Mittwoch, 14. Juli 2021
RASENDE ROBOTER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gedankenakrobatik: RASENDE ROBOTER
Alex Randolph, in Venedig lebender Amerikaner, hat die Grundidee von RASENDE ROBOTER schon vor 25 Jahren veröffentlicht. Das Spiel hieß damals CORONA und erschien in der legendären Ravensburger Casino-Reihe. Würfel mussten so angeordnet werden, dass sich möglichst viele Steine auf einer kreisrunden Bahn trafen. Die CORONA-Idee brachte unser Göttinger Autor und Verleger zehn Jahre später als HARUN in seiner Edition Perlhuhn heraus. Der Stuttgarter Verlag Franckh Kosmos widmete der Grundidee ebenfalls fast ein Jahrzehnt später eine ganze Spielesammlung unter dem Titel ORBIT.
Schon vorher war mit DIE VERBOTENE STADT eine Variante mit Raumbewegungen bei Ravensburger erschienen, an der orientiert sich nun RASENDE ROBOTER.
Ein variabler Spielplan mit 17 Zielfeldern, vier Roboter und entsprechende Roboter-Marker und Zielchips stellen das überschaubare Spielmaterial dar. Ein Chip definiert das Ziel, diesen gilt es mit einem bestimmten Roboter zu erreichen. Die Roboterzüge stellen sich alle Spieler erst einmal nur vor, die kleine Maschine bewegt sich ausschließlich orthogonal, stößt sie auf ein Hindernis, biegt sie rechtwinklig ab. Wer gedanklich das Ziel erreicht hat, nennt laut die Anzahl der ausgerechneten Züge und lässt den anderen noch eine Sanduhr-Minute Zeit, um seine Zahl zu unterbieten. Die anderen können natürlich auch höhere Zahlen nennen, es kann ja gut sein, dass ein Spieler sich geirrt hat.
Sobald ein Spieler den kürzesten Weg nachweisen kann, bekommt er den Chip. Wer im Spiel zu viert zuerst fünf Chips gewinnt, beendet das Spiel.
Diese Art von Gedankenspielen gefällt oder wird rundweg abgelehnt. Ich mochte schon CORONA und bin erst recht von RASENDE ROBOTER angetan. Der besondere Reiz dieser Hans im Glück-Ausgabe besteht darin, dass es oft nicht nur bei der Bewegung eines Roboters bleibt, sondern dass andere zur passenden Umlenkung in die Bahn des Zielroboters gestellt werden müssen.
Titel: RASENDE ROBOTER
Autor: Alex Randolph
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Hans Im Glück
Spielerzahl:1-
Spieldauer: 45 - 60 Minuten
Preis: 40.- DM
Spiel 22/1999 R114/2021
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Randolph diesmal 1995 auf dem Autorentreffen in Göttingen zusammen mit der Ravensburger Redakteurin Charlotte Huber, sie spielen einen Nachfolger des alten Klassikers CORONA, der einst 1974 bei Ravensburger erschienen ist.
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