Dienstag, 7. September 2021
HANS DAMPF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HANS DAMPF
Wenn Sie schon immer einmal ein Spiel gesucht haben, das besonders in ganz großer Runde viel Spaß macht, dann liegen Sie bei dem neuen Spiel von Reinhold Wittig, das der Berliner Blatz-Verlag herausgebracht hat, richtig.
Wie im richtigen Leben startet man in diesem Spiel zu einem Wettlauf um Kohle. Diese Kohle ist allerdings in wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen. Sie halten nämlich damit ihre kleine Dampflokomotive unter Hochdruck, damit sie sich auf einem großen Spielplan möglichst schnell voran bewegen kann.
Das Gute an allen Spielen des Göttinger Spieleautors Reinhold Wittig ist, dass sie schnell erklärt sind. Sie begeistern daher auch immer wieder Spielemuffel, die sich nicht erst lange in komplexe Regelwerke einlesen wollen. So auch hier: Maximal acht Lokomobile, je vier auf jeder Seite versuchen den Bahnhof am anderen Ende des Spielbretts zu erreichen. Fünf keine Holztiere können die Fahrt der Züge stoppen, sie werden zu Beginn beliebig auf dem Spielplan verteilt. Gewürfelt wird mit einem Spezialwürfel, der keine "1" und "2" besitzt. Da unsere Lokomotiven nur in einer Richtung ziehen dürfen, Fahrbahnbegrenzungen, fremde Lokomotiven und der knabbernde Hase an der Bahnstrecke dies aber erschweren, kann häufig die Würfelzahl nicht voll gesetzt werden: Man verschenkt also Würfelpunkte. Das hat Reinhold Wittig wörtlich genommen. Ein solcher Spieler hat Kohlen gespart, die er auch sofort aus der Kasse ausgezahlt bekommt, aber nicht zum Behalten, sondern zum Verschenken. Und das ist das eigentlich Tolle an dem Spiel. Jeder möchte der Beschenkte sein, da mit diesen Kohlen am Ende das Ziel viel schneller erreicht werden kann. Dafür verspricht man auch schon einiges. Genüsslich kann der Schenkende sich zurücklehnen und die Angebote anhören. Es kann alles versprochen werden, ob dann auch alles gehalten wird, ist eine andere Frage. Hauptsache man hat erst einmal die Kohlen. Aber zu sehr darf man sich seine Mitspieler auch nicht verprellen.
Von diesen Schenkaktionen lebt das Spiel, sofern alle mit dem nötigen Spielspaß herangehen. Rechenkünstler, die Buch darüber führen, wieviel Kohlen denn nun jeder in der Runde erhalten hat, sollten die Finger davon lassen. Die Kohlen bunkert man und hält ihre Anzahl tunlichst geheim. Spannend wird es, sobald die ersten Lokomotiven auf die letzten Rennbahnen kommen. Da man im Schlusszug zweimal abbiegen darf, ist von hier die Fahrt ins Ziel möglich. Jetzt erweist sich recht schnell, wer der geschickteste Händler gewesen ist.
Also auf! Feilschen Sie mit! Die Hans Dampf-Lokomotiven sollten demnächst in vielen Haushalten unter Dampf stehen und Spielspaß bringen.
Titel: HANS DAMPF
Autor: Reinhold Wittig
Verlag: Blatz
Grafik: Hartmut Gärling, Heinz Moldt, Werner Opitz
Spielerzahl: 4-8
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: etwa 30 – 45 Min.
Preis: ca. 50.00 DM
Spiel 30/1993 R/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. HANS DAMPF war eines der ersten Spiele für Blatz. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 1995.
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