
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielesammlung von Steffen Mühlhäuser
Holz ist das typische Spielmaterial, aus dem Steffen Mühlhäuser immer wieder überraschende Spielideen zaubert. Da dienen Bambusstäbchen als Feldbegrenzung in dem taktischen Laufspiel LINJA, da wird mit Holzquadraten oder Sechsecken taktisch gespielt, da liefern 60 bunte Holzscheiben in COLOMO eine ganze Spielesammlung mit zwölf verschiedenen Ideen. Ganz in dieser Tradition steht STIX, das neueste Spiel des Autors und Verlegers Mühlhäuser. 40 lange Hölzchen und zehn kurze, außerdem vier Spielfiguren und eine Pappscheibe reichen ihm für die Entwicklung von drei ganz unterschiedlichen Spielen. Alles verpackt in einer kleinen quadratischen Schachtel, die erstaunliche Spielunterhaltung liefert.
Da haben wir einmal den kreativen Spielanteil in PICASSO. Hier dienen die Holzstäbchen der Begriffsbildung. Ein Hölzchenleger baut Stöckchen für Stöckchen einen ausgedachten Begriff auf, wobei die Mitspieler ständig ihre Vermutungen äußern dürfen, was aus dem Holz-Code entstehen könnte. Wird der Begriff erraten, bevor das sechste Hölzchen gelegt wurde, gibt es drei Hölzer zur Belohnung, bis zu zehn Hölzern zwei und danach noch ein Holzstäbchen. Durch die Honorierung reduziert sich die Anzahl der Hölzer, sobald kein Bild mehr gelegt werden kann, endet das Spiel.
Da die Begriffe wie in ähnlichen Spielen nicht durch Karten vorgegeben werden, müssen die Spieler ehrlich bleiben und sich nicht ständig neue, noch zur Auslage passende Begriffe ausdenken. Zur Sicherheit kann der zu legende Begriff auch vorher aufgeschrieben werden.
Bei der Spielvariante FLIPPER baut Mühlhäuser auf die Geschicklichkeit der Spieler. Die meisten werden sich in einer Kneipe schon am Bierdeckelstapeldrehen versucht haben. Ähnliches verlangt das Flipper Spiel: Ein langer Holzstab, auf dem flachen Handteller liegend, wird Richtung Pappscheibe geschleudert. Dazu schlägt man mit der richtigen Dynamik gegen die Unterseite einer Tischplatte. Landet das Hölzchen neben der Zielscheibe, bleibt es liegen. Landet es halb im Zielbereich, darf der Spieler zwei herumliegende Hölzer an sich nehmen. Fünf gibt es sogar für den eher seltenen Fall, dass das Holzstäbchen exakt auf der Scheibe landet. Immer dann, wenn ein Hölzchen im Umfeld oder auf der Scheibe auf einem anderen Holzstab landet, gewinnt man beide Hölzer zusätzlich. Etwas Übung ist nötig, dann erweist sich FLIPPER durchaus als kneipentauglich.
Ein typischer Mühlhäuser ist die letzte Spielvariante, die er AL CAPONE nennt. Ein schnelles Abbauspiel für zwei bis vier Spieler. Aus den 40 langen Hölzchen wird ein 5 x 5 Felder großes Spielfeld ohne Außenbegrenzung gelegt. Die Spiele setzen reihum ihre Spielfiguren in ein Spielfeld. Wer am Zug ist, darf seine Figur orthogonal über maximal drei Hölzchen hinweg bewegen. Alle übersprungenen Hölzer werden dabei eingesammelt. Dadurch entstandene Lücken dürfen von nachfolgenden Spielern ebenfalls übersprungen werden wie fremde Spielfiguren. Allerdings dürfen Hölzer, die direkt vor oder hinter einer übersprungenen Figur liegen, nicht eingesammelt werden. Wer keine Hölzchen mehr erreichen kann, ist zugunfähig und scheidet aus. Sobald kein Spieler mehr ziehen kann, endet das Spiel, das natürlich von dem gewonnen wird, der die meisten Hölzer sammeln konnte.
Klein verpackt, überall mit hinnehmbar, liefert Steffen Mühlhäuser mit seinen Hölzchen und Figuren abwechslungsreiche Spielvergnügen. Es erreicht zwar noch nicht die Vielfalt von Spielideen wie in COLOMO, aber was noch nicht ist, kann durchaus noch werden, so lässt sich ganz simpel mit den Hölzchen natürlich auch knobeln. Wer das kurzweilige Buch STREICHHOLZSPIELE von Sophus Tromholt besitzt , das schon im vorletzten Jahrhundert erschienen ist und seitdem bis in unsere Tage in vielfältigen Ausgaben herausgegeben wurde, findet dort schier endlose Anregungen für das Spielmaterial von STIX.
Titel: STIX
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Steffen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 5-15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 9/2008 R204/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Hölzchenspiel STIX wird auf BGG mit einer 5,5 bewertet, allerdings haben nur 12 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 mit dem im Text erwähnten COLOMO in Essen.