Donnerstag, 29. Juli 2021
EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Spuren einer alten Forschungsreise: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Hauptberuflich beschäftigt sich Florian Isensee mit dem Verlegen und Verkaufen von Büchern. Der Isensee-Verlag gewinnt seine Schwerpunkte hauptsächlich aus der Region des Nordwesten Deutschlands, erweitert durch Bücher zur Kunst- und Kulturgeschichte, zur Archäologie sowie Veröffentlichungen in niederdeutscher Sprache. Über die Kulturgeschichte und Archäologie ist der vielseitige Verleger auf ein altes Buch gestoßen, das im 19. Jahrhundert Archäologiegeschichte geschrieben hat. 1839/40 bereiste der amerikanische Reiseschriftsteller und Archäologe John L. Stephens zusammen mit dem englischen Zeichner Frederick Catherwood das Gebiet der ehemaligen Maya-Kultur. Sein 1841 erschienener Reisebericht “Incidents of Travel in Central America, Chiapas, and Yucatan” wird auch von modernen Archäologen vor allem wegen der detailreichen Zeichnungen Catherwoods immer wieder herangezogen. „Die Entdeckung der alten Mayastätten“ (Edition Erdmann) nennt sich die aktuellste deutsche Fassung dieses Bestsellers aus dem 19. Jahrhundert.
Florian Isensee lädt drei bis vier Spieler ein, sich auf die Spuren von Stephens und Catherwood zu begeben. Er braucht dazu keinen Spielplan und keine Spielfiguren, 64 Spielkarten liefern das atmosphärische Ambiente für die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Die Expeditionsroute symbolisieren zehn Wegekarten, die, nebeneinander ausgelegt, den Spielern Schatzfunde, aber auch gefährliche Abenteuer verheißen. Um an die Schätze heranzukommen und die Abenteuer zu bewältigen, benötigen die Spieler Aktionskarten, zusätzlich erhält jeder Spieler eine Rastkarte, die wichtig für den Kartennachschub ist. Schließlich gibt es noch einen Stapel mit zehn Schatzkarten, der Schätze im Wert zwischen 20 und 60 Punkten enthält. Darum geht es letztendlich auch in diesem Spiel: das Sammeln von punkteträchtigen Schätzen. Wer dazu am besten seine Aktionskarten einsetzt, gewinnt meist schon nach einer Viertelstunde die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN.
Was passiert in dieser Zeit? Die Wegekarten werden nacheinander aufgedeckt. Ist es eine Abenteuerkarte, müssen die Spieler gemeinsam das Abenteuer bestehen. Da gibt es leicht zu bewältigende Ereignisse, wie die Begegnung mit der Schmugglerbande, die einen Gefahrenwert von fünf Punkten besitzt, und schwierige, wie die Überquerung einer verfallenen Hängebrücke, die mit zehn Punkten die Abenteurer oft zu weiteren Versuchen zwingt. Für das Bestehen des Abenteuers legen die Spieler verdeckt eine ihrer Aktionskarten ab, ergeben diese addiert den geforderten Gefahrenwert, gilt das Abenteuer als bestanden und die nächste Wegekarte wird aufgedeckt. Der Spieler mit der höchsten Aktionskarte erhält die Abenteuerkarte, die in der Endabrechnung immerhin zehn Punkte bringt. Wird das Abenteuer nicht bewältigt, muss jeder Spieler seinem linken Nachbarn seine höchste Aktionskarte zuschieben. Der Konflikt, in dem die Spieler immer wieder stehen, besteht hauptsächlich darin, dass man eigentlich die hochwertigen Aktionskarten für die Phasen aufheben möchte, in denen Schätze zu finden sind. An vier Fundorten gibt es ein bis drei Schätze zu finden, um die die Spieler sich mit ihren Karten duellieren.
Isensees Kartenspiel ist von den Siegbedingungen her kompetitiv angelegt, das Besondere an seiner Spielidee ist aber, dass er - durchaus realitätsnah – für die Bewältigung des größeren Teils der Wegestrecke die Kooperation der Spieler verlangt. Daraus entwickelt sich der ganz besondere Reiz der EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Welche Karten setze ich wann ein, welches Risiko gehe ich ein, wenn ich mich nur geringfügig beim Bestehen der Abenteuer beteilige? Das sind Fragen, die sich den Spielern immer wieder stellen. Wie die meisten Kartenspiele ist Isensees Expedition glücksabhängig, aber das Glück lässt sich dank der kurzen Spieldauer immer wieder neu herausfordern. Ich empfehle daher viermal zu den Mayastätten aufzubrechen, das schaffen Sie in einer guten Stunde.
Die alten Grafiken, die für die unterschiedlichen Illustrationen verwendet werden, tragen gelungen zur Spielatmosphäre bei. Das Kartenmaterial ist hochwertig, aber spitzkantig. Die Verpackung, eine dünne Faltschachtel, hätte ich mir stabiler gewünscht. Für 6,50 Euro erwerben Sie ein interessantes, innovatives Spiel eines neuen Autors, der nun nicht mehr nur Bücher in seinem Buchverlag veröffentlicht.
Titel: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Autor: Florian Isensee
Verlag: Isensee-Verlag (www.isensee.de)
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 6,50 Euro
Spiel 11/2006 R124/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit allen seinen Spielen 2020.
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