
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
UM RU(H)M UND EHRE
Viel Ruhm hat der kleine Ableger der Ravensburger am Chiemsee bisher eingeheimst. Stefan Brücks Alea-Spiele waren bislang Garant für hochkarätige Angebote, die die Vielspieler-Gemeinde stets in Entzücken versetzte. Das ging fantastisch los mit RA, und ebenso gut weiter mit TADSCH MAHAL den FÜRSTEN VON FLORENZ oder HÄNDLER VON GENUA bis zu den absoluten Höhepunkten PUERTIO RICO und SAN JUAN. Viel Ehre hat das Stefan Brück bisher eingebracht, ständige Top-Platzierungen beim Deutschen Spielepreis, zum Teil auch Nominierungen beim Spiel des Jahres. Nach den Vorgaben sind die Erwartungen bei Neuerscheinungen von Alea stets hoch. 2006 hat Brück mit Augsburg 1530 diese Erwartungen positiv bestätigt, 2006 hat er aber auch die Fangemeinde seiner Spiele arg enttäuscht. Die Piratenhorden, die in Stefan Felds UM RU(H)M UND EHRE durch die Kneipen eines versteckten Seeräubernests in der Karibik taumeln, hätten wohl besser dem Mutterhaus angestanden, als der Alea-Reihe. Fairspielt vermeldet am 23. August dazu eine fast repräsentative Lesermeinung Paul Arnesens: „Das ist der beste Weg, um bisherige Alea Käufer zu verprellen. Die Erwartungen konnten bei Weitem nicht erfüllt werden.“
Woran liegt’s? Der Materialaufwand, der bei diesem Spiel betrieben wird, ist beträchtlich. 181 Spielplättchen, allein 76 Piratenspielfiguren, dazu Goldmünzen, ein Schiffsmast, ein aufwändiger Sortierkasten, ein variabler Spielplan und – keine Selbstverständlichkeit für Alea – ein Würfel. Viel Aufwand für letztlich nicht allzu viele Effekte.
Der variable Spielplan ergibt immer wieder neue Piratennester, an deren verwinkelten Wegekreuzungen Ereignisse warten, die Kärtchengewinn in Form von Schatzkartenteilen, Schatzkisten, Piratenbedarf, Rumfässer und Rangeleien mit Stadtwachen bringen. Die Fortbewegung in dem Straßengewirr ist spieltechnisch interessant, spiellogisch völlig abstrus gelöst. Eine zentrale Figur, der „rote Korsar“, wird von allen Spielern bewegt, die auf den dazwischen liegenden Wegfeldern eigene Piraten zurücklassen müssen. Am Anfang hat jeder Spieler zehn Figuren zur Verfügung, die über anzulaufende Piratenfelder aber auf fünfzehn ergänzt werden können. Diese Piraten dienen nicht nur der Fortbewegung des Korsaren, sie werden auch eingesetzt in einem die jeweilige Runde abschließenden Würfelduell, das über zwei Seiten hinweg auf das Ausführlichste in der Spielregel erläutert wird. Der Aufwand dient dem Gewinn von Kojenplättchen, die bis zu acht Siegpunkte am Ende bringen. Ganze fünfmal wiederholt sich dieses Procedere mit Ereignissen auf dem Spielplan und Würfelorgien auf dem Schiff. Dann sind die Spieler endlich erlöst, nachdem sie sich einen Überblick über die gesammelten Plättchen verschafft haben.
Das war’s? So ziemlich war es das wirklich. Ich könnte jetzt zwar noch etwas über die „dunkle Gasse“ oder das „Rendez-vous“ –Feld erzählen, oder die Details des langwierigen Auswürfelns der Kojen-Plättchen erläutern, aber das lohnt wirklich nicht. Das Ganze wirkt zusammen gestückelt, überfrachtet, so dass man die Frage stellen muss: Für wen soll dieses Spiel Vergnügen bringen?
Von der Zielgruppe her nimmt sich Alea diesmal wohl eher die Familienspieler vor, schreckt diese aber mit einer zwölfseitigen Regel gewaltig ab. Das Handling des plättchenlastigen Spiels wird zwar durch einen guten Sortierkasten erleichtert, führt aber nicht unbedingt zu einem schnellen Spielzugang. Immerhin gelingt die optische Umsetzung atmosphärisch stimmig, das Spielmaterial ist gut. Man muss dem Spiel auch zugutehalten, dass es auf der Anspruchsleiste den Käufern nicht mehr vorgaukelt, als es wirklich liefert: nämlich fast unterstes Alea-Niveau. Im Kontrast dazu steht der große Werbespruch auf der Schachtelrückseite: „alea ist eine Marke des Ravensburger Spieleverlags, unter der Spiele mit besonders hohem strategischen Anspruch veröffentlicht werden. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen belegen ihre außergewöhnliche Qualität.“ Mit weiterem Ruhm, mit weiterer Ehre wird sich Alea mit diesem Spiel nun leider nicht bekleckern.
Titel: UM RU(H)M UND EHRE
Autor: Stefan Feld
Grafik: Claus Stephan
Verlag: alea
Spieler: 2- 5
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 60 bis 75 Minuten werden angegeben, mit 90 Minuten muss man meist rechnen
Spiel 27/2006 R143/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Der 51jährige Stefan Feld ist Spieleerfinder und Schulleiter an einem Gymnasium in Gengenbach. Studiert hat er Physik und Sport.
REVOLTE IN ROM (Queen Games) war seine erste Veröffentlichung 2005. Ein Jahr später landete es auf der Empfehlungsliste der Jury. Von nun an blieb er fast kein Jahr ohne Auszeichnung, besonders beim Deutschen Spielepreis landete oft auf vorderen Plätzen, so für NOTRE DAME (2. Platz 2007), DIE BURGEN VON BURGUND (2. Platz 2011) und TRAJAN (2012). Nominiert war er für das Kennerspiel des Jahres in den Jahren 2011 (STRASBOURG), 2013 (BRÜGGE) und 2019 (CARPE DIEM).
Das Bild zeigt den Autor 2011 in Göttingen.
UM RU(H)M UND EHRE habe ich damals zwar nicht viel abgewinnen können, es erreichte trotzdem mit dem 10.