Montag, 13. Dezember 2021
TOKUGAWA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wenn Tizian und Viktor Spiele entwickeln: TOKUGAWA
2006 zeichnete das Deutsche Kinderhilfswerk im Rahmen einer Aktion „100 Ideen für kinderfreundliche Spielorte in Deutschland“ unter anderem kleine Jungen für die Erfindung eines Brettspiels aus. Der achtjährige Tizian Blumenthal und der elfjährige Viktor Gilhaus hatten sich mit japanischer Geschichte beschäftigt und in dem Spiel SAMURAI zwei Spieler um die Herrschaft Japans kämpfen lassen. Das Kinderhilfswerk hat die Umsetzung des Spielprojekts mit 5000 € unterstützt, wobei der Berliner Autor Günter Cornett die Weiterentwicklung professionell betreut hat. Herausgekommen ist nun mit TOKUGAWA eine Weiterentwicklung, die sich aber an den Grundideen der beiden jungen Autoren orientiert.
Die TOKUGAWA sind eine japanische Shogun-Dynastie. Offiziell waren sie Untergebene des Kaisers, tatsächlich aber die unumschränkten Herrscher Japans. Für japanische Verhältnisse herrschten sie lange, weit über 200 Jahre bis ins 19. Jahrhundert hinein. 1603 verlegte der erste Herrscher der Dynastie Tokugawa Ieyasu den Regierungssitz von Kyoto nach Yedo, dem heutigen Tokio. Zwar blieb Kyoto als Kaiserresidenz offizielle Hauptstadt Japans, doch das tatsächliche Machtzentrum verlagerte sich nach Yedo.
Im Spiel der beiden Jungen findet ein Machtkampf zwischen den beiden Metropolen Yedo und Kyoto statt. Ausgestattet mit zuerst fünf Bogenschützen, zwei Lanzenträgern und einem Schwertkämpfer werden die Provinzen Japans besetzt. Wer an der Reihe ist, hat drei Aktionen zur Verfügung. Er darf Einnahmen kassieren, pro Kämpfer in einer Provinz ein Koku, der japanischen Reiswährung, Gärten in dieser Provinz erhöhen die Einnahmen, wobei diese aber begrenzt sind. Koku brauchen die Kontrahenten, um zum Beispiel neue Samurais einzusetzen, jeder Bogenschütze (Kampfwert 0) kostet ein Koku, der Lanzenträger (Kampfwert 1) zwei und ein Schwertkämpfer (Kampfwert 2) fünf Koku. Als dritte Aktionsmöglichkeit bleibt neben dem Rekrutieren neuer Samurais deren Bewegung. Einheiten dürfen sich beliebig weit über eigene besetzte Felder fortbewegen, sofern dies in identischem Gelände geschieht. Bewegung kosten nichts, sind aber zum Teil wetter- und geländeabhängig, was ausgewürfelt wird. Auch Schiffstransporte sind möglich, können aber vom Sturm unterbunden werden. Wer schlecht würfelt, verbraucht bei der Bewegung Aktionen, ohne voranzukommen. TOKUGAWA ist ein Kampfspiel, in dem Sinne folgen die beiden jungen Autoren dem klassischen RISIKO-Klischee, Hauen und Stechen muss sein und Würfeln spielt dabei eine große Rolle. Es wäre interessant zu sehen, welche Ideen zwei entsprechend alte Mädchen entwickelt hätten. Die vierte Aktionsmöglichkeit ist der Angriff, der infolge einer Bewegung stattfindet. Landet ein Spieler mit seinem Samurai neben einem vom Gegner besetzten Feld, greift er ihn bei Zahlung eines Koku an. Zuvor darf er noch prüfen, ob ihn weitere eigene Einheiten unterstützen können, die sich in Nachbarschaft zur angreifenden Einheit befinden. Der Angegriffene darf natürlich auch eigene Einheiten zur Unterstützung bewegen, das kostet allerdings ein Koku pro Einheit.
