hauen und Stechen muss sein und Würfeln spielt dabei eine große Rolle. Es wäre interessant zu sehen, welche Ideen zwei entsprechend alte Mädchen entwickelt hätten. Die vierte Aktionsmöglichkeit ist der Angriff, der infolge einer Bewegung stattfindet. Landet ein Spieler mit seinem Samurai neben einem vom Gegner besetzten Feld, greift er ihn bei Zahlung eines Koku an. Zuvor darf er noch prüfen, ob ihn weitere eigene Einheiten unterstützen können, die sich in Nachbarschaft zur angreifenden Einheit befinden. Der Angegriffene darf natürlich auch eigene Einheiten zur Unterstützung bewegen, das kostet allerdings ein Koku pro Einheit.
Die Kampfabwicklung selbst verläuft relativ aufwändig. Zuerst muss der Angreifer mit zwei Kampfwürfeln antreten, weil die Hilfe unterstützende Einheiten nur darin besteht, das Wurfergebnis völlig annullieren zu dürfen. Das gilt auch für den Verteidiger. Zum Wurfergebnis werden die Stärkepunkte der Einheit, die angreift, nicht der, die unterstützt, dazu addiert. Schlechtes Wetter wirkt sich nur durch Punktabzug beim Angreifer aus, der Verteidiger kann eventuell noch auf Stärkepunkte der Gebäude oder Mauern vertrauen. War der Angriff erfolglos, muss der Angreifer sich auf sein Ausgangsfeld zurückziehen, im anderen Fall muss sich der Verteidiger ein freies Nachbarfeld suchen. Findet er das nicht, wird dieser Einheit vom Spielplan genommen. Außerdem wird sie als geschwächt gekennzeichnet, was sich in Folgekämpfen auswirken kann. Unterstützer des Siegers werden mit zwei Koku aus der Provinz belohnt. Die jeweiligen Hauptstädte, die es zu erobern gilt, werden als „unbewegliche Einheiten“ betrachtet, die eine Stärke von zwei besitzen. Unterliegt die Hauptstadt das erste Mal, verliert sie einen Stärkepunkt, beim zweiten Mal ist das Spiel entschieden.
Die Kampfbeschreibung hat angedeutet, dass es noch eine fünfte Aktionsmöglichkeit geben muss, das ist das Bauen. Dadurch kommen Schiffe ins Spiel, Gärten können angelegt werden, Burgen, Tempel und Mauern gebaut und eine Schmiede zur Kampfwertsteigerung errichtet werden. Auch die Siegbedingungen sind zusätzlich modifiziert, hier grüßt erneut RISIKO. Es liegen nämlich immer drei Auftragskarten aus, da müssen zum Beispiel Straßen besetzt werden oder sämtliche Städte einer Provinz. Sobald ein Spieler drei solcher Aufträge erfüllt, endet das Spiel. Es gewinnt der mit den meisten Siegpunkten. Diese Punkte gibt es für die meisten Samurai, Bauten und das meiste Geld, auch für die Auftragskarten werden zusätzliche Siegpunkte abgerechnet.
Tizian Blumenthal und Viktor Gilhaus haben mit Cornetts Hilfe ein recht vielschichtiges Kampfduell entwickelt, das sich auf der Landkarte Japans abspielt. Hier müssen schon echte Strategen am Werk sein, wenn sie alles im Blick behalten wollen, was sich auf dem Spielbrett tut. Der Schutz der eigenen Hauptstadt muss in Angriff genommen werden, aber entsprechend auch an die Schwächung des Gegners gedacht werden. Der Schiffbau ist von entscheidender Bedeutung, lässt er doch überraschende Bewegungen zu, das macht YEDO als Hafenstadt im übrigen angreifbarer als Kyoto. Die Erfüllung der Aufträge gilt es genau zu beobachten, um den eigenen Sieg voranzutreiben oder den des Gegenspielers zu verhindern. Wobei nicht die Absolvierung des dritten Auftrags entscheidend ist, sondern der Siegpunktstand zu diesem Zeitpunkt. Bei dieser Komplexität würde ich das Einstiegsalter für TOKUGAWA eher höher einordnen als das Alter der beiden Autoren zum ursprünglichen Zeitpunkt ihrer Spielentwicklung. Inzwischen sind sie 11 und 14 Jahre alt und können die taktischen Möglichkeiten ihres Spiels auch besser ausloten, also 12 Jahre sollten sie schon sein, die Spieler, die sich auf den Kampf der Samurai im Japan des 17. Jahrhunderts einlassen.
Die Schlacht auf dem Spielfeld ist übrigens auch eine Materialschlacht, die sich aus über 150 Holzteilchen ergibt. Vor dem ersten Spiel ist erstmal kräftig Klebearbeit angesagt. Das Ergebnis kann sich dann aber sehen lassen, nur der Spielplan ist etwas dünn geraten, dafür enthält er alle wesentlichen Kurzübersichten für Kosten, Kämpfe und Siegpunkte. Hier spürt man die kümmernde Hand des Profis, der die beiden jungen Autoren kräftig unterstützt hat. Für den ersten Einstieg sollten sie sich auch die Erläuterungen und Klarstellungen zur Spielanleitung und das Angriffsbeispiel von Cornetts Homepage herunterladen, weil damit viele Detailfragen, die Sie sich sicherlich nach der ersten Regellektüre stellen, gleich beantwortet werden, so dass sie problemloser loslegen können.
Titel: TOKUGAWA
Verlag: Bambus Spieleverlag
Autor: Tizian Blumenthal & Viktor Gilhaus
Graphik: Carsten Fuhrmann
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60-90 Min.
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 07/2009 R 221/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren
Die Vorgeschichte zu dem Spiel mit den beiden jungen Autoren habe ich in der Rezension beschrieben.
TOKUGAWA wird auf BGG mit einem Rating von 6,8 geführt (Stand 27.11.21).
Samstag, 11. Dezember 2021
TOP TEN
TOP TEN
Unter die TOP TEN hat es Aurèlien Picolet mit seinem Vornamen nie gebracht, dabei heißt er doch „der Goldene“. In Frankreich stand er bei den beliebtesten Vornamen immerhin mal auf Platz 25, seit Anfang des neuen Jahrtausens befindet er sich auf dem Sinkflug und nahm zuletzt (2019) Platz 238 ein. In Deutschland sieht es nicht viel anders aus, 2007 lag „Aurèlien“ auf Platz 55, im Augenblich auf Platz 222.
Keine Angst, in Picolets erstem Spiel TOP TEN müssen wir nicht die zehn beliebtesten Mädchen- und Jungenvornamen in Deutschland, wer das mag, spielt SMART 10 von Piatnik. TOP TEN ist viel raffinierter, denn es spielt bewusst mit den Erfahrungswelten und Einschätzungskompetenzen aller Mitspieler. Picolet hat sein Spiel kooperativ angelegt, das nur gewonnen wird, wenn das Team nicht zu häufig in die Kacke gegriffen hat. Dieses Changieren mit Pokerjetons zwischen Glitzereinhorn und braunen Häufchen, das auch das Cover widerspiegelt, ist nicht jederfraus Sache, das hätte auch erwachsener geregelt werden können.
Nun aber endlich zum Spiel. Der Runden-Käpten bekommt eine Karte mit mehreren Situationsalternativen. Dort heißt es beispielsweise: „Du bist im Zoo mit deinen Kindern. Nenne ein Tier, das ihr seht, von ‚super langweilig‘ bis ‚du kriegst sie nicht weg davon‘“. Dann bekommen alle eine zufällige Zahlenkarte zwischen eins bis zehn zugeteilt und geben entsprechen ihrer Zahl eine Antwort. Mit meiner „2“ würde ich vielleicht „Regenwurm“ sagen, dann höre ich noch „Antilope“, „Giraffe“ und „Panda“.
Der Käpten muss nun die richtige Reihenfolge erraten, die Extremwerte sind meist leicht zu erkennen, schwieriger wird es in der Mitte zwischen den afrikanischen Huftieren. Ich tippe nach meinem Wurm zuerst auf die Antilope und bekomme eine „5“ gezeigt, dann auf die Giraffe mit einer „6“. Der Panda mit der „8“ war ja schon als interessanter vermutet worden. Mache ich einen Fehler, wird eines unserer Einhornplättchen auf die Häufchenseite gedreht.
Wir spielen nach Regel fünf Runden, mehr Sinn macht, dass alle einmal Käpten sein müssen. Die Häufchen-Plättchen sind letztlich völlig egal, viel interessanter sind die Spielrunden, die zum Teil auch mehr als solche Einschätzungen verlangen. Da kann ich auch ein Spukhaus betreten und muss das erste Geräusch, das ich höre, imitieren in einer Bandbreite von „wenig beängstigend“ bis „echt gruselig“. Wem das in Reihenfolge bringen zu einfach ist, der spielt die Expertenvariante, in der der Käptn die genaue Zahl erraten muss, außerdem darf das Team die Zahl des Kapitäns erraten. Wenn es das schafft, wird ein Häufchen zurückverwandelt. Eine gewisse Nähe zu PERFECT MATCH kann Top Ten nicht verleugnen, aber Warschs Idee ist hier schnörkelloser umgesetzt.
Spannend ist es immer dann, wenn mehrere Zahlen dicht beieinander liegen und die Nuancen eine Rolle spielen. Picolets TOP TEN schiebt sich ganz unauffällig in die Top 10 der besten Partyspiele.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TOP TEN
Autor: Aurélien Picolet
Grafik: Aurélien Picolet
Verlag: Asmodee / Coctail Games
Spieler: 4-9
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 74/2021
Montag, 6. Dezember 2021
WORM UP!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ein „Luxusgut“
Dunkler Trenchcoat, beiger Hut, eine Zeitung wie ein Taktstock in beiden Händen blickt ein distinguiert lächelnder älterer Herr vor venezianischen Hintergrund. Es ist schon eine Rarität, dass ein Spieleautor auf dem Spielecover zu sehen ist. Die Verbeugung gilt in diesem Fall dem vor fünf Jahren verstorbenen Alex Randolph, der auf ein Wurmgewimmel blickt, das er leider nur in einer Plastikfassung erleben durfte. Abacus widmet WORM UP!, die Wiederauflage von Würmeln (Blatz 1994), dem „Urtypus des Spieleerfinders“.
Da haben wir nicht nur den Urtypus eines Autors, auch die Spielmechanik von WORM UP! hat archetypischer Elemente, die prägend für die Folgezeit waren. Einmal ist da der Verzicht auf ein Spielbrett, die freie Bewegung im Raum. WORM UP! ist ein Wettlauf von Würmern, die aus sieben Holzsegmenten zusammengesetzt sind, die sich schlängelnd fortbewegen, zielgerichtet auf ein vorgegebenes Einlaufband hin, aber auch störend, in die Bewegungsbahnen der anderen hineinkriechend, um diese zu Umwegen zu zwingen. Das zweite typische Randolph-Element würden wir heute als HOLS DER GEIER-Effekt beschreiben. Gemeint ist, dass verdeckte Legen von Zahlenkärtchen, das effektlos bleibt, wenn mehrere Spieler identische Karten legen. In WÜRMELN hat das Randolph noch durch Einstellen eines sechsseitigen Spezialwürfels umgesetzt, nun sind es fünf kleine Pappkärtchen, die Bewegungsweiten von vier bis sieben Wurmsegmenten möglich machen. Das übliche psychologische Spielchen, bei dem ich denke, dass die anderen denken, dass ich Plättchen x nehmen werde, macht den besonderen Reiz des Spiels aus. Das in die Quere kommen, auch die Möglichkeit den Zielbereich zu verändern, sind zusätzliche Aspekte, die zeigen, dass 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung diese Idee von Randolph nichts von ihrem Reiz eingebüßt hat. Nichts großes, aber trotzdem immer noch ein unterhaltsames Spiel und eine schöne Reminiszenz an den Altmeister aus Venedig.
Dass dieses kleine Spiel eine Hommage an Randolph ist, wird nicht nur durch das Bild auf dem Cover deutlich, auf der Innenseite der Schachtel finden wir ein bekanntes Randolph-Zitat wieder, das symptomatisch für seine Auffassung vom Kulturgut Spiel ist: „Ich glaube, dass dies der Keim alles wahrhaft Menschlichen ist, und damit auch der Keim der höchsten menschlichen Bestrebungen, vor allem jener, die ich zu den wertvollsten zähle, weil sie keinen Zweck außer sich selbst haben. Sie sind selbst ihr Zweck: Poesie, Kunst, Musik, das Erzählen von Geschichten, reine Mathematik, reine Wissenschaft, Philosophie - alles Luxusgüter des Geistes. Luxus ist etwas, das uns entzückt, das wir besitzen möchten, aber worauf wir auch sehr gut verzichten können. Ohne praktischen Wert auch nicht notwendig zum Überleben. Und Brettspiele? Auch Brettspiele sind Luxusgüter, natürlich eher unbedeutend und nebensächlich, aber im Sinne ihrer Nicht-Nützlichkeit vielleicht die reinsten.“
Haben sie ihre Freude an diesem Luxusgut, lassen Sie die Würmer los!
Titel: WORM UP!
Verlag: Abacus
Autor: Alex Randolph
Graphik: Gabriela Silveira
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 5/2009 R 216/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
WÜRMELN erschien nach der Blatz-Ausgabe noch mehrmals in Deutschland. 1996 kam eine Fassung mit kleinen Kamelen und Karawanen-Schlangen als KAMELTREIBER bei MB heraus. Mit schönen Holzteilen setzte Abacus Randolphs Idee 2008 als WORM UP! noch einmal um.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten. Das Bild zeigt Randolph während der Preisverleihung mit dem Göttinger SPATZ 1990.
Samstag, 4. Dezember 2021
FIGURE IT
Randolph Revival: FIGURE IT
1975 hat Alex Randolph, der geniale amerikanische Spieleerfinder, der in Venedig lebte und die dortige Autorenszene nachhaltig geprägt hat, DOMEMO, den Vorläufer von FIGURE IT, noch unter dem Pseudonym P. Halvah veröffentlicht. Das anspruchsvolle Deduktionsspiel erschien damals bei Ravensburger in der Mitbring-Serie und ging dort etwas unter. Inzwischen hat es viele Neuauflagen erlebt. Beispielsweise 2009 in Japan, wo es unter den nominierten der Japan Boardgame Prize Voters‘ Selection auftauchte. Als CODE MINE erschien es zehn Jahre später in Korea. Fox Mind brachte es im gleichen Jahr als FIGURE IT heraus, das ist die Fassung, an der sich HUCH! orientiert.
Was ist so besonders an Randolphs Idee, dass sie 46 Jahre überleben konnte? Wie immer bei ihm sind es einfache Regeln und etwas, was die Spieler herausfordert. Hier sind es für die Spieler nicht einsehbare Zahlenplättchen, die vor ihnen stehen und von allen anderen gesehen werden. Deren Zahlencode gilt es mit klugen Fragen zu entschlüsseln. Wichtig ist für alle, das Wissen über die Zahlenverteilung der 28 großen Zahlensteine. Letztlich ist diese ganz einfach zu behalten, denn jede Zahl gibt Auskunft über ihre Häufigkeit, so gibt es beispielsweise die „3“ exakt nur dreimal.
Je nach Spielerzahl kann der verdeckt vor einem stehende Code vier bis sieben Zahlensteine ausmachen. Neben diesen Steinen liegen meist einige offen aus, der Rest, vier oder sieben Steine, verschwindet in der Versenkung.
