Montag, 19. September 2016
BURG MENGENSTEIN
„Hohe Lernmotivation“, „individuelle Förderung“ verspricht die „mit Pädagogen entwickelte“ Reihe SPIELEND NEUES LERNEN von Ravensburger. Inzwischen klebt der blaue Stempel auf vielen Kinderspielen der Firma mit dem blauen Dreieck. Da werden Klassiker wie QUIPS, COLORAMA und DIFFERIX gleich mit vereinnahmt, da gibt es aber auch beachtliche Neuentwicklungen wie DIE FRECHE SPRECH-HEXE und DER VERDREHTE SPRACH-ZOO.
Auch BURG MENGENSTEIN wirkt erst einmal so, als habe hier Ravensburger wieder manches richtig gemacht. Da wird für 14 Euro eine ganze Burganlage mit Turnierplatz und imposanten Bergfried, der gleichzeitig Würfelturm ist, frei Haus geliefert. Rund um die Mauer der Burganlage soll ein Wettrennen kleiner Plastikritter stattfinden. Die Begeisterung ist nicht nur bei Jungen erst einmal groß.
Für das Rennen müssen zuerst sechs Würfel und ein weißer Holzmarker den Würfelturm durchlaufen. Es gibt sechs verschiedene Motive in drei Farben und drei Kategorien. Da gibt es Bilder wie Schwert und Schild, die zum Ritter passen, aber auch ein Krönchen und einen Ring, der der Prinzessin gehört. Die Würfelmotive, Farben und Kategorien finden wir auf einem halben Meter langen Turnierplan wieder. Dort versuchen die Kinder schnipsend möglichst attraktive Ziele zu treffen. Ob sie einen großen oder kleinen Schnippstein nutzen dürfen, legt der Landebereich des Holzmarkers fest. Wer dann den grünen Sektor trifft, darf sich alle grünen Würfel nehmen und entsprechend viele Felder mit dem Ritter um die Burg wandern. Nachfolgende Spieler streiten sich nur noch um die restlichen Würfel. Wer in diesen Duellen zuerst das Gemäuer umrundet, gewinnt nach 15 Minuten das Spiel.
Wenn Lernspiele mit Geschicklichkeitselementen verbunden sind, dann geht es meist um das Erfahrbachmachen bestimmter Zusammenhänge. Da es hier ja auch um den Vergleich von Mengen gehen soll, hätten die Kinder vielleicht Würfeltürme von der häufigsten Kategorie bauen können. Das Zielschnipsen ist leider nicht zielführend, denn vierjährige und auch fünfjährige Kinder, sind auch nach einer Einübungsphase froh, wenn ihr Stein irgendwo im Zielbereich landet. Dann nimmt man sich das, was da ist. Das ist keine große gedankliche Anforderung mehr, sondern nur eine Zuordnung des Zielfeldbildes zu den Würfelbildern. Entsprechend unsinnig ist außerdem noch die zufällige Entscheidung über die Größe des Schnippsteins.
Wahrscheinlich hat der Autor Wolfgang Dirscherl selbst erkannt, dass die Geschicklichkeit kontraproduktiv für das eigentliche Spiel ist. In einer Variante lässt er die Kinder tippen, welche Ergebnisse der Würfelturm liefern könnte. Hier wird der Schnipp- zum Tipp-Stein und es darf sogar dreimal gewürfelt werden. Die Geschicklichkeit wird nun durch das reine Glück ersetzt, die Zuordnungsanforderung bleibt ähnlich leicht.
Schade, der Aufforderungscharakter durch die Burg mit ihrem Würfelturm ist hoch. Die materialtechnische Umsetzung ist Ravensburger vorzüglich gelungen. Der Frust kommt auf beim Schnipsen. Da hat ein Kind nichts davon, erkannt zu haben, dass die Prinzessinnenwerte hervorragend sind, wenn es die rechte obere Ecke nie sicher erreicht. Da verfliegt alle Anfangsbegeisterung ganz schnell, nur der Würfelturm darf stehenbleiben für andere Würfelspiele.
Wertung: Vielleicht nächsten Monat wieder
Titel: BURG MENGENSTEIN
Autoren: Wolfgang Dirscherl
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 14 Euro
Sonntag, 18. September 2016
CODE MASTER
ThinkFun (früher Binary Arts) wurde 1985 von Bill Ritchie und Andrea Bart gegründet. Der große Durchbruch kam vor 20 Jahren mit dem Spiel RUSH HOUR von Nob Yoshigahara. Auf dem deutschen Markt hat das Familienunternehmen HCM Kinzel aus dem schwäbischen Zaberfeld die ThinkFun Produkte in den letzten Jahren bekannt gemacht.
