
Die Juroren der KrimiZEIT-Bestenliste weisen zurecht auf Malla Nunns Retrokrimi TAL DES SCHWEIGENS hin (Platz 1 im Februar). Die Autorin stammt aus Swasiland, floh schon in den 70er Jahren mit ihrer Familie nach Australien, wo sie heute noch lebt. Sie weist Abschlüsse in Englisch, Geschichte und Theaterwissenschaften vor, arbeitete als Drehbuchautorin und schreibt seit 2008 vielfach preisgekrönte Kriminalromane um Detective Sergeant Emmanuel Cooper. TAL DES SCHWEIGENS ist ihr dritter Roman mit Cooper und seinen Zulu-Assistenten Shabala. Der vierte, PRESENT DARKNESS (2014), liegt noch nicht übersetzt vor.
Nunn versetzt ihre Leser in die beginnende rigorose Apartheitsentwicklung als Folge des „Population Registration Act“, der die Zugehörigkeit jedes Südafrikaners zu einer „ethnischen oder anderen Gruppe“ festlegte. Trennung war überall sichtbar, im öffentlichen und privaten Leben, an Stränden, in sanitären Anlagen oder auf Parkbänken. Sexuelle Beziehungen zwischen Weißen und Angehörigen aller anderen Rassen waren unter Strafe gestellt. In jeder Begegnung schimmern in Nunns Werk diese Verhältnisse durch, auch wenn die enge durchaus vertrauliche Zusammenarbeit der beiden Ermittler das Gegenteil zu beweisen scheint.
Cooper wird in das Provinznest Roselet geschickt, in den Ausläufern der Drachenberge gelegen. Er und sein Partner sollen einer anonymen Meldung nachgehen. Wie sich herausstellt, ist die Tochter eines dortigen Zulu-Häuptlings ums Leben gekommen. Das hübsche Mädchen sollte ihrem Vater bei einer schon verabredeten Heirat viele Rinder einbringen. Aber das Mädchen, das auf einer Farm eines reichen englischstämmigen Großgrundbesitzers arbeitete, hatte durchaus ihre eigenen Ideen von ihrer Zukunft.
Die Ermittlung verläuft spannend und schwer vorhersehbar. Die Verdächtigungen schwanken zwischen Weißen und Farbigen, wobei Nunn eindrucksvolle Charakterbilder gelingen, die Sittenbilder ihrer Zeit ergeben. Das gilt auch für die Landschaftsbilder und die mystischen Elemente, die die Untersuchung beeinflussen. Mit ihrer Erfahrung als Drehbuchautorin provoziert sie immer wieder Bilder im Kopf, die nicht so schnell verloren gehen. Auch Cooper ist Gefangener ganz eigener Bilderwelten, immer wieder brechen Weltkriegserfahrungen in seine Gedankenwelt ein.
Ein spannender Krimi, solide Ermittlungskost und ein grandioses Gesellschaftsbild werden hier entworfen. In der ZEIT wird die Autorin mit nur fünf Worten gelobt: „Behutsam, fein und klug: Nunn.“ So ist es – unbedingt lesenswert.
Wertung: *****
Titel: Tal des Schweigens
Verlag: Argument Verlag
Autor: Malla Nunn
Seiten: 317 Seiten
Preis: 13 Euro