Donnerstag, 14. Oktober 2021
MUSKETIER IM AUFTRAG DER KÖNIGIN
Da waren es nur noch drei: MUSKETIER IM AUFTRAG DER KÖNIGIN
Franz Josef Lamminger war meines Wissens der letzte Autor, der sich 1991 in einem der letzten Hexagames-Spiele mit dem Thema der vier Musketiere im Dienste von König Ludwig XIII. spielerisch beschäftigt hat. Lammingers Spiel war eine der ersten Veröffentlichungen aus dem damals noch jungen Autorenwettbewerb des Hippodice Spieleclubs. Er setzte vor 16 Jahren das oft verfilmte Thema der Musketiere um den Edelmann D’Artagnan, der mit Athos, Porthos und Aramis die Ehre seiner Königin Anna gegen den intriganten Kardinal Richelieu verteidigt, in einem Kartenspiel um, in dem alle Spieler mit ihren Musketierkarten Kardinalskarten gemeinsam bekämpfen mussten, wobei es im Siegfall individuelle Belohnung und im Fall der Niederlage individuelle Bestrafung gab. Das Thema war pfiffig umgesetzt und mit einem interessanten Wertungsmechanismus verbunden.
Seit der letzten Spiel in Essen gibt es wieder ein Kartenspiel um D’Artagnan und Co. Der Oldenburger Verlagsbesitzer und Buchhändler Florian Isensee, der im Jahr davor mit einer abenteuerlichen EXPEDITION ZU DEN MAYASTÄTTEN sein Debüt als Autor feierte, widmet sich mit seiner zweiten Veröffentlichung dem Thema unter dem Titel MUSKETIER IM AUFTRAG DER KÖNIGIN. Seine spielerische Umsetzung ist komplexer als die Lammingers, damit aber näher an der Buchvorlage von Gatien de Courtilz de Sandras, des Autors von D'Artagnans Erinnerungen.
Es müssen nicht vier Musketiere sein, die gegen den Kardinal antreten, zwei und drei reichen auch aus. Das Spiel macht aber in voller Besetzung am meisten Spaß. Die Spieler machen sich zur Ehrenrettung Königin Annas auf die Reise von Paris nach London, da die Bedrohung durch die Leibgarde Richelieus nur in Frankreich besteht, muss ein Musketier bis Calais durchhalten, um sich auf ein Schiff nach England retten zu können. Isensee konzipiert das spielerische Duell atmosphärisch dicht als Ausscheidungskampf, aus dem ein Musketier als Sieger hervorgeht.
Die Strecke von Paris nach Calais symbolisieren im Spiel acht Wegekarten, von denen je nach Spielerzahl fünf bis sieben ins Spiel kommen. Die Wegekarten stellen die Spielrunden dar und enthalten wichtige Vorgaben für die Bewältigung der jeweiligen Abenteuer. Dazu benötigen die Spieler Aktionskarten mit verschiedenen Symbolen, die Leibgarde des Kardinals kann nämlich nur zu Pferde, mit Degen oder Musketen bekämpft werden. Bei allem geht es natürlich um Ruhm und Ehre, deshalb spielen Ruhmkarten auch noch eine ganz besondere Rolle.
In der ersten Spielphase müssen die Spieler vier Wegekarten bewältigen. Sie starten, ausgestattet mit drei Aktionskarten mit je zwei Musketen, Degen und Pferden, zusätzlich zieht jeder vom Stapel der Ruhmkarten eine Karte, die ihm ein bis drei Ruhmpunkte bringt. Die Spielrunde startet mit dem Aufdecken der ersten Wegekarte, die verschiedene Aktionsmöglichkeiten vorgibt. Abhängig von der Karte dürfen die Spieler zwischen zwei bis vier Tauschaktionen wählen, um ihre Kartenhand zu verbessern. Wer zum Beispiel zwei Pferdepunkte abgibt, darf sechs Degenpunkte nehmen.
