Freitag, 4. November 2016
ZAUBEREI HOCH DREI
Spieleautoren prägen die Seele der Spiele, sie hauchen ihnen Leben ein. Für das Äußere, für die Feinabstimmung spielen Grafiker und Redakteure eine entscheidende Rolle. Sie prägen das Erscheinungsbild ganzer Spielreihen innerhalb eines Verlages. Das gehört seit anderthalb Jahren zum Aufgabenfeld von Claudia Geigenmüller, die Redakteurin für Kinderspiele bei Pegasus ist. Die Friedberger Firma hat sich dabei für den Aufbau eines eigenständigen Kinderspielesortiments eine der renommiertesten Produktmanagerinnen ans Land ziehen können. Geigenmüller war bis Dezember 2008 für Selecta tätig und danach bis 2014 für die Marke Drei Magier Spiele des Schmidt Spiele Verlags. Sie hat viele erfolgreiche Spiele betreut, dazu gehören u.a. CURLI CULLER (Selecta 2008) und DER VERZAUBERTE TURM (Drei Magier 2013).
Anfangs hat sie Wiederveröffentlichungen von Selecta-Spielen betreut, mit denen sich Pegasus gleich mit zwei ehemaligen blauen Pöppeln für VIVA TOPO (2003) und MASKENBALL DER KÄFER (2002) zieren durfte. Die Reihe ist inzwischen auf sechs Spiele angewachsen, die farbcodiert die gesamte Bandbreite für die Kleinen abdecken. Da gibt es die grüne Reihe für die kleinsten Mitspieler ab drei Jahren mit einem Spiel wie HOPP HOPP HÄSCHEN. Dann folgen die blauen Spiele für Vierjährige, die merken, dass Regelspiel Spaß machen kann. Hier finden wir die beiden Kinderspiele der Jahre 2002 und 2003 wieder. Für Kinder ab fünf Jahren gibt es die gelbe Reihe, mit der die Kleinen schon gut alleine spielen können. RETTET DEN MÄRCHENSCHATZ (nominiert 2007) von Kai Haferkamp gehört zum Beispiel dazu. Den Abschluss bilden die roten Spiele, die die Brücke zum Familienspiel schlagen, weil sie auch den Eltern Spaß bereiten.
ZAUBEREI HOCH DREI gehört in diese Kategorie und ist das erste Spiel, das Claudia Geigenmüller neu für die Kinderspielreihe von Pegasus betreut hat. Mit Lukas Zach und Michael Palm greift sie auf ein Autorenduo zurück, das schon viele Spiele für Pegasus veröffentlichen konnte (DIE ZWERGE, BÜCHERWURM etc.).
Die beiden Autoren und die Redakteurin bewegen sich beim Spielablauf in einem sicheren Umfeld: MEMO klappt immer, wenn eine Prise Kooperation dazu kommt, dann umso besser! Thematisch stimmt auch alles, unartige Zauberlehrlinge, die sich in verbotene Gefilde aufmachen und nun vom Wächtergeist bedroht sind, da könnten die Eltern parallel zum GRIMOIRE DES WAHNSINNS greifen, während ihre Kleinen sich mit den Abenteuern in ZAUBEREI HOCH DREI herumschlagen.
Zwei bis sechs Adepten tummeln sich auf dem geheimen Mitternachtsmarkt für Zaubereibedarf. Dort sammeln sie Bewegungs- und Würfelzauber, holen sich auch die eine oder andere Information über magische Lumies, die den Weg zurück in die Zauberschule durch den dunklen Wald beleuchten können. Plötzlich merken sie, dass Willi, der Wächtergeist, ihre Abwesenheit entdeckt hat. Schnell muss die ganze Truppe über einen langen Weg von 16 dunklen Waldfeldern und vier Treppenstufen bis zur Schule eilen.
Der Ablauf ist einfach, drei Würfel geben zu suchende Lumies vor, die sich unter 18 runden Waldplättchen verstecken. Auf zwei Plättchen ist Willi abgebildet, der aus der finstersten Waldecke heraus seine Verfolgungsjagd startet. Anfangs tappen die kleinen Zauberlehrlinge noch ziemlich im Dunkeln, aber allmählich gibt es Licht in der Finsternis, denn die Gruppe lernt immer mehr Baumplättchen kennen und merkt sich vor allem, wo Willi war. Wer Glück hat und die passende Unterstützung der Mitspieler erhält, kommt recht schnell drei Felder pro Runde voran. Wer Pech hat, kann allerdings auch Willi würfeln, der sich aber nur auf einer Würfelseite von den drei Würfeln befindet. Schnelles Vorankommen ist wichtig, denn nach jeder Runde bewegt sich Willi. Am Anfang ist er noch langsam und kommt nur ein Feld voran, schon bald läuft er pro Zug aber zwei und dann sogar drei Felder weit. Ohne zusätzliche Unterstützung wären die Lehrlinge wohl aufgeschmissen. Wie gut, dass sie beim einfachen Spiel auf drei Zaubertränke zurückgreifen dürfen, die hinten liegende Spieler um ein Feld voran bringen. Wird Willi zu oft gewürfelt, hilft auch der Würfelzauber weiter, mit dem ein Wurf wiederholt werden darf. Ganz spannend wird es am Ende, wenn die Lehrlinge über die Treppenstufen ins Gebäude schleichen. Da müssen sie so leise sein, dass sie sich nicht einmal mehr gegenseitig helfen dürfen.
Palm und Zach gelingt es, mit ihrer Idee viel Spannung in die Spielrunden hineinzutragen. Da wird bis zum Schluss auf den letzten Treppenstufen gebibbert und auch ein bisschen geschummelt. „Man muss doch nur still sein, zeigen darf ich doch!“, war der siebenjährige Zacharias von seiner Regelauslegung überzeugt. Je mehr Spieler beteiligt sind, umso einfacher ist es natürlich, gegen Willi zu gewinnen. Aber mit vier und weniger Spielern kommt es oft zu einem knappen Rennausgang.
