Dienstag, 29. August 2017
TALLINN
Ostia-Spiele, der Verlagsname, orientiert sich zwar am alten Hafen Roms, nach den thematischen Akzenten, die die veröffentlichten Spiele setzen, hätte man aber eher einen Namen wie den Hanse-Verlag erwartet. Mit VISBY, TALLINN und demnächst auch mit RIGA grast Stefan Risthaus den Ostseebereich ab und landet in mittelalterlichen Hansestädten.
Die durch Crowdfunding finanzierten Kleinauflagen lohnen sich für Ostia-Spiele. VISBY (vgl. meine Rezension in der spielbox Heft 7/2015) ist inzwischen von Pegasus übernommen worden und liegt seit April 2017 als SANTO DOMINGO vor. Gut möglich, dass dort ebenfalls der spielerische Ansatz von TALLINN Gefallen findet.
TALLINNs Türme scheinen es Risthaus besonders angetan zu haben. Von den einst über 40 Rundtürmen in der Stadtmauer der baltischen Metropole sind immerhin noch 26 erhalten. Ihr Erscheinungsbild prägt dominant das Cover der kleinen Schachtel und ist gleich doppelt auf den Rückseiten der 40 Spielkarten des Grundspiels zu sehen. Ansonsten prägen die zweigeteilten Karten Wappenbilder der einflussreichen Stände. In der Stadt des Deutschen Ordens und der Hanse waren das natürlich Kaufleute, Ritter und Kleriker.
Vom Spielziel her geht es ganz simpel um Mehrheitenwertung innerhalb der Stände und dadurch erzielte Siegpunkte, die während der Spielrunden und punkteträchtiger am Ende des Spiels durchgeführt werden. Der besondere Dreh, den Risthaus sich für TALLINN einfallen lässt, besteht in den zwei Kartenhälften. Alle verfügen über identische Kartensätze, deren Einsatz in den maximal zehn Spielrunden ganz unterschiedlich verläuft. Das liegt daran, dass von den zehn Karten nur jeweils drei als Handkarten zur Verfügung stehen und dass in jeder Runde entschieden werden muss, welche Kartenhälfte in die Wertung kommt. Schon die Startkarte mit einer Wertungsübersicht unterscheidet sich. Da besitzt jeder drei Wappen, ein Stand ist doppelt vorhanden, einer nur einmal und einer überhaupt nicht. Wer also mit zwei Kaufleuten und einem Mönch startet, wird sehr wahrscheinlich in der abwägenden Überlegung, ob er die Kartenhälfte mit drei Kaufleuten oder drei Rittern nutzt, sich für die Pfeffersäcke entscheiden. Alle Karten werden gleichzeitig verdeckt ausgespielt, sodass sich Mehrheitsverhältnisse ständig ändern. Das gilt es im Blick zu behalten, denn Dominanzen werden oft für Wertungsphasen genutzt. So gibt es sechs Karten, die jeweils auf einer Kartenseite eine Wertung eines Standes zur Folge haben. Die Karte selbst bringt allerdings nur einen zusätzlichen Punkt in die Wertung mit ein. Reicht die Mehrheit im direkten Vergleich mit den maximal drei Kontrahenten, gibt es jeweils zwei Siegpunkte, die auf einer Wertungsskala angezeigt werden. Ein Unentschieden bringt immerhin noch einen Punkt, wobei wichtig ist, dass nur der Wertende Punkte bekommt.
Mit den Wertungen kommen die Türme ins Spiel. Wer möchte, darf eine beliebige Karte seiner Auslage umdrehen, sodass eine Turmseite zu sehen ist, das darf auch eine Handkarte sein. Damit schränkt man aber seine Auswahlmöglichkeiten ein, da die Handkarten dann nicht mehr auf drei ergänzt werden. Zusätzlich ist man dann an den letzten Runden nicht mehr beteiligt. Wozu das Ganze dann? Wenn alle zehn Karten gespielt sind, kommt es zu abschließenden Schlusswertungen aller drei Stände, die diesmal im jeweils direktem Vergleich vier Siegpunkte bringen. Sechs Punkte lassen sich allerdings durch die Turmwertung erzielen, bei der es nur um numerische Überlegenheit bei den jeweils größten Gruppen geht.
