Freitag, 10. September 2021
NIZZA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bestseller-Edition: NIZZA
Der Blick in die wöchentliche Bestsellerliste des Spiegels ist für viele eine Kaufhilfe. Auch Spieleverlage fangen an, sich an Bestseller-Spieleautoren zu orientieren.
Ganz neue Maßstäbe setzt dabei ein Spieleautor unter den Produktmanagern der großen Verlage, Roland Siegers nämlich, der bei Schmidt Spiel und Freizeit eine ganz neue Autoren-Edition startet, der man nur viel Erfolg wünschen kann.
Nicht kleckern, klotzen scheint Siegers Devise zu sein, der nicht erst vorsichtig den Markt abtastet, sondern gleich in die Vollen mit sechs großformatigen Spielen einsteigt. Das Risiko ist berechenbar: Die Planer bei Schmidt haben sechs Autoren ausfindig gemacht, die in den letzten Jahren allein 40 Prozent der Auszeichnungen aus der Auswahlliste "Spiel des Jahres" unter sich ausgemacht haben. Diese Ehrengarde der Spieleautoren hat insgesamt über 18 Millionen Spiele verkauft. Schmidt hat in der ersten Runde die renommierten Autoren Alex Randolph (1x Spiel des Jahres, 9x Bestenliste), Sid Sackson (1x Spiel des Jahres, 8x Bestenliste), Wolfgang Kramer (2x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste), Reinhold Wittig (3x Sonderpreis für "Das schöne Spiel", 5x Bestenliste), Rudi Hoffmann (1x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste) und Roland Siegers (6x Bestenliste) in den spielerischen Olymp mit aufgenommen und hat zum Teil bewährte alte Spiele in neuer Bearbeitung (ACQUIRE, von dem amerikanischen Autor Sid Sackson entwickelt und ABILENE, von eben diesen Roland Siegers), sonst aber echte Neuheiten dieser Autoren herausgebracht. Es fehlen eigentlich nur Klaus Teuber und Reiner Knizia, die neuen Stars am Autorenhimmel, in dieser Bestseller-Edition. Sie dürften wohl 1994 vertreten sein.
Von den Brettspielneuheiten ragt mit Abstand Rudi Hoffmanns SPIEL DER TÜRME, ein knallhartes Strategiespiel, das sofort auf der Bestenliste '93 gelandet ist, heraus.
Immerhin raffiniert wirkt NIZZA von Wolfgang Kramer. Liebhaber Cary Grants und Grace Kellys können Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" nachspielen. Zwei bis sechs Spieler sollen die englischen Kronjuwelen wieder beschaffen. Das Originelle ist die reale Kaminkletterei auf Dächern, eher herkömmlich die Aktionsentscheidung durch Würfel.
Der Trend zur realen Umsetzung von Spielhandlungen scheint stark, so auch hier. Es gibt keine Spielfelder, sondern freie Kletter- und Schwungmöglichkeiten der Spielfiguren von Dach zu Dach. Eine faszinierende Grundidee, deren technische Umsetzung aber Mängel besitzt. Ein Ruckeln am Spielplan bringt alles total durcheinander, auch die Standfestigkeit der Spielfiguren lässt zu wünschen übrig. So hängt sich eine faszinierende Idee im üblichen Brettspielalltag auf.
Titel: NIZZA
Autor: Wolfgang Kramer
Grafik:
Verlag: Schmidt
Spielerzahl: 2-6
Spieldauer: etwa 60 Minuten
Preis: ca. 49.00 DM
Spiel 31/1993 R156/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zu dem Autor:
Der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Bis heute hat Kramer mehr als 100 Spiele veröffentlicht. Ganz aktuell startet er im Team mit Michael Kiesling das Programm des neuen Verlages Deep Print mit RENATURE.
Mit NIZZA konnte Kramer damals keine großen Lorbeeren ernten, das gilt auch für weitere Spiele aus diesem Veröffentlichungsjahr. 1993 sind noch ATHOS (Kosmos) und DAS PHANTOM (Amigo) erschienen, recht gut war allerdings PUNK SUCHT LADY (Ravensburger). Keine dieser Ideen landete aber auf einer Auszeichnungsliste.
Auf dem Bild ist Wolfgang Kramer in Essen 1994 zusammen mit Alex Randolph zu sehen.
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