Die Zahl der zur Verfügung stehenden Aktionskarten ist allerdings beschränkt, so dass bestimmte lukrative Tauschaktionen nicht von allen Spielern durchgeführt werden können. Nach dieser Phase spielen die Spieler ihre Ruhmkarten aus, wobei keine Verpflichtung dazu besteht, es darf auch mit Aktionskarten geblufft werden. Das Messen um Ruhm und Ehre entscheidet, wer in der nächsten Phase gegen die Leibgarde des Kardinals zu kämpfen hat. Der Spieler, der am wenigsten Ruhm investiert, muss in den Kampf ziehen. Dazu wird vom Stapel der zwölf Kardinalskarten eine aufgedeckt und muss entsprechend des dort abgebildeten Symbols mit drei oder zwei Aktionspunkten bekämpft werden. Wer keine passenden Aktionskarten besitzt, muss teuer andere im Verhältnis zwei zu eins tauschen, um diesen Kampf zu bestehen. Schafft er es nicht, scheidet er aus dem Spiel aus, was in den ersten vier Runden eher selten passiert. Für einen Sieg gibt es eine Ruhm- und die Startspielerkarte, die einen ersten Zugriff auf die Tauschaktionen ermöglicht.
Dieser Spielablauf charakterisiert die ersten vier Runden, bei den dann folgenden Wegekarten geht es härter zu. In jeder jetzt folgenden Spielrunde scheidet genau ein Spieler auf dem weiteren Weg nach Calais aus. Der Phasenablauf bleibt erst einmal identisch, allerdings wird nach dem Bekämpfen der Leibgarde eine zweite Kardinalskarte aufgedeckt, gegen die nun alle restlichen Spieler antreten müssen. In ein bis drei Bietrunden wird ermittelt, wer am wenigsten zur Bekämpfung dieses Leibgardenüberfalls beitragen kann. Dieser Spieler bleibt auf der Strecke. Der Rest macht sich an die Absolvierung des nächsten Abenteuers auf dem Weg nach Calais, bis schließlich nur noch ein tapferer Musketier im Spiel ist.
In einer halben Stunde lässt sich dieses von Isensee interessant konzipierte Spielabenteuer bewältigen. Natürlich ist es, wie fast alle Kartenspiele, glücksabhängig. Die Ausgangslage scheint erst einmal für alle gleich, aber schon beim Ziehen der Ruhmkarte kann man Glück oder Pech haben. Das gilt auch für die zu bekämpfende Kardinalskarte. Wer seine beiden Pferde gerade gegen sechs Degen eingetauscht hat und nun plötzlich wieder Pferde im Kampf gegen die Leibgarde Richelieus benötigt, ist beim Spiel zu viert seinen gesamten Tauscheinsatz los, weil er die sechs Degen im Rücktausch gegen Pferde alle verliert. Wer so startet, ist aber bei weitem noch nicht verloren. Die Ruhmkarte, die es dafür gibt, der Vorteil, als letzter gekämpft zu haben, lässt es zu, dass zumindest die nächsten beiden Runden sicher überstanden werden, in denen kräftig Aktionskarten gesammelt werden können. In der Zwischenzeit verlieren die Mitspieler auch Karten, so dass man durchaus noch Chancen für die letzten Ausscheidungsphasen besitzt. Das Abwägen der Tauschrelationen, das Einbeziehen der meist weniger attraktiven Ruhmkarten, die andererseits den Kampf gegen die Leibgarde verhindern und das aufrüstende Sammeln für die entscheidenden Schlussrunden, in denen kräftig gepokert wird, machen Isensees MUSKETIER zu einem spannenden Spiel.
Dabei tragen, wie schon in seinem ersten Spiel, alte Buchgrafiken, die für die unterschiedlichen Illustrationen der Karten verwendet werden, gelungen zur Spielatmosphäre bei. Verpackt in einer dünnen Faltschachtel ist das Spiel für 6,50 Euro (auf der Spiel in Essen kostete das Kartenspiel sogar nur 4 Euro) preisgünstig direkt beim Autor zu beziehen. Das Niveau des ersten Spiels hat Florian Isensee mindestens gehalten. Man darf gespannt sein, wie es mit seinen spielerischen Ausflügen in die Geschichte weiter geht. Der Stand in Essen 2007 soll schon gebucht sein.
Titel: MUSKETIER IM AUFTRAG DER KÖNIGIN
Autor: Florian Isensee
Verlag: Isensee-Verlag
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 6 Euro
Spiel 13/2007 1996 R179/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse.
Mit nur 11 Ratings wird das MUSKETIER-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,5 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit allen seinen Spielen 2020.
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