Ein Umschalten auf die Turmwertung muss daher gut überlegt sein, da die eigene Auslage ja geschwächt wird und diese für die normale Schlusswertung durchaus noch von Bedeutung ist. Wer sieht, dass er bei einem Stand keine Chancen mehr hat, kann dessen Wappen als Turm versenken. Zumal dann beide Kartenhälften in die Wertung eingehen. Reizvoll kann dabei vor allem eine Karte sein, die auf beiden Seiten jeweils zwei Mönche zeigt. Als zusätzliche Bremse hat Risthaus allerdings eine Negativwertung eingebaut, die greift, wenn in den Schlusswertungen Differenzen von mindestens fünf Wappen auftauchen. Das kostet die Unterlegenen nämlich einen zusätzlichen Siegpunkt, damit beträgt der Reingewinn im direkten Vergleich genau die sechs Punkte, die die Turmwertung einbringt.
Risthaus ist mit TALLINN erneut ein kleines Kartenspiel mit reizvoller Balance durch verdecktes Kartenausspiel und Mehrheitenkampf in der Auslage gelungen. Zählhilfe, Wertungsübersicht und eindeutige Grafiken zeigen den routinierten Spieleautor, der zusätzlich Angebote für Erweiterungen macht. Inkludiert sind das LEGAT DES KAISERS mit Jokerwappen und DIE CHRONIK mit Zusatzwertungen. Zusätzlich gibt es DIE ALTEN, die Einfluss auf die Turmwertung nehmen, und DIE VERSAMMLUNG, die weitere Figuren für die Endwertung einführt. Am Grundprinzip des Spiels ändert sich durch die Erweiterungen wenig. Das ist auch nicht nötig, da dieses Prinzip für ein unterhaltsames Geplänkel zwischendurch völlig ausreicht.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: TALLINN
Autor: Stefan Risthaus
Verlag: Ostia-Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 22 Euro (mit allen Erweiterungen)
Spiel 52/2017
Samstag, 26. August 2017
ONITAMA
Unter den Top 10 der abstrakten Spiele rangiert ONITAMA bei BoardGameGeek. Im Augenblick liegt das 2014 erschienene Zweipersonen-Spiel von Shimpei Sato auf einem guten siebten Rang und damit nur einen Platz hinter dem Klassiker GO. Seit wenigen Wochen gibt es ONITAMA in einer deutschen Ausgabe von Pegasus.
Der ungewöhnliche Turmschuber zeigt aufgeklappt opulentes Spielmaterial. Die gerollte Matte erinnert an alte Perlhuhn-Pläne, die handlichen Spielfiguren mit zwei Lehrmeistern und acht Schülern wecken SCHACH Assoziationen mit König und Bauern. Wir sind nicht weit weg vom SCHACH und trotzdem spielt sich ONITAMA ganz anders und immer wieder neu.
Auf 5x5-Feldern stehen sich der rote und blaue Lehrmeister und ihre jeweils vier Adepten gegenüber. Die Lehrmeister besetzen ein zentrales Tempelfeld, rechts und linke begleitet von den Schülern. Wie beim SCHACH gewinnt derjenige, der Lehrmeister bzw. König schlägt. Zusätzlich bringt bei ONITAMA die Besetzung des gegnerischen Tempelfeldes den Sieg.
Das Besondere an ONITAMA sind die Zugmöglichkeiten und hier liegt die herausragende Autorenleistung von Shimpei Sato. Er weist den Figuren nicht die üblicher Weise fest definierten Zugweiten zu, sondern gibt jeder Figur die Möglichkeit, eine von zwei Bewegungskarten zu nutzen. 16 sind insgesamt im Spiel, jeweils zwei davon bekommt jeder Spieler, zusätzlich wird eine fünfte Karte gezogen, deren Farbmarkierung festlegt, welcher Spieler beginnen darf.
