Wenn Bruno Faidutti und Eric M. Lang gemeinsam ein Spiel entwickeln, dann ist die Erwartungshaltung auf schwere Kost groß. Schon der Blick auf die kleine quadratische Spieleschachtel dämpft die Vorfreude, auch wenn sich ein gruseliges Skelett und eine ausgezehrte Nymphe über den gerahmten Spieltitel DOLORES zu duellieren scheinen.
Ein Duell prägt auch den Grundcharakter des Spiels, das aus 70 Waren- und 10 Flaschenpostkarten besteht. Die DOLORES war nämlich ein spanisches Handelsschiff, das im Kanal vor der englischen Küste Schiffbruch erlitt. Um die Ladungsreste von sieben Warensorten streiten nun zwei bis vier Strandpiraten. Die Flaschenpost besitzt die Qualität von Ereigniskarten, von denen jeweils fünf ins Spiel kommen, eine sechste Karte, der Sonnenaufgang, markiert das Spielende, das unter die letzten 15 Karten gemischt wird.
Alle Piraten starten mit einer zufällig gezogenen Anfangsbeute von zwei bis vier Schätzen. Um die restlichen Güter und Flaschenpostkarten finden Verteilungsduelle statt. Dabei geht es stets um vier Karten, von denen jeweils zwei den jeweiligen Duellanten zugeordnet sind. Die kreative Leistung der beiden Autoren besteht mit Blick auf das Duell ausschließlich aus einer Modifikation der STEIN-SCHERE-PAPIER-Auseinandersetzung. Die Hand kommt als Signalzeichen ebenso vor wie die Faust, nur die Schere wird durch ein Daumen hoch-Zeichen ersetzt.
Die Kombinationen sind weitgehend eingängig: Strecken beide die Hand aus, erhalten sie die jeweils vorher schon für sie bestimmten Karten. Entscheiden sich beide für die Faust und den gestreckten Daumen, gehen sie leer aus. Nur die Faust gegen die Hand bringt den vollen Zuschlag aller vier Karten für den aggressiveren Spieler. Wer sich für den gehobenen Daumen entscheidet, gewinnt bis auf die Pattsituation in jedem Fall eine beliebige Karte. Bevor das Kommando „Schnick-Schnack-Schnuck“ bzw. „Do-Lo-Res“ erfolgt, dürfen die Beteiligten beliebig lange verhandeln. Da darf das Blaue vom Himmel versprochen werden, nur um an bestimmte Karten zu kommen. Einhalten muss die Versprechungen keiner, wohl wissend, dass es Folgeduelle geben wird.
Deutlicher kreativer als beim Duell-Mechanismus gehen die beiden Autoren mit der Wertung um, denn die macht das Sammeln bestimmter Schätze erst richtig spannend. Gewertet werden am Ende nämlich nur Warensorten mit dem niedrigsten und höchsten Wert. Wer Goldbarren mit sieben Wertungspunkten gesammelt hat, aber nur einen Wein, darf sich zwar über das viele Gold freuen, schaut dann aber am Ende wahrscheinlich eher in die Röhre, da ein anderer Spieler drei Warensorten mit zwei Punkten besitzt und zwei weitere mit vier Punkten, sodass er mit 14 Punkten deutlich gewinnt. Mit Blick auf diese Abschlusswertung werden vor allem die letzten Duelle durchaus spannend, wenn man bewusst dem Gegner noch eine neue Ware unterjubelt, die nur einen Punkt ausmacht oder die Doppelspitze entwertet, wenn eine weitere Karte dazukommt.
Loben muss man wahrscheinlich mehr als die beiden Autoren den Grafiker. Die Kartengrafiken von Vincent Dutrait (AUGUSTUS, LEWIS & CLARK u.a.) sind mehr als gelungen und bringen die Atmosphäre ins Spiel, die der eigentliche Ablauf nicht bietet. Im Spiel zu viert führen die Zweierduelle, die stets im Uhrzeigersinn ausgeführt werden, zu ziemlichen Wartezeiten, wenn die Duellanten lange verhandeln. Der Funke im Zweierspiel will auch nicht so recht überspringen. Einigermaßen funktioniert DOLORES nur zu dritt. Da ist das Spiel vor allem in der Schlussphase richtig spannend, besonders dann, wenn die drei Beteiligten diskussionsfreudig sind und sich auf viele Versprechungen einlassen, dann Schnicken und Schnacken sie durchaus mit Spaß um die Schätze von DOLORES.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DOLORES
Autor: Bruno Faidutti und Eric M. Lang
Verlag: Lui-même, Vertrieb Asmodee
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 16 Euro