Wer an der Reihe ist, fragt seinen linken Nachbarn nach einer Zahl zwischen eins und sieben. Hat er diese in seinem Code, muss der Befragte den Stein kippen, sodass die Zahl zu sehen ist. Sollte er mehr Zahlen davon besitzen, muss das nicht mitgeteilt werden, es wird nur ein Plättchen umgedreht. Bei zwei oder drei Spielern, darf bei einer korrekt gesuchten Zahl einmal weitergefragt werden. Bei höherer Spielerzahl kommt der nächste an die Reihe. In dieser Konstellation hat man ja auch nur vier oder fünf Steine vor sich stehen.
Wer zuerst seinen Code knacken kann, gewinnt FIGURE IT nach etwa einer Viertelstunde. Da immer Steine gar nicht zu sehen sind, ist es auch etwas Glück, das man mit seinen Vermutungen haben muss. Wichtig ist, dass man bei höheren Zahlenwerten immer mit einkalkuliert, dass man doch zwei Steine dieser Sorte vor sich stehen haben könnte.
DOMEMO / FIGURE IT ist immer noch spannend, hat aber seine eigentlich geniale Umsetzung in CODE 777 (Jumbo) gefunden, das 1986 zu den Auswahllistenspielen der Jury „Spiel des Jahres“ gehörte. Wer Deduktionsspiele mag, kann aber unbesorgt hier zugreifen, zumal die Umsetzung mit dem Stoffbeutel gut gelungen ist. Im Grunde genommen kann man mit ihm auf die Schachtel verzichten, die notwendige Steinverteilung bei den jeweiligen Spielerzahlen ist dort aufgedruckt, eine sehr praktische Lösung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FIGURE IT
Autor: Alex Randolph
Grafik: Alain Dion
Verlag: HUCH!
Spieler: 2-5
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 73/2021
Freitag, 3. Dezember 2021
SCHWARZER KATER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hütchenspiel mit Katz und Maus: SCHWARZER KATER
„Spielen ist Reisen. Für die Dauer des Spiels verlassen wir den Tisch, an dem wir sitzen, das Zimmer, das Haus. Wir betreten ein anderes Land. Die Uhren gehen anders, die Schwerkraft ist aufgehoben, es herrschen eigene Gesetze. Je besser das Spiel umso aufregender die Reise. Mit Geschick und Geduld, mit Frechheit und guten Nerven und mit dem Glück auf unserer Seite erreichen wir das Ziel vielleicht als Erster - Ende der Reise. Wir kehren zurück an unseren Tisch, erschöpft und erholt zugleich, wie das so ist nach einer Reise. Etwas Neues ist uns begegnet. Manchmal sogar sind wir uns selbst neu begegnet.“
Der hier einlädt zu spielerischen Reisen, der Ansprüche stellt ans Niveau von Spielen, verfasst auf seiner Homepage damit ein Leitbild, das an randolphsche Formulierungen erinnert. Wer den Autor kennt - leider sind es noch viel zu wenig, die dies tun – weiß, dass er mit seinen Ideen und der Umsetzung derselben diesem Anspruch gerecht wird. Die Rede ist von Steffen Mühlhäuser, bekannt unter seinem Verlagsnamen Steffen Spiele. Er überzeugt seit 1999 mit kleinen taktischen Schmankerln, klar designed, hochwertig produziert, anregende Einladungen zu Reisen im Mühlhäusers Spielwelten.
Bisher hatte er als Zielgruppe eher erwachsene Spieler vor Augen gehabt. Mit seinem neuen Spiel SCHWARZER KATER hat der aber einen Selbstläufer für Kindergeburtstage erfunden. SCHWARZER KATER besitzt, Mühlhäuser typisch, keinen Spielplan, sondern viel Holzmaterial, das auf dem Fußboden oder am Spieltisch für ein Spielabenteuer vorbereitet wird. Da sind einmal acht Mäusefiguren, die auf eine große Spielerzahl hinweisen. Neben den Mäuserollen ist noch eine Katzenrolle zu vergeben, die die zentrale Aufgabe übernimmt. Der Katzenspieler arrangiert unter fünf Holzverstecken die Spielaufgabe. Er zeigt den Mäusen, wo er ein großes und kleines Käsestück, einen Speckwürfel und ein Stückchen Schokolade und schließlich sich selbst versteckt. Das dann einsetzende Verwirrspiel lehnt sich an das klassische Hütchenspiel der Trickbetrüger auf den Bahnhofsvorplätzen an. Mühlhäusers SCHWARZER KATER verschiebt mindestens zwei Hütchen und stellt danach den Mäusespielern eine Frage. Gesucht wird zum Beispiel die aktuelle Position des großen Käsestücks. Die Mäusespieler platzieren ihre Tierchen vor dem Versteck, unter dem sie den Käse vermuten. Wer richtig rät, erhält zur Belohnung einen Käsewürfel, wer von dem versteckten Kater erwischt wird, muss zwei Würfel abgeben. Eine zweite Runde verläuft nach identischem Schema. Richtig spannend wird die dritte Runde, in der die Geschwindigkeit entscheidet, hier wird dann kräftig gepunktet. Stehen zum Beispiel drei Mäuse vor dem richtigen Versteck, gibt es gleich drei Käsestücke für die erste, zwei für die zweite und noch eins für die letzte Maus. Wer nach den drei Runden den meisten Käse gesammelt hat, gewinnt je nach Spielerzahl nach 10 - 20 Minuten. Da die Katzenrolle sehr gefragt ist, sind Wiederholungsrunden garantiert.
Das vorzügliche Regelwert bietet weitere Varianten und eine schöne Einstimmung mittels der „Kleine(n) Katerschule“. Hervorragendes Spiel, schönes Material, dessen Faszination nicht nur Kinder auf Geburtstagen erliegen, auch Erwachsene spielen gern mit Mühlhäusers Kater Hütchen.
Titel: SCHWARZER KATER
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Stefen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-9
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 4/2009 R 214/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Kinderspiel SCHWARZER KATER wird auf BGG viel zu schwach mit einer 4,9 bewertet (Stand 12.11.21). Die Kinderjury würdigte 2009 das Spiel, es landete auf der Empfehlungsliste.
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 in Essen.
Mittwoch, 1. Dezember 2021
ON Q
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Pärchenbildung mit Halbedelsteinen: ON Q
In den 90er Jahren erwarteten Käufer von Spielen des Hiku Verlages hochwertige Umsetzungen von Klassikern in Holz. So startete Hiku erfolgreich mit der KALAHA-Variante BAO. Inzwischen ist das Holz durch Leder ersetzt worden, das Spielmaterial sind aber nach wie vor kleine Halbedelsteine. Die runden Leder-Spielpläne eignen sich mittels Randkordel auch perfekt zum Transport der Spielsteine, zusammengezogen wird ein Spiel im Sack daraus, das neue Markenzeichen des Hiku Verlages. Wer will kann die Spiele sich auch in würfelförmigen Holzkästchen verpacken lassen, das rettet die klein gefaltete Spielregel vorm Zerknittern.
Susanne Hiegemann sind bei allen von ihr veröffentlichten Spielideen die natürlichen Materialien wichtig, die in Deutschland verarbeitet werden. Sie setzt auf einfache Spielregeln und erreicht dadurch einen schnellen Spielzugang zu einem meist abstrakten taktischen Spiel, wobei sich die Spannung aus der Qualität der Spielideen ergibt. Spiele, die überall ohne Spieltisch gespielt werden können. Es gibt kein Transportproblem, es gibt kein Platzproblem beim Spielen und eine zweiminütige Regellektüre reicht meist aus, um loszulegen.
Ein typisches Zweipersonenspiel dieser Reihe ist das 2007 veröffentlichte ON Q von Peer Sylvester. Stellen sie sich einen kreisförmigen Spielplan vor, der in zehn gleich große Segmente geteilt ist. Mit im Spiel sind 20 Halbedelsteine, je fünf in vier Farben. Eine Linienbegrenzung ist farblich verstärkt hervorgehoben, eine Grenzlinie zwischen den Kreissegmenten, die als Q-Linie bezeichnet wird.
Mit Spielbeginn werden die Spielsteine ins Spiel gebracht. Bei 20 Steinen und zehn Feldern ist klar, dass in jedes Feld zwei beliebige Steine gelegt werden müssen. Das geschieht abwechselnd. Sind alle Felder belegt, vertauscht der Spieler, der die letzten beiden Steine gelegt hat, zwei Steine. Er muss sich dabei an folgende Regel halten: Getauscht werden dürfen nur Steine von benachbarten oder gegenüberliegenden Feldern. Platzieren und Tauschen bereiten den Abbau der Steine vor, der ebenfalls scheinbar ganz einfach abläuft. Vom Spielplan genommen werden dürfen stets die beiden Steine, die sich auf dem ersten besetzten Feld rechts oder links von der Q-Linie befinden. Im Anschluss darf entweder das folgende Feld ebenfalls noch geleert werden oder, wie oben beschrieben, ein Steintausch vorgenommen werden.
Wozu das Ganze? Der Autor verlangt für den Spielsieg die Ablage der Steine in Form einer Steinschlange, genommene Steine dürfen beliebig an eines der beiden Enden gelegt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Steine mindestens einen farbgleichen Nachbarstein bekommen. In der Endabrechnung werden Steine, bei denen dies nicht gelingt, negativ gewertet alle anderen positiv. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl gewinnt.
Vorausschauendes Denken ist die wesentliche Anforderung, die ON Q an die Kontrahenten stellt. Wer nur an sich denkt, spielt meist auch seinem Gegenspieler in die Hände, deshalb müssen die Anlageoptionen des Gegners mit beachtet werden. Wer durch Doppelaufnahmen von Steinen im Vorsprung liegt, kann sich allerdings auch bei einer Schlussabrechnung von zwölf zu acht Steinen locker drei Minuspunkte erlauben. Regelveränderungen drängen sich deshalb geradezu auf. Wir werten die Minussteine inzwischen doppelt. Für die Aufbausituationen bietet sich eine zügige zufällige Verteilung an, wobei der eine aufbaut und der andere entscheiden darf, ob er beginnt oder nachzieht.
Wer ein kleines anspruchsvolles Spiel sucht, das in zehn Minuten vorüber ist, das man aber gleich noch einmal spielen mag, der ist mit ON Q gut bedient. Achten Sie beim Kauf aber auf gute Unterscheidbarkeit der Farben der Halbedelsteine, das ist für dieses Spiel besonders wichtig.
Titel: ON Q
Verlag: Hiku-Spiele
Autor: Peer Sylvester
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 13/2008 R 213/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berliner Spieleerfinder Peer Sylvester hat lauf BGG schon fast 40 Spiele veröffentlicht, darunter beim Berliner Bambus Verlag auch eine Reihe von Spielebüchern, von denen mir JAM DUDEL (2005) besonders gut gefällt.
Sylvesters erstes Spiel ist das selbst publizierte DIE HERREN ALLER LÄNDER, das 2004 erschien. Für Hiku hat der Autor neben ON Q noch MONOCHROM (2006) und LEFT & RIGHT (2008) entwickelt.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört WIR SIND DAS VOLK, das er zusammen mit Richard Sivél entwickelt hat.
Sylvester ist außerdem sehr aktiv im Beeple Bloggernetzwerk. Er veröffentlicht auf spielbar.com Podcasts und Rezensionen und schreibt viele Artikel, die über den Tellerrand der Brettspielblase blicken lassen.
Das Bild zeigt Sylvester in seiner Anfangszeit als Autor auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen 2005.
ON Q wird auf BGG mit einer Wertung von 6,0 geführt, allerdings nur auf der Basis von einer Wertung.
Dienstag, 30. November 2021
GO! GORILLA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Plastikorgie, die Spaß macht: GO! GORILLA
Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein Plastikhügel mit sechs drehenden Palmen Vergnügen bereiten könnte. Meistens mache ich einen großen Bogen um die üblichen wackelnden, röhrenden, hervorspringenden Plastikorgien, die bei den Kids Begeisterungsstürme erzeugen und bei mir nur Kopfschütteln, stets verbunden mit dem Impetus, dass diese Beschäftigung pädagogisch und spielerisch keinen Wert habe.
Runter vom hohen Ross, ran an die Palmenhebel bin ich erst gekommen, nachdem die Begeisterung nicht nachließ, nachdem Woche für Woche immer wieder das eine Spiel nachgefragt wurde. Da wurden Erinnerungen wach an eine Zeit vor 15 Jahren als ein Flieger über Hühnerhöfe kreuzte und Kinder und Erwachsene an einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers zu erkennen waren. Was LOOPING LOUIE damals war, scheint GO! GORILLA heute zu sein, der tippende Zeigefinger spielt immer noch mit. Heute hebt er dabei mittels eines großen Palmenblattes einen rotierenden Palmenbaum. Das batteriebetriebene Aktionsspiel von Goliath kann nur zu zweit oder in der Teamvariante zu viert gespielt werden. Eine große Plastikinsel wird an den Längsseiten mit vier kleinen Palmen bestückt, die mithilfe herausragender Palmblätter angehoben werden. im Zentrum und an der Spitze der Insel befinden sich zwei deutlich größere Palmen. An die beiden außenstehenden kleinen Palmen werden Plastikgorillas gehängt, die wie der Flieger in LOOPING LOUIE nun ihre Kreise drehen, sobald GO! GORILLA gestartet wird. Da alle Palmen rotieren und die Greifarme der Menschenaffen ein Weiterhangeln ermöglichen, muss nur die Höhenabstimmung geregelt werden. Wenn der Gorilla samt Palmenstamm auf die passende Höhe gehoben und gesenkt wird, dreht er seine Runde an der großen mittleren Palme weiter, kann von der zweiten kleinen Palme übernommen werden, um sich schließlich auf die Zielpalme zu schwingen. Wer zuerst seine fünf Gorillas über die Wipfel der Palmen ins Ziel geführt hat, gewinnt das Spiel.
Alles wäre ganz einfach, wenn man nur die Affen auf seiner Seite einhängen und abnehmen könnte. Da sie sich drehen, geraten sie natürlich in die Reichweite der Gegenseite. Das ist die Voraussetzung für ein fetziges Duell. Sobald die Affen in den Umkreis der Palmen gelangen, können sie mit kräftigem Druck auf das Palmenblatt schnell in die Luft katapultiert werden, was ihren jähen Absturz zur Folge hat. Gut, dass die Rotationsrichtung häufig wechselt, da geübte Spieler bei passender Drehrichtung sogar ohne Fremdberührung auskommen können.
Spiel und Ärgerfaktor sind mit dem Klassiker von MB vergleichbar. Die Spieldauer ist zusätzlich durch eine Abschaltautomatik begrenzt, nach sechs Minuten drehen sich die Palmen nicht mehr. Dann ist zumindest eine Spielrunde beendet, was allerdings nie bedeutet, dass GO! GORILLA abgeschaltet wird, die Suchtwirkung des reisenden Piloten lässt sich auch bei den hangelnden Affen feststellen. Wenn sie durch die Luft fliegen und wieder an den Start gebracht werden müssen, ist die Schadenfreude ebenso groß wie bei den getroffenen Hühnern. GO! GORILLA ist ein würdiger Nachfolger von LOOPING LOUIE. Erwachsene und Kinder setzen sich mit Begeisterung dem Palmendreh aus. Die voranschreitende Technik hat dem Nachfolger allerdings einen Musikchip beschert, auf den der Flugzeugpilot noch verzichten musste. Mich stört diese laute Dschungelatmosphäre gewaltig, für Kinder gehört sie unverzichtbar hinzu. Leider hat die Firma Goliath einen Lautstärkeregler oder Schalter zum Abstellen der Dudelei vergessen, aber das bleibt auch das einzige „leider“ bei diesem fetzigen Dschungelspiel.
Titel: GO! GORILLA
Verlag: Goliath
Autor: o.A.