Jede Karte zeigt grafisch die Zugmöglichkeiten. Da ist der Tiger, der zum Sprung über ein Feld ansetzen kann, dort ist der Elefant der eher kompakt seitlich orthogonal oder diagonal nach vorn sich bewegen darf. Da ist die Krabbe, die in springenden Seitwärtsbewegungen fast die Optionen des springenden Tigers übertrifft, dort ist der hakenschlagende Hase, der ebenfalls zu Sprüngen ansetzt, schließlich der dynamische Drache, der Pferdesprünge wie im Schach beherrscht. Das Spannende an den Karten ist, dass sie nicht fest zugeteilt bleiben, sondern ständig in Rotation sind. Wenn der Startspieler mit der Krabbe langsam vorangekrochen ist, legt er diese Karte an den Spielfeldrand und nimmt sich dafür die fünfte Karte, die ihm den Startvorteil beschert hat. Damit ist klar, dass jeder irgendwann jede Zugmöglichkeit nutzen kann. Besonders starke Karten wie den Drachen hält man zwar möglichst lange zurück, aber irgendwann startet auch der zu seinem Drachenflug.
Wie beim SCHACH sind damit die Bewegungsmöglichkeiten des Gegenspielers offensichtlich und werden in die eigene Planung mit einbezogen. Zu beachten ist nur der Perspektivwechsel. Jede Figur kann geschlagen werden, was mittelfristig einen Sieg über Besetzung des gegnerischen Tempels zur Folge haben kann. Ein kompaktes Vorgehen mit zwei oder drei Schülern kann aber auch den Lehrmeister in die Bredouille bringen. Gleichwertige Partner erhöhen den Reiz, das ist beim SCHACH nicht anders.
ONITAMA hat dabei den großen Vorteil, dass jedes Spiel ganz neu daherkommt, da plötzlich der Kranich fliegt, das Wildschwein wühlt oder der Affe umherspringt. Das macht Satos Spiel immer wieder spannend und abwechslungsreich. Hier stimmt alles. Das Material ist beeindruckend, die Grafik fernöstlich angehaucht, die Varianz ist extrem hoch. Ich bin sicher der Höhenflug von ONITAMA auf der BGG-Wertungsliste ist noch nicht beendet.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ONITAMA
Autor: Shimpei Sato
Verlag: Pegasus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 23 Euro
Spiel 51/2017
Freitag, 25. August 2017
FOREST
Alte Schätze neu gehoben
Spätestens seit HIPPO habe ich Gefallen am Inhalt der kleinen, schmalen Spieleschachteln des Helvetiq-Verlages aus Lausanne gefunden. Mit HELVETIQ, einem Spiel über die Schweiz, hat der Verlag 2008 sein Sortiment begonnen und veröffentlicht seitdem erfolgreich Bücher, Design-Objekte und Spiele. Oft sind es originelle Neuheiten, mit dem im Herbst 2016 erschienenen FOREST liegt aber eine interessante Überarbeitung eines zehn Jahre alten Clementoni-Spiels vor.
SIEBEN AUF EIN STREICH hieß der aufwendig gestaltete Vorläufer der beiden italienischen Autoren Leo Colovini und Fabio Visintin. Optisch war das damalige Spiel ein Genuss, es gab aber Umsetzungsprobleme, die das Spielvergnügen trübten. Damals wie heute bewegen wir uns in einer Märchenwelt. Der Clementoni-Titel verwies nicht nur deutlich darauf, sondern machte zusätzlich das Spielziel klar. Auf 60 Spielkarten, die nebeneinander und übereinander gelegt, einen Märchenwald mit vielen Bäumen und Baumkronen ergeben, gilt es, sieben identische Märchenfiguren ausfindig zu machen. Das können fliegende Feen sein, springende Frösche, flatternde Eulen und Weihnachtsmänner, die ganz ohne Rentiere und Schlitten ebenfalls fliegend unterwegs sind.
