Montag, 25. Mai 2015
Provenzalische Geheimnisse
Da kann der ehemalige Kommissar Pierre Durand und jetzige Chef de Police im provenzalischen Sainte-Valérie noch so oft betonen: „Ich wollte noch nie die Kopie eines anderen sein!“ Er ist die eindeutige Kopie von Martin Walkers Chef de Police Bruno.
Heike Koschyk, 48jährige Hamburger Autorin, schreibt unter dem Pseudonym Bonnet die Durand-Krimis. Sie hat viele Talente, hat als Heilpraktikerin gearbeitet, ein Buch über das Bach-Blüten-System geschrieben und sich mit Hildegard von Bingen beschäftigt. Als Krimi-Autorin ist sie seit 2002 unterwegs, 2008 hat sie den vom Fischer Verlag vergebenen Agatha Christie Krimipreis erhalten.
Auch wenn sie Martin Walker kopiert, sie versteht ihr Geschäft, schreibt bei ihrem zweiten Roman inzwischen sogar spannender als ihr Vorbild, bei dem sich Vieles einfach nur noch wiederholt. Die Tätersuche ganz im Stil Agatha Christies mit vielen Verdächtigen und einer durchgängigen Rätselspannung aufrecht zu erhalten, gelingt ihr im aktuellen Werk „Provenzalische Geheimnisse“ vorzüglich.
In der Nacht vor einer großen Hochzeitsfeier in Sainte-Valérie, für deren kulinarisches Programm Charlotte, die Köchin und Freundin des Polizisten, zuständig ist, wird der Trauzeuge, der Bruder der Braut, wie ein Wildschwein gejagt und mit einer Schrotflinte erlegt. Außer der Braut scheint ihn keiner gemocht zu haben. Mit seinem zukünftigen Schwager lag er ständig im Clinch, sein Vater scheint ihn auch über seinen Tod hinaus zu hassen, als Betreiber eines Holzbetriebs hat er die Umweltaktivisten auf sich aufmerksam gemacht, das gilt auch für die vielen Jagdgegner, die nicht nur die Reifen der Fahrzeuge der Jäger zerstechen. Bruno, pardon Pierre ist verzweifelt. Nicht nur die Tätersuche macht ihm Probleme, da ist auch noch sein altes Bauernhaus, das renoviert werden muss, wobei der bestellte Bauunternehmer andauernd neue Aufträge annimmt und sich nicht um seinen kümmert und dann gibt es das übliche Auf und Ab in der Beziehung zu Charlotte. Im Fall selbst muss er sich mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten des französischen Polizeiapparats herumschlagen, auch das kennen wir aus dem Périgord, die kulinarischen Entschädigungen eingeschlossen.
Vergessen wir die Versatzstücke der Kopie, bleibt ein spannender Fall, dessen Aufklärung man gerne verfolgt. Komplizierte Verwicklungen, deren Fäden sich erst allmählich lösen bis zu einer nicht ganz erwarteten Wendung am Ende. Rein kriminalistisch liefert Bonnet solide und unterhaltsame Krimikost.
Wertung: ****
Titel: Provenzalische Geheimnisse
Verlag: Blanvalet
Autor: Sophie Bonnet
Seiten: 352 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Mittwoch, 20. Mai 2015
Die Blonde mit den schwarzen Augen
Philip Marlowe lebt
Der irische Autor John Banville, der in diesem Jahr 70 wird, schreibt unter seinem Krimi-Pseudonym Benjamin Black einen neuen "Philip-Marlowe-Roman". Chandler, der Erfinder dieses Prototypen eines Privatermittlers, ist seit 56 Jahren tot. Sein Privatschnüffler lebt weiter. Schon 1989 und 1991 kamen mit „Einsame Klasse“ und „Tote träumen nicht“ von den Erben autorisierte, aber nicht so erfolgreiche Romane heraus, die Robert B. Parker verfasst hat. Nun spürt Banville, ebenfalls autorisiert, Chandler nach und kopiert ihn durchaus perfekt. Sogar den Titel hatte Chandler einst im Fokus.
Irgendwie sieht man ständig Humphrey Bogart vor dem inneren Auge: Am Schreibtisch seines Büros, mit dem Ginglas in der Hand, das Zigarettenetui öffnend, im Clinch mit Gangstern und mit schönen Frauen, fast unbestechlich, seinen eigenen Gesetzen folgend. Banville Kopiert Chandlers Marlowe fest perfekt. Das ist vergnüglich zu lesen, dabei ist der Fall aus den frühen 50ern arg konstruiert, nicht allzu spannend und folgt den üblichen Klischees.
Eine schöne Frau, „groß und schlank mit breiten Schultern und üppigen Hüften. Mit anderen Worten:“ genau sein Typ beauftragt Marlowe, nach ihrem scheinbaren Liebhaber zu suchen, der seit einiger Zeit verschwunden ist. Nicht nur verschwunden, tot soll er sein, findet Marlowe wenig später heraus. Clare, die schöne und äußerst wohlhabende Blondine mit den schwarzen Augen, glänzend wie feuchtes Robbenfell, wusste allerdings schon davon. Sie glaubt aber nicht an seinen Tod, da sie meint, ihn noch vor vierzehn Tagen gesehen zu haben. Hinter Nico Petersen, ihrem Freund, scheint nicht nur Marlowe hinterher zu sein, zwei Mexikaner und ein Gangsterboss wollen ebenfalls etwas von ihm und die wahren Motive von Clare bleiben lange unklar.
Showdown am Ende mit einem melancholischen Marlowe, der Blumenlampen vernichtet und für seine Dienste nicht einmal bezahlt wird. Die Handlung gerät zur Nebensache, das muss man schon mögen. Marlowe-Fans werden die Wiederauferstehung ihres Helden feiern. Wer gut konstruierte Krimis mag, wird amüsiert lächeln und, durchaus besser bedient, zu Alan Carters „Prime Cut“ greifen.
Wertung: ****
Titel: Die Blonde mit den schwarzen Augen
Verlag: KiWi
Autor: John Banville
Seiten: 287 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Montag, 18. Mai 2015
Das Spiel des Poeten
Schatzsuche
Das sechzehnte Buch in der Montalbano-Reihe von Camilleri, in Italien schon 2010 erschienen, gerät zu einer literarischen Schatzsuche. Montalbano folgt lyrisch und melodramatisch verschlüsselten Botschaften, alles scheint anfangs recht belanglos. Da sind zwei religiöse Fanatiker, aufblasbare Puppen, die für Leichen gehalten werden, bis schließlich das Verschwinden eines jungen Mädchens einen echten Kriminalfall andeutet.
Da geht Montalbano schließlich auf, dass die literarische Schnitzeljagd kein Zeitvertreib war, sondern deutlich mehr dahinter steckt. Der „Schatz“ erweist sich als bestialisch zugerichtete Leiche, den aufblasbaren Puppen ähnlich, die anfangs eine Rolle spielten.
Was über viele Seiten eher seicht dahin plätschert, wird im Laufe des Handlung zu einem für Camilleri ungewöhnlichen Psychothriller. Einem geistigen Duell zwischen einem Psychopathen und dem Kommissar, einem linguistischen Duell von zwei Personen, die sich sogar recht nahe stehen.
„Das Spiel des Poeten“ gehört zu den besseren Montalbano-Geschichten mit einem spannenden Showdown am Ende.
Wertung: ****
Titel: Das Spiel des Poeten
Verlag: Bastei-Lübbe
Autor: Andrea Camilleri
Seiten: 272 Seiten
Preis: 19,99 Euro
(Seite 1 von 1, insgesamt 3 Einträge)