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2 oder 4
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 6 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 2/2009 R 212/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel:
GO! GORILLA ist erst in der Goliath-Fassung auf den deutschen Markt gekommen, obwohl es bei MB als Nachfolger von LOOPING LOUIE schon 2000 unter dem nicht so attraktiven Titel HANG IN THERE erschien.
Der Erfolg in Deutschlang führte GO! GORILLA 2009 auf die Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres.
Auf BGG wird das Spiel mit einer Wertung von 6,0 auf Rang 215 bei den Kinderspielen geführt (Stand 21.11.21).
Dienstag, 23. November 2021
ZIEGEN KRIEGEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel auf der Ziegeninsel
Erinnern Sie sich an die Hornochsen, die im eigenen Kartenstapel am Ende nicht zu oft auftauchen durften? 1994 erblickten sie in Wolfgang Kramers wahrscheinlich genialsten Kartenspiel 6 NIMMT! Das Licht der Welt und noch immer verführen sie am Spieltisch, uns jedenfalls, wenn neben den vielen Neuheiten Oldies einmal wieder gefragt sind. Günter Burkhardt knüpft in einem neuen Amigo Spiel zumindest motivisch an den Mythos 6 NIMMT! an. In seinem Spiel ZIEGEN KRIEGEN geht es um Ziegenköpfe, die man schon haben darf, aber nicht zu viele davon.
Michael Menzel hat herrliche Grafiken für die Ziegenkarten mit den Werten 1 - 50 entworfen. Günter Burkhardt nutzt diese Karten zu einem etwas ungewöhnlichen Stichspiel. Jede Spielrunde läuft unabhängig von der Spielerzahl ab, minimal drei maximal sechs Spieler können teilnehmen. Es geht über genau acht Stichrunden. Die höchste Karte gewinnt den Stich, der Spieler der niedrigsten Karte darf eine sogenannte Hügel-Karte ins Spiel bringen. Auf diesen Karten sind stets zwei durch Wasser getrennte Inselhälften zu sehen, die mit einem höheren und einem niedrigeren Zahlenwert gekennzeichnet sind. Der Spieler, der die Karte legen darf, markiert mit einer kleinen Holzziege den Inselteil, der in die Wertung kommen soll. Das Verfahren gilt bis zum vierten Stich, bis die Insel geschlossen ist. Damit ist die Zielvorgabe für die maximale Ziegenkopfzahl in dieser Runde festgelegt. Wenn die Ziegeninsel den Wert 13 vorgibt, dann können nur Spieler Punkte gewinnen, die nicht mehr als 13 Ziegenköpfe in ihren Stichen vorfinden.
Der pfiffige Mechanismus hat Konsequenzen für den Spielablauf. Alle spielen weitgehend auf den Mittelwert. Die meisten Ziegenkarten zählen ein bis drei Punkte, Zehnerkarten bis zum Wert 40 allerdings fünf Ziegenköpfe. In einem Stich befinden sich durchschnittlich 6 Köpfe, schon der Gewinn von drei Stichen kann oft das Aus bedeuten. Insofern ist ZIEGEN KRIEGEN kein typisches Stichspiel, da es oft um Stichverhinderung geht.
Wie jedes Kartenspiel ist auch dieses recht glücksabhängig, aber sehr unterhaltsam. Wer ausschließlich oder viele hohe Kartenwerte hat, wird auch durch die Ziegeninsel kein Land sehen und jämmerlich baden gehen. Ein Durchmarsch bringt leider keine Extrapunkte. Deshalb sollte auch nicht nach einer Runde Schluss sein und das Kartenglück durch mindestens so viele Runden ausgeglichen werden, wie Spieler ZIEGEN KRIEGEN wollen - oder auch nicht!
Titel: ZIEGEN KRIEGEN
Verlag: Amigo
Autor: Günter Burkhardt
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 7 Euro
Spiel 10/2008 R 206/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide F.X. Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz. Auch ZIEGEN KRIEGEN wurde von der Fairplay gewürdigt und kam dort 2008 auf den 8. Platz. Auf BGG wird das Spiel mit einer 6,2 auf Rang 1097 bei den Familienspielen geführt.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2005 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Montag, 22. November 2021
WER HAT’S?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO-Quartett
Das klassische QUARTETT erlebt in Hartmut Kommerells Spiel WER HAT’S? (Adlung Spiele) eine Renaissance. Dem Berliner Autor gelingt es, durch eine simple spielerische Ergänzung ein pfiffiges neues Spiel aus dem Klassiker zu machen. Bei WER HAT’S? bekommen drei bis fünf Spieler ab sechs Jahren (funktioniert aber auch schon mit jüngeren Kindern gut) zuerst einmal ihre Karten und benennen beim Aufnehmen die kindgerecht gezeichneten Motive. Dadurch entfällt der Glücksfaktor, der am Anfang eines QUARTETT-Spiels stets ein Herumstochern im Dunkeln mit sich bringt.
Nach der Kartenaufnahme darf in QUARTETT-Manier nach entsprechenden Motiven bei einem anderen Spieler gefragt werden. Hat er es, darf der Fragende das Kartenpärchen vor sich ablegen. Auch diese Regel vereinfacht den Spielablauf, da nicht vier Karten, sondern nur zwei Karten gesammelt werden. Die Kartenzusammenstellung für WER HAT’S? enthält für einige Motive zwei Karten, andere dagegen sind viermal vorhanden. Da man sich nicht selbst befragen darf, dürfen gesammelte Pärchen während des Spiels nicht abgelegt werden. Bei allen Viererkombination ist damit die Gefahr, dass solche Paare gut nachgefragt werden, natürlich groß. Wird der falsche Mitspieler gefragt, muss eine schon gesammelte Karte abgegeben werden.
Nach diesen einfachen Regeln läuft das Spiel, bis die Karten aufgebraucht sind. In der Schlussrunde darf jeder Spieler noch einmal nach einer fehlenden Karte fragen. Zum Schluss dürfen alle Pärchen, die die Spieler noch in den Handkarten halten, abgelegt werden. Wer die meisten Karten besitzt, gewinnt nach etwa 15 Minuten das unterhaltsame Spiel.
WER HAT’S? kommt ganz einfach daher, entfaltet aber einen erstaunlichen Spielreiz, dem sich die meisten Kinder nicht entziehen können, Kommerell bietet für die ganz kleinen noch zwei Varianten an, so können schon Dreijährige in einem offenen Spiel an Benennung und Beobachtung herangeführt werden. Deutlich schneller und leichter spielt sich das Spiel auch dann, wenn alle Motive nur zweifach benutzt werden. Neben dem hervorragenden MANIMALS hat Adlung Spiele mit WER HAT’S? ein weiteres gutes Kinderspiel im aktuellen Programm, für das der kleine Verlag aus Remseck im Kartenspielbereich für Kinder inzwischen erste Anlaufadresse ist.
Titel: WER HAT’S?
Verlag: Adlung Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Graphik: Sascha Wiechert
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 10-20 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 30/2007 R205/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Kommerell hat rund 40 Spiele veröffentlicht.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2005 auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen.
Seine QUARTETT-Variante WER HAT’S? wird auf BGG mit einer 6,6 bewertet, allerdings haben nur 8 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Freitag, 19. November 2021
STIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielesammlung von Steffen Mühlhäuser
Holz ist das typische Spielmaterial, aus dem Steffen Mühlhäuser immer wieder überraschende Spielideen zaubert. Da dienen Bambusstäbchen als Feldbegrenzung in dem taktischen Laufspiel LINJA, da wird mit Holzquadraten oder Sechsecken taktisch gespielt, da liefern 60 bunte Holzscheiben in COLOMO eine ganze Spielesammlung mit zwölf verschiedenen Ideen. Ganz in dieser Tradition steht STIX, das neueste Spiel des Autors und Verlegers Mühlhäuser. 40 lange Hölzchen und zehn kurze, außerdem vier Spielfiguren und eine Pappscheibe reichen ihm für die Entwicklung von drei ganz unterschiedlichen Spielen. Alles verpackt in einer kleinen quadratischen Schachtel, die erstaunliche Spielunterhaltung liefert.
Da haben wir einmal den kreativen Spielanteil in PICASSO. Hier dienen die Holzstäbchen der Begriffsbildung. Ein Hölzchenleger baut Stöckchen für Stöckchen einen ausgedachten Begriff auf, wobei die Mitspieler ständig ihre Vermutungen äußern dürfen, was aus dem Holz-Code entstehen könnte. Wird der Begriff erraten, bevor das sechste Hölzchen gelegt wurde, gibt es drei Hölzer zur Belohnung, bis zu zehn Hölzern zwei und danach noch ein Holzstäbchen. Durch die Honorierung reduziert sich die Anzahl der Hölzer, sobald kein Bild mehr gelegt werden kann, endet das Spiel.
Da die Begriffe wie in ähnlichen Spielen nicht durch Karten vorgegeben werden, müssen die Spieler ehrlich bleiben und sich nicht ständig neue, noch zur Auslage passende Begriffe ausdenken. Zur Sicherheit kann der zu legende Begriff auch vorher aufgeschrieben werden.
Bei der Spielvariante FLIPPER baut Mühlhäuser auf die Geschicklichkeit der Spieler. Die meisten werden sich in einer Kneipe schon am Bierdeckelstapeldrehen versucht haben. Ähnliches verlangt das Flipper Spiel: Ein langer Holzstab, auf dem flachen Handteller liegend, wird Richtung Pappscheibe geschleudert. Dazu schlägt man mit der richtigen Dynamik gegen die Unterseite einer Tischplatte. Landet das Hölzchen neben der Zielscheibe, bleibt es liegen. Landet es halb im Zielbereich, darf der Spieler zwei herumliegende Hölzer an sich nehmen. Fünf gibt es sogar für den eher seltenen Fall, dass das Holzstäbchen exakt auf der Scheibe landet. Immer dann, wenn ein Hölzchen im Umfeld oder auf der Scheibe auf einem anderen Holzstab landet, gewinnt man beide Hölzer zusätzlich. Etwas Übung ist nötig, dann erweist sich FLIPPER durchaus als kneipentauglich.
Ein typischer Mühlhäuser ist die letzte Spielvariante, die er AL CAPONE nennt. Ein schnelles Abbauspiel für zwei bis vier Spieler. Aus den 40 langen Hölzchen wird ein 5 x 5 Felder großes Spielfeld ohne Außenbegrenzung gelegt. Die Spiele setzen reihum ihre Spielfiguren in ein Spielfeld. Wer am Zug ist, darf seine Figur orthogonal über maximal drei Hölzchen hinweg bewegen. Alle übersprungenen Hölzer werden dabei eingesammelt. Dadurch entstandene Lücken dürfen von nachfolgenden Spielern ebenfalls übersprungen werden wie fremde Spielfiguren. Allerdings dürfen Hölzer, die direkt vor oder hinter einer übersprungenen Figur liegen, nicht eingesammelt werden. Wer keine Hölzchen mehr erreichen kann, ist zugunfähig und scheidet aus. Sobald kein Spieler mehr ziehen kann, endet das Spiel, das natürlich von dem gewonnen wird, der die meisten Hölzer sammeln konnte.
Klein verpackt, überall mit hinnehmbar, liefert Steffen Mühlhäuser mit seinen Hölzchen und Figuren abwechslungsreiche Spielvergnügen. Es erreicht zwar noch nicht die Vielfalt von Spielideen wie in COLOMO, aber was noch nicht ist, kann durchaus noch werden, so lässt sich ganz simpel mit den Hölzchen natürlich auch knobeln. Wer das kurzweilige Buch STREICHHOLZSPIELE von Sophus Tromholt besitzt , das schon im vorletzten Jahrhundert erschienen ist und seitdem bis in unsere Tage in vielfältigen Ausgaben herausgegeben wurde, findet dort schier endlose Anregungen für das Spielmaterial von STIX.
Titel: STIX
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Steffen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 5-15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 9/2008 R204/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Hölzchenspiel STIX wird auf BGG mit einer 5,5 bewertet, allerdings haben nur 12 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 mit dem im Text erwähnten COLOMO in Essen.
Mittwoch, 17. November 2021
RAMSES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Florian Isensee, Oldenburger Buchhändler und Verleger, liebt das Genre der Kartenspiele mit historischem Hintergrund. Da kann er mit überschaubarem Kartenmaterial seine Spieler in Historie eintauchen lassen und jenseits des klassischen Stichspiels Spielabenteuer entwickeln, die alle ihren besonderen Reiz haben. Als Isensee I. hat er sich auf EXPEDITIONEN ZU DEN MAYASTÄTTEN aufgemacht, Isensee II. focht mit den MUSKETIER(en) IM AUFTRAG DER KÖNIGIN, ganz aktuell ist Isensee III. im Museumsauftrag hinter RAMSES hinterher und versucht in einem „Wettlauf um die Reichtümer Ägyptens“, eine opulente und publikumswirksame Grabschatzausstellung ägyptischer Kunst rund um Tutanchamun und Nofretete zusammenzustellen.
Nicht nur optisch das Auffälligste der bisherigen drei Spiele des Buchverlegers aus Oldenburg , aus spielerisch bietet er anspruchsvolle Kost. Isensee versetzt seine Spieler in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Carter hat gerade das sagenhafte Grab Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt und damit einer Ägyptomanie in Europa und den Vereinigten Staaten ausgelöst. Die großen Museen wetteifern um den ersten Rang mit eindrucksvollen Ausstellungen.
Zwei bis vier angehende Museumsdirektoren, die mindestens im gehobenen Grundschulalter sein sollten, suchen nach 15 Altertümern, die in der ägyptischen Abteilung des Louvre präsentiert werden sollen. Die Ausstellungsfläche ist allerdings beschränkt. Streng wacht die Sphinx des Königs Amenemes II. aus der 12. Dynastie darüber, dass die 4200 Quadratmeter große Fläche nicht überschritten wird; Zugeständnisse macht sie nur bei den Längen- und Seitenverhältnissen, die 60x70 Meter, aber auch 70x60 Meter groß sein dürfen.
Für die Ausstellung kommen Ausstellungsgegenstände in Frage, die aus drei Karten senkrecht oder waagrecht zusammengesetzt werden können, wobei jeweils zwei Objekte insgesamt viermal vorhanden sind. Die Nofretete bleibt wie in der realen Welt einmalig. Zwei Objekte mit vier Karten sind jeweils doppelt vorhanden, Das gilt auch für die Goldmaske Tutanchamuns, die aus sechs Karten im Format 2x3 gebildet wird. Wegen diesen Objektkarten die von drei unterschiedlichen Stapeln gezogen werden, gibt es noch zwei rare Karten, die einen Skarabäus zeigen, der Jokerfunktion besitzt, und acht Handelskarten. Die Joker werden in beide Kartenstapel gemischt, die überwiegend 4er und 6er Kunstwerke enthalten, die Handelskarten liegen daneben aus.
