Mittwoch, 17. November 2021
RAMSES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Florian Isensee, Oldenburger Buchhändler und Verleger, liebt das Genre der Kartenspiele mit historischem Hintergrund. Da kann er mit überschaubarem Kartenmaterial seine Spieler in Historie eintauchen lassen und jenseits des klassischen Stichspiels Spielabenteuer entwickeln, die alle ihren besonderen Reiz haben. Als Isensee I. hat er sich auf EXPEDITIONEN ZU DEN MAYASTÄTTEN aufgemacht, Isensee II. focht mit den MUSKETIER(en) IM AUFTRAG DER KÖNIGIN, ganz aktuell ist Isensee III. im Museumsauftrag hinter RAMSES hinterher und versucht in einem „Wettlauf um die Reichtümer Ägyptens“, eine opulente und publikumswirksame Grabschatzausstellung ägyptischer Kunst rund um Tutanchamun und Nofretete zusammenzustellen.
Nicht nur optisch das Auffälligste der bisherigen drei Spiele des Buchverlegers aus Oldenburg , aus spielerisch bietet er anspruchsvolle Kost. Isensee versetzt seine Spieler in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Carter hat gerade das sagenhafte Grab Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt und damit einer Ägyptomanie in Europa und den Vereinigten Staaten ausgelöst. Die großen Museen wetteifern um den ersten Rang mit eindrucksvollen Ausstellungen.
Zwei bis vier angehende Museumsdirektoren, die mindestens im gehobenen Grundschulalter sein sollten, suchen nach 15 Altertümern, die in der ägyptischen Abteilung des Louvre präsentiert werden sollen. Die Ausstellungsfläche ist allerdings beschränkt. Streng wacht die Sphinx des Königs Amenemes II. aus der 12. Dynastie darüber, dass die 4200 Quadratmeter große Fläche nicht überschritten wird; Zugeständnisse macht sie nur bei den Längen- und Seitenverhältnissen, die 60x70 Meter, aber auch 70x60 Meter groß sein dürfen.
Für die Ausstellung kommen Ausstellungsgegenstände in Frage, die aus drei Karten senkrecht oder waagrecht zusammengesetzt werden können, wobei jeweils zwei Objekte insgesamt viermal vorhanden sind. Die Nofretete bleibt wie in der realen Welt einmalig. Zwei Objekte mit vier Karten sind jeweils doppelt vorhanden, Das gilt auch für die Goldmaske Tutanchamuns, die aus sechs Karten im Format 2x3 gebildet wird. Wegen diesen Objektkarten die von drei unterschiedlichen Stapeln gezogen werden, gibt es noch zwei rare Karten, die einen Skarabäus zeigen, der Jokerfunktion besitzt, und acht Handelskarten. Die Joker werden in beide Kartenstapel gemischt, die überwiegend 4er und 6er Kunstwerke enthalten, die Handelskarten liegen daneben aus.
Die Spiele starten mit jeweils einer Karte von den drei stapeln, so dass jeder meist eine 3er, 4er und 6er Karte besitzt. Reihum haben sie verschiedene Optionen. Sie starten mit einer sogenannten „Ankaufphase“, in der sie einen neue Kunstwerkkarte ziehen oder sich eine Handelskarte nehmen. Wählen Sie die zweite Option, eröffnen Sie sofort eine verpflichtende Handelsphase, der sich kein Museumsleiter entziehen darf. Der Spieler, der die Karte gezogen hat, darf in jedem Fall einen Handel ausführen, alle weiteren dürfen freiwillig in dieser Phase untereinander handeln. Die Aktion selbst ist Regeln unterworfen. Alle müssen für die Handelsphase zwei Karten zur Verfügung stellen, von denen eine offen die andere verdeckt gelegt wird. Getauscht wird immer das Gesamtpaket, wobei der Handel des auslösenden Spielers nicht abgelehnt werden kann. Wer durch die Ankaufphase oder den Handel in der Lage ist, die Ausstellung vorzubereiten, darf anschließend Karten auslegen, wobei 3er Objekte direkt in der Ausstellungsfläche platziert werden, größere Objekte müssen dagegen mit mindestens drei Karten in die vorbereitende Auslage für jeden Spieler gehen. Außerdem dürfen in dieser Phase auch Handelskarten in die Museumsausstellung gebracht werden. Dadurch lassen sich Räume verengen, sodass der Platz für große Objekte vermindert wird. Schließlich kann noch eine Handkarte verschenkt und die Kartenhand auf vier Karten ergänzt werden. Falls ein Spiele am Anfang keine Handelsphase ausgelöst hat, darf er dies am Ende seines Zuges tun, sofern noch Handelskarten zur Verfügung stehen oder er selbst eine spielen kann.
