Freitag, 10. April 2015
Plan B
Das Strategiespielen mit Original Ankersteinen
Unverkennbar, dieser Geruch! Wenn es denn Wetten dass! noch gäbe und Karsten Adlung würde wieder einmal eine Spiele-Wette abschließen, dann könnte er ja versuchen, Spiele nach Geruch zu identifizieren. Der Duft der großen weiten Welt kommt heutzutage fast nur noch aus China, da ist oft langes Lüften angesagt, wenn die Spieleschachtel geöffnet wird. Ganz anders bei den Bauspielen aus dem thüringischen Rudolstadt. Ihr traditionelles Rezept besteht aus 100 Prozent natürlichen Materialien wie Kreide, Quarzsand, Farbpigmente und Leinöl. Und eben dieses Leinöl bringt den unverwechselbaren Geruch der Ankerbausteine mit sich, eine Erinnerung an Kindheit, die eigentlich nur noch vom Tannenduft übertroffen wird.
Die Ankerbausteine tauchen wieder einmal in einem Spiel auf. Die Firma Gollnest & Kiesel ist ein in den letzten Jahren stark gewachsenes mittelständisches Unternehmen, das ein breites Spielzeugsortiment anbietet. Im Brettspielbereich sind bisher eher Klassiker á la LUDO, GÄNSESPIEL und DOMINO im Programm, ganz neu ist das Spiel mit Ankerbausteinen, das Jürgen Knischewski, der bei Goki als Grafiker arbeitet, unter dem Titel PLAN B entwickelt hat.
Sein Material: 22 Würfelsteine, 21 hellgrüne Scheiben, je sieben rote, gelbe, grüne und blaue Dreiecksteine – alles Anker pur. Dazu noch ein großer Holzwürfel und ein massives Pressholz-Spielbrett mit 7x7 Feldern. Knischewskis Spielidee: Nahezu ebenso klassisch wie die Bausteine, ein Häuserbau „Drei in einer Reihe“, wobei er rechtwinkliges Abbiegen erlaubt, die diagonale Verbindung aber nicht. Zur Spieleridentifikation dienen die Dreiecksteine als Dachsteine, die Hausbasis stellen die Würfelsteine dar. Die grünen Baumsteine können taktisch zum Ärgern, aber auch zum eigenen Vorteil genutzt werden.
Knischewski klassifiziert sein Spiel als „Strategiespiel“. Stapeln wir ruhig mal tiefer und sprechen lieber von einem einfachen würfelgesteuerten Bauspiel für die ganze Familie. Das ergibt sich allein schon aus dem Motor des Spiels, hier werden nicht abwechselnd Steine gesetzt, sondern hier bestimmt der Würfel, was baulich zulässig ist. Das bedeutet am Anfang, dass man mit hälftiger Wahrscheinlichkeit aussetzen darf. Denn der Autor wollte in seinem „Strategiespiel“ nicht auf das Aussetzsymbol verzichten. Da ein Dach ohne Rohbau auch nichts bringt, ist der Einstieg eher dröge. Ansonsten gibt es natürlich die entsprechenden Bauteile auf den Würfelseiten, einen Joker und das interessanteste Wurfergebnis, die Rochade, mit der man als Startspieler allerdings auch nichts anfangen kann. Mit dieser dürfen Spielsteine, auch fertige Häuser auf nebeneinanderliegenden Feldern ausgetauscht werden. Damit kommt Pfiff ins Spiel, zumal natürlich auch der Joker so genutzt werden kann.
Beim Spiel mit Kindern, was durchaus schon ab fünf Jahren möglich ist, kann PLAN B durchaus Spaß machen. Da wird das Setzen der Ankerbausteine zu einer ersten spielstrategischen Einführung. Wo kommt der Rohbau hin, wo kann ich vielleicht später Gebäude tauschen? Erwachsene sehen sich eher durch den Anspruch „Strategiespiel“ getäuscht. Da helfen wahrscheinlich nur Hausregeln weiter. Wir spielen es inzwischen so, dass jeder zum Start jeweils von jeder Sorte einen Spielstein schon zur Verfügung hat, die er setzen kann, aber nicht muss. Wenn dann noch das Aussetzsymbol als Joker gedeutet werden darf, dann wird PLAN B zu einem ordentlichen Spiel. Wer nicht so massiv ins Regelwerk eingreifen möchte, der kann auch einfach den zusätzlichen Würfel mit einbauen, der dem Spiel beiliegt. Wenn beide Würfel geworfen werden und man sich dann ein Ergebnis aussuchen darf, dann wird der Glücksfaktor gleich deutlich reduziert. Kreativ muss man auch ohne Regelveränderung mit dem eher lückenhaften Regelwerk umgehen. Was macht man zum Beispiel, wenn Dächer oder Rohbauten ausgehen? Wir empfehlen, das Versetzen auf dem Spielplan zuzulassen. Wie man sieht, wer regeltechnisch seinen Plan B bereit hält, kommt auch mit Knischewskis PLAN B klar, das sonst eher konventionell daherkommt. Aber auch das passt natürlich zu den wunderbaren Ankerbausteinen.