Rätseln, das Knacken von Codes, das Programmieren von Wegen kennzeichnet die aktuelle Renaissance von Denksportaufgaben. Wir finden sie in den Escape-Spielen wieder, an denen u.a. auch HCM Kinzel mit DAS GEHEIMNIS DER STERNWARTE aus der Reihe Escape the Room von ThinkFun beteiligt ist. Asmodee strapaziert die Gehirnwindungen mit der CORTEX CHALLENGE und in CODE MASTER von ThinkFun geht es um die Strukturen von Computerprogrammen.
Der Autor Mark Engelberg hat sich mit der Reihenfolge von Tieren bei einer Flussüberquerung einen Namen gemacht. Sein ANIMALOGIC, 2008 bei HUCH & friends erschienen, war der Kinderspieljury vor acht Jahren eine Empfehlung wert. 2012 ging es ihm in CHOCOLATE FIX (ThinkFun) um die richtige Positionierung von Pralinen. Aktuell will der Informatiker mit CODE MASTER Kindern die Strukturen von Programmausführungen näherbringen. Da geht es um einfache Abfolgen, aber auch um Zeitschleifen und „Wenn-Dann“-Verzweigungen.
Ein großer Plastik-Pixel-Ritter sucht den Ausgang aus einer Pixelwelt. Im Grunde genommen geht es ihm wie den Gefangenen in EXIT-Räumen, er muss Aufgaben lösen, um zu einem Portal zu gelangen. Meist sind unterwegs Kristalle einzusammeln, zusätzlich geben Aufgabenkarten vor, welche Farbwege dazu genutzt werden müssen. Auf einer Abenteuerschriftrollenlegende werden entsprechende Aktionsplättchen abgelegt, das entspricht der Programmierung der Ritterfigur. Wenn sie alles richtig durchläuft, die Kristalle einsammelt und beim Portal landet, dann war die Programmierung erfolgreich.
ThinkFun empfiehlt das Spiel für Kinder ab acht Jahren. Die 15 Aufgaben im Anfänger-Level schaffen auch Erstklässler gut. Unser siebenjähriger Enkel Zacharias, der gerade den Start ins zweite Schuljahr vollzieht, kommt auch mit den nächsten 15 Aufgaben für Fortgeschrittene klar. Dabei spielen einfache Wenn-Dann-Beziehungen schon eine Rolle. Die erreichte Anzahl der gesammelten Kristallplättchen gibt vor, wie der Weg weitergeht und ab wann das Portal betreten werden kann. Komplexer wird es bei den restlichen 30 Aufgaben, wenn mehrere Bedingungsplättchen ins Spiel kommen, das schafft er im Augenblick noch nicht.
Da mit der Ritterfigur alles abgegangen werden kann, wird die Programmierung nachvollziehbar und damit der Weg zum Portal erfahrbar. Erstaunlich ist aber, dass wachsende Komplexität nicht automatisch mit erhöhtem Spielspaß verbunden ist. Die Zeitschleifen versteht Zacharias zwar, aber sie reizen ihn nicht. Weshalb soll er mit der Figur noch eine identische Runde durchlaufen, um ein zusätzliches Kristall einzusammeln, wenn sich sonst nichts ändert? Da hängt sich der Wiederspielreiz in den Wiederholungsrunden auf.
Wissenschaftler wie Juraj Hromkovic, Professor für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH Zürich, sind der Überzeugung, dass das beste Einstiegsalter in die Welt des Programmierens zwischen neun und zwölf Jahren liege. CODE MASTER kann daher ein erster Schritt in der Heranführung sein. Plastischer und reizvoller wird es, wenn die Eingaben nicht nur per Hand überprüft werden, sondern die Effekte einfach ablaufen. Dazu bieten Lego und Fischertechnik Bausätze an, mit denen die Kinder kleine Roboter programmieren können. Auch das mit dem Toy Award 2016 ausgezeichnete KOSMOBITS geht diesen Weg. In dem im Herbst erscheinenden Experimentierkasten von Kosmos erlernen Kinder die Programmiersprache Arduino, mit der sie dann eigenständig Schaltungen programmieren können.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: CODE MASTER
Autor: Mark Engelberg
Verlag: ThinkFun, Vertrieb HCM Kinzel
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: ab 1 Spieler
Spielzeit: ca. 1 bis 30 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Donnerstag, 15. September 2016
PERLENTAUCHEN
Die SPIEL in Essen beschert uns dieses Jahr über 1000 Aussteller, die Zahl der neuen Spiele wandert damit in Regionen, die überhaupt nicht mehr überschaubar sind. Auch auf dem deutschen Markt trauen sich immer noch Kleinverleger mit neuen Produkten. Vielversprechend vor allem die Edition Spielwiese aus Berlin mit COTTAGE GARDEN von Uwe Rosenberg. Müller-Mätzig Spiele aus Hamburg zeigt in Halle 4 das Kaiserkanal-Spiel DA YUNHE, ebenfalls in Halle 4 tritt erstmalig der Mogel-Verlag aus Rhede mit drei Kartenspielen an.
Eines davon ist PERLENTAUCHEN von den Verlagsgründern, der Familie Loth. Hinter den Moglern verbirgt sich eine große Gruppe von Freunden und Familienmitgliedern der Loths. Auf der Homepage lächeln sechs Damen und fünf junge Herren freundlich in die Kamera, wobei vier Brüder fast zwillinghaft daherkommen, mittendrin die jugendliche Mutter dieser Großfamilie, die auch an den Entwicklungen beteiligt ist. Die Freude am Spielen sieht man allen an. Der Elan, der hinter dieser großen Truppe steckt, wird sicherlich für mehr als drei Veröffentlichungen reichen.
PERLENTAUCHEN ist ein Ärgerspiel á la DRECKSAU. Jeder Taucher besitzt eine Auftragskarte, die festlegt, welche Perlen jeweils in einzelnen Tauchgängen unter den Muschelkarten gefunden werden müssen. In Vollbesetzung mit vier Tauchern sind es meistens vier bis fünf Perlen in ein oder zwei Farben. Dazu bergen und knacken die Taucher passende Muscheln. 25 Muschelkarten liegen dafür am fiktiven Meeresboden aus, darunter jeweils fünf gelbe, rote, grüne und blaue Perlen, außerdem eine in allen vier Farben leuchtende Jokerperle und vier stinkende Stiefel als Nieten.
Gesteuert wird PERLENTAUCHEN über 56 Aktionskarten, von denen jeder Taucher zwei auf der Hand hat und jeweils eine dritte zu Beginn seines Zuges zieht. 30 Karten beziehen sich auf das Bergen der Muscheln, mit dem die Taucher die Katze im Sack kaufen und verdeckt eine Muschel in ihre Auslage übernehmen, und das Knacken derselben. Damit werden die Karten umgedreht, was sowohl in der eigenen Auslage als auch in der Gesamtauslage auf dem Meeresboden durchgeführt werden darf. Hilfreicher sind da natürlich die sechs Karten, mit denen die Spieler beide Aktionen auf einmal vollziehen dürfen. Bei manchen Aufgaben ist von vornherein klar, dass Ärger nicht ausbleibt. Im dritten Tauchgang im Spiel zu viert muss der erste Taucher vier gelbe Perlen sammeln, der zweite zwei gelbe und drei rote. Da nur fünf gelbe Perlen im Spiel sind, brauchen wir Aktionskarten, die zu einer Lösung führen. Jeweils sechs Karten, die Optionen zum Tauschen und Klauen bieten, helfen hier weiter. Wer Pech hat, muss sich auch eine schon gesammelte Karte wegspülen lassen. Schließlich ist noch zweimal das Seebeben da, das zu einer neuen Auslage der Muschelkarten auf dem Meeresboden führt.
Sobald ein Taucher seine Aufgabe gelöst hat, ist das PERLENTAUCHEN für alle vorbei. Wer die meisten der vorher verabredeten Tauchgänge gewinnt, ist letztlich der erfolgreichste Taucher. Zum Eingewöhnen reichen daher vielleicht drei Tauchgänge, wer will, kann aber auch das Maximum von zehn auskosten.
