Mittwoch, 8. September 2021
HERZKLOPFEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Partnerspiele um Lust und Liebe: HERZKLOPFEN
Spielhistorisch betrachtet geht sicherlich das letzte Jahr als das Jahr der B(r)ettspiele in die Annalen der Spielgeschichte ein. Fast kein Verlag, der es ausließ, am Sexrummel mitzuverdienen.
Für viele gewiss die logische Fortsetzung der Kommunikationsspiele für Erwachsene, die Ravensburger gelungen mit LIFESTYLE, der Neubearbeitung von SYMPATHIE, gefördert hat. Spiele wie JETZT MAL EHRLICH (Bandai-Huki) und BLACK-BOX (Jumbo) setzen diese Tradition erfolgreich fort. Hier bleibt es aber beim kennenlernenden Vorgeplänkel, der Spielreiz ist relativ hoch.
Vollmundigere Versprechungen sind da von den neuen Partnerspielen aus dem 91er-Jahrgang zu hören: Ihre Kuss-Technik verfeinern Spielpartner in KÜSS MICH, von der Stirn über die Nase und den Rücken küssen sie sich bis in die nicht sonnenbeschienenen Regionen voran, nur der sozialistische Bruderkuss bringt Strafpunkte. Erika Berger gibt vor, mit ihrer CHANCE FÜR DIE LIEBE die Liebeskurven der Spieler auf die Spitze zu treiben. Das Fernsehschicksal ihrer Sendung dürfte auch diesem Spiel, das Wolfgang Riedesser entwickelt hat, beschieden sein.
Der Ravensburger Sündenfall PARTY TIME belässt es erst einmal beim Strip auf dem Spielbrett, zum "Anbaggern" fordert allerdings schon HERZKLOPFEN auf. Ob das Herz zu klopfen anfängt, wenn man zu diesen Spielen greift, ist fraglich, aphrodisische Wirkungen sollte man jedenfalls nicht erwarten.
Trotzdem: Die Ravensburger haben ein Spielprodukt von dem eingespielten Autorenduo Christian Raffeiner und Helmut Walch (u.a. ASTROTIME) entwickeln lassen, das zumindest erst einmal vom der Materialseite her überzeugt. Wenn auch der herzige Spielplan keine besonders kreative Umlaufbahn darstellt - mit GLÜCK IN DER LIEBE, ebenfalls 1991 erschienen, zeigt der Impuls-Verlag die gleiche Laufbahn -, so ist doch das ganze Drumherum gewohnt stimmig, auch der natürlich rote Würfel besitzt kleine Herzchen statt der sonst üblichen Punkte.
Auf Partnersuche darf man gehen, im Laufe des Spieles stellt sich heraus, wer am besten zu wem passt. Dazu wird am Anfang eine Selbsteinschätzung vorgenommen, jeder bestimmt sein Persönlichkeitsprofil, indem er neun Eigenschaften von ehrgeizig über treu und temperamentvoll zu tolerant und zärtlich in seine persönliche Reihenfolge von eins bis neun bringt. Ehrlichkeit oder zumindest antizipierende Einschätzung von dem, was andere über einen denken, ist hier nötig. Je offener man mit seinen Eigenschaften für das andere Geschlecht ist, umso eher kann man einen passenden Partner finden. Denn darum geht es in dem Spiel. Jede(r) führt ihre/seine Spielfigur auf dem Herzparcours spazieren und landet entweder auf einem Eigenschaftsfeld oder Hand-auf's-Herz-Feld. Jedes Mal wird versucht für die betreffende Eigenschaft oder Frage einen Partner/eine Partnerin zu finden, die/der diese/dieser ähnlich oder besser gleich beantworten könnte.
Auf den Herzfeldern gibt es das übliche Fragenrepertoire, das MB schon mit SKRUPEL vorgeführt hat, wenig Originelles ist dabei. Stellen Sie sich vor, Sie erwischen Ihren Partner knutschend beim Italiener. Stülpen Sie ihm die Spaghettischüssel über den Kopf? Im Gegensatz zu SKRUPEL haben Sie jetzt fünf abgestufte Antworten zur Verfügung: Nie, nein, vielleicht, ja, immer. Sie wählen eine Antwort und suchen einen Mitspieler des anderen Geschlechts, der genauso antworten könnte. War Ihre Einschätzung richtig, oder liegen Sie nur gering auseinander wandern die Partnersteine auf einem Sympathiebarometer gemeinsam nach oben. Landet schließlich ein solcher Partnerstein nach 18 gewonnenen Punkten auf diesem Barometer im Herzfeld, dann haben sich zwei gefunden. Das Spielziel ist erreicht. Auf den Eigenschaftsfeldern geht die Übereinstimmungssuche entsprechend vor sich, nur liegt man hier häufiger daneben.
Das war`s auch fast schon, "Flirts" und "Eifersüchteleien" gehören allerdings noch zum Spiel, sie ermöglichen den Mitspielern sich jeweils einzuklinken, wenn sie glauben, noch größere Übereinstimmung zu besitzen. Auch an ungleiche Partnerzahlen ist gedacht, fehlen Männlein oder Weiblein in der Runde gibt es eine große Auswahl von Partnerkarten, die eine Zier für jedes Heiratsinstitut wären. Wer Pech hat, führt dann ein Fotokärtchen in sein Zielfeld.
Vom Spielprinzip bietet HERZKLOPFEN also nichts Neues. Der Spielmechanismus besitzt außerdem noch einige Haken. Spielen nur zwei Paare, kann durch einige extremere Abweichungen auf den Eigenschaftsfeldern ein zügiges Vorangehen auf dem Sympathiebarometer verhindert werden, da Abweichungen ab vier Punkten Unterschied mit Punktabzug geahndet werden. Hier sollten von Anfang an noch zwei "Dummys" mitlaufen. Auf den Fragefeldern liegt man durch die beiden Extremwerte "nie" und "nimmer" mit "vielleicht" fast immer mit in der Wertung und kann sich hier auch einer eindeutigeren Festlegung entziehen. Wie bei der "Kommt drauf an"-Karte bei SKRUPEL sollte das "Vielleicht" immer erklärt werden. Sind Persönlichkeitswerte nach einer gewissen Spielzeit bekannt, fällt es natürlich leichter, einen passenden Partner zu finden, mit dem man punkten kann, auch wenn es nicht der Typ ist, bei dem Sie am Ende wirklich Herzklopfen bekämen.
Was bleibt ist ein gewisser Anreiz in der Selbsteinschätzung zu Beginn des Spiels, ein Reiz, der sich im Spielablauf fortsetzt, in der Frage, wie sehen mich die anderen. Dazu brauche ich aber nicht dieses Spiel, da greife ich doch lieber gleich zu SYMPATHIE oder LIFESTYLE.
Titel: HERZKLOPFEN
Verlag: Ravensburger
Autor: Christian Raffeiner, Helmut Walch
Grafik: Jutta Krüger
Spielerzahl: 4-8
Alter: ab 18 Jahren
Spieldauer: 60 Min
Preis: ca. 89.00 DM
Spiel 19/1991 R154/2021
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Zu den Autoren:
Die beiden österreichischen Autoren Raffeiner & Walch waren für Partyspiele bei Ravensburger Ende der 80er Jahre bekannt. Mit ASTROTIME und LIFESTYLE hatten sie sogar recht ordentliche Spiele entwickelt. Ihre letzte gemeinsame Veröffentlichung war VEGA bei Peri 1993.
Danach erschienen nur noch einige Spiele von Helmut Walch, so EMIL UND DIE DETEKTIVE 2003 bei Schmidt.
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