Die Spiele starten mit jeweils einer Karte von den drei stapeln, so dass jeder meist eine 3er, 4er und 6er Karte besitzt. Reihum haben sie verschiedene Optionen. Sie starten mit einer sogenannten „Ankaufphase“, in der sie einen neue Kunstwerkkarte ziehen oder sich eine Handelskarte nehmen. Wählen Sie die zweite Option, eröffnen Sie sofort eine verpflichtende Handelsphase, der sich kein Museumsleiter entziehen darf. Der Spieler, der die Karte gezogen hat, darf in jedem Fall einen Handel ausführen, alle weiteren dürfen freiwillig in dieser Phase untereinander handeln. Die Aktion selbst ist Regeln unterworfen. Alle müssen für die Handelsphase zwei Karten zur Verfügung stellen, von denen eine offen die andere verdeckt gelegt wird. Getauscht wird immer das Gesamtpaket, wobei der Handel des auslösenden Spielers nicht abgelehnt werden kann. Wer durch die Ankaufphase oder den Handel in der Lage ist, die Ausstellung vorzubereiten, darf anschließend Karten auslegen, wobei 3er Objekte direkt in der Ausstellungsfläche platziert werden, größere Objekte müssen dagegen mit mindestens drei Karten in die vorbereitende Auslage für jeden Spieler gehen. Außerdem dürfen in dieser Phase auch Handelskarten in die Museumsausstellung gebracht werden. Dadurch lassen sich Räume verengen, sodass der Platz für große Objekte vermindert wird. Schließlich kann noch eine Handkarte verschenkt und die Kartenhand auf vier Karten ergänzt werden. Falls ein Spiele am Anfang keine Handelsphase ausgelöst hat, darf er dies am Ende seines Zuges tun, sofern noch Handelskarten zur Verfügung stehen oder er selbst eine spielen kann.
Das Spiel endet augenblicklich, wenn durch die Kartenablage in der Ausstellung kein Platz mehr für weitere Objekte ist. Handelskarten werden dabei ausgenommen. In der abschließenden Wertung erhalten die Spieler Punkte für ihren Beitrag zur Ausstellung. Jedes Objekt wurde mit einem entsprechenden Museumsmarker gekennzeichnet. Wer es schafft, einen Tutanchamun zu platzieren, erhält acht wertvolle Punkte, die 4er Objekte bringen fünf Punkte und die 3er mit der Ausnahme der Nofretete drei Punkte. Für die ägyptische Königin erhält ein Spieler sieben Punkte. Sie lässt sich meistens nur mit einem Joker vorbereiten, der in der Aufbauphase eingetauscht werden darf. Vorbereitete Objekte, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben, bringen unabhängig von ihrer Kartenzahl einen Minuspunkt. Außerdem werden bis auf die Handelskarten, alle Handkarten mit Minuspunkten belegt, ein nicht ausgelegter Joker zählt sogar drei Minuspunkte. Wer nach dieser Abrechnung die meisten Punkte vorweisen kann, gewinnt nach etwa 30 Minuten das Spiel.
RAMSES ist vielschichtiger als die meisten Spieler anfangs denken. Das geht mit der Kartenaufnahme los. Orientiert man sich besser auf die relativ leicht erreichbaren 3er Objekte oder versucht man doch die Punkte trächtige Goldmaske Tutanchamuns zu legen, mit der Chance dabei an einen Joker zu gelangen. Andere konzentrieren sich lieber auf die 4er Objekte, bei denen ebenfalls ein Joker liegt und nehmen gerne das eine oder das andere kleinere Ausstellungsstück im Tauschverfahren mit. Auf alle Fälle muss die Aufmerksamkeit der Sammeltätigkeit der Mitspieler gelten. Wichtige Informationen bieten dazu die Tauschphasen, die durch die offenen Karten zumindest Teilinformationen aller Spieler preisgeben.
Am Ende geht es meist knapp und spannend zu, wenn die Räume eng werden und die Handelskarten Chancen vernichten. Hier wird RAMSES zum taktischen Legespiel. Ein Legespiel, das in seiner Gesamtauslage auch ästhetischen Genuss bietet. Die Fotoqualität der Spielkarten ist vorzüglich. Die kleine, immer noch etwas instabile Pappschachtel enthält neben den Spielkarten und Museumsmarken für jeden Spieler eine hilfreiche Kurzübersicht über den Spielablauf, auch die gut strukturierte Regel ist Florian Isensee ordentlich gelungen. Mit seinem dritten Spiel hat der Autor eine Professionalität erreicht, die mit Produkten renommierter Verlage durchaus mithalten kann.
Titel: RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Verlag: Isensee Verlag
Autor: Florian Isensee
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 7/2008 R202/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. Isensee kommentierte das nach der Messe wie folgt: „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse und das der Drogeriekette Müller.
Mit nur 10 Ratings wird das RAMSES-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,4 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit Ramses 2007 auf der Spiel in Essen.
Dienstag, 16. November 2021
PATRIZIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 201
Häuserbau in Italien
Spielen bildet! Das Geschlechtertürme im mittelalterlichen Italien Statussymbole waren, wissen wir spätestens seit CAMPANILE oder SAN GIMIGNANO. Dieses „Manhattan des Mittelalters“ taucht in Michael Schachts neuestem Amigo Spiel PATRIZIER zwar nicht auf, thematisch geht es aber sehr wohl um mittelalterlichen Häuserturmbau in neun beziehungsweise zehn italienischen Städten.
Die ständige Flucht der Spieleautoren in die Historie produziert ästhetisch wohl gefälligere Themen als aktuelle: Da wäre ein Wettkampf um die höchsten Müllberge wohl eher angemessen gewesen. Politisch weniger anrüchig und damit sicherlich auch besser zu vermarkten ist das, wenn zwei bis fünf Baumeister nach Ruhm und Ehre streben. Michael Schacht entwirft dazu einen leicht zugänglichen kartengesteuerten Bauwettkampf. Ruhmespunkte erhalten die Spieler, wenn sie mehr zum Turmbau in einzelnen Städten beitragen als Mitspieler, Punkte erhalten sie aber auch, wenn sie die richtigen Karten zu ihrem Häuserbau benutzen.
Der beidseitig nutzbare Spielplan zeigt im Spiel zu fünft zehn italienische Städte, sonst neun mit jeweils zwei Bauplätzen. Die maximale Zahl der dort zu errichtenden Stockwerke wird nur für die Städte und nicht für die Bauplätze vorgeschrieben, so können insgesamt fünf, sieben oder neun Stockwerke in fast beliebiger Verteilung errichtet werden. Entsprechend gibt es für diese Städte vier, fünf oder sieben Baukarten. Sind alle Stockwerke in einer Stadt auf beiden Bauplätzen errichtet, werden Ruhmespunkte verteilt. Der Spieler mit den meisten Bauanteilen im höchsten Turm erhält ein Plättchen, das den Punktwert der maximalen Stockwerke der jeweiligen Stadt entspricht, für den niedrigeren Turm gibt es mit sechs, vier und zwei Punkten entsprechend weniger. Im Falle des Gleichstands zählt für den Punktgewinn natürlich das höhere Stockwerk.
Sehr geschickt hat Michael Schacht den Kartennachschub in PATRIZIER geregelt. Jeder startet mit drei Auftragskarten für den Turmbau in den Städten. Die Karten tragen das jeweilige Stadtwappen und meistens einen von drei unterschiedlichen Patrizierköpfen. An jeder Stadt liegt eine Auftragskarte offen aus, wobei darunter auch Sonderkarten ohne Kopf sein können, die zum Beispiel ein Doppelwappen tragen und damit den Bau von zwei Stockwerken in einer Stadt ermöglichen, oder Verschiebekarten, die das Versetzen eines obersten Stockwerks in einer Stadt gestatten. Den Kartennachschub erhalten die Spieler in der Regel in der Stadt, in der sie bauen. Dadurch schafft Schacht es, die Optionsauswahl vielschichtig zu verknüpfen. Einerseits müssen die Spieler auf die Stockwerkmehrheit achten, andererseits geht es aber auch um den Baukartenerwerb, da Sonderkarten, zur richtigen Zeit eingesetzt, erhebliche Veränderungen bewirken. Schließlich ist es nicht von Nachteil, die Schlusswertung der Patrizierköpfe mit dem Blick zu behalten, da jeweils drei identische Köpfe sechs Ruhmespunkte bringen. Gewertet wird im Übrigen, sobald kein Spieler mehr eine Auftragskarte besitzt. Wer dann nach allen Stadtwertungen und den Punkten für die Köpfe die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat, gewinnt.
Michael Schacht Spielidee ist wieder einmal genial einfach, entwickelt aber trotzdem eine erstaunliche Spieltiefe. Sicherlich ist der Glücksfaktor in dem Spiel recht hoch, wer aber PATRIZIER erfolgreich spielen will, muss über ein vorzügliches Gedächtnis verfügen und kann dadurch vor allem bei weniger Spielern das Spiel kalkulierbar machen. Bis auf die Ausgangssituation liefert PATRIZIER alle Informationen offen, so dass eine Abwägung der Chancen, ob Bauinvestitionen lohnen, sehr wohl möglich ist. Die Spieler haben zwar nur drei Baukarten zur Auswahl, aber sie haben es in einem gewissen Rahmen selbst in der Hand, wie ihre Handkarten mit der Zeit aussehen.
Eine Runde Turmbau in PATRIZIER geht erstaunlich schnell vorüber, die angegebene Spieldauer von 45 Minuten wird nur mit Grüblern am Spieltisch erreicht. In der Regel reichen 30 zügige Bauminuten, die zu Revancherunden einladen. Das macht auch deshalb Sinn, weil das Spiel von hinten deutlich besser kontrolliert werden kann und deshalb die letzten auch einmal die ersten sein sollten. Die grafische Umsetzung des Spiels ist gelungen, der Holzanteil - 149 gut stapelbare Stockwerke - ist beachtlich, die Regel lässt keine Fragen offen. Erneut ein gutes, elegantes Spiel des „Spiel des Jahres“ Preisträgers 2007, ein typischer Schacht, der etwas an KARDINAL UND KÖNIG erinnert und fast ebenso viel Spaß bereitet.
Titel: PATRIZIER
Verlag: Amigo
Autor: Michael Schacht
Graphik: Design Main
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30-45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2008 R201/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
PATRIZIER wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 6,6 geführt und liegt auf Rang 676 bei den Familienspielen.
Donnerstag, 11. November 2021
LINQ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Um die Ecke gedacht
Arg wortkarg geht es in diesem neuen Kommunikationsspiel von Erik Nielsen zu, ganz im Gegensatz zu dem, was gedanklich und nonverbal während der Spielrunden abläuft und ganz im Gegensatz zu den Wortkaskaden nach der Auflösungsphase einer Spielrunde. Hören Sie doch einfach mal zu:
Annette Wirft einen „Dieb“ in die Runde, Bernhard glänzt schmunzelnd mit dem „Stern“, Christiane hält sich ganz kurz an das Adverb „ab“, Doris setzt lächelnd den „Himmel“ hinzu, Eberhard ergänzt stirnrunzelnd mit einem Blick in die Runde den Begriff „Kreuz“, Fridolin greift ihn amüsiert im „Busch“ auf, Gerlinde schließt die Runde mit dem Begriff „Elefant“ ab. Verstanden? Nein? Das macht nichts. Gerlinde hat alles mitgeschrieben.
Trotzdem sollten Sie jetzt erst einmal auf den Kenntnisstand von Annette und Co. gebracht werden. Die sieben Spieler haben zu Beginn der Spielrunde jeweils eine Karte mit 12 Begriffen zugeteilt erhalten, auf einer Karte ist allerdings nur ein Fragezeichen zu sehen. Jeweils zwei Spieler besitzen identische Karten. Der für die Spielrunde geltende Begriff wird ausgewürfelt, in unserem Fall ist die „12“ geworfen worden. Die Spieler haben nun reihum einen sprachlichen Hinweis gegeben, der zu ihrem Begriff führen soll. Nach dieser ersten Runde gibt jeder einen ersten Tipp ab, welche Spieler Partner sein könnten. Erstes Ziel sollte dabei sein, den eigenen Partner zu erkennen, denn dafür gibt es die meisten Punkte. Tippt man andere Paarungen richtig, müssen diese dafür jeweils einen Punktechip bezahlen, das gilt auch dann, wenn man das Fragezeichen getippt hat.
Nach der ersten Begriff Runde geht es in eine zweite, die der weiteren Klärung dienen kann, aber zusätzlich oft extreme Verwirrung stiftet. Wer der Meinung ist, seinen Partner gefunden zu haben, kann noch freie assoziieren und die Mitspieler bluffen. Im Prinzip läuft die Runde wie die erste ab, so dass wir uns die Beispiele sparen können und gleich zur Auflösung schreiten.
Anette und Fridolin haben sich ihre Spielbälle in „Bagdad“ zugeworfen, der „Dieb“ war für Fridolin ein guter Hinweis, der für die anderen kaum zu entschlüsseln war, dass mit seinem Busch eigentlich der Buschkrieger gemeint war, ahnte auch nur Annette. Da beide sich gefunden haben, erhalten sie fünf Siegpunkte aus der Kasse. Den Hinweis auf den Cullinan, den „Stern von Afrika“ oder auch auf das gleichnamige Piatnik Spiel hat Gerlinde verstanden, sie konnte daher fast Klartext reden und mit dem Elefanten einen eindeutigen Hinweis auf „Afrika“ geben, auch dieses Paar geht mit voller Punktzahl aus der Runde raus. Eberhard hat allerdings mit Christianes Idee „Ab in den Süden“ nicht das Richtige anfangen können, wobei sein Kreuz für Christiane ein guter Hinweis auf den gemeinsamen Begriff „Süden“ war. Die beiden finden sich nicht, da Eberhard Doris als Partnerin wählt, die aber nur für himmlische Verwirrung sorgen wollte.
Gespielt wird über mehrere Runden, bis ein Spieler 25 Siegpunkte erreicht hat. Das ist aber fast nebensächlich bei dem Spielerlebnis in LINQ-Runden. So wortkarg die Runden verlaufen, so erklärungsfreudig geht es danach zu. Erik Nielsen Spiel, das erstmalig bei Endless Games in den USA erschienen ist, lebt von der hervorragenden redaktionellen Bearbeitung durch Andrea Meier, die damit erstmalig einen Gastautor in ihrem Eigenverlag veröffentlicht. Heidelberger vertreibt dieses ausgezeichnete assoziative Wortspiel, das vor allem in großen Runden riesigen Spaß macht. Die Obergrenze sieht Andrea Meier bei acht Spielern, wobei meine Erfahrung auch mit zehn Spielern positiv waren. LINQ ist im Sektor der kommunikativen Spiele ein absolutes Highlight, das besonders in Spielrunden, die sich gut kennen, ein außergewöhnliches intellektuelles Vergnügen bietet.
Titel: LINQ
Verlag: BeWitched Spiele
Autor: Erik Nielsen
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 4-10
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 3/2008 R198/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in Dallas lebende Erik Nielsen hat Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Sorbonne und in San Diego studiert. Zurzeit arbeitet er als CEO für das Startup WatchTAG.
Was seine Erfindertätigkeit angeht, beschränkt sie sich auf LINQ und LINQUER, die Erweiterung, die 2008 erschien.
Mit dem Spiel war er recht erfolgreich. In Deutschland landete er 2008 auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres.
BGG führt LINQ mit einer Wertung von 6,9 bei den Partyspielen auf Rang 120 (Stand 08.11.21).
Montag, 8. November 2021
ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Deutschlandreise á la Alan Moon: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Ohne Erweiterungen kommen erfolgreiche „Spiele des Jahres“ nicht mehr aus. Kosmos hat mit den SIEDLERN VON CATAN mit der Erweiterungsorgie begonnen, Hans im Glück hat sie extensiv mit CARCASSONNE fortgesetzt und in diese Riege reiht sich Days of Wonder mit ZUG UM ZUG-Nachfolgern ein. Nicht immer brachten die an die Originale angelehnten Erweiterungen Verbesserungen, wie es dabei um die dritte Erweiterung von Alan Moon steht, werden Sie gleich erfahren.
