
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ruhiges Händchen gefordert: EQUILIBRIO
Früher waren es die klassischen Ankerbausteine, die zum Nachbau architektonischer Wunderwerke reizten. Bis in die 50er-Jahre fehlten die Naturbausteine, die im Übrigen seit 1995 im thüringischen Rudolstadt wieder produziert werden, in keinem Kinderzimmer. Ein in diese Richtung gehendes modernes Angebot bietet EQUILIBRIO von Michel und Robert Lyons aus dem Huch-Verlag. Die beiden Autoren folgen nicht dem Prinzip der Steinanhäufung für den Bau gewaltiger Kathedralen, sie kommen mit 18 Kunststoff-Bausteinen in sieben verschiedenen Formen aus.
EQUILIBRIO steht in der Tradition von ARCHITECTO, das ebenfalls von den beiden Autoren 2005 bei Huch erschienen ist. Hier wie dort steht im Zentrum des Spiels ein Aufgabenblock, der gedankliche und taktile Herausforderungen steigenden Schwierigkeitsgrades enthält. Die Aufgaben geben Art und Anzahl der zu benutzenden Bausteine vor und zeigen das zu erstellende Gesamtobjekt. Damit ist klar, EQUILIBRIO ist in der Regel ein Solitärspiel, eine logische Tüftelei, für deren Umsetzung man aber ein ruhiges Händchen benötigt. EQUILIBRIO ist anspruchsvoller als ARCHITECTO, da das Bauen auf Rollen, auf Spitzen, auf Halbkugeln erheblich mehr Feingefühl erfordert, als das bei den logischen Gedankenübungen vom Vorläuferspiel der Fall war. Nicht zu Unrecht verweist daher der spanische Spieltitel auf die Balance, auf das Gleichgewicht, das bei den Bauaufgaben im Vordergrund steht.
Für Grundschulkinder stellen beide Spiele interessante Herausforderungen dar und erfüllen vorbildlich Lernspielfunktion ganz im Sinne der Schulung von Kopf und Hand. Der Reiz für ältere Spieler hält sich nach meinen Erfahrungen in Grenzen, der Aufforderungscharakter am Anfang ist hoch, hält aber nicht an. Ärgerlich finde ich, dass der Verlag bei dem nicht gerade preiswerten Spiel doppelt abkassiert. Die Bausätze beider Spiele sind identisch, so dass die Besitzer von ARCHITECTO eigentlich nur den neuen Aufgabenblock benötigen, den es aber nur im Gesamtpaket gibt. Immerhin lässt sich aus der Not eine Tugend machen, mit beiden Spielen wird aus den Solofassungen ein Zweipersonen-Spiel, das man im direkten Wettstreit austragen kann.
Meine persönliche Meinung zu EQUILIBRIO und Co. ist geteilt. Die Spiele sind teuer, die Farbgestaltung des Materials ist gewöhnungsbedürftig, zumindest das hätte man bei der Zweitfassung ändern können. Ich frage mich, warum dann nicht besser gleich zu den optisch und haptisch überzeugenderen Ursprungsmaterialien von Anker zurückkehren. Positiv ist immerhin zu berücksichtigen, dass diese Spiele den raren Markt der Solitärspiele beleben. Als Lernspielangebote sind sie geeignet.
Titel: EQUILIBRIO
Autor: Michel und Robert Lyons
Grafik: service3.com
Verlag: Huch
Spieler: Solitärspiel
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: beliebig, für die einfachen Bauten benötigt man wenige Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 10/2006 R123/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder