Währen der Spiel in Essen fand am 13.10. in der WDR 2 Arena eine Gesprächsrunde u.a. mit Synes Ernst und Robin de Cleur zum Thema „Verlernen wir zu spielen?“ statt. Michael Brocker, der Moderator, sprach gleich am Anfang vom „guten alten Brettspiel“. Er lieferte damit gleich einen Anlass für eine heftige Attacke des ehemaligen Jurymitglieds Ernst: „Da sträuben sich bei mir fast die Nackenhaare – Brettspiele sind modern, sie sind jung, sie sind vital, es entstehen mehr Ideen heute als vor zwanzig Jahren: Das Brettspiel lebt!“
Synes Ernst ist nur zuzustimmen in seinem Plädoyer für das manchmal schon totgesagte Brettspiel. Gerade der aktuelle Jahrgang belegt, wie innovativ die Entwicklungen auf dem Brettspielmarkt sein können. Fasst man aber die Mehrheit der Zuhöreräußerungen dieser Sendung zusammen, dann kommen diese Innovationen, diese neuen Welten bei Erika und Max Mustermann so gut wie gar nicht an. Nicht dass sie nicht (fast) alle am Spieltisch sitzen und Karten, Würfel und Spielbretter hervorholen, aber sie bewegen sich weitgehend in erwartbaren Bereichen der „guten alten Spiele“. Das am häufigste genannte Spiel war KNIFFEL, dicht gefolgt von MONOPOLY.
Wo holt man Familie Mustermann ab, wenn sie sich denn überhaupt abholen lässt, zu neuen Ufern, zu neuen Spielerlebnissen? Angebote mit Würfeln eignen sich immer gut. QWIXX und QWINTO vom Nürnberger Spielkarten Verlag haben hier Maßstäbe gesetzt, die KNIFFEL-Freunde ins Wanken bringen. Klar, dass Schmidt Spiele, der KNIFFEL- und MENSCH ÄRGERE DICH NICHT-Verlag, Antworten auf diese Konkurrenz aus Nürnberg sucht. Für MÄDN haben sie sich hausintern schon lange DOG gesichert und bieten es in immer wieder neuen Varianten an. Nun "qwixxen" sie aber auch mit und das unter dem selbstbewussten Titel NOCH MAL! BEI EINER PARTIE BLEIBT’S NIE.
Mit Inka und Markus Brand, die in Essen mit TOURIA von HUCH! & friends, WORD SLAM und den EXIT-Spiele von Kosmos wohl ihre erfolgreichste Saison eingeläutet haben, setzen sie auf ein routiniertes Autorenpaar. Sie arbeiten mit Bekanntem, einen Spieleblock mit bestimmten Vorgaben, Würfelergebnissen, die nicht nur dem aktiven Spieler nutzen, womit stets die Beteiligung aller sichergestellt ist.
NOCH MAL! ist natürlich kein QWIXX, der bunt gefleckte Spielplan aus 7x15 Feldern erinnert eher an TRÄXX, auch ein NSV-Spiel, das aber ohne Würfel auskommt. Alle starten in der mittleren Spalte mit Eintragungen, die sich stets auf gewürfelte Farben und Zahlen beziehen. Optimal ist anfangs eine gelbe 5, mit der eine zusammenhängende gelbe Fläche mit fünf Kreuzen abgearbeitet werden kann, von hier aus darf immer angrenzend weiter angeschlossen werden. Gewürfelt wird mit drei Farben- und Zahlenwürfeln, die auch eine Jokerseite zur freien Auswahl haben. Eingesetzt werden dürfen die Joker aber nur acht Mal im Spiel. Nur in den ersten drei Runden haben alle Spieler die freie Auswahl unter allen sechs Würfeln, danach hat der aktive Spieler den ersten Zugriff auf eine Farb-Zahl-Kombination, die restlichen vier Würfel bleiben den anderen Spielern.
Punkte gibt es zwischendurch für Würfler, die Spalten vollständig schließen, wobei das Ergebnis für den jeweils Ersten ertragreicher als für die folgenden Spieler ist. Das macht sich vor allem in den Randspalten bezahlt, die immerhin 5 Siegpunkte bringen. Indirekt Punkte gibt es für durchkreuzte Sternfelder, von denen jeweils eines in jeder Spalte auftaucht. Gegen Ende versuchen die Spieler um letzte Farbfelder zu kämpfen, denn auch hier wird der Erste mit 5 Punkten belohnt. Sobald es einem Spieler gelingt, einen zweiten solchen Farbbonus zu gewinnen, endet das Spiel, in dem dann diese Bonuspunkte, Spaltenwertungen und nicht genutzte Joker addiert werden, wobei nicht gestrichene Sterne zwei Minuspunkte bringen.
Die Leichtigkeit von QWIXX besitzt NOCH MAL! anfangs nicht. Schwierigkeiten bereitet oft, dass Ergebnisse sich immer nur auf einen Farbsektor beziehen und nicht aufgeteilt werden dürfen. Mit optimalen Würfen schließt man möglichst einen ganzen Farbbereich. In der Praxis bleiben dann am Ende aber trotzdem viele Einerfelder übrig, die meist nur mit Restjokern geschlossen werden können. Da das für die meisten Spieler gilt, bleiben hohe Zahlenergebnisse in den letzten Runden oft ungenutzt, sodass es sich manchmal hinziehen kann, bis ein Sieger feststeht. Wer bei den Spaltenwertungen als erster vorn dabei sein möchte, muss sich zusätzlich auf eine Ausbreitung rechts oder links vom Mittelfeld konzentrieren. Trotz dieser Einschränkungen kommt durchaus ein NOCH MAL!-Gefühl auf. Dafür klappen die vielen kleinen Belohnungen zwischendurch einfach zu gut und auch das Kopf-an-Kopf-Rennen um letzte Farbwertungen ist durchaus spannend.
Gespielt werden kann NOCH MAL! alleine und mit bis zu sechs Spielern. Der Block ist dick, reicht aber nach mehreren Sechserrunden hintereinander auch nicht ewig. Stifte liegen bei, sodass nichts gegen ein sofortiges Loslegen spricht. Die im Vergleich zu QWIXX deutlich umfangreichere Regel ist anschaulich erläutert und bebildert, folgt aber in Teilen der Unsitte des blauen Drucks auf schwarzem Untergrund, was sich bei schlechten Lichtverhältnissen einfach nicht gut lesen lässt.
Der Plan von Schmidt Spiele, ein ordentliches Konkurrenzprodukt ins Rennen um die Gunst der Würfelfreunde schicken zu können, geht auf. NOCH MAL! ist breitentauglich, ein gutes, spannendes Würfelspiel, das sich für mich zwar hinter QWIXX einreiht, aber trotzdem seine Berechtigung hat. Vielleicht sollte sich der Berliner Verlag zusätzlich auch Werbeaktionen für ein vergleichbares Spiel überlegen, das ich noch höher platzieren würde. Das „gute alte“ WÜRFEL BINGO von Heinz Wüppen hat Schmidt nämlich von Ravensburger übernommen und mit ihm schon länger ein wirkliches Würfel-Highlight im Programm.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: NOCH MAL!
Autoren: Inka und Markus Brand
Verlag: Schmidt Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1 – 6 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 12 Euro