Empfohlen wird FOREST für zwei bis fünf Kinder ab sechs Jahren. Obwohl eine gewisse Rechenfertigkeit verlangt wird, können Vorschulkinder aber problemlos mithalten. Jeder hat drei Karten zur Verfügung mit Baumstämmen und Märchenfiguren oder Baumkronen, in denen verschiedene gesuchte Figuren sich aufhalten. Der untere Wald wird vertikal aufgebaut, das Baumdach kommt horizontal über zwei Baumkarten. Immer dann, wenn ein Kind, eine Karte legen kann, die zur Folge hat, dass in der Gesamtauslage mindestens der siebte Frosch oder Weihnachtsmann zu sehen ist, darf es alle betroffenen Karten abräumen. Der Rest wird regelgerecht zusammengeschoben. Wer die Chance verpasst, weil er die sieben Feen vor lauter Bäumen nicht gesehen hat, schenkt dem nachfolgenden Spieler diese Option. Wenn alle Karten liegen, wird abgerechnet, wer die meisten besitzt, gewinnt FOREST in einer guten Viertelstunde.
Damals wie heute erweitern Varianten das Spiel. Erhalten geblieben ist dabei die Erweiterung, bei der derjenige gewinnt, der am Ende die wenigsten Karten gesammelt hat. Diese Variation kehrt das eigentliche Spielziel um und führt dazu, dass alle gut aufpassen, wenn sieben Figuren zu sehen sind und damit Karten aufgenommen werden müssen. 2007 gab es noch das zufällige Aufdecken von Karten, bei dem Schnelligkeit gefragt war. Wer hier zuerst SIEBEN AUF EIN STREICH entdeckte, bekam die Karten. 2016 ist dafür eine Bonusregel hinzugekommen. Wer es schafft, das ganze Sortiment von Figuren zu sammeln, bekommt fünf Extrapunkte.
Das Problem der ersten Fassung lag zum Teil in der fehlenden Passung von Unter- und Überbau des Waldes. Die Karten im Baumdach waren zu kurz. Für den Spielreiz entscheidender war, dass die tollen, aber eher realistischen Grafiken die Erkennung zu einfach machten, was für den Langzeitspielreiz eher abträglich war. Das macht Helvetiq deutlich besser. Sarah Bourquin und Lucas Guidetti bleiben schlichter in ihren Grafiken, dadurch dass sich Fee und Weihnachtsmann farblich fast gar nicht unterscheiden, ist die Wiedererkennung erheblich schwieriger. Man mag den stabilen Papp-Plättchen und bunten Grafiken von Clementoni nachtrauern, die aktuelle Fassung aus der Schweiz sorgt aber für deutlich mehr Spielvergnügen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FOREST
Autoren: Leo Colovini und Fabio Visintin
Verlag: Helvetiq
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 50/2017
Sonntag, 20. August 2017
KRISS KROSS
Knizias KRISS KROSS in Kooperation mit dem Kreativbunker (für die Krafik, pardon Grafik) ist 2017 in der typischen stabilen Schuberverpackung der kleinen Spiele von moses. erschienen. Knizia hängt sich damit an den Trend von QWIXX & Co. dran, bleibt aber abstrakter. Statt Zahlen werden in seinen Auswertungsblock Symbole eingetragen.