PERLENTAUCHEN überzeugt als kleines Ärgerspiel, dessen Rundenergebnisse stets knapp ausgehen. Da alle wissen, was die gegnerischen Taucher sammeln müssen und wer der Hauptgegner in der aktuellen Runde ist, werden Führende meist ausgebremst. Es macht durchaus Sinn, anfangs einige nicht geknackte Muscheln vor sich zu sammeln, denn die werden nicht so leicht angegriffen. Anderseits lassen sich mit ihnen durchaus Tauschvorgänge abwickeln. Meine Spielrunden haben allerdings vermisst, dass es überhaupt keine Schutzmechanismen gegen Klauen oder Tauschen gibt. Auch die Rundenwertung hätten sie lieber bilanziert gehabt, sodass gesammelte Perlen für jeden noch angerechnet werden. Trotzdem überzeugt PERLENTAUCHEN als erste Spieleperle des neuen Verlags aus dem emsländischen Rhede. Die Kartengrafik ist gelungen, die Regel solide und der Spielspaß hält für mehrere Runden an.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: PERLENTAUCHEN
Autoren: Familie Loth
Verlag: Mogel-Verlag
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 bis 60 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Mittwoch, 14. September 2016
DIE OMAMA IM APFELBAUM
Welches ist der älteste Spieleverlag im deutschsprachigem Raum? Wenn Sie jetzt auf Ravensburger tippen, dann liegen Sie falsch. In Bodenseenähe werden zwar seit 1883 Spiele produziert, schon 59 Jahre vorher begann aber die Produktion von Kartenspielen in Wien bei Piatnik. Von Anfang an setzte die Firma dabei auf ein Reiterlogo, das im Gegensatz zu den vielen Logo-Wechseln bei Ravensburger die Jahrhunderte überdauert hat. Ganz aktuell verabschiedet sich Piatnik von dem den Reiter umrahmenden gelben Dreieck und setzt auf eine runde, rot-weiße Einbettung in den Farben der Stadt Wien. Auch Reiter und Pferd sind leicht überarbeitet: Aufrechte Haltung auf einem dynamischeren Pferd, das sich nun mit dem Blick zum Betrachter ausrichtet.
Zur alten Tradition gehört noch Mira Lobes DIE OMAMA IM APFELBAUM. Die in Görlitz geborene jüdische Autorin ist wohl die bekannteste Kinderbuchautorin unseres Nachbarlandes. Ihre größten Erfolge feierte sie mit DIE OMAMA IM APFELBAUM (1965) und DAS KLEINE ICH BIN ICH (1972). Für das erste Buch bekam sie vor 51 Jahren den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur. Die Umsetzung als Brettspiel hat die Wiener Spieleakademie nun mit dem „Spiel Hit Familie 2016“ ausgezeichnet.
Verantwortlich für das Spiel zeichnen Susi Weigel, Andrea Kattnig und Klemens Franz. Für Klemens Franz ist es dabei keine zeichnerische Aufgabe, da die Originalgrafiken von Susi Weigel aus dem Buch übernommen wurden. Er hat zusammen mit seiner Frau Andra Kattnig die Spielidee entwickelt und die bleibt eng an der Buchgeschichte und damit besonders phantasievoll.
Der kleine Andi hat zwar Geschwister und Eltern, aber keine Oma. In seiner Fantasie schafft er sich eine im Apfelbaum, mit der er zum Prater geht, Wildpferde fängt und über stürmische Meere schippert. Dabei braucht er diese Superoma eigentlich gar nicht, denn in der Nachbarschaft lebt Frau Fink, die viel realer ist als seine Fantasie-Oma.
Voller Äpfel hängt zu Spielbeginn der Apfelbaum. Wird ein Apfel gepflückt, ergibt sich für den aktiven Spieler ein Abenteuer mit der Omama oder Haushaltsunterstützung bei Frau Fink. Wir starten erst einmal rein spielerisch mit Würfelaufgaben. Jede Karte ist versehen mit einem Begriff und zeigt ein bis vier Farbwürfel, die in 30 Sekunden Sandrieselzeit erwürfelt bzw. bei Frau Fink erbaut werden müssen. Wer fertig ist, bekommt sofort die nächste Aufgabe vorgelegt, bis die 30 Sekunden vorüber sind. Dann heißt es: Augen zu! Die Würfelkarten müssen nun in richtiger Reihenfolge in eine kleine Geschichte gepackt nacherzählt werden. Jede richtige Karte kommt auf den Apfelbaum und zählt für die gemeinsame Schlusswertung, wenn der Baum abgeerntet ist. Wer die Kooperation nicht so mag, kann natürlich den Gewinner auch kompetitiv bestimmen.
So richtig beachtet haben bisher nur die Österreicher diese tolle Spielidee. Franz und Kattnig sind auf eine interessante Mischung zwischen Würfelhektik und Sanduhrdruck mit Erinnerungsvermögen und erzählerischem Können gekommen. Das ist durchaus anspruchsvoll und besitzt hohen Reiz. Zu kritisieren gibt es wenig, nur die Schachtel hätte bei dem überschaubaren Inhalt halb so groß ausfallen können.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE OMAMA IM APFELBAUM
Autoren: Andrea Kattnig und Klemens Franz
Verlag: Piatnik
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 5 Spieler
Spielzeit: ca. 25 Min.
Preis: ca. 23 Euro
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