Sonntag, 11. Dezember 2016
Spiele zum Lutherjahr
Im ZDF-Ranking der „100 größten Deutschen“ schlägt der Reformator aus Eisleben fast die ganze Elite. In dieser Abstimmung, an der 1,5 Millionen Menschen beteiligt waren, landet Luther hinter Adenauer auf Platz 2. Reformen lagen den Deutschen immer schon näher als Revolutionen, entsprechend schafft Marx es auch nur auf Platz 3 und der revolutionäre Zeitgenosse Luthers, Thomas Müntzer, taucht nicht einmal in der erweiterten 200er-Liste auf.
2017 jährt sich zum 500. Mal Luthers Thesenpublikation in Wittenberg. Die meisten Deutschen werden diesen Jahrestag nur deshalb dankbar registrieren, weil er ihnen einen zusätzlichen Feiertag beschert. Die EKD, die Evangelische Kirche Deutschlands, bereitet sich aber schon seit 2008 mit ihrer „Luther-Dekade“ auf das Jubiläum vor. Der 31. Oktober 2016 gilt als Startpunkt in das Lutherjahr. Schon vorher fand eine vielbeachtete ökumenische Pilgerreise ins Heilige Land statt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm betonten beim gemeinsamen Besuch der christlichen Ursprungsorte ihre Verbundenheit im Glauben. Was Luther einst trennte, bringt sein Jubiläum zumindest in ökumenischer Sicht vielleicht etwas näher.
Die evangelischen Christen werden sich vor Luther-Aktionen nicht retten können. Im oldenburgischen Ammerland bekamen sie Tontopf, Apfel, Kerze und Hefe zum Reformationsfest überreicht. Den Topf „als Symbol für Wachstum und Blüte“ wie die Pastorin Dorothee Testa aus Bad Zwischenahn erklärt, den Apfel wegen seiner Wahrhaftigkeit mit Kernen, die keimen und wachsen können, wie die Hefe ein Treibmittel sei für die Kraft, „die die Christen antreibt“. Schließlich sei die Kerze „eines der ältesten christlichen Symbole“. Ein Spiel liegt nicht mit im Geschenkkorb, dafür aber der Hinweis auf eine Bibel-App mit kostenlosen Download der neu übersetzen Lutherbibel.
Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, ist Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017. Jürgen Klopp macht Reklame, auch Gundula Gause betont die Bedeutung der Reformation. Das ZDF dreht einen Zweiteiler unter dem Titel „Himmel und Hölle“, in dem Maximilian Brückner den Luther gibt. Den kirchlichen Segen für Merchandising Produkte tragen der Playmobil Luther, Wittenberg in der Streichholzschachtel, aber auch Luther-Bonbons, Kekse und Kaffeetassen und immerhin ein Spiel. Denn die Spielebranche schläft nicht, wenn der Reformator nächstes Jahr derart im Fokus stehen wird, wird es auch Spiele zu ihm und seiner Zeit geben.
Das kirchliche abgesegnete Lutherbild liefern das Ehepaar Schlegel und der Kosmos-Verlag ab. Mit LUTHER DAS SPIEL signalisiert schon der Titel, wer der Platzhirsch im reformatorischen Spiele-Viergestirn sein will. Mit Cranachs Lutherbild auf dem Cover wird schon gediegene Arbeit signalisiert, die das Gefallen der EKD gefunden hat. Die als Reise- und Sammelspiel angelegte Idee kommt als klassisches Familienspiel daher. Die zwei anderen großen Titel, die zum Thema Reformation in Essen erschienen sind, bieten das historische und spielerische Kontrastprogramm. Mit MEA CULPA von Rüdiger Kopf und Klaus Zoch bewegen wir uns im Sündenpfuhl der vorreformatorischen Zeit, dessen Strukturen Luther letztlich zu deutlicher Kritik u.a. am Ablasshandel geführt haben. Seine Antwort war klar, allein der Glaube – SOLA FIDE – reiche aus, um zur Vergebung der Sünden zu kommen. Jason Matthews und Christian Leonhard verdichten in der gleichnamigen Spielworxx-Umsetzung die Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der neuen reformatorischen Bewegung auf ein Zweipersonen-Duell um die Macht in zehn Reichsterritorien. Beide Verlage haben erst gar nicht versucht, das EKD-Siegel zu bekommen. Für das eher satirisch angelegte Zoch-Spiel, in dem der Papst beim Besuch eines Bordells enttarnt werden darf, war das von vornherein illusorisch. SOLA FIDE besitzt nicht den Anspruch einer historischen Simulation, es fußt auf dem Wahlkampfspiel CAMPAIGN MANAGER 2008, als es um McCain gegen Obama ging, nun arbeitet es aber durch 90 Aktionskarten immerhin intensiv mit thematischen Eindrücken aus der Reformationszeit. Trotzdem ist es undenkbar, dass die evangelische Kirche ein Spiel akzeptiert, bei dem es sein kann, dass sich die Reformation nicht durchsetzt. Was fehlt, ist das unvermeidliche Quizspiel zur Epoche. Peter Neugebauer hat es bei HUCH & friends veröffentlicht: MARTIN LUTHER – KIRCHE, KULT und KONFESSIONEN … DAS QUIZ NICHT NUR UM GLAUBENSFRAGEN. In der kleinen Schachtel sind überschaubare 255 Fragen vor allem zur Lutherwelt, aber auch allgemein zur Bibel und zu Filmen aus diesem Bereich.
Wer meint, die Spiele böten nun einen neuen Zugang zum frühen 16. Jahrhundert, einen mit Sogwirkung, die die aufgewühlte Epoche widerspiegelt, sieht sich getäuscht. Strukturell sind die Spiele so angelegt, dass sie sich auch auf andere Epochen übertragen ließen. Da wird zu wenig Geschichte erzählt, auch wenn Broschüren Hintergrundinformationen liefern. Von der erzählerischen Kraft, von der Sprachgewalt des Reformators ist nur wenig zu spüren. Vielleicht sollten die Macher von TIME STORIES uns einmal nach Wittenberg 1517 entführen. Insofern wird wahrscheinlich 2017 die Macht des Bildes stärker sein als der Einfluss von Spielen. Das gerade in Wittenberg eröffnete Panorama LUTHER 1517 von Yadegar Asisi entfaltet diese Kraft. Auf 15x75 Metern lässt seine Bilderwelt ein wirkliches Eintauchen in die Reformationszeit zu. Allein im nächsten Jahr werden mindestens 500.000 Besucher in dem 360-Grad-Panorama erwartet. In diese Regionen werden die Luther-Spiele nicht vordringen, sie sind ein Beitrag zum Jubiläumsjahr, dem sich nun jeder im Duell, satirisch, wissensbezogen oder auf Luthers Spuren reisend auf den Weg ins Luther-Jahr machen kann. Wenn sie gemeinsam eine Auflage von 50.000 Exemplaren erreichen, dann läuft es gut für sie.
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