Die Kampfabwicklung selbst verläuft relativ aufwändig. Zuerst muss der Angreifer mit zwei Kampfwürfeln antreten, weil die Hilfe unterstützende Einheiten nur darin besteht, das Wurfergebnis völlig annullieren zu dürfen. Das gilt auch für den Verteidiger. Zum Wurfergebnis werden die Stärkepunkte der Einheit, die angreift, nicht der, die unterstützt, dazu addiert. Schlechtes Wetter wirkt sich nur durch Punktabzug beim Angreifer aus, der Verteidiger kann eventuell noch auf Stärkepunkte der Gebäude oder Mauern vertrauen. War der Angriff erfolglos, muss der Angreifer sich auf sein Ausgangsfeld zurückziehen, im anderen Fall muss sich der Verteidiger ein freies Nachbarfeld suchen. Findet er das nicht, wird dieser Einheit vom Spielplan genommen. Außerdem wird sie als geschwächt gekennzeichnet, was sich in Folgekämpfen auswirken kann. Unterstützer des Siegers werden mit zwei Koku aus der Provinz belohnt. Die jeweiligen Hauptstädte, die es zu erobern gilt, werden als „unbewegliche Einheiten“ betrachtet, die eine Stärke von zwei besitzen. Unterliegt die Hauptstadt das erste Mal, verliert sie einen Stärkepunkt, beim zweiten Mal ist das Spiel entschieden.
Die Kampfbeschreibung hat angedeutet, dass es noch eine fünfte Aktionsmöglichkeit geben muss, das ist das Bauen. Dadurch kommen Schiffe ins Spiel, Gärten können angelegt werden, Burgen, Tempel und Mauern gebaut und eine Schmiede zur Kampfwertsteigerung errichtet werden. Auch die Siegbedingungen sind zusätzlich modifiziert, hier grüßt erneut RISIKO. Es liegen nämlich immer drei Auftragskarten aus, da müssen zum Beispiel Straßen besetzt werden oder sämtliche Städte einer Provinz. Sobald ein Spieler drei solcher Aufträge erfüllt, endet das Spiel. Es gewinnt der mit den meisten Siegpunkten. Diese Punkte gibt es für die meisten Samurai, Bauten und das meiste Geld, auch für die Auftragskarten werden zusätzliche Siegpunkte abgerechnet.
Tizian Blumenthal und Viktor Gilhaus haben mit Cornetts Hilfe ein recht vielschichtiges Kampfduell entwickelt, das sich auf der Landkarte Japans abspielt. Hier müssen schon echte Strategen am Werk sein, wenn sie alles im Blick behalten wollen, was sich auf dem Spielbrett tut. Der Schutz der eigenen Hauptstadt muss in Angriff genommen werden, aber entsprechend auch an die Schwächung des Gegners gedacht werden. Der Schiffbau ist von entscheidender Bedeutung, lässt er doch überraschende Bewegungen zu, das macht YEDO als Hafenstadt im übrigen angreifbarer als Kyoto. Die Erfüllung der Aufträge gilt es genau zu beobachten, um den eigenen Sieg voranzutreiben oder den des Gegenspielers zu verhindern. Wobei nicht die Absolvierung des dritten Auftrags entscheidend ist, sondern der Siegpunktstand zu diesem Zeitpunkt. Bei dieser Komplexität würde ich das Einstiegsalter für TOKUGAWA eher höher einordnen als das Alter der beiden Autoren zum ursprünglichen Zeitpunkt ihrer Spielentwicklung. Inzwischen sind sie 11 und 14 Jahre alt und können die taktischen Möglichkeiten ihres Spiels auch besser ausloten, also 12 Jahre sollten sie schon sein, die Spieler, die sich auf den Kampf der Samurai im Japan des 17. Jahrhunderts einlassen.
Die Schlacht auf dem Spielfeld ist übrigens auch eine Materialschlacht, die sich aus über 150 Holzteilchen ergibt. Vor dem ersten Spiel ist erstmal kräftig Klebearbeit angesagt. Das Ergebnis kann sich dann aber sehen lassen, nur der Spielplan ist etwas dünn geraten, dafür enthält er alle wesentlichen Kurzübersichten für Kosten, Kämpfe und Siegpunkte. Hier spürt man die kümmernde Hand des Profis, der die beiden jungen Autoren kräftig unterstützt hat. Für den ersten Einstieg sollten sie sich auch die Erläuterungen und Klarstellungen zur Spielanleitung und das Angriffsbeispiel von Cornetts Homepage herunterladen, weil damit viele Detailfragen, die Sie sich sicherlich nach der ersten Regellektüre stellen, gleich beantwortet werden, so dass sie problemloser loslegen können.
Titel: TOKUGAWA
Verlag: Bambus Spieleverlag
Autor: Tizian Blumenthal & Viktor Gilhaus
Graphik: Carsten Fuhrmann
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60-90 Min.
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 07/2009 R 221/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren
Die Vorgeschichte zu dem Spiel mit den beiden jungen Autoren habe ich in der Rezension beschrieben.
TOKUGAWA wird auf BGG mit einem Rating von 6,8 geführt (Stand 27.11.21).
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