Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ATMOSFEAR
Dass die Brettspielbranche massiv gegen die boomenden Computerspiele, gegen Super Mario's Gameboy-Abenteuer und die perfekten Videospiele von Nintendo und Sega anzukämpfen hat, kündigte sich schon vor einigen Jahren an. Die meisten Jugendlichen zieht's zum Bildschirm; Vernetzungsmöglichkeiten lassen inzwischen spielerische Interaktion zu, der Ausbruch aus der Isolation des Solospielers ist damit auch gelungen.
MENSCH ÄRGERE DICH NICHT! und MONOPOLY könnten demnach bald nur noch musealen Charakter besitzen und in Weihnachtsausstellungen neben Krippen und Christbaumschmuck präsentiert werden, wenn nicht die Brettspielhersteller reagieren würden. Einen Frontalangriff auf die von Videospielen verwöhnten Kids startet die süddeutsche Firma Schmidt Spiel und Freizeit. Dort will man die Gruppe der zehn bis sechszehnjährigen über das Medium Film wieder zum Brettspiel zurückführen. Die Lösung sieht man im Videobrettspiel ATMOSFEAR.
Wer sich auf ein Spielabenteuer einlässt, sollte erst einmal das entsprechende Ambiente herstellen. Spielen Sie nur abends, verdunkeln Sie den Raum, nur das notwendigste Licht zum Lesen der Spielkarten sollten Sie anlassen, so schaffen sie die beste Atmosphäre.
Der Spielmechanismus ist einfach: Sie schlüpfen in die fantastisch-gruseligen Rollen von Mumien, Vampiren und Hexen und würfeln sich über einen Rundparcours eines Friedhofes. Dabei versuchen Sie, innerhalb von sechzig Minuten sechs Schlüssel in Ihren Besitz zu bekommen und möglichst nicht Ihrem persönlichen Alptraum zu begegnen. Soweit ist das Spiel nicht weiter originell, wenn nicht die Spieldauer und der Spielablauf über ein Videoband gesteuert würden. Die Zeitangaben der Videocassette werden spieltechnisch über Zeitkarten genutzt, außerdem erscheint in unregelmäßigen Abständen der "Herr des Schlüssels" auf dem Bildschirm, der Spielleiterfunktionen übernimmt. Unter strenger Einhaltung der Regelvorgaben kommt es zu einer Interaktion zwischen Spielern und "Schlüsselmeister", dessen rigide Anweisungen immer befolgt werden müssen. Da die Gruppe letztlich gegen den "Herrn der Schlüssel" spielt, denn er gewinnt, wenn niemand die Aufgabe löst, entwickelt sich besonders gegen Ende ein hektisches, nervenaufreibendes Spiel.
Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache, ständig mit "elender Wurm" angeredet zu werden, auch die schaurige Metamorphose des Schlüsselmeisters ist nichts für schwache Nerven. Erwachsene Spieler brechen daher häufig diesen "Blödsinn" ab. Die vom Verlag angepeilte Zielgruppe kann sich aber der Faszination dieses Spieles nicht entziehen. Thema, Sprache und Umsetzung finden hier viel Zustimmung, auch Begeisterung. Insofern scheint der Weg, den Schmidt Spiel und Freizeit hier eingeschlagen hat, erfolgreich zu sein.
Titel: ATMOSFEAR
Verlag: Schmidt Spiel und Freizeit
Autor: Phillip Tanner
Spielerzahl: 2-6
Spieldauer: 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahre
Preis: ca. 90.00 DM
Spiel 11/1992 R150 /2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder