
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
An den Haaren herbeigezogen: FIGARO
Für ein kleines, einfaches Kartenspiel mit Ärgerfaktor betreibt dV-Games bei FIGARO von Reiner Knizia einen gewaltigen Aufwand. Abstrus wie die Spielgeschichte, aber immerhin zum Spieltitel passend, scheint alles an den Haaren herbeigezogen: Ein König, der ein „Mädchen für alles“ sucht, da sein Hofstaat sich beim Ritterturnier amüsiert.
Wer das „Mädchen für alles“ am Ende ist, wird über ein dreirundiges Kartenspiel entschieden, dessen Wertungsmechanismus Verlag und Autor zusätzlich aufgepeppt haben. Da wird nicht einfach gepunktet, sondern da dienen lange und kurze Wegstrecken dazu, letztlich den kürzesten Weg zum König festzulegen. Viel Lärm um eine simple, aber zu viert und zu fünft durchaus unterhaltsame Kartenspielidee.
60 Karten sind im Spiel, je zehn in fünf Farben mit den Werten von 1 bis 3, außerdem fünf graue Joker, die 1 bis 2 Punkte wert sind und fünf sogenannte „Ringelreihen“-Karten. Alle Karten werden verteilt, nur beim Spiel zu dritt wird mit 45 Karten gespielt. Der Spielablauf ist sehr einfach. Der Reihe nach werden Karten vor den Mitspielern offen abgelegt, wobei man auch vor sich selbst eine Karte ausspielen darf. Dabei dürfen vor den Spielern nur Karten einer Farbe ausliegen und diese Farbe darf nicht gleichzeitig vor einem anderen Spieler liegen. Joker können natürlich zu jeder Farbe gespielt werden. Mit der Sonderkarte „Ringelreihen“ werden die ausliegenden Karten im Uhrzeigersinn weitergeschoben.
Wozu das Ganze? Die Auslegeregeln steuern die Zwangsaufnahme von Karten á la 6 NIMMT! immer dann, wenn ein Spieler zwar nicht sechs Karten, aber Karten im Wert von sechs oder mehr Punkten vor sich liegen hat, muss er sämtliche ausliegenden Karten einsammeln. Am Ende, wenn ein Spieler keine Karten mehr auf der Hand hat, muss man zwar keine Hornochsen, aber alle Strafeinnahmen zählen, da die Karten unabhängig von ihrem Wert in die Endabrechnung gehen. Der Spieler mit den meisten Karten erhält die längste Wegstrecke, das geht so weiter bis zum besten Spieler, der ohne Wegstrecke bleibt. Klar, dass er derjenige in der nächsten Runde sein wird, der von allen Seiten Kartengeschenke erhält. Für die Schlussrunde hat sich Knizia noch eine Sonderregel einfallen lassen, dabei darf der Spieler vor der abschließenden Verteilung der Wegestrecken sein längstes Straßenstück gegen die kürzeste noch verfügbare Wegstrecke austauschen. Eine recht starke Regel, die oft den Spielsieger bestimmt.
FIGARO gaukelt auch über die unterhaltsame Grafik der Spielkarten nichts Tiefgehendes vor, trotzdem ist es nicht banal. Das Spiel wird weniger aus der Kartenhand heraus entschieden als aus dem kommunikativen Miteinander. Hier besitzt das Spiel seinen besonderen Reiz sicherlich auch durch einen beträchtlichen Ärgerfaktor, den der Spielverlauf mit sich bringt. Ein bisschen Aufpassen lohnt natürlich, denn gegen Ende ist es schon hilfreich zu wissen, welche Farben weniger gefährlich sind. Wobei man sich stets darüber im Klaren sein muss, dass das „Ringelreihen“ die besten Pläne immer wieder kaputt macht. Schieben wir also aufgesetztes Thema und aufwändigen Wertungsmechanismus einmal beiseite, dann bleibt spielerische Unterhaltung, die FIGARO zu einem ganz ordentlichen Kartenspiel für die ganze Familie machen.
Titel: FIGARO
Autor: Reiner Knizia
Grafik : Roberta Barletta
Verlag: dV-Games / Abacus
Spieler: 3- 6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 09/2007 1996 R173/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2006 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als sein Vorgänger HIGH SOCIETY.
FIGARO, das 2006 in Essen erschien, gewann keine Preise. Mit einer Wertung auf BGG von 5,3 und einem Rang 20.428 läuft es unter „ferner liefen“ (Stand 01.10.21).
2008 erhielt Knizia dann endlich für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2016 als Reiner Knizia mit MMM! für das Kinderspiel des Jahres nominiert war.