Das Spiel endet augenblicklich, wenn durch die Kartenablage in der Ausstellung kein Platz mehr für weitere Objekte ist. Handelskarten werden dabei ausgenommen. In der abschließenden Wertung erhalten die Spieler Punkte für ihren Beitrag zur Ausstellung. Jedes Objekt wurde mit einem entsprechenden Museumsmarker gekennzeichnet. Wer es schafft, einen Tutanchamun zu platzieren, erhält acht wertvolle Punkte, die 4er Objekte bringen fünf Punkte und die 3er mit der Ausnahme der Nofretete drei Punkte. Für die ägyptische Königin erhält ein Spieler sieben Punkte. Sie lässt sich meistens nur mit einem Joker vorbereiten, der in der Aufbauphase eingetauscht werden darf. Vorbereitete Objekte, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben, bringen unabhängig von ihrer Kartenzahl einen Minuspunkt. Außerdem werden bis auf die Handelskarten, alle Handkarten mit Minuspunkten belegt, ein nicht ausgelegter Joker zählt sogar drei Minuspunkte. Wer nach dieser Abrechnung die meisten Punkte vorweisen kann, gewinnt nach etwa 30 Minuten das Spiel.
RAMSES ist vielschichtiger als die meisten Spieler anfangs denken. Das geht mit der Kartenaufnahme los. Orientiert man sich besser auf die relativ leicht erreichbaren 3er Objekte oder versucht man doch die Punkte trächtige Goldmaske Tutanchamuns zu legen, mit der Chance dabei an einen Joker zu gelangen. Andere konzentrieren sich lieber auf die 4er Objekte, bei denen ebenfalls ein Joker liegt und nehmen gerne das eine oder das andere kleinere Ausstellungsstück im Tauschverfahren mit. Auf alle Fälle muss die Aufmerksamkeit der Sammeltätigkeit der Mitspieler gelten. Wichtige Informationen bieten dazu die Tauschphasen, die durch die offenen Karten zumindest Teilinformationen aller Spieler preisgeben.
Am Ende geht es meist knapp und spannend zu, wenn die Räume eng werden und die Handelskarten Chancen vernichten. Hier wird RAMSES zum taktischen Legespiel. Ein Legespiel, das in seiner Gesamtauslage auch ästhetischen Genuss bietet. Die Fotoqualität der Spielkarten ist vorzüglich. Die kleine, immer noch etwas instabile Pappschachtel enthält neben den Spielkarten und Museumsmarken für jeden Spieler eine hilfreiche Kurzübersicht über den Spielablauf, auch die gut strukturierte Regel ist Florian Isensee ordentlich gelungen. Mit seinem dritten Spiel hat der Autor eine Professionalität erreicht, die mit Produkten renommierter Verlage durchaus mithalten kann.
Titel: RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Verlag: Isensee Verlag
Autor: Florian Isensee
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 7/2008 R202/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. Isensee kommentierte das nach der Messe wie folgt: „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse und das der Drogeriekette Müller.
Mit nur 10 Ratings wird das RAMSES-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,4 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit Ramses 2007 auf der Spiel in Essen.
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