Vom Start weg war dieses geniale Eisenbahnspiel Moons erfolgreich mit seinem US- amerikanischen Streckenplan, kamen der Europaplan mit Bahnhöfen und unkalkulierbaren Tunneldurchfahrten, erst 2006 bietet das Spiel seiner deutschen Fangemeinde heimisches Ambiente. Und nicht nur das: Days of Wonder verknüpft dank einer gelungenen Kooperation die Brettspielwelt mit der der Spielzeugeisenbahnen. Ob damit neue Käuferschichten gefunden werden, weiß ich nicht, aber der Schachzug scheint genial, wenn die bisher uniformen Lokomotiven und Waggons ihren individuellen Märklin-Charakter erhalten.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN bleibt natürlich die logistische Herausforderung mit Streckenbau und Zielkarten mittels Wagenkarten und platzierter Kleinwaggons aus Plastik. Die Märklin-Variante bietet aber viel mehr als einen Abklatsch des Originals, erstmalig tauchen Passagiere, Passagierkarten und Waren auf , zudem gibt es besondere Jokerkarten, die sogenannten "4+-Lokomotiven", die erst bei Zügen ab einer Länge von 4 Wagenkarten und mehr eingesetzt werden können.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN benötigt deutlich mehr Vorbereitung als seine Vorgängerspiele. Punkteplättchen, das sind die Warensteine, müssen erst einmal in jede Stadt gelegt werden, meist ist es nur ein 2er-Pappchip, aber es gibt auch viele kleine Stapel mit abnehmenden Punktwert. Berlin wird seinem Hauptstadtstatus insofern gerecht, dass dort der einzige Viererstapel mit immerhin 7,6,5 und 4 Punkten liegt. In anderen Zentren wie Hamburg und München müssen sich die Spieler schon am Anfang mit 4 Punkten begnügen. Neben den 45 Eisenbahnwaggons erhalten die Spieler zu Spielbeginn jeweils drei Passagiere und vier Wagenkarten. Von den Zielkarten, die in dieser Version in je einem Stapel mit kurzen und langen Strecken aufgeteilt sind, müssen vier aufgenommen und mindestens zwei behalten werden. Auf den den meisten Lesern sicherlich bekannten Ablauf wird nur in aller Kürze eingegangen. Einerseits gilt es, die Zielkarten zu erfüllen, denn das bringt am Ende Zusatzpunkte, bzw. bei Nichterfüllung Punktabzug. Zum Streckenbau sammeln die Spieler farbige Waggonkarten, mit denen entsprechend farbige Bahnstrecken zwischen Städten bebaut werden, auch dafür gibt es Punkte, die sofort auf einer Wertungsskala angezeigt werden. Jokerkarten erleichtern den Streckenbau, im Laufe des Spiels können auch weitere Auftragskarten angenommen werden. Das Spiel geht in eine Schlussrunde, sobald ein Spieler nur noch ein oder zwei Waggons besitzt. Erst dann werden die Zielkarten ausgewertet, zusätzlich wird der Spieler mit den meisten erfüllten Aufträgen (bisher: längste Strecke) belohnt. Soweit das übliche Procedere mit seinem dynamischen Spielverlauf.
Sobald eine Strecke gebaut ist, darf ein Passagier in eine der beiden Städte gestellt werden, wobei in jeder Stadt nur ein Reisender stehen darf. Soll dieser Fahrgast reisen, kostet das eine vollständige Aktion. Seine Reiseroute führt weitgehend über eigene Strecken, die der Mitspieler dürfen dann benutzt werden, wenn zusätzlich Fahrgastkarten ausgespielt werden, die sich bei den Wagenkarten befinden. Außerdem darf ein Passagier jede Strecke nur einmal benutzen. In allen besuchten Orten, allerdings nicht im Startort, gibt es, sofern noch vorhanden, die Punktechips als Handelsgüter. Eine frühe Reise kann deshalb äußerst lukrativ sein, die Planungen der Gegenspieler, die sich zum Teil aus den aufgestellten Passagieren ablesen lassen, sind im Blick zu behalten.
Diese neue Form des Punktesammelns verändert deutlich die Taktik des Spiels. Wer dreimal lukrativ seine Passagiere in Deutschland herumschicken konnte und dabei durchaus mit 30 und mehr Punkten rechnen kann, muss sich nicht mehr so viel Mühe mit den Zielkarten geben. Das Problem war dem Autor sicherlich auch bewusst, der deshalb erstmalig die Erfüllung besonders vieler Aufträge mit einer Bonuskarte belohnt. Dem kommen außerdem die differenzierten Auftragsstapel mit den kurzen und langen Strecken entgegen. Der Deutschland-Plan selbst erzwingt einen anderen Spielrhythmus, das kleinmaschige Netz mit vielen Kürzeststrecken im Westen steht im deutlichen Gegensatz zu dem eher langstreckigen Osten. Das bedingt, besonders wenn nur zwei oder drei Spieler beteiligt sind, einen beschleunigten Streckenbau. Da werden keine Karten gehortet, wie beim Eisenbahnbau in den USA, sondern da schließt der Startspieler (der mit der besten Märklin-Sammlung natürlich) gleich am Anfang aus der Hand die Verbindung Köln-Düsseldorf. Sobald vier Spieler im Spiel sind, darf diese Strecke sogar dreimal gebaut werden.
Days of Wonder hat ZUG UM ZUG MÄRKLIN erneut hervorragend umgesetzt. Nicht nur für Märklin-Fans sind die vielfältigen Zugkarten ein Augenschmaus. Die Regel ist akzeptabel, Kenner der Vorgängerspiele werden kaum Probleme damit haben. Fehler sind wohl nie ganz zu vermeiden, nur gut, dass zumindest ein ganz grober geografischer Schnitzer nur noch im Spielaufbauplan der Regel erkennbar ist. Der dortige Spielplan zeigt nämlich Expansionsgelüste der Brüder Kwasnieski, die Tschechien vereinnahmt haben.
Die Werbebeigaben sind vielfältig: Das Märklin Gesamtsortiment kommt auf CD daher, das Days of Wonder-Programm sogar auf DVD.
Meine Kaufempfehlung am Ende hat nichts mit der Werbung zu tun, auch nichts mit dem Märklin-Ambiente, von mir aus hätten es Heros-Bahnen sein können. Das Spiel selbst überholt seine Vorgänger mindestens um Lokomotivenlänge. Es ist zwar fummeliger im Spielaufbau und auch beim Einsammeln der Punktechips braucht man ruhige Finger, aber deutlich weniger glücksbetont und spannender. Die indirekte Interaktion wächst, da das Mitspielerverhalten stärker im Blick sein muss. Damit ist ZUG UM ZUG MÄRKLIN aber auch anspruchsvoller als das Spiel des Jahres 2004. Ob wirklich achtjährige Kinder mit dieser Version klar kommen, bezweifele ich. Ab zehn Jahren und aufwärts wird Alan Moons Deutschlandreise aber zum Hochgenuss.
Titel: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Verlag : Days of Wonder
Autor : Alan R. Moon
Graphik: Julien Delval
Spieleranzahl : 2-5
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : 30-60 Min.
Spiel 28/2007 R195/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN wird mit einer Wertung von 7,4 auf Platz 55 der Familienspiele auf BGG geführt (Stand 31.10.21). Das Original steht auf Platz 35. Unter Sammlern ist diese Ausgabe sehr beliebt und ist nur um die 100 Euro zu bekommen.
Samstag, 6. November 2021
AGROPOLIS
Stadtflucht - AGROPOLIS
Stadtflucht ist angesagt: Wer SPRAWLOPOLIS mag wird die ländliche Version AGROPOLIS auch mögen. Der amerikanische Kleinverlag Button Shy Games reduziert seine Spiele im Taschenformat in der Regel auf 18 Karten, die in einer kleinen Klappbrieftasche verpackt sind und daher ganz leicht überall mit hingenommen werden. Unter dem Dutzend Spieleveröffentlichungen pro Jahr sind immer wieder kleine Perlen. 2018 war das das kleine Städtebauspiel SPRAWOPOLIS, indem die Spieler solo oder kooperativ nach Aufgabenvorgaben Stadtviertel, Gewerbegebiete und Parks punkteträchtig zusammenlegten.
Ganz ähnlich geht es nun in der Agrarregion AGROPOLIS zu. Von den 18 Karten werden drei umgedreht und dienen der Aufgabendefinition der aktuellen Runde. Wir bewegen uns nun zwischen Kühen, Hühnern und Schweinen, pflegen unsere Weinhänge, Obstgärten und Getreidefelder, ganz ohne Straßen kommen wir natürlich nicht aus und einige Aufgabenkarten verlangen auch, dass sie mäandern, Hühnergehege einkreisen oder an Kuhherden angrenzen.
Vom Spielgefühl her ändert sich nichts, nur Schnuppern wir Landluft, versuchen aber wie gehabt die drei Aufgaben optimal für die Gruppe zu erfüllen. Mitspielen können bis zu vier Spieler. Wer am Zug ist, spielt eine seiner drei Handkarten aus, die übrigen Karten wandern dann an den nächsten Spieler, der dadurch auch wieder drei Karten hat. Dann zieht man eine Karte vom Deck nach. Die Auswahl verringert sich damit schnell und damit wachsen die Zwänge für die Gruppe bei der Lösung der Aufgabe. Da versucht man Polyomino-Obstgärten möglichst mit Vierergruppen zu bilden. Bei der Karte Noahs Farm braucht man Pärchenbildungen bei den Tieren und die „glücklichen Kühe“ brauchen minimale Straßenanbindung.
Die Karten dürfen nebeneinander, aber auch übereinandergelegt werden, nur Drunterschieben und nur diagonale Anbindungen sind verboten. Am Ende zählen die größten Gebiete, Straßen werden davon abgezogen und bei den Aufgabenkarten wird überprüft, ob die vorgegebene addierte Punktzahl erfüllt ist. AGROPOLIS ist dabei noch etwas komplexer als sein Vorgänger, da manche Karten quasi eine extra Viehwertung verlangen, die zu noch mehr Punkten führt. Nur wer die Punktzahl erreicht, kann das Spiel gewinnen.
AGROPOLIS ist ein interessantes Raumpuzzle, das an SPRAWLOPOLIS perfekt anknüpft und den Anspruch sogar noch steigert. Macht als Solospiel, aber auch in der Teamvariante viel Spaß.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: AGROPOLIS
Autoren: Steven Aramini, Danny Devine, Paul Kluka
Grafik: Danny Devine
Verlag: Button Shy
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
69/2021
Freitag, 5. November 2021
ZOFF IM HÜHNERHOF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Körnerwerfen mit Berti: ZOFF IM HÜHNERHOF
Früher mussten fliegende Hütchen als Geschicklichkeitsspiel herhalten, heutzutage wird so etwas viel aufwändiger in ein spielerisches Ambiente und eine Spielgeschichte verpackt. Wenn Verpackung und Inhalt stimmen, dann kommt wie bei Marco Teubners ZOFF IM HÜHNERHOF ein tolles Spiel heraus.
Für die Spielqualität bürgt Haba. Eine große Spieleschachtel ist für ZOFF IM HÜHNERHOF nötig, damit das Spiel in der Schachtel mit Hühnerstall und 34 quadratischen, niedrig eingezäunten Hoffeldern stattfinden kann. Bauer Bertis Hühnerhof ist wahrlich imposant, Blumen blühen auf vielen Feldern, ein Rabe scheint allerdings die Mauser zu haben, denn auf fast jedem zweiten Feld fliegen seine Federn herum, er selbst blickt vom Zaun auf den ihm gegenüberliegenden großen Hühnerstall, auf dem vier Holzhühner auf den Spielstart warten. Bauer Berti steht bereit, um sein Federvieh mit Körnern zu versorgen. Als guter Ökobauer sorgt er natürlich für seine freilaufenden Hühner. Da wird kein Futter in den Stall gepackt, nein, bei ihm fliegt es im hohen Bogen ins Hühnergehege.
Was im klassischen Hütchenspiel die Wurfhand ist, stellt bei ZOFF IM HÜHNERHOF Bauer Berti dar, der eine flexible Futterkelle besitzt, mit der mit dem richtigen Schwung Holzkörnerfutter in die Felder des Hühnerhofs katapultiert werden können. Vor Spielbeginn sollten jedem Spieler erst einmal fünf Probeschüsse zugebilligt werden, damit die Körner auch wirklich bei den Hühnern landen. Jeder startet mit zehn Körnern, weitere fünf werden auf in den Ecken befindliche Wurmfelder gelegt. Die Zielfelder eröffnen Aktionsmöglichkeiten, so gibt die Anzahl der Blumen die Bewegungsweite eines dem Spieler zugeordneten Huhns vor. Die Hühner flattern vom Stall in den Hof und bewegen sich dort vor allem in Richtung der Körner, von denen möglichst viele eingesammelt werden. Treffen die Spieler ein Feld mit einer Rabenfeder, hüpft dieser aufgeregt auf seinem Lattenzaun ein Feld weiter, das macht er so lange, bis schließlich ein Fuchs hinter dem Rabenzaun auftaucht und für erhebliche Unruhe unter den Hühnern sorgt. Ab sofort vergessen die Hühner das Körnerpicken und eilen – hoffentlich gut gesteuert durch Bauer Berti – in den Stall zurück. Wer weite Wege zu gehen hat, benötigt das ein oder andere Korn mehr, das in den Hof geschnipst werden muss. Wer zum Schluss die meisten Körner übrigbehalten hat, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten vergnüglichen Katapultierens den ZOFF IM HÜHNERHOF.
Verlag und Autor haben mit ZOFF IM HÜHNERHOF ein hervorragendes Geschicklichkeitsspiel entwickelt, das einen hohen Aufforderungscharakter für Kindergartenkinder ab fünf Jahren besitzt. Für jüngere Kinder stellt die Futterwippe mit Bauer Berti zu hohe Anforderungen. Schnipp-Künstler sind natürlich im Vorteil. Wer es durch Übung schafft, gezielt Felder anzusteuern, kann nur durch andere Übungsmeister geschlagen werden. Erste taktische Überlegungen werden auch schon angestellt, das Einbeziehen des Auftauchens des Fuchses reguliert nach den ersten Spielrunden die Bewegungsweite des eigenen Huhns. Marco Teubner erweist sich einmal mehr als Spieleautor, der ein gutes Händchen für ungewöhnliche Spielideen im Kinderspielbereich besitzt. Mit dem Magnetspiel BRAVO PIEPINO (Selecta, 2005) hatte er schon einen guten Einstieg, den er nun mit ZOFF IM HÜHNERHOF noch erfolgreicher fortsetzt.
Titel: ZOFF IM HÜHNERHOF
Autor: Marco Teubner
Verlag: Haba
Spieler: 2- 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29 €
Spiel 26/2007 R193/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 49jährige Marco Teubner gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Spieleautoren Deutschlands. 2003 versuchte sich der damals frisch diplomierte Kulturwissenschaftler Marco Teubner auf dem Autorentreffen in Göttingen. Mit BONOBO & CO, einem taktischen Legespiel rund um Zipfelkrötenfrosch und Zilpzalp und WILDSCHWEIN WILLIS WILDEr WÜHLEREI konnte der junge Autor aus Oberbayern die damaligen Juroren des Spieleautoren-Stipendiums überzeugen und als siebter Preisträger seine Praktika antreten.
2005 folgten die ersten Publikationen. WILLI, das WILDSCHWEIN durfte bei Goldsieber wühlen und mit BRAVO PIEPINO erschien sein erstes Spiel bei Selecta. Nach 2005 stellten sich bald weitere Erfolge ein. Schon ein Jahr später landete er mit ZOFF IM HÜHNERHOF (Haba) auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury, 2007 gelang das mit PINO SORTINO (Selecta) gleich noch einmal und ein weiteres Jahr später folgte für CURLI CULLER (Selecta) die erste Nominierung zum Kinderspiel des Jahres. In dieser Zeit kam mit Entwicklungen wie WIR SPIELEN EINKAUFEN (Ravensburger) und einem frühen tiptoi-Engagement zusammen mit Heinrich Glumpler neben den Ehrungen auch finanzieller Erfolg dazu.