ZAUBEREI HOCH DREI ist ein ordentlicher Start mit hochwertigen Holzmaterial in die eigenständigen Spielentwicklungen bei Kinderspielen von Pegasus. Innovativ ist die Erfindung der beiden Autoren nicht unbedingt, da hat Claudia Geigenmüller bei Selecta und Drei Magier raffiniertere Spiele betreuen dürfen. Die MEMO-Scheiben hatten wir gerade bei STONEAGE JUNIOR, beim Wächtergeist grüßt HUGO ganz kräftig. Ich bin mir auch sicher, dass die entsprechende Entwicklung von Drei Magier die Lumies zum Leuchten gebracht hätte. Der Atmosphäre dieses finsteren Waldes hätte das gut getan. Außerdem hätten wir das Spiel dann in der Schachtel gespielt, womit Rutschpartien der Zauberschule, die nicht arretiert wird, verhindert wären. Trotz dieser Kritik erleben Kinder ein spannendes Spielabenteuer, das sie ständig mitfiebern lässt, was letztlich sehr für die Umsetzung dieser Spielidee spricht, die zudem vom Schwierigkeitsgrad gesteigert werden kann.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: ZAUBEREI HOCH DREI
Autoren: Lukas Zach und Michael Palm
Verlag: Pegasus
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Donnerstag, 3. November 2016
MACROSCOPE
Die älteren unter uns erinnern sich sicherlich noch an Hans Rosenthal, den legendären hüpfenden Showmaster des ZDF mit seiner Spielshow DALLI DALLI. Teil seiner Unterhaltungsendung, die vor allem in den 70er Jahren ausgestrahlt wurde, war das Bilderrätsel DALLI KLICK, in dem in kurzer Zeitabfolge immer mehr Teilinformation über ein zu erratendes Bild preisgegeben wurde. Wolfgang Kramer machte daraus KLAPPE AUF!, das ab 1994 eine Zeit lang bei Ravensburger erfolgreich im Programm war.
Die Idee begegnet uns nun aktuell in einer äußerst attraktiven Einkleidung wieder. MACROSCOPE von Game Factory entführt uns wie in einer Zeitreise in ein optisches Kabinett des 19. Jahrhunderts. Unterwegs sind wir mit einem antiquierten DeLorean, der uns an seiner Oberseite 12 runde Sichtfenster bietet. Der Korpus des Geräts ist gut gefüllt mit 200 Blättern, die beidseitig bedruckt 400 Bildvorlagen für lange spielerische Abwechslung bieten.
Der dänische Autor Martin Nedergaard Andersen, dessen Veröffentlichungsquote im Augenblick an knizianische Verhältnisse grenzt, hat sich dazu eine Art Entdeckungswettstreit ausgedacht, bei dem es um recht hohe Einsätze geht. Anfangs sind alle 12 Gucklöcher geschlossen. Wenn der Startspieler zwei Würfel geworfen hat, deckt er die entsprechenden Deckel mit den passenden Nummern auf. Meint er, das Motiv schon erkennen zu können, darf er einen Rateversuch starten. Wenn ihm das in dieser frühen Phase zu unsicher ist, verzichtet er und bekommt dafür zwei Kristalle. Wenn er nicht rät, darf trotzdem ein Mitspieler sein Glück versuchen. Es geht dabei meist um hohe Einsätze, denn ausgezahlt werden bei der richtigen Lösung so viele Kristalle wie noch Deckel auf den Löchern liegen. Das sind in der ersten Runde 11 oder 10 Siegkristalle. Wer ein zu hohes Risiko eingegangen ist, verliert alle seine Kristalle bis zu der Höhe, um die gespielt wurde. Sobald einer der bis zu sechs Beteiligten geraten hat, dürfen auch alle anderen mit raten, sofern sie andere Vermutungen hegen. Für alle gilt aber, dass sie um das Risiko des gesamten Einsatzes pokern. Da kann es durchaus Runden geben, wo plötzlich viele leere Kassen haben. Denn manche Bilder sind zwar einfach zu erkennen, andere sind aber harte Kopfnüsse. Bei 400 Bildern wage ich jetzt etwas zu spoilern, wenn beispielsweise die CD zum UFO wird oder der Bus zur Straßenbahn.
Gespielt werden 10 Runden, was in Vollbesetzung eine knappe halbe Stunde dauert. Da die Bilder auf das Notwendigste reduzierte Strichzeichnungen sind, kommen auch Kinder schon gut mit diesen Teileinblicken klar. Trotzdem ist MACROSCOPE kein reines Kinderspiel, dazu spielt die Kristallwertung eine viel zu große Rolle. Gegenüber KLAPPE AUF! hat das imponierende Blick-Gerät des Game Factory Spiels den großen Nachteil, dass eigentlich nur ein Spieler in der direkten Aufsicht richtige Einblicke erhält, deshalb muss das MACROSCOPE immer wieder hin und her geschoben werden. Trotzdem lohnt der Blick auf diese Entwicklung des dänischen Autors. Die Idee ist zwar nicht neu, aber die Umsetzung mehr als interessant. Ob Rosenthal für das Spiel seinen gewaltigen Sprung zu „Das war Spitze!“ angesetzt hätte, wage ich zu bezweifeln, aber freundlich goutiert hätte er es sicherlich.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MACROSCOPE
Autoren: Martin Nedergaard Andersen
Verlag: Game Factory
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
(Seite 1 von 1, insgesamt 2 Einträge)