Donnerstag, 14. Mai 2020
DIE VERLASSENE BIBLIOTHEK
Es lag nahe, dass nun auch der moses. Verlag ins Genre der Escape-Spiele einsteigt. Im Grunde genommen sind es ausgetretene Pfade, denn Holger Böschs rabenschwarze BLACK STORIES sind morbide Rätselgeschichten, die alle Teile eines Escape-Falles sein könnten. Böschs Stärke liegt im Geschichtenerzählen, entsprechend ist die erzählerische Erwartung hoch, wenn sein Verlag eine Spielgruppe in einem Raum einschließt, aus dem sie entkommen muss.
Der Arrangeur des ersten Falls, der VERLASSENEn BIBLIOTHEK ist allerdings nicht Bösch, sondern der renommierte venezianische Autor Leo Colovini. Der Spieleautor startete in den 80er Jahren zusammen mit Alex Randolph u.a. mit INKOGNITO, einem Klassiker des deduktiven Spiels, seine Autorenkarriere. Überzeugte die Idee damals durch überbordende Kreativität unter mimischen Einbindungen und einem originellen Würfelmechanismus, zeigt seine aktuelle Entwicklung für moses. eher klassisches Handwerk.
Erzählerisch bleibt das Konzept karg, wir sind in einer Bibliothek eingeschlossen, aus der wir entkommen müssen. Das ist schon die ganze Geschichte. 18 Bücherregale mit Rätseln wollen geknackt sein. Dazu ordnen wir kompatible Zahlenschloss-Karten, von denen anfangs vier ausliegen, den passenden Aufgaben zu, was nicht weiter schwerfällt. Die Karten ergeben eine Aufgabe, mit deren Code das Schloss geöffnet wird. Wer meint, die korrekte Antwort gefunden zu haben, dreht beide Karten um. War es das richtige Pärchen, dann ergibt sich ein Zahlencode. Stimmt dieser mit der eigenen Lösung überein, kommt die Zahlenschloss-Karte für den letzten Fall zur Seite und die Aufgabenkarte in die Schachtel, außerdem werden die Aufgaben ergänzt.
Wer den falschen Code gefunden hat, erhält keine neue Karte, sollten dadurch die Fragen ausgehen, kostet die nächste Aufgabe zehn Strafminuten, was den Druck etwas erhöht, da man maximal 75 Minuten Zeit verbrauchen sollte, um die Bibliothek zu verlassen. Sind die 18 Rätsel geknackt, geht es an ein abschließendes Exit-Puzzle, für das die gelösten Codekarten von Bedeutung sind.
Die Mehrheit der Rätsel gehört in die einfache Aufgabenkiste, die zum Teil sogar Grundschüler leicht lösen. Für die wenigen etwas anspruchsvolleren Aufgaben, bei denen man eventuell nicht weiterkommt, gibt es ein abgestuftes Hilfesystem, das die Spielgruppe ohne Zeitstrafen nutzen darf.
Für geübte EXIT-Spieler sind die verschlossenen Türen der Bibliothek keine allzu große Hürde. Die oft mathematisch angehauchten Rätsel lassen sich meistens einfach lösen. Ältere Grundschulkinder und ungeübte Familien sind eher die Zielgruppe der VERLASSENEn BIBLIOTHEK Colovinis. Erzählerische Stärken und originelle Aha-Erlebnisse sucht man in diesem Konzept aber vergeblich. Positiv bleibt die Wiederverwertbarkeit der Schuber-Schachtel von moses., da nichts zerstört wird.
Wertung: Nächsten Monat wieder
Titel: DIE VERLASSENE BIBLIOTHEK
Autor: Leo Colovini
Grafik/Design: Kreativbunker
Verlag: moses.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 45 – 75 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 28/2020
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