2016 kann Teubner auf viele weitere Spiele auf der Empfehlungsliste für das „Kinderspiel des Jahres“ zurückblicken und vor allem zwei weitere Nominierungen, 2012 für DIE KLEINEN DRACHENRITTER (Huch) und 2016 für STONE AGE JUNIOR vorweisen. Wobei die dritte Nominierung den lang verdienten Erfolg mit der Überreichung des blauen Pöppels für STONE AGE JUNIOR brachte.
Inzwischen lässt sich Teubner nicht nur mit Kinderspielen in Verbindung bringen. Bei moses. arbeitet er mit Spielen wie SAFEHOUSE und KILLERCRUISE mit Sebastian Fitzek zusammen, legendär ist auch seine KNEIPENQUIZ-Reihe mit Heinrich Glumpler.
Für DODO – RETTET DAS WACKEL-EI hat er ganz aktuell den Deutschen Kinderspielpreis 2021 in Essen gewonnen.
Das Bild zeigt Teubner als Preisträger des Spieleautoren-Stipendiums der Jury Spiel des Jahres 2003.
Freitag, 29. Oktober 2021
TRAPPER
TRAPPER … auf Bärenjagd
Beim Spielaufbau von TRAPPER, dem neuesten Clementoni Spiel, fühle ich mich in die frühen 80er Jahre versetzt. Da gab es einst ein Spiel mit ganz vielen Waldkärtchen und ein Bär spielte die zentrale Rolle, gemeint ist Hajo Bückens BÄRENSPIEL, das erste gut funktionierende kooperative Kinderspiel beim Herder Verlag. Eine ähnliche, nicht ganz so große Waldlandschaft lassen uns Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für die TRAPPER aufbauen. Ausgerichtet an vier Pappwinkeln wird ein 8 x 8 Felder großer Wald ausgelegt. Unbesehen werden dann die vier mittleren Kärtchen entfernt und an deren Stelle kleine Holztrapper aufgestellt. Alle orthogonal an die Figuren angrenzenden Karten werden aufgedeckt, sie zeigen eine mögliche Beute oder Boote der Fallensteller. Ihre Ausrichtung orientiert sich an einem Schmetterlingssymbol. Das ist deshalb wichtig, weil alle Kärtchen eine Wasserseite haben, über die die TRAPPER sie nicht erreichen können.
Jeder Spieler erhält sechs Spielkarten, über deren Farbzuordnung die Trapperfiguren bewegt werden. Die zwei bis vier spielenden Jäger besitzen daher auch keine bestimmte Spielfigur, sondern jeder darf jeden Trapper bewegen. Bei einem Spielzug dürfen beliebig viele Karten einer Farbe ausgespielt werden, beziehungsweise zwei Karten einer anderen Farbe, die Jokerfunktion übernehmen. Der Trapper bewegt sich auf eine offene Beutekarte, die der Spieler an sich nimmt, danach werden wieder die an den Trapper angrenzenden verdeckten Karten aufgedeckt und die Figur kann, wenn entsprechende Farbkarten noch vorhanden sind, weiter bewegt werden. Ist sie isoliert, was durchaus ganz bewusst herbeigeführt werden kann, darf die Figur auf ein beliebiges Beuteplättchen springen. Am Ende des Spielzugs gibt es unabhängig von der gelegten Kartenzahl zwei neue Spielkarten.
Unter den Kärtchen befinden sich 18 Kanus, mit denen bestimmte Tiersorten in unterschiedlicher Anzahl transportiert werden können, dazu passend gibt es sechs Wildtiere, die jeweils sechsmal mit Werten zwischen 1 bis 4 im Spiel sind und fünf Kräuter und Pilzkarten in den Werten 1 bis 5. Gesammelte Beutekarten müssen sofort ausgelegt werden, die Boote an die passenden Tiere, Pilze und Kräuter dürfen an beliebige Kanus gelegt werden. Sobald die Zielvorgabe des Kanus erreicht ist, zum Beispiel die Füllung mit zwei Bären, fährt das Boot ab und darf auch nicht mehr durch eine wertvolle Pilzlieferung aufgehalten werden. Abfahren bedeutet im Spiel werten. Die Zahlenwerte der transportierten Kärtchen werden addiert, der Wert wird dann verdoppelt und in Goldmünzen aus der Bank ausgezahlt.
Das abgerechnete Kanu bleibt beim Spieler, da es bei Wertungen von 16 und mehr Punkten noch zusätzlich Bonuschips gibt, die aber nicht beliebig zur Verfügung stehen. Zusätzlich gibt es eine Wertung verschiedener Tierarten. Am Ende, wenn keine sinnvollen Aktionen mehr durchgeführt werden können, erhalten die Spieler für den jeweils höchsten Bonuschip 12 Goldmünzen, wobei auch der Fünftplatzierte noch mit drei Münzen belohnt wird. Noch ausliegende Kanus werden einfach gewertet, isolierte Einzelkärtchen bringen Minuspunkte. Der Trapper mit dem meisten Geld gewinnt nach meist zügigen dreißig bis fünfundvierzig Minuten.
Die ausführliche Regel sieht noch eine einfache Variante für jüngere Spieler vor, in der die Bonusplättchen wegfallen und der Zugang über die Wasserseite erlaubt wird. Hochkarätiger ist die taktische Variante, in der um das Zugrecht mit den Farbkarten gesteigert wird. Bei dieser Variante, in der jeder Einzelzug zur Versteigerung kommt, muss deutlich mehr Zeit mitgebracht werden.
Die Beutekarten sind stabil, auch das Geld und die Bonusplättchen sind aus solider Pappe. Bei Kunstlicht sind die Tiere nicht alle immer eindeutig zu unterscheiden, zumindest bei den ersten Partien sollte man sich auf Verwechslungen von Luchsen und Wölfen einstellen. Unverständlich bleiben die Verlagsüberlegungen für den Schachteleinsatz, der zwar das unausgestanzte Pappmaterial sinnvoll aufnehmen konnte, mit dem man aber mit allen 64 Beuteplättchen nichts mehr anfangen kann. Sofortige Entsorgung ist hier zu empfehlen.
TRAPPER ist mit seinem Sammelelement ein grundsolides Familienspiel. In gewisser Hinsicht lässt sich die Jagdbeute steuern, das gilt vor allem beim Spiel zu zweit, deutlich weniger allerdings in voller Spielrunde. In beiden Fällen sind die Spieler aber letztlich von ihrer Kartenhand abhängig. Interaktion spielt keine allzu große Rolle in dem Spiel. Die Spieler versuchen sich natürlich, die notwendigen Kanus und die hochwertigen Tiere wegzunehmen. Nicht zu unterschätzen sind die Zuladungen durch Pilze oder Kräuter, mit denen man hochwertige Bonusplättchen ergattern kann. Wie bei Hajo Bückens Aufdeckspiel aus dem Jahre 1983 macht es auch den Trappern Spaß, in den Wald vorzudringen und die Freude ist groß, wenn der Bär gefunden wird. Bei Kramer und Kiesling natürlich nur der Bär mit vier Punkten, kommt danach noch ein 5er Pilz, herrscht eitel Sonnenschein. Wer sich nicht an den Zufälligkeiten stört, erlebt ein recht unterhaltsames Jagdabenteuer.
Titel: TRAPPER
Verlag: Clementoni
Autoren: Michael Kiesling, Wolfgang Kramer
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 - 60 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 22/2007 R189/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Mit MOGELEI UND ZÜNDSTOFF war Michael Kiesling einmalig auf der Spiel in Essen mit seinem 1x1-Verlag 1995 präsent. Zwei Jahre später begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Wolfgang Kramer, zuerst mit HASTE WORTE (F.X. Schmidt) später folgten die Spiele des Jahres TIKAL und TORRES. Aktuell ist Kiesling mit AZUL (Spiel des Jahres 2018) und den Folgespielen erfolgreich unterwegs.
Beide Autoren arbeiten aber auch eng mit dem neuen Verlag Deep Print zusammen, wo sie RENATURE und SAVANNAH PARK veröffentlicht haben.
Das Bild zeigt beide Autoren 1999 bei der Preisverleihung beim Deutschen Spielepreis für TIKAL.
Das Spiel besitzt eine Wertung von 6,1 auf BGG (Stand 19.10.) und ist auf Rang 1724 bei den Familienspielen.
Donnerstag, 28. Oktober 2021
TIME'S UP!
TIME’S UP! toppt Tabu
Wer bisher bei Partyspielen auf die sichere Bank von TABU oder ACITIVITY gesetzt hat, sollte TIME’S UP! ab sofort mit in den Blick nehmen. Auf den ersten Blick werden Sie zwar sagen, simples Prominenten-Raten, was ist da schon dran? Sobald Sie aber in die zweite und dritte Runde von TIME’S UP! eingestiegen sind, werden Sie es nicht mehr missen wollen.
Vordergründig ähnelt Peter Sarretts Spiel den klassischen Vorbildern, da wird beschrieben, da wird begrifflich reduziert und nonverbal agiert. Bis zu vier Teams können gegeneinander antreten, die Regel schlägt maximal 12 Mitspieler vor, ich habe aber auch schon Runden mit mehr Spielern erlebt. Von den 418 Personenkarten werden 40 verteilt, zusätzlich erhält jeder Spieler zwei weitere Karten. Erst einmal müssen die Spieler entscheiden, ob sie eine Runde mit Namen auf der gelben oder blauen Hälfte der Karten spielen wollen. Danach darf jeder zwei seiner Karten aussortieren. Die restlichen 40 Karten, von denen die Beteiligten durch das Vorspiel schon einige kennen, bilden die Ausgangsbasis für drei spannende Raterunden.
Die Teams versuchen unter dem Zeitdruck einer schnell rieselnden Sanduhr so viele Prominente wie möglich zu erraten. Einer erklärt, die anderen raten. In der ersten Runde darf noch fleißig umschrieben werden, da helfen Stichworte wie „Die flambierte Frau“ bei Gudrun Landgrebe oder Kanzler und pfälzischer Saumagen bei Helmut Kohl. Die Karten müssen der Reihe nach abgearbeitet werden. Gespielt wird, bis alle 40 Persönlichkeiten erraten sind. Jedes Team erhält am Ende der Runde für jede erratene Karte Pluspunkte, zur Rekapitulation werden dabei alle Personenkarten noch einmal vorgelesen. Das erleichtert den Start in die zweite Runde, die sich auf eine Einwort-Beschreibung reduziert. Flambieren und Saumagen müssen nun ausreichen, um auf Landgrebe und Kohl zu kommen. Erneut treibt die Sanduhr an und die Mitstreiter stehen unter dem Druck, nur noch eine Lösung nennen zu dürfen. Der Stapel wird wieder ganz durchgespielt. Nach Verteilung der Punkte werden letztmalig die 40 Personen vorgelesen, um für die letzte fast nonverbale Runde gewappnet zu sein. Nun sind die pantomimischen Fähigkeiten der Präsentatoren gefragt, die lautmalerisch begleitet werden dürfen. Das Flammenspiel der Finger mag hier vielleicht Gedächtnisstütze für das Flambieren sein. Die Andeutung eines gewissen Körpervolumens führt eventuell zu dem Altbundeskanzler, vielleicht reicht auch ein Magendrücken. Nach dieser letzten Runde wird Bilanz gezogen und das Team mit den meisten Punkten gewinnt TIME’S UP!
Wer meint, dieser dreimalige Durchgang könnte langweilig werden, irrt gewaltig. Wer meint, dass bei vier Teams drei stets arbeitslos wären, irrt ebenso. Ohne Memoeffekt funktioniert das Spiel nicht. Deshalb sollte man schon aufpassen, welche Personen geraten und wie sie beschrieben wurden, denn die Erklärungen lassen sich oft gut für die Folgerunden verwenden. Dann reichen „Laterne“ für Zarah Leander und „Liebling“ für Manfred Krug.
Die Vorbehalte, die viele Spieler mit diesem Spielegenre haben, da die eigene Persönlichkeit, die eigene Kreativität stark gefordert wird, tendieren bei TIME’S UP! gegen null. Wer sich nicht so gut auskennt in der Welt der Stars und Sternchen, der Politiker und Sportler lernt von Runde zu Runde dazu. Zur Erstinformation gibt es auch (allerdings nicht ganz fehlerfreie) Kurzbiographien. In der zweiten und dritten Runde dürfen Personen übersprungen werden, so dass auch der pantomimische Teil leistbar wird, zumal 30 Sekunden schnell vorüber sind. Selten habe ich ein Spiel erlebt, dass Spielbegeisterte und Spielmuffel gleichermaßen schnell in seinen Bann zieht. TIME’S UP! ist für mich die No. 1 im Bereich der Partyspiele.
Titel: TIME’S UP!
Verlag: Pro Ludo
Autor: Peter Sarrett
Spieleranzahl: 4-12
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 35/2006 R188/2021 Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Peter Sarrett ist ein Spielerfinder aus dem Bundesstaat Washington. Bekannt wurde er vor allem mit vielen TIME’S UP Varianten. Die erste Ausgabe erschien 1999 bei R&R Games.
Das Spiel gewann viele Preise, war 2000 Mensa Select Winner und gewann den As d’Or 2006.
2013 erschien in Deutschland eine Repos-Ausgabe unter dem Titel SAG’S MIR.
Im BGG-Ranking liegt es mit einer Wertung von 7,3 auf Platz 24 bei den Partyspielen (Stand 19.10.).
Mittwoch, 27. Oktober 2021
SUMMERTIME
Cocktailbar und Hängematte
Nachdem mit Wintertime 2006/07 nicht viel war, dürfen wir uns, der Klimaerwärmung sei Dank, wahrscheinlich wieder auf eine heiße Sommerzeit einstellen. Wenn Sie die Urlaubsplanung diesmal in die Südsee führt, dann können Sie mit dem Spiel SUMMERTIME von Inka und Markus Brand sich schon kräftig auf Erholung, aber auch Urlaubsärger einstimmen.
Das Gummersbacher Ehepaar ist mit einem großen DINOSAURIER-SPIEL 2006 bei Kosmos erstmalig in Erscheinung getreten. 2007 treten sie hochkarätiger mit GUATEMALA-CAFÉ (Eggert Spiele) und DER GOLDENE KOMPASS (Kosmos) an. Vom Anspruch dazwischen angesiedelt ist das für zwei Spieler konzipierte taktische Legespiel SUMMERTIME, das auch bei Kosmos erschienen ist.
Sand, Palmen, Korallenriff, die Cocktailbar und Hängematte in Sichtweite, Urlaubsstereotype, die auf 34 Spielkarten daherkommen. Zwei davon erhalten beide Spieler zu Spielbeginn, die restlichen werden in drei Stapeln mit je zehn Karten für das Spiel vorbereitet. Drei Karten werden, den Stapeln jeweils zugeordnet, aufgedeckt und stehen zum Erwerb zur Verfügung. Die Kosten ergeben sich aus den Angaben auf den Kartenrückseiten der drei Kartenstapel. Bezahlt wird mit Naturalien, Korallen, Muscheln, Kokosnüssen, Brotfrüchten und Seerosen. Von dieser Inselwährung besitzen die Spieler zu Spielbeginn jeweils drei Einheiten, kleine Pappchips, die offen liegen. Jede Urlaubskarte kostet drei Chips, mit der Ausnahme der zehnten Karten ist die Verteilung der Kosten stets auf zwei Sorten beschränkt.