Wer die Übersicht über die 10.000 Spiele der letzten zehn Jahre bewahrt hat, wird feststellen, dass die Grundidee Knizias nicht neu ist. In deutlich abgespeckter Form sind die Parallelen zu Christof Tischs MOSAIX nicht von der Hand zu weisen. Auch 2009 mussten Kreis, Dreieck und X in ein quadratisches Raster eingetragen werden. Bei dem Schmidt-Spiel war dies allerdings 7x7 Felder groß und es wurde mit vier Würfeln geworfen. Tischs Anforderungen waren höher, da die Würfelvorgaben nach einem vorgegebenen Würfelmuster eingetragen werden mussten. Ab fünf zusammenhängenden Mustern brachte das Punkte.
Knizia reduziert das alles massiv, seine nur zwei Würfel besitzen zwar zusätzliche drei Symbole (Punkt, Stern und Quadrat kommen hinzu), diese müssen aber nur noch auf einem 5x5 Feld untergebracht werden, wobei es ab zwei zusammenhängenden identischen Feldern Punkte gibt. Eine Verdopplung der Punkte erfolgt ab vier gleichen Symbolen, wobei alle Reihen und Spalten nach 12 Würfelrunden gewertet werden.
Damit in diesem kleinen Ausgangsfeld nicht alle identische Eintragungen vornehmen, gibt es in der Mitte der ersten Reihe ein Startfeld, in das alle der bis zu sechs Spieler ein unterschiedliches Symbol einzutragen haben. KRISS KROSS ist ruck zuck erklärt, im Ablauf simpel. Die größten Schwierigkeiten bereiten anfangs vielleicht noch die Zeichnung der Sternchen. Etwas aufpassen muss man, dass keine Felder frei bleiben, denn die Eintragung der Würfelvorgaben müssen stets benachbart erfolgen. Das sind Anfängerfehler, die sich schnell legen.
An den Qualitätsanspruch von MOSAIX reicht KRISS KROSS nicht heran. Tischs Idee landete 2010 immerhin auf der Empfehlungsliste der Jury „Spiel des Jahres“. Mit Würfel- und Blockspielen wie QWINTO, TWENTY ONE und NOCH MAL! kann Knizias Idee auch nicht mithalten. Wenn es um Empfehlungen meinerseits ginge, lägen alle diese Spiele deutlich vor KRISS KROSS. Nur wer das ganz schnelle, einfache Würfelspiel mit hohem Glücksanteil und etwas Planung sucht, der sollte bei KRISS KROSS zugreifen. In der Umsetzung durch moses. erhält er ein hochwertiges Spiel.
Wertung: Vielleicht nächsten Monat wieder
Titel: KRISS KROSS
Autor: Reiner Knizia
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1 - 6 Spieler
Spielzeit: ca. 10 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 49/2017
Freitag, 18. August 2017
HIPPO
Wenn die Luding-Daten stimmen, dann kommt aus Dänemark inzwischen einer der erfolgreichsten Nachwuchsautoren. Martin Nedergaard Andersen ist professioneller Autor, 2015 hat er elf Spiele veröffentlicht, im letzten Jahr hat er das Dutzend voll gemacht. Die Bilanz dieses Jahres ist noch nicht abgeschlossen. Er scheint einen guten Draht in die Schweiz zu haben, die Game Factory und der Verlag Helvetiq haben viele Spiele des Dänen veröffentlicht. In Deutschland ist er bei Huch! präsent, aber auch F-Hein hat immerhin schon zwei Spiele von ihm im Programm.
Es sind meist kleine, pfiffige Ideen, die charakteristisch für ihn sind. Das beweist er auch mit HIPPO, einer Neuheit aus diesem Jahr, die bei Helvetiq erschienen ist. In einer kleinen Schachtel stecken ein in zwölf Segmente aufgeteiltes Spielbrett, jeweils zwölf kleine Rettungsringe für vier Spieler und drei kleine 6er-Würfel. Es gilt, alle Rettungsreifen im Schwimmbad des kleinen Nilpferds loszuwerden. HIPPO befindet sich in seinem großen Planschteil in der Mitte des Beckens auf Feld 7. Davor verlaufen drei Bahnen mit den Feldern 1 bis 6, danach sind es nur noch zwei Bahnen mit den Feldern 8 bis 12.
Der Zugspieler würfelt mit allen drei Würfeln und darf diese beliebig kombinieren, d.h. einzeln nutzen oder teilweise bzw. ganz addiert. Entsprechend seiner Wahl, darf er ein bis drei Rettungsringe platzieren. Nur auf dem 7er-Feld, im Planschbecken des Nilpferds, sind die Ringe sicher, auf allen anderen Bahnen können folgende Spieler vorher gesetzte Rettungsreifen verdrängen. Auf den Bahnen mit den niedrigen Werten bedeutet das, dass schon der vierte Ring in der Regel einen gegnerischen vertreibt und wieder im Besitz des Spielers landet. Beliebt ist das Planschbecken, denn die 7 bedeutet nicht nur Sicherheit, sondern bringt auch einen Extrazug, der allerdings nur einmal in Folge genutzt werden darf.
Es ist daher immer ein Abwägen, drei Ringe auf einmal loszuwerden, indem jedes Wurfergebnis einfach genutzt wird oder auf sicherere hohe Werte oder die 7 zu setzen. Ständige Verdrängungen setzen allerdings erst ab drei Spielern ein, bei denen das Endspiel sich spannend hin- und herziehen kann. Sobald ein Spieler nur noch drei oder vier Ringe vor sich hat, wird er gezielt attackiert. Wer sich eher in den oberen Bereichen absichert, ist damit schwerer angreifbar als in den Zonen vor dem Planschbecken des Nilpferds.
HIPPO ist ein schnelles Spiel, das maximal 15 Minuten dauert und Revancherunden garantiert. Die Würfelkombinationen schränken das Würfelglück etwas ein, andererseits geht der Reiz des klassischen Glücksspiels nicht verloren. Zu zweit ist es in der vorliegenden Form aber eher langweilig. Für mehr Spannung hätten Verlag und Autor sorgen können, wenn sie rückseitig auf die vorhandenen Bahnen nur zwei Schwimmbahnen auf den Strecken vor dem Planschbecken und eine Bahn danach gedruckt hätten. Das hätte den Engpässen der Spiele zu dritt und vor allem zu viert eher entsprochen. Dann wäre auch eine Wertung im guten Bereich möglich gewesen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HIPPO
Autor: Martin Nedergaard Andersen
Verlag: Helvetiq
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 48/2017
Mittwoch, 16. August 2017
MEMOARRR!
William Hurter, ein Schweizer Militärattaché in London, spielte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Bilderlegespiel, das sein Vater selbst gebastelt hatte. Dieses Spiel begleitete die Familie noch in den 50er Jahren, bis es Hurter 1958 Erwin Glonnegger in Ravensburg anbot. Ein Jahr später begann die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Legespiels MEMORY ©.
Zur Entstehung des markenrechtlich geschützten Namens erzählt Glonnegger: „Als ich ihn (Hurter) damals gefragt habe, wie heißt das Spiel eigentlich, sagte er: ‚Na, ja, wir haben da keinen so richtigen Namen dafür, in Basel heißt das Spiel ZWILLINGSSPIEL, aber die Nachbarskinder, wenn die immer kamen zum Spiel, oder wenn sie spielen wollten, sagten die: Let's play your memory game.‘ Da sagte ich: ‚Da haben wir doch einen Titel, den nehmen wir.‘“
In seinem „Spiele-Buch“ verweist der ehemalige Verlagschef von Ravensburger darauf, dass die Wurzeln des ZWILLINGSSPIELS weit zurückreichen. Schon im Japan gab es mit KAI-AWASE seit dem 12. Jahrhundert Muschelschalen, von denen jeweils zwei identisch bemalt waren. Im 19. Jahrhundert taucht die Idee als PAIRS in England und in den USA auf. Auch in Hurters Heimat der Schweiz existiert ein direkter Vorläufer von Bertha von Schroeder, deren Fassung Carlit als PUNTA in den 50er Jahren herausbrachte.
Inzwischen gibt es unendliche Variationen der Pärchensuche, jenseits von Worker Placement und Kartendrafting ist Jahr für Jahr das MEMO-Prinzip das am häufigsten auftauchende Spielelement unter allen Neuerscheinungen. Die Varianten sind vielfältig und immer wieder überraschend, so 2016 in LEO MUSS ZUM FRISÖR oder ganz aktuell 2017 in MEMOARRR! von der Berliner Spielwiese.
Carlo Bortolini reduziert in seiner ersten Veröffentlichung die MEMO-Anforderung auf 24 Karten. Wer meint, damit eine Kleinkinderausgabe des Erinnerungsspiels vor sich zu haben, der irrt. Sein Berliner Verlag empfiehlt MEMOARRR! erst für Achtjährige. Die Besonderheit dieses Spiels besteht darin, dass nur so etwas Ähnliches wie Pärchen gesucht werden. In der Schatzsucherwelt von Kapitän Goldfisch bebt ein Vulkan. Dort hat Goldfisch in einer tief gelegenen Höhle sieben Schatztruhen mit unterschiedlich vielen Rubinen versteckt. Wer diese erfolgreich heben möchte, muss seine Kontrahenten in die Irre führen. Nur wer den Weg zwischen fünf tierischen Inselbewohnern in fünf verschiedenen Insellandschaften regelkonform findet, wird zu den Rubinen gelangen.
Schildkröte, Pinguin, Krebs, Walross und Tintenfisch tauchen dabei nicht nur im Wasser auf, sondern sind ebenfalls am Strand zu sehen, in den Blütenfeldern und grünen Wäldern der Insel, sogar auf den Lavastreifen unterhalb des Vulkans. Die Karten liegen in MEMOARRR! in einem 5x5-Raster aus, die Tierkarte des zentralen Feldes wird aus dem Spiel genommen, da sich dort die Schatztruhen befinden und bis zu drei Vulkankarten. Die drei mittleren Karten einer Spielplanseite darf sich jeder anschauen, sodass Anfangskenntnisse über Tierwelt und Landschaften bei jedem vorhanden sind. Der Startspieler deckt eine Karte auf, der folgende Spieler muss ein entsprechendes Tier oder eine passende Landschaft finden. Wem das nicht gelingt, der nimmt eine Vulkankarte. Bleibt nur noch ein Spieler übrig, stößt der auf eine der Schatzruhen.
Anfangs tappen alle fast im Dunkeln, aber die Insel offenbart mit der Zeit immer mehr Informationen. Wer sich die gut einprägen kann, wird häufiger bis zum Ende übrigbleiben und mit dem Inhalt einer Schatztruhe belohnt werden, um am Ende die meisten Rubine zu besitzen. Wie bei dem herausragenden Kinderspiel LEO MUSS ZUM FRISÖR lebt MEMOARRR! durch den Lernzuwachs der Spielrunden. Auch wer anfangs früh ausscheidet, wird gespannt weiter zusehen, weil er für die nächsten Duelle gewappnet sein will.
Das ist stets spannend, von vielen Emotionen begleitet und macht immer wieder Spaß. Wer es anspruchsvoller mag, kann zum Expertenspiel greifen, in dem den Tieren Fähigkeiten zugewiesen werden. Da kann der Tintenfisch Karten vertauschen oder der Pinguin sich Karten ansehen. MEMOARRR! ist grafisch toll umgesetzt und bietet nicht nur Vergnügen für eine fünfzehnminütige Schatzsuche. Das ist ein Spiel, das alles hat, zum Dauerbrenner zu werden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MEMOARRR!
Autor: Carlo Bortolini
Verlag: Edition Spielwiese / Pegasus
Alter: ab 8 Jahren / im Nachinein auf 6 Jahre vom Verlag geändert
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 - 20 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 47/2017
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