
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Osterinselspiel: RAPA NUI
Der Göttinger Geologe und Spieleerfinder Reinhold Wittig hat schon in den 80er Jahren mit Vielen Ideen die Materiallandschaft für Spiele verändert.
Jenseits von Papp-Plan, Pöppeln und Plastik-Chips spielten bei ihm Leder- oder Skaipläne, Muttern (schon 1974) und Muscheln, opulente Holzausstattungen eine wichtige Rolle. Über 30 Jahre hinweg ist der Autor diesem Prinzip treu geblieben, er liefert Augenschmaus, er bietet Haptik und kulturell oder wissenschaftlich eingebundene Spielideen. Immer noch befindet er sich auf einer Reise „Mit 80 Spielen um die Welt“ und ist dabei zum zweiten Mal auf der Osterinsel gelandet, diesmal begleitet ihn ein neuer Freund und Erfinderkollege, der Jenaer Mathematikprofessor Ingo Althöfer. Nach HOTU MATUA, dem ersten Osterinsel-Spiel, das den Reisen des sagenhaften gleichnamigen Entdeckers der Osterinsel gewidmet war, steht RAPA NUI diesmal selbst im Vordergrund, gespielt wird auf der Osterinsel. Das berühmte Inseldreieck stellt mit seinen geschwungenen Buchten den großen stabilen Holzspielplan dar, der mit 45 Bohrungen versehen ist, in diese Felder kommen Würfel-Sockel, dort hinein Sockel-Würfel, außerdem besitzt jeder Spieler zwei sein Spiel steuernde Spielsteine.
Wittig und Althöfer begeben sich spielerisch auf die Spuren der Besiedlung der Insel. Ihr taktisches Würfelspiel beginnt mit der ersten Siedlungsphase und endet unter dem Druck der sich ausbreitenden Bevölkerung. Am Anfang setzen die zwei bis drei Spieler ihre beiden Spielsteine ein, von diesen Feldern aus beginnen sie ihre Besiedlung der Insel. In der nächsten Phase, die die Autoren als „Kultur-Phase“ bezeichnen, müssen neun Felder belegt werden, dazu bewegen die Spieler ihre Spielsteine abwechselnd. Sie ziehen ein Feld weiter, auch auf diagonal angrenzende Felder. Die verlassenen Felder werden mit Holzsockeln belegt und einer von neun vorher bereit gelegten Würfeln wird oben auf den Sockel gelegt. Danach folgt das eigentliche Spiel, in dem es enger und enger auf RAPA NUI wird. Zu diesem Zeitpunkt sind beim Spiel zu dritt ein Drittel der 45 Felder mit Spielsteinen oder Würfel-Sockel mit Würfeln belegt. Die Spielsteine der Spieler besitzen also noch genügend Bewegungsmöglichkeiten, um sich auf der Insel auszubreiten. Im Prinzip geht das Spiel wie in der „Kultur-Phase“ weiter: Spielstein bewegen, Würfel-Sockel setzen, würfeln und den Würfel in den Sockel setzen. Zusätzlich muss jetzt ein rosa Würfel geworfen werden. Das Wurfergebnis macht es möglich, einen Würfel aus einem Sockel zu entfernen. Sobald das erstmals passiert ist, dürfen die Spieler nach ihrem Zug entscheiden, ob sie mit dem rosa Würfel werfen oder einen leeren Sockel entfernen. Dadurch können neue Bewegungsräume gewonnen werden. Trotzdem sorgt der Zwang, in jeder Runde den Sockel mit Würfel platzieren zu müssen, dafür, dass es immer enger auf der Insel wird. Sobald ein Spieler keinen seiner Setzsteine mehr bewegen kann, scheidet er aus.
Eine Besiedlungspartie geht meist nach einer halben Stunde vorüber, ein zügiges Spiel also, das Revancherunden zulässt. Die sollte man auch nutzen, denn RAPA NUI ist zwar ein Würfelspiel, besitzt aber einigen taktischen Tiefgang. Das geht schon mit der Einsetzphase los, über die Gebiete abgesteckt werden können. Jeder versucht für sich Rückzugsbereiche zu schaffen, die aber durch die Rosa-Phase immer wieder durchbrochen werden. Dieses Glückselement macht den eigentlichen Reiz des Spiels aus, da dadurch Schneisen in Umzingelungen geschlagen werden können, die den Mitspielern gar nicht passen. Tolles Material, klasse Spielidee und viel Spielspaß, RAPA NUI sollten sich auch große Verlage näher ansehen.
Titel: RAPA NUI
Autor: Reinhold Wittig, Ingo Althöfer
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 2 - 3
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60 Euro
Spiel 20/2006 R134/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 1961 in Lage geborene Mathematiker Ingo Althöfer promovierte 1986 in Bielefeld, seit 1994 hat er den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.
Seine Forschungsschwerpunk liegen in den Bereichen Spieltheorie und Kombinatorische Optimierung. Althöfer hat experimentell untersucht, wie sich Lego-Steine beim Waschen in der Waschmaschine zu Zufalls-Komplexen zusammensetzen, die Ergebnisse dokumentierte er in „Meine wunderbare Wasch-Saison“. Sein Highlight der Wasch-Saison2013: „Steine von verschiedenen Herstellern (einschließlich LEGO und der DDR-Marken PeBe2000 und Formo) bilden in der Waschmaschine gemeinsame Zufallskomplexe: Es wäscht zusammen, was zusammen gehört!“
Spielideen veröffentlichte er im Eigenverlag 3-Hirn Spiele. 2006 erhielt Altöfer den Inno-SPATZ der Stadt Göttingen.
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Bild zeigt Wittig und Althöfer bei der SPATZ-Verleihung 2006.