Abwechselnd dürfen die Spieler zwischen drei Aktionen wählen, sie dürfen eine der offen liegenden Karten kaufen, dafür müssen die geforderten drei Chips umgedreht werden. Eine erworbene Karte darf in eine Urlaubslandschaft von 5x6 oder 6x5 Karten ausgelegt werden, sie darf aber auch auf der Hand gehalten werden und im Laufe des Spiels mit maximal vier weiteren Karten punkteträchtig platziert werden. Ein Spieler, der nichts kauft, darf seine Urlaubskasse für weitere Einkäufe aufbessern und alle umgedrehten Chips wieder aufdecken. Zuletzt darf man auch einfach gar nichts tun und passen. Machen das beide Spieler hintereinander, werden die angebotenen Karten ausgetauscht.
Entscheidend für den Spielgewinn ist die geschickte Kartenauslage, bei der einige Bedingungen zu beachten sind. Grundsätzlich dürfen die Karten, sobald die erste gelegt ist, nur anliegend platziert werden. Weitere Legeregeln ergeben sich aus Bedingungen der Karten, die am oberen Rand einen Zahlenwert oder Multiplikationsfaktor tragen und oft weitere Abbildungen. Für Karten mit Abbildung gilt, dass sie passend angrenzend zu dem jeweiligen Bildmotiv gelegt werden müssen. Für das Ablegen der Karten erhalten die Spieler die angegebenen Punktwerte, die auf einem Zählplan sofort angezeigt werden. Wichtig sind dabei die Multiplikatorkarten, die meist eine Verdopplung manchmal aber auch Verdreifachung angrenzender Werte bringen.
Das Spiel endet, wenn keine Karten mehr gekauft werden können oder wenn die Kartenauslage vollständig gefüllt ist. Karten, die die Spieler dann noch auf der Hand haben, kosten jeweils fünf Siegpunkte. Wer am Ende auf der Zähltafel die Nase vorn hat, gewinnt nach dreißig durchaus vergnüglichen Minuten SUMMERTIME.
Das Kartenmaterial vermittelt eine etwas unterkühlte, verkitschte Urlaubsstimmung, die Pappchips zum Bezahlen sind solide, die große Zähltafel eine nette Dreingabe. Der Zugang zum Spiel fällt leicht, was nicht bedeutet, dass das Spiel selbst keinen Tiefgang besitzt. Da ist schon einiges zu berücksichtigen beim Kartensammeln, beim richtigen Nutzen der vorhandenen Auslage, beim Verbauen eben dieser und beim rechtzeitigen Reaktivieren der Tauschhandelsgüter. Das ist wie im richtigen Urlaub, wer mit seinen Handtüchern Liegeplätze zuerst belegt hat, kann sich danach beruhigt in die Sonne legen.
Titel: SUMMERTIME
Verlag: Kosmos
Autoren: Inka und Markus Brand
Illustration: Tanja Donner
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Min.
Preis: ca. 14 Euro
Spiel 21/2007 R187/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Die erfolgreichste deutsche Autorenfamilie Inka und Markus Brand (44 und 46 Jahre alt) mit ihren Kindern Emily und Lukas stammt aus Gummersbach. Markus ist der Sohn von Heiner Brand, dem ehemaligen Bundestrainer der deutschen Handballnationalmannschaft. Die Hochzeit gemeinsamer Freunde brachte die beiden als Tischpartner zusammen, später als Spielpartner in einer ersten Partie von Randolphs DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER. Die guten spielerischen Geister begleiteten von nun an ihre Beziehung, so dass sie bald nicht mehr voneinander lassen wollten.
Und davon profitierte die gesamte Spieleszene. Zu ihren ersten Veröffentlichungen gehörte SUMMERTIME. Die ersten Erfolge fuhren sie mit Kinderspielen ein, so mit den Nominierungen zum Kinderspiel des Jahres mit FLUSS DER DRACHEN (Kosmos 2008) und MONSTERFALLE (Kosmos 2011). Für eben dieses Spiel und BURG DER 1000 SPIEGEL (Kosmos 2009) gab es den Deutschen Kinderspielpreis.
Der erste große Erfolg kam mit VILLAGE (Eggert 2011) für das das Pärchen sowohl den Preis für das Kennerspiel des Jahres 2012 bekam als auch den ersten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Überragend läuft ihre EXIT-Reihe bei Kosmos seit 2017 (Kennerspiel des Jahres). Ausgezeichnet wurden daneben noch Spiele wie RAJAS OF THE GANGES (HUCH! 2017), WORD SLAM (Kosmos 2016) und MURANO (Lookout Spiele 2014).
Das Foto zeigt die Brands auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Montag, 25. Oktober 2021
IL PRINCIPE
Fürstlicher Machtkampf: IL PRINCIPE
Nach OLTRE MARE, dem erfolgreichen selbst verlegten zweiten Spiel von Emanuele Ornella, hat sich Amigo auch die Rechte des Nachfolgerspiels IL PRINCIPE verschafft. Der Mittelmeerhandel wird ersetzt durch einen vielschichtigen Machtkampf machiavellistischer Potentaten während der italienischen Renaissance. Rund um das Florenz der Medici agieren zwei bis fünf jugendliche oder erwachsene Fürsten, die die oberitalienischen Städte ausbauen und um politische und kulturelle Ämter kämpfen. Da streiten sich die Gonzaga aus Mantua mit den Carraresi aus Padua oder die Herzöge aus der Familie D’Este aus Ferrara mit den Visconti aus Mailand. Eine dieser Familien übernimmt jeder Spieler. Ausgestattet mit 12 Familienwappen und läppischen fünf Dukaten Startkapital starten die Spieler zu einem meist einstündigen anspruchsvollen Wettkampf.
Das Spiel läuft in vierphasigen Runden ab, die einem festen Ablauf unterworfen sind. Am Anfang bekommen die Spieler fünf Dukaten und ziehen vier Gebäudekarten, das können Universitäten, Kathedralen, Rathäuser, Schlösser oder Marktplätze sein. Zwei Karten müssen dann für die zweite Phase für eine Versteigerung zur Verfügung gestellt werden. Diese werden nach Anzahl geordnet und getrennt versteigert. Der Gewinner wird neuer Startspieler und darf sofort eine Stadt bauen, sofern er die Bedingungen für eine der vier ausliegenden Städtekarten erfüllt. Diese Stadtbaumöglichkeit gibt es auch in der dritten Spielphase, in der man alternativ auch Gebäudekarten einer Farbe auslegen darf.
Städtebaulich sind stets mehrere Gebäude gefordert und zusätzlich noch eine Geldinvestition. Wenn die Medici nach Florenz wollen, kostet sie das fünf Dukaten, zwei Universitätskarten und je ein Rathaus, Schloss und einen Marktplatz. Dafür dürfen sie aber zwei Wappen in an Florenz angrenzende Regionen ablegen und es gibt acht Siegpunkte, die auf der Siegpunktleiste angezeigt werden. Vom Städtebau können auch die Mitspieler profitieren, wenn sie über bestimmte Rollenkarten verfügen, die stets in der vierten Phase immer wieder neu zur Verteilung kommen. Für jede Gebäudeart gibt es Haupt- und Nebenrollen. So wird den Rathäusern die Hauptrolle des Magistrats und die Nebenrolle des Notars zugeordnet. Werden entsprechende Gebäude beim Städtebau benötigt, gibt es für die Hauptrolle zwei Siegpunkte und die Nebenrolle einen Punkt. Die Zuteilung dieser Rollenkarten folgt dem Mehrheitsprinzip ausliegender Gebäudekarten, bei Gleichstand muss um die Rollenkarten geboten werden. Nachteil der Hauptrolle ist dabei, dass sofort die Hälfte der Gebäude der entsprechenden Farbe aufgerundet umgedreht werden muss. Wer mit drei Karten gewinnt, verliert damit vorläufig zwei Karten. Mit jeder Rollenkarte ist eine bestimmte Fähigkeit verknüpft, die sofort genutzt werden kann. So gibt es Dukaten, Siegpunkte, Gebäudekarten, man kann aber auch verdeckte Karten umdrehen oder ein Wappen in eine beliebige Region legen.
Das Spiel endet entweder, wenn zu Beginn einer neuen Runde keine vier Stadtkarten mehr zur Verfügung stehen, oder wenn die Anzahl der Gebäudekarten für das Ziehen in der ersten Phase nicht ausreicht. Im ersten Fall endet das Spiel sofort, im zweiten Fall gibt es noch das obligatorische Rundengeld, aber keine Gebäude. Für die Versteigerung in Phase 2 werden die notwendigen Gebäude dann vom Reststapel gezogen und die Runde wird zu Ende gespielt. Sollten diese Karten auch nicht ausreichen, endet das Spiel natürlich vorher. In jedem Fall kommt es noch zu einer Schlusswertung, in der die Siegpunkte für Mehrheitsverhältnisse der Wappen in den sechs Regionen von besonderer Bedeutung sind. Wer die Mehrheit hat, erhält fünf Punkte, der zweite Platz bringt noch zwei Punkte. Außerdem gibt es noch weitere Punkte für die Rollenkarten, für fünffarbige Sets von Gebäudekarten, wobei hier auch verdeckte Karten mit gewertet werden dürfen, Siegpunkte für die meisten Dukaten und die meisten Handkarten.
Trotz seiner vielschichtigen Vernetzung ist IL PRINCIPE kein kompliziertes Spiel. Der Ablauf der Spielphasen ist schnell verstanden, nur die Verteilung der Rollenkarten und die Nutzung der jeweiligen Sondereffekte erscheint etwas aufwändig. Spätestens nach dem ersten Eingewöhnungsspiel, läuft alles zügig und schnell im Stundenrhythmus ab. Dabei muss man die Siegpunktskala stets im Blick behalten. Einerseits werden die Punkte nämlich sehr kleinschrittig gesammelt, das ist auch am Ende so, andererseits sollte man deshalb besonders die großen Wertungen beim Städtebau und bei den Wappen in den Regionen nicht vergessen.
Beim Kampf um die Rollenkarten sind Marktplätze und Schlösser besonders zu beachten, da sie Wappenablage und Geld bringen. Die Privilegien erhält man ebenfalls aus der zweiten Position, die zudem keinen Kartenverlust bringt. Auch das ist spieltaktisch zu berücksichtigen, wobei man immer daran denken muss, dass leider in dieser Phase wieder Geld im Versteigerungsfall benötigt wird. Im Zeitalter der Renaissance haben die Adelsvertreter der im Spiel vertretenen Familien mit Geld nur so um sich geworfen, das funktioniert im Spiel leider nicht. Im Geldbeutel herrscht Ebbe. Mit dem Problem haben aber alle zu kämpfen, Meister Schmalhans greift allen in die Taschen. Wer es etwas großzügiger haben möchte, kann die Spielvariante nutzen, bei der es zehn Startdukaten und sechs Rundentaler gibt. Aber auch das relativiert sich durch die Versteigerungsrunden. Amigo hat das Mehrheitenspiel gut umgesetzt und bietet es äußerst preisgünstig an, so dass es nur heißen kann: Unbedingte Kaufempfehlung!
Titel: IL PRINCIPE
Autor: Emanuele Ornella
Verlag: Amigo
Spieler: 2- 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Spiel 11/2007 1996 R176/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und dem Autor:
Der in Padua lebende 49jährige Italiener Emanuele Ornella ist Spieleerfinder und Softwareentwickler. Seine Autorentätigkeit startete er im Eigenverlag Mind the Move 2003 mit FANTASY PUB, es folgten die erfolgreichen Spiele OLTRE MARE (2004) und IL PRINCIPE (2005), die beide Amigo in Deutschland lokalisierte.
Erfolgreich war Ornella außerdem mit dem Kartenspiel BYZANZ (Amigo, 2008), mit dem er auf dem zweiten Platz beim kartenspielpreis der Fairplay landete. Für PIONEERS (Queen Games 2017) zeichnete ihn die Jury Spiel des Jahres mit einem Platz auf der Empfehlungsliste 2018 aus.
IL PRINCIPE wird mit über 1200 Wertungen mit einer Note von 6,4 auf Rang 3168 im BGG-Ranking (Stand 01.10.21) geführt.
Sonntag, 24. Oktober 2021
CONQUEST
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: CONQUEST
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
CONQUEST
Der amerikanische Spieleautor Donald Benge verdiente sein Geld mit seltenen Münzen. Sein 1972 veröffentlichtes Strategiespiel CONQUEST war nur ein Zuverdienst. Nebenbei war Benge sportlich aktiv, so konnte er sich mehrmals für das amerikanische Seniorenteam im Fechten qualifizieren.
Duell-Charakter trägt auch die ursprüngliche Auseinandersetzung in seinem Eroberungsspiel CONQUEST. Im Grunde genommen eine SCHACH-Variante, die den Kriegsspielcharakter betont mit Soldaten, Elefanten, Streitwagen, Reitern, großen und kleinen Schiffen, die um zwei Inseln kämpfen, deren Hauptstädte es zu erobern gilt.
Die Strategie ergibt sich aus einer optimalen Planung der Bewegung der Figuren, die nicht wechselseitig erfolgen, sondern über 20 Bewegungspunkte abgewickelt werden. Die zehn Soldaten dürfen beispielsweise nur zwei Felder weit ziehen, die Elefanten und Reiter sechs Felder. Streitwagen und Galeonen kommen acht Felder weit, kleinere Schiffe nur sechs. Das Interessante sind die Transportmöglichkeiten, die beispielsweise die Soldaten ganz schön weit bringen. So nehmen die Elefanten bis zu zwei Soldaten mit. Beide Schiffsarten transportieren auch Elefanten mit Soldaten, aber auch Ritter oder Streitwagen oder ein oder zwei Soldaten. Die Soldaten ähneln den Bauern im SCHACH, die Reiter den Springern, denn sie dürfen zumindest eigene Figuren überspringen. Geschlagen wird ebenfalls wie beim Klassiker, man zieht auf das entsprechende Feld des Gegners, allerdings sind die Elefanten für die Soldaten zu mächtig und der Gegner darf sofort kontern, auch wenn er nicht am Zug ist, sodass Bauernopfer eine ganz neue Qualität erhalten.
CONQUEST ist deutlich vielschichtiger als man anfangs denkt, die Planungen zwischen Angriff und Verteidigung bereiten viel Vergnügen. Vor allem die Bewegungsoptionen durch die Flotte sind nicht zu unterschätzen, auch die Entscheidung für 20 Bewegungspunkte lassen viel zu. Aufs exakte Zählen genau dieser Punkte muss man aber achten. Hilfen dazu bietet das Spiel nicht an.
Neben der Version für zwei Spieler hat Benge in den 80ern eine Variante für vier Spieler entwickelt, außerdem ein CONQUEST PLUS mit Katapulten und Belagerungsmaschinen. Diese Ausgaben erschienen bei Hexagames. CONQUEST gehörte zu den Spielen, die die Firma von Bütehorn übernahm.
GRAND CONQUEST, das Benge kurz vor seinem Unfalltod 2007 noch entwickelt hat, ein Spiel mit Kamelen und Burgen mit Zugbrücken erschien bei Numbskull Games. Benge erfand auch eine Schachvariante namens QUEST CHESS, die auf Prinzipien von CONQUEST basiert.
Titel: CONQUEST
Autor: Donald Benge
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 55.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 43 – S43/2021
Samstag, 23. Oktober 2021
PUZZLE MEMO UNENDLICHER OZEAN
Aus dem Dschungel in den Ozean: PUZZLE MEMO UNENDLICHER OZEAN
Vor zwei Jahren überzeugten Günter Burkhardt und Florian Biege zusammen mit den Drei Hasen in der Abendsonne, durch ein neues Spielkonzept das die klassischen Elemente von MEMO und PUZZLE zusammenführte. Die Kinderjury war 2020 angetan vom PUZZLE MEMO und würdigte die Idee mit einem Platz auf der Empfehlungsliste.
