Freitag, 12. November 2021
MING DYNASTIE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MING DYNASTIE: Elfenland lässt grüßen
Robert F Watson ist bisher ausschließlich durch Kinderspiele bei Haba in Erscheinung getreten, wobei sein 2005 erschienen ist Geschicklichkeitsspiel POLLY POTTWAL äußerst innovative Elemente besitzt.
Um die Wertung gleich vorwegzunehmen, ähnlich Innovatives gelingt dem Autor mit seinem ersten abendfüllenden Spiel MING DYNASTIE, das bei Hans im Glück erschienen ist, leider nicht. Das in letzter Zeit beliebte China Thema greift Watson aus der Perspektive des 14. Jahrhunderts auf. Die Mongolen sind vertrieben und die Ming Dynastie kam nach vielen Jahrhunderten Fremdherrschaft wieder als eine rein chinesische Dynastie an die Macht, die sie bis ins 17. Jahrhundert behielt. Zwei bis vier Spieler agieren als kaiserliche Prinzen und versuchen den größten dynastischen Einfluss zu gewinnen.
Der Autor hat sich Mühe gegeben und vielfältige Elemente in seinen Mehrheitenspiel verwoben, Erinnerungen an EL GRANDE und ELFENLAND werden wach. Um Mehrheiten in sechs kaiserlichen Provinzen geht es letztlich. Dazu stellt Watson viel Material zur Verfügung, da ist einmal die kaiserliche Prinzenfigur, die zusätzlich auf 31 Familienmitglieder zurückgreifen kann. Reihum stellen die Spieler ihre Prinzen in eine Provinz und erhalten dafür eines von jeweils 18 Provinzplättchen. Jede Provinz ist in durch Wege begrenzte drei Gebiete eingeteilt, die im Zentrum eine gemeinsame Metropole besitzen, deren drei Stadtbezirke mit jeweils drei Häusern den drei Gebieten zugeordnet sind. Jedes Gebiet verfügt zusätzlich noch über ein Klosterfeld.
Den Provinzen zugeordnet sind Provinzfelder, neben denen Bewegungskarten ausliegen, die wiederum für die Fortbewegung der Prinzen notwendig sind. Das läuft ähnlich wie in ELFENLAND ab, für das Überschreiten von Grenzen sind jeweils bestimmte Fortbewegungsmittel vorgeschrieben, für die man eine entsprechende Karte benötigt. Zu Beginn jeder Spielrunde setzen die Spieler reihum jeweils fünf Familienmitglieder in Einzelschritten auf die Provinzfelder. Einerseits eröffnen sie damit die Optionen für den Kartenerwerb, andererseits können sie, sofern der Prinz sich in die entsprechende Provinz bewegen kann, dort zum Einsatz kommen. Das müssen Sie auch, denn in jeder geraden Rundenzahl von insgesamt sechs Spielrunden führt ihr Einsatz zu Siegpunkten, die auf einer Kramerleiste angezeigt werden. Mehrheiten in den jeweils drei Gebieten der sechs Provinzen werden abgerechnet. Der Spieler mit den meisten Anhängern darf zwei der drei Häuser des zugeordneten Stadtbezirks besetzen, der zweite das dritte Haus. Für jedes Familienmitglied in einer Stadt gibt es im Anschluss daran ein Provinzplätzchen, die wiederum bringen im Sechserpack die Siegpunkte, 28 nach der ersten Wertung bis hinzu nur nach 20 nach der dritten und letzten Wertung, einzelne Plättchen zählen dann nur noch einen Punkt. Punkte gibt es dann zusätzlich noch für in der Stadt verbliebene Figuren und Anhänger in den Klöstern
In MING DYNASTIE wird für wenig Spiel ein gewaltiger Abrechnungsaufwand betrieben. Die Vernetzung von Figureneinsatz, Kartenerwerb und Mehrheitsveränderungen scheint auf den ersten Blick interessant, erweist sich dann aber doch als viel weniger steuerbar als ursprünglich vermutet. Oft kann die eingeplante Wegeroute für den Prinzen nicht umgesetzt werden, weil die entsprechenden Karten nicht zur Verfügung stehen. Die gegensteuernde Jokerlösung muss unter Verzicht eines Familienmitglieds recht teuer erkauft werden. Auch die Wertung verläuft in Dimensionen ab, die die Kramerleiste mit ihren 50 Punkten regelmäßig sprengt. Der Verlag hat dafür zwar extra Zählplättchen vorgesehen, aber elegantere Lösungen hätte es sicherlich auch geben können. Was sich die Redaktion mit den beiden Regelfassungen gedacht hat, von denen die zweiseitige eine Kurzfassung scheint, die aber ohne das vielseitige Erklärungsblatt unverständlich bleibt, wird wohl Verlagsgeheimnis bleiben. Hinzukommt eine Schludrigkeit bei den Kurzspielregeln, da auf der Wertungsseite die entscheidende Berechnung der Provinzplättchen fehlt.
Positiv sei eine Neuerung anzumerken, die Schule machen sollte: Autor und Grafiker werden mit Bild und Kurzbiografie auf den inneren Schachtellängsseiten vorgestellt. Die Erwartungshaltung bei Spielen dieses Münchner Verlags ist in der Regel hoch, von daher fällt die Enttäuschung vielleicht noch etwas größer aus als bei einem anderen Verlag. Der Autor, der mit diesem Spiel 2001 im Hippodice-Wettbewerb vertreten war, hat durchaus interessante Elemente seinem Spiel zugrunde gelegt, allerdings ist seine Idee schon vor sieben Jahren nur auf der Empfehlungsliste gelandet und nicht bis zur Endrunde vorgedrungen. Irgendwie bleibt auch bei diesem Produkt der Eindruck zurück, dass weniger mehr gewesen wäre oder, um im Kulturkreis Chinas zu bleiben, Laotse war der Auffassung, das „in Einfachheit und Veredelung“ am Ende der Reichtum läge.
Titel: MING DYNASTIE
Verlag: Hans im Glück
Autor: Robert F. Watson
Graphik: Harald Lieske
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 90 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 4/2008 R199/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Für Robert F. Watson war MING DYNASTIE die letzte Veröffentlichung. Es blieb bei diesem Spiel und den im Text erwähnten Haba-Spielen POLLY POTTWAL und DIE NASCHBÄREN.
MING DYNASTIE wird auf BGG mit einer Wertung von 5,9 bei immerhin 521 Ratings auf Platz 2015 bei den Strategiespielen geführt.
Das Bild zeigt Watson 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen mit dem Prototypen von MING DYNASTIE.
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.