Wertung: Vielleicht nächsten Monat noch einmal
Titel: Plan B
Verlag: goki
Autoren: Jürgen Knischewski
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: 20 bis 30 Minuten
Preis: ca 40 Euro
Barragoon
Puristen fassen im Bereich der Strategiespiele für zwei Personen nur Bauern und Damen an, die kennen auch nur quadratische aus 64 Feldern bestehende Bretter, die für sie die Welt bedeuten, auf die sie höchstens einmal Reiskörner legen, um die schöne Entstehungslegende zu dokumentieren. Nach ihr soll der Erfinder zur Belohnung die jeweilige Verdoppelung der Körner verlangt haben, danach ist man schon am Ende der zweiten Reihe bei fast 33.000 Körnern angelangt. Alle addiert, ergeben letztendlich eine zwanzigstellige Zahl, so viele Körner, dass damit die gesamte Erdoberfläche bedeckt werden könnte.
Aus Oberhaching wird mit BARRAGOON ein neuer Angriff auf die Schachliebhaber gestartet. Alles ist erst einmal ungewohnt, da kommt der Titel sperrig wie eine Barriere daher, da gibt es kein 8x8-Feld, sondern ein rechteckiges mit 7x9 Feldern. Ja, und dann hat auch jeder der beiden Kontrahenten nur sieben Spielfiguren zur Verfügung. Da die zylinderförmigen Holzsteine alle gleich groß sind, sind deren jeweiligen Besonderheiten ins Oberteil gefräst. Daran wird deutlich, dass je zwei Steine zwei oder vier Felder weit ziehen dürfen, die restlichen drei ziehen entsprechend ihrer Anzahl drei Felder weit. Für alle sieben Spielsteine gilt: Es wird nur geradlinig und nicht diagonal gezogen. Abbiegungen sind nur einmal rechtwinklig und auch die Verringerung der Zugweite ist maximal um ein Feld möglich. Bei einem verkürzten Zug darf übrigens nicht geschlagen werden. Wie beim klassischen Vorbild stehen sich die Figuren nach fester Startaufstellung jeweils in beiden Grundreihen gegenüber. Hinten 3er und 4er Steine, in der Reihe davor die beiden 2er- und ein 3er-Stein.
Die große Besonderheit sind die, anfangs mit einem X gekennzeichneten, acht schwarzen Würfel, die auf den mittleren drei Reihen in der Startsituation liegen. Das sind Barrieresteine, die dem Spiel seinen Namen und den ganz besonderen Pfiff geben. Die Würfelform lässt nämlich sechs unterschiedliche Funktionen zu. In der Anfangssituation ist es die klassische Blockade, dann gibt es Pfeile, die nur einen Weg oder zwei Wege sowie eine Rechts- oder Linkskurve zulassen, schließlich befindet sich auf der Rückseite des Blockadekreuzes ein multifunktionaler Kreisverkehr, bei dem alle Abbiegungsmöglichkeit erlaubt sind, allerdings kein gerader Zug. Im Prinzip können alle Steine von allen Figuren geschlagen werden, nur für den letzten Stein braucht es mindestens einen 3er-Zylinder.
Wird ein Barragoon geschlagen, darf er an beliebiger Stelle mit beliebiger Funktion neu ins Spiel gebracht werden. Bei einem geschlagenen Spielstein, kommen gleich zwei Barragoone neu ins Spiel. Dabei erhält auch der Spieler, der den Verlust erleiden musste, als kleine Entschädigung einen der Steine. Er erhält dabei sogar noch einen Zugvorteil, indem er als erster den Barragoon einsetzen darf. Deshalb stehen neben den acht Ausgangssteinen weitere 24 