Autor und Grafiker entführen uns in der aktuellen Version vom PUZZLE MEMO vom Dschungel in den Ozean. Am grundsätzlichen Konzept hat sich nichts geändert, kleinere Regeländerungen sorgen aber für noch mehr Pfiff.
Wieder kommt erst mit der Zeit Farbe ins Spiel, Licht in das Dunkel des Meeres. Anfangs sehen wir nur die Meerestiere im 8x5-Raster über und unter Wasser mit ihren blauschattierten Umrissen.
Burkhardts Dreh bei der Verbindung der Spielelemente MEMO und PUZZLE besteht darin, dass alle Puzzleteile verdeckt unterhalb des Ozeanplans ausliegen und damit kommt er zu seiner ergänzenden MEMO-Komponente. Da die Teile nur von unten nach oben, orthogonal passend, ins Wasser Farbe bringen, müssen aufgedeckte Plättchen, die anfangs nicht passen, über dem Spielplan verdeckt abgelegt werden. Wer am Zug ist, ein passendes Teil findet, darf sofort weitermachen und stets auch die oberen Karten nutzen. Wer sich die Positionen gut merkt, findet vielleicht das letzte Teil eines Tieres, das aus bis zu vier Kärtchen zusammengesetzt sein kann. Diese Vervollständigung ist entscheidend, denn sie bringt Punkte auf der Sandleiste um den Spielplan. Wer dort am Ende die Nase vorn hat, gewinnt das PUZZLE MEMO. Die Spielfiguren, die dort wandern, sind kleine Holzhütchen, die sich übereinander stapeln lassen. Wer Glück hat, wandert huckepack weiter, nur Stolpertang verhindert zu langes Mittragen.
Wie schon in der ersten Fassung gibt es unter den Puzzleteilen Sonderkärtchen. Ein Fischernetz beendet sofort den Spielzug, weitere Kärtchen wirken sich auf die Positionen der Punkteleiste aus und die Schatztruhe bringt einen zusätzlichen Zug.
Kleine Regelverbesserungen sorgen für etwas Beschleunigung und eine stärkere Grundbelohnung, so starten alle mit dem Aufdecken eines beliebigen Plättchens und jedes dann passende wird schon mit einem Schritt auf der Zählleiste belohnt. Wird ein vollständiges Tier von Nachwuchs begleitet, gibt es einen zusätzlichen Punkt. In der Turbovariante für ältere Kinder spielen Muschelkarten mit, die eine doppelte Wette auf das Abschlussplättchen eines Tieres ermöglichen. Hat man recht, wandert man die doppelte Punktzahl voran. Wer falsch aufdeckt, dessen Muschelkarte verfällt.
PUZZLE MEMO UNENDLICHER OZEAN gefällt mir durch die neuen Regeln noch besser als die erste Fassung. Wieder überzeugen die wunderschönen Grafiken von Florian Biege und die handlichen Holzhütchen der Drei Hasen aus Uehlfeld. Wer mag, kann auch einiges über die vorkommenden Tiere erfahren, so den Gefleckten Adlerrochen mit seinem giftigen Stachel oder den Clownfisch, der zuerst durchweg männlich ist. Die Details machen stets das Besondere der Spiele der Drei Hasen in der Abendsonne aus, so war mir die Vormännlichkeit und der Geschlechtswechsel der bunten Clownfische bisher entgangen. Burkhardts Verbindung klassischer Spielelemente zu einer neuen Spielform trägt immer noch.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PUZZLE MEMO UNENDLICHER OZEAN
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Florian Biege
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne
Spieler: 2-4
Alter: ab 5 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 23 Euro
Spiel 67/2021
Freitag, 22. Oktober 2021
SEENOT IM RETTUNGSBOOT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Endlich wieder möglich: Basisdemokratie im Spiel
13 Jahre nach dem ersten Untergang der Santa Timea geistert sie wieder über die Weltmeere, optisch aufgepeppt mit deutlich größeren Rettungsbooten ausgestattet, aber ohne die alte Abstimmungstafel. Ronald Wetterings 1993 von Walter Müller herausgegebenes Verhandlungsspiel RETTE SICH WER KANN steht als SEENOT IM RETTUNGSBOOT, diesmal von Roman Mathar im Argentum Verlag herausgegeben, wieder zur Verfügung. Wetterings Spiel und das geniale INTRIGE von Stefan Dorra haben damals eine heiße Diskussion um die „gemeinen Spiele“ ausgelöst, die sogar zu einer Podiumsdiskussion auf der Spiel in Essen führte. Darf es Spiele geben, die das Gegeneinander real im kommunikativen Schlagabtausch am Spieltisch austragen? Darf es Spiele geben, die ohne Würfel- und Kartensteuerung, sondern basisdemokratisch, Aug in Aug zum Scheitern und Ausscheiden von Spielern führen? Darf es Spiele geben, in denen Sympathie und Antipathie konkrete Spielauswirkung haben?
Die Jury „Spiel des Jahres“ ignorierte 1994 bewusst diesen Trend und ging dabei an den oben genannten Spielen und dem knallharten CAPONE (Amigo) vorbei. Ein seichter Kompromisskandidat war da noch das inzwischen lang vergessene KOHLE, KIES UND KNETE von Sid Sackson. Was die Spielefreaks mochten und, ich bin sicher, immer noch mögen, spiegelte der Deutsche Spielepreis 1994 deutlich besser wider. Nicht nur das dort an Platz 1 mit 6 NIMMT! das mit Abstand beste Spiel dieses Jahrgangs gekürt wurde, auch die gemeinen Spiele kamen mit dem zweiten (CAPONE), vierten (INTRIGE) und fünften Platz (RETTE SICH WER KANN) zu ihrem Recht. Auf den dritten Platz kam im übrigen das damalige „Spiel des Jahres“ MANHATTAN.
Lassen wir also die Santa Timea genüsslich wieder sinken und unsere Matrosen Platz in den Rettungsbooten suchen. Jeder der drei bis sechs Spieler lässt ein Rettungsboot zu Wasser, wobei die Santa Timea sogar so gut ausgestattet ist, dass ein zusätzliches Rettungsboot zur Verfügung steht. Das brauchen wir auch, denn unsere zwei Steuermänner und vier Matrosen finden zwar anfangs noch genügend Platz in den großen sechssitzigen Holzbooten, aber im Laufe des Spiels wird es eng in den Booten.
In jeder Spielrunde bekommt ein Boot ein Leck, es geht damit zwar noch nicht unter, aber ein Sitzplatz wird durch einen blauen Lochstein belegt und steht nicht mehr zur Verfügung. Die Entscheidung über das Leck erfolgt basisdemokratisch, nach ausführlicher Diskussion, mit Hilfe von Abstimmungskarten. Je nach Interessenlage und aktueller Bootsbesatzung gibt es immer wieder neue Konstellationen, wechselnde Partnerschaften, langfristige Versprechungen, die leider nicht eingehalten werden müssen. Das Boot mit den meisten Stimmen erhält das Leck, bei Gleichstand entscheidet der Startspieler. Dreimal im Laufe des Spiels kann jeder Spieler versuchen mit Hilfe einer Kapitänskarte, die Entscheidung in seine Richtung zu lenken. Das Problem ist allerdings, dass diese Karte nur wirksam wird, wenn nicht ein anderer Mitspieler auf die gleiche Idee kommt, dann neutralisieren sich die Karten.
Sollte noch Platz im Boot sein, ist ein Leck unproblematisch. Reicht der Platz aber nicht mehr aus, stimmt die Bootsbesatzung darüber ab, wer von Bord muss. Dabei zählen die Steuerleute doppelt. Auch bei dieser Abstimmung darf die Kapitänskarte eingesetzt werden. Sobald die Löcher in einem Boot die Anzahl der Seeleute übertreffen, helfen auch keine Abstimmungen mehr, da geht das Boot mit Mann und Maus unter.
Einerseits müssen die Matrosen in ihren leckenden Booten kräftig Wasser schippen, andererseits haben sie in gar nicht allzu weiter Entfernung drei rettende Inseln vor Augen. In jeder Spielrunde kommt ein Boot nach erfolgter Abstimmung diesen Inseln einen Wellenberg näher. Landen die Seeleute schließlich auf einem Eiland, bringen sie für die Schlusswertung Punkte, wobei die beiden äußeren Inseln lukrativer sind als die mittlere. Sobald ein Boot vorangekommen ist, haben die Spieler noch die Möglichkeit, die Boote zu wechseln. Beginnend mit dem Startspieler darf jeder eine Figur aus einem Boot nehmen und umsteigen lassen. Das Problem dabei ist, dass das Einsteigen in die Boote in der umgekehrten Reihenfolge durchgeführt wird. Da bleibt der Startspieler häufig auf der Strecke, denn er darf nicht in das Boot zurück, aus dem er ausgestiegen ist. Es ist nicht schwer für die Mitspieler, wenn nicht taktische Überlegungen oder eingehaltene Absprachen dagegen sprechen, ihre Wechsel innerhalb ihrer Boote so vorzunehmen, dass die Startspielerfigur aus dem Spiel genommen werden muss. Durch das Wechseln können Boote auch untergehen, aber immer erst, wenn die Umstiegsphase abgeschlossen ist. Sobald diese drei Spielphasen vorbei sind, wechselt der Startspieler und ein neues Boot bekommt ein Leck. Wenn alle Boote entweder gesunken oder sicher gelandet sind, endet das Spiel. Wer die meisten Punkte bei der Rettung seiner Steuerleute und Matrosen erreichen konnte, gewinnt nach meist 90 aufreibenden Minuten eine Partie SEENOT IM RETTUNGSBOOT.
Wetterings Spiel hat nichts von seinem Verhandlungsflair verloren. Damals wie heute gilt aber auch, dass man zu dritt das Spiel vergessen kann. Seinen eigentlichen Reiz entfaltet SEENOT IM RETTUNGSBOOT in großen Spielrunden, die Spaß am Verhandeln haben. Wenn heute immer wieder Interaktion im Spiel gefordert wird, die wir meist nie eingelöst vorfinden, in Wetterings Spiel haben wir sie pur. Alle sind ständig beteiligt, einbezogen, über und unter dem Tisch. Jeder ist sich selbst der nächste, aber ständig auf die anderen angewiesen. Klar, man muss solche Spiele mögen und nicht alle tun dies. Für mich gilt aber das alte Lied von Hans Albers „Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise“, auf die Reise mit der Santa Timea.
Argentum sei Dank, dass Wetterings Idee gerettet wurde. Es ist zu hoffen, dass das Spiel nicht so schnell wieder untergeht, wie das damals im Walter Müller Verlag geschah.
INTRIGE lebt auch weiter, seit 2003 in einer Kartenspielvariante von Amigo. CAPONE ist leider nicht mehr auf dem Markt, kommt in meinen Spielkreisen aber immer wieder auf den Tisch, vielleicht sieht hier auch bald ein Verlag in diesem Spiel „ein Angebot, das man nicht ablehnen darf!“
Titel: SEENOT IM RETTUNGSBOOT
Verlag: Argentum Verlag
Autor: Ronald Wettering
Grafik: Matthias Catrein
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 12 Jahre
Dauer: ca. 90 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 19/2007 R185/2021
Die Rezension erschien 2007 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
RETTE SICH WER KANN ist das erste und erfolgreichste Spiel des 62jährigen Sozialpädagogen Ronald Wettering. Danach erschienen noch neben der Neuauflage LOCH NESS (Hans im Glück 2010) und BITE NIGHT (Zoch 2014).
Wettering lebt auf Korsika und bietet dort Ferienwohnungen und Bergtouren durch die felsigen Küstenregionen der Westküste an. (http://www.villa-liamone.com/maewand.htm)
Auf BGG wird sein Spiel mit einer Wertung von 6,6 auf Rang 480 bei den Familienspielen geführt (Stand 04.10.21). Inzwischen ist auch der Argentum Verlag untergegangen und das Spiel gibt es nur noch antiquarisch.
Montag, 18. Oktober 2021
PAJONK
PAJONK
Die taktischen Schmankerl von Hiku Spiele kommen seit neuestem in einer Sperrholzkiste daher, darin ein Ledersäckchen, das alles Notwendige enthält: den auf dem Leder gedruckten Spielplan und die Hiku üblichen Halbedelsteine als Spielmaterial. Der Berliner Autor Hartmut Kommerell veröffentlicht mit PAJONK nach SQUAREDANCE und dem raffinierten PENKI erneut ein kleines abstraktes Taktikspiel für zwei Personen bei dem Verlag aus dem pfälzischen Ziegenhain.
Die meisten Hiku-Spiele zeichnen sich durch kurzes Regelwerk und beachtliche Spieltiefe aus. Der Spielplan ähnelt einem RADMÜHLE-Spiel. Das mir vorliegende kleine PAJONK (es gibt auch eine große Fassung) besteht aus drei konzentrischen Kreisen. Das Spiel wird auf den Schnittpunkten der Kreis- und weiterer drei Durchmesslinien gespielt, die das Feld in sechs Segmente einteilen. Das Besondere dabei ist, dass nicht alle Kreuzungspunkte für das Spiel aktiviert sind, so darf nicht auf dem Kreismittelpunkt gespielt werden, außerdem gibt es auf jedem Kreissegment ein Feld, das nicht bespielt wird. Dadurch spielt sich PAJONK nur auf 15 Feldern ab. Jeder Spieler besitzt sieben Spielsteine, die über eine Startaufstellung alle sofort im Spiel sind. Maximal zwei Steine stehen so in direkter Verbindung zueinander, wobei die vier nicht aktivierten Felder Verbindungen unterbrechen. In PAJONK geht es darum, die Spielsteine einer Farbe miteinander zu verbinden. Dazu ziehen oder tauschen die Spieler abwechselnd ihre Halbedelsteine. Entweder darf ein eigener Stein auf das freie 15. Feld gezogen werden oder zwei verschiedenfarbige Steine dürfen ihre Position auf einem Kreisdurchmesser oder einer Kreislinie tauschen, dies allerdings nur dann, wenn dort eine eigene Farbdominanz vorliegt.
Mehr Regeln gibt es nicht, trotzdem läuft jede Partie immer wieder äußerst spannend und knapp ab. Bei PAJONK ist besonders zu beachten, dass das Zusammenbringen eigener Steine meist auch dem Gegner hilft. Von entscheidender Bedeutung sind die nicht aktiven Felder, die zur Blockade wichtig sind. Durch die festgelegte Startaufstellung gilt es, gleich am Anfang mit höchster Aufmerksamkeit zu spielen, sonst kommt es wie beim Schach zu einer Schäferzugsituation und die Runde ist nach zwei Minuten vorbei. Damit die Startzüge nicht zu stereotyp werden, sollten sich die Spieler nach den ersten Runden von der Grundaufstellung lösen und die Steine abwechselnd ins Spiel bringen, wobei der nachziehende Spieler sich nach Platzieren der Steine die Spielfarbe aussuchen sollte.
Wenn man die Holzkiste zu Hause lässt, passt das kleine Spiel in jede Hosentasche und kann zu jeder Zeit schnell für eine nette Pausenunterhaltung hervorgeholt werden. PAJONK ist damit ein echtes Zwischendurchspiel, praktisch, mit Anspruch und ästhetischem Wert. Was will man mehr!
Titel: PAJONK
Verlag: Hiku Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 10 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 15/2007 1996 R181/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Für HiKu hat Kommerell rund zehn Spiele veröffentlicht. PAJONK wird im Augenblick (03.10.21) mit einer Wertung von 7,3 auf BGG geführt.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2008 am Stand von HiKu mit Susanne Hiegemann und seiner damaligen Neuheit BABBELA.
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