
Neuseeländische Kugelfelsen als Spielanlass
Gründe für Spielentwicklungen sind vielfältig. Bei dem Kehlheimer Spieleautor Stefan Kiehl war es eine Neuseelandreise. Fasziniert von den kugelförmigen Moeraki-Felsen an der Koekohe Beach auf der Südinsel Neuseelands, erfand er ein spannendes Spiel mit Glasmurmeln, das er 2010 beim größten deutschen Spieleautoren-Wettbewerb in Bochum einreichte. Dort wurde es als bestes Zweipersonenspiel gekürt. Trotz dieser Auszeichnung wollte kein Spielverlag sich seiner Idee annehmen, da der Autor hohe Ansprüche an dessen Umsetzung legte.
Der Markt für strategische Spiele für zwei Personen ist jenseits von Schach und Dame in Deutschland nicht sehr groß. Stefan Kiehl sah keinen anderen Ausweg als selbst Kleinverleger zu werden, um seine Idee nun im Kiehly-Verlag in edler Holzfassung mit hochwertigen Materialien zu produzieren.
Der Kampf zweier Maori-Stämme um das heilige Gebiet von MOERAKI-KEMU wird unblutig durch ein Kopfduell auf dem Holzbrett entschieden. Die Gegner versuchen, durch abwechselndes Setzen von Markierungskugeln möglichst viel Land für ihren Stamm einzunehmen. 56 Mulden können dabei besetzt werden, die 57. Mulde wird im Zentrum mit einer neutralen Moeraki-Kugel aus Jade belegt. Meistens läuft ein Duell solange, bis das ganze Land unter den beiden Kontrahenten aufgeteilt ist. Immer wenn ein kleines, meist quadratisches Stück mehrheitlich eingekreist ist, wird es vom jeweiligen Besitzer markiert. Wenn das ganze Land besetzt ist, hat man dadurch einen schnellen Überblick, wer Sieger ist. Auch wenn ein Gebiet verloren ist, muss der Gegner sich engagieren, dafür sorgen weitere Siegbedingungen. Sollte es nämlich einem Spieler gelingen, ein quadratisches Feld mit vier Kugeln zu umschließen, gewinnt er sofort, das gilt auch, wenn er einen sogenannten Fluss oder Weg erschließt, das heißt, eine Diagonale von Spielfeldrand zu Spielfeldrand oder die vier Mulden des äußeren Randes belegen kann. Die kürzeste Diagonale ist in den abgeschrägten Ecken des Planes nur drei Felder lang, da kommt es anfangs oft zu schnellen Siegen. Aber nur am Anfang - geübte Stammeskrieger belagern sich fast immer bis zum Schluss. Sie wissen auch den Gewinn von halben Feldern mit nur zwei Kugeln zu schätzen, der zwar nur halbe Punkte zählt, aber auch zur siegreichen Endbilanz beiträgt. In der Meister-Variation gibt es zusätzlich noch Möglichkeiten durch Einsatz eines Maori-Kriegers.
Die Spieldauer hängt ganz stark von der Spielstärke der Kontrahenten ab. Schäferzüge, das Aufbauen von Zwickmühlen gelingen meist nur am Anfang. Routiniers kämpfen bis zu einer knappen halben Stunde, bis jeder seine 28 Kugeln platzieren konnte. Die Herausforderung bleibt groß, da Kiehls unterschiedliche Siegbedingungen immer im Blick zu behalten sind. Da bleibt jede Partie spannend und erfordert ständige Aufmerksamkeit. Das gilt besonders für die Meisterstufe, da hier durch die Drohung eines Maori-Kriegers eine zusätzliche gedankliche Anforderung auf die Kontrahenten zukommt. Der Einsatz des Kriegers vernichtet dauerhaft Stammesplättchen – auch eigene – über ganze Feldreihen hinweg.
Nicht nur die Idee begeistert, zum Wiederspielwert trägt ganz wesentlich die gediegene Umsetzung bei. Jedes Spielbrett ist ein aus Crottendorf im Erzgebirge stammendes Unikat; Halbedelsteine, Glasmurmeln und handgefertigte Tonfiguren als Maori-Krieger unterstützen den haptischen Spielgenuss. Die Zählplättchen aus Pappe fallen dabei etwas ab, sind aber zweckdienlich. Die Spielregel ist vorzüglich ausgearbeitet und das Cover führt atmosphärisch stimmig in das Duell am Strand der Kugelfelsen ein. Stefan Kiehl konnte dafür seinen Neffen Florian Buchner gewinnen, der die gesamte Produktion hilfreich unterstützt hat.
Die Hintergrundgeschichte ist zwar rein fiktiv, das raffinierte Duell um Quadrat- oder Liniengewinn lebt aber von der neuseeländischen Atmosphäre, die der Autor kongenial umsetzen konnte. Die Regeln sind einfach, passen sich sogar dem jeweiligen Spielanspruch an. Für Stefan Kiehl sind diese Urlaubserinnerungen, die ihren spielerischen Ausdruck gefunden haben, inzwischen zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Kleinverlag wie Kiehly verschwinden meist nach ein oder zwei Jahren von der Bildfläche, die Nachfrage nach seinem Spiel hält aber inzwischen im fünften Jahr an. Wer einmal zum Glaskugel-Duell in Moeraki angetreten ist, weiß warum!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MOERAKI-KEMU
Verlag: Kiehly, Vertriebspartner: Tac Verlag
Autor: Stefan Kiehl
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer ca. 5 bis 25 Minuten
Preis ca. 59 €