Donnerstag, 12. August 2021
ROBINSON & FREITAG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zurück zur Natur: ROBINSON & FREITAG
Was ist eine Robinsonade ohne Floßbau, Palisaden und einen ordentlichen Ausguck nach Rettung bringenden Schiffen. HiKu hat ein bisher einmaliges spielerisches Ambiente für den Klassiker Gestrandeter geschaffen. Der Spieleschatz kommt in einer Schatztruhe aus Holz verpackt daher. Fünf Robinsoninseln aus Leder – für jeden der maximal fünf Spieler eine -, dazu fast 150 Bauteile aus Naturmaterial, für alles, was Robinson so auf seiner Insel braucht, notwendiges Strandgut, Fässer, Planken, Bretter und Steine. Richtig eingesetzt, bieten diese Ressourcen Schutz vor den Gefahren der unbekannten Insel. Ein Zaun bietet Deckung vor wilden Tieren, eine Hütte aus Steinen und Brettern hilft bei Überflutung und schützt vor feindlichen Wilden. Notwendiges Frischwasser fließt durch die Wasserrinne. Entscheidend ist letztlich aber der rettende Floßbau, denn nur wer am Ende das größte Floß gebaut hat, darf von seiner Insel ablegen.
Michael Palm setzt sein Spiel ROBINSON & FREITAG mit Hilfe eines einfachen, aber reizvollen Pokermechanismus um. Jede Spielrunde beginnt mit
einem Bietverfahren um das Baumaterial. Aus der Fülle des Materials nimmt sich jeder Spieler drei Teile, die er verdeckt bietet. Um Bauteile auch behalten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden:
1. Bietet ein Spieler eine Sorte Bauteile alleine an, darf er alle gebotenen Teile behalten.
2. Haben mehr Spieler Bauteile einer Sorte in ihrer Hand, dann erhält nicht der Spieler, der am meisten geboten hat, sondern der, der am wenigsten geboten.
3. Gibt es mehr Spieler, die gleich wenig oder gar nichts geboten haben, bekommt keiner etwas.
Nach der Bietrunde und der Verteilung des Baumaterials, dürfen die Inseln ausgebaut werden. Das gewonnene Material darf im Vorrat bleiben, es sollte aber auch zum Floßbau und zum Schutz der eigenen Insel verwandt werden, denn nur so schützt man sich vor der nach der Baurunde folgenden Ereignisrunde. Wenn ein Spieler nichts gewonnen hat und auch keine Materialien mehr in seinem Vorrat liegen hat, darf er eins von acht Ereignissen auslösen, die in Form von kleinen bedruckten Lederinseln existieren. Dabei gibt es meist negative Ereignisse, einige positive und die Begegnung mit Freitag, die keine direkte Auswirkung hat, dafür aber durch die zweite Begegnung, wenn die Ereignisinseln einmal durchgespielt sind, das Spielende herbeiführt. Sichern kann man sich vor schlechten Ereignissen wie den Angriff feindlicher Inselbewohner nur durch spezifische Schutzbauten, hier zum Beispiel den Palisadenbau. Der Spieler, der sich am wenigsten geschützt hat, verliert ein Bauteil, das der Spieler aussuchen darf, der das Ereignis ausgelöst hat. Umgekehrt können die Spieler bei den Ereignissen „Treibgut“ und „Freundliche Inselbewohner“ Bauteile gewinnen.
Der Reiz des Spiels geht einerseits von dem tollen Material aus, anderseits von dem raffinierten Bietmechanismus. Das hat etwas von spannenden Pokerrunden, da ist viel Psychologie mit im Spiel. Jedes Mal stehen die Spieler vor der Entscheidung, ob die breite Streuung und das Bauen auf eine Sorte die angemessene Strategie sein könnte. Wer viel Glück hat, kann seine drei Teile behalten und zusätzlich noch andere Sorten abkassieren. In jeder Runde ist es immer wieder ein erregendes Spielchen mit den Mitspielern. Problematisch ist allerdings, dass das Ganze in voller Besetzung doch sehr zufällig bleibt. Zu dritt und zu viert machen diese Bietrunden aber viel Vergnügen. Da für den Spielsieg die Planken für den Floßbau wichtig sind, geht es natürlich vor allen Dingen um den Gewinn dieser Bauteile. Die Regel lässt Vorratshaltung zu, was anderseits verhindert, dass Ereignisinseln genommen werden können. Hier besteht eine gewisse Gefahr, dass das Spiel sich selbst aufhängt. Wenn alle nur auf Vorrat spielen, weil sie keine Floßplanken verlieren wollen, kommt die erste Ereigniskette gar nicht so recht in Gang. Problematisch ist auch, dass es keine Baubegrenzung aus dem Vorrat heraus gibt. Wer also lang genug genügend Planken bunkert, könnte am Ende sein Floß bauen, zum zweiten Mal Robinson nehmen und das Spiel gewinnen. Wir haben in unseren Runden auf die Vorratsregelung verzichtet und alle gewonnenen Teile verbauen lassen, das führt zu einem zügigeren Ende des Spiels. Als reizvoll hat sich im Übrigen auch eine Zweier-Variante heraus gestellt, in der jeder für zwei Inseln verantwortlich ist und in der jeder weiß, was sich in seiner rechten und linken Hand für die entsprechenden Inseln verbirgt. Das gibt der Bietrunde zusätzlichen Pfiff.
Mit leichten Regeländerungen und unter Verzicht auf das Spielen in voller Besetzung lohnt ein spielerischer Ausflug in die Inselwelt von ROBINSON & FREITAG. Sie erhalten einen Spieleschatz, der jenseits von ludofaktischen Schachteln und Spielmaterialien angesiedelt ist - etwas ganz Besonderes also!
Titel: ROBINSON & FREITAG
Autor: Michael Palm
Verlag: HiKu
Spieler: 3- 5, besser bis 4, auch für zwei Spieler möglich
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Spiel 21/2006 R135/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der „Seetroll“ Michael Palm entwickelt seit 25 Jahren Spiele und managt seit fast 30 Jahren das Spielefachgeschäft Seetroll in Konstanz und Friedrichshafen.
Viele seiner Ideen hat er zusammen mit Lukas Zach entwickelt, darunter DIE ZWERGE und die UNDO-Reihe bei Pegasus Spiele, aber auch Kinderspiele wie Bim BAMM! und ZAUBEREI HOCH DREI, die auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel 2013 bzw. 2017 landeten.
Für Hiku hat er neben ROBINSON & FREITAG noch VOODOO PARTY und ÉTOILE veröffentlicht. Das letzte Spiel ist dann später noch einmal bei Gerhards Spiel und Design erschienen.
Das Foto zeigt Michael Palm in einem seiner Läden am Bodensee.
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