
BLOOD RAGE von Eric M. Lang (GAME OF THRONES, WARHAMMER u.v.m.) spiegelt den Kampf von Riesen und Göttern am vorläufigen Ende der nordischen Welt wider. Ragnarök, die Götterdämmerung, führt in den totalen Abgrund. Drei Jahre heftiger Kämpfe lassen vier Wikinger-Clans aufeinanderprallen, Berge stürzen, Sterne fallen vom Himmel, die Erde bebt.
Wer meint, spielerisch lasse sich so etwas kaum darstellen, irrt. Allein die Kickstarter-Kampagne von Cool Mini or Not zeigte, wie begierig die Fangemeinde nach blutigen Lavaströmen im eiskalten Norden war. Fast zwanzigfach überzeichnet konnten sich die Miniatur-Spezialisten aus dem beschaulichen Alpharetta im US-Bundesstaat Georgia mit über 900.000 $ ohne Sorgen an die Produktion machen.
Wer meint, ein solches Thema sei nichts für Würdigungen der Jury „Spiel des Jahres“, hat nicht ganz unrecht. Um Kriege, Schlachten und Gemetzel machten die Juroren bisher stets einen großen Bogen. Der politischen Korrektheit fielen sogar solche augenzwinkernden Monsterschlachten wie KING OF TOKYO zum Opfer. BLOOD RAGE hat es nun 2016 immerhin bis auf die Empfehlungsliste für das „Kennerspiel des Jahres“ geschafft.
Wer sich von dem blutrünstigen Cover nicht abschrecken lässt, wird durch ein opulentes, raffiniertes Taktikspiel belohnt, das über sehr gute Regeln einen leichten Spieleinstieg ermöglicht. Unsere Clans wissen, dass sie sterben müssen, insofern ist die Opferbereitschaft im Kampf um den Ruhm groß. Für die Auseinandersetzungen stärken wir uns durch Karten, die gedraftet werden. Danach geht es über drei Zeitalter in den Clinch, sogar aufopferungsvoll in Gebiete, von denen wir wissen, dass sie untergehen werden. Schlachten, die atmosphärisch durch eindrucksvolle Miniaturen von Cool Mini or Not unterstützt werden. Oft tragen die Auseinandersetzung kamikazehafte Züge, nur dass die Toten Stehaufmännchen sind und wiederkommen.
BLOOD RAGE ist letztlich fast pure Taktik und wenig Glück. Nicht einmal bei den Kämpfen wird gewürfelt, aber ständig verhandelt, da meist an jeder Auseinandersetzung mehrere Clanchefs beteiligt sind. Und in den wichtigen Schlachten um Yggdrasil können es immer alle sein. Wer Konfrontation mag, wird bestens bedient und gewinnt, wenn er durch viele Schlachten seine Erfolgsleisten für Aktionen, für Ruhmespunkte und der Zahl der Armeen voranbringt, oder einfach nur besonders erfolgreich im aufopfernden Einsatz seiner Helden war.
Das Spiel versinkt nicht wirklich im Chaos, sondern lebt von der intelligenten Zusammenstellung der Kartenauswahl, deren Kombination entscheidend für den Spielsieg ist. Eigentlich gehört ja auch das Kartendrafting zu den entscheidenden Spielmechanismen dieses Jahrgangs. Von daher verwundert es fast, dass nur BLOOD RAGE sich über die Ziellinie retten konnte. Spiele wir DIE HOLDE ISOLDE und SCHATZJÄGER wären durchaus auch in Betracht gekommen. In BLOOD RAGE wirkt das System nicht aufgesetzt, wird nicht redundant, hat vielleicht nur den kleinen Nachteil, das bestimmte Kartenkombinationen zu stark sind. Auch wenn die Jury die Empfehlung für BLOOD RAGE im Kennerspielbereich ausgesprochen hat, sollten auch Wenigspieler sich an die nordischen Schlachten herantrauen. Das Spiel ist zwar teuer, aber das Spielerlebnis und das Material sind diesen Preis wert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: BLOOD RAGE
Autor: Eric M. Lang
Verlag: Cool Mini or Not / Asmodee
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 90 Min.
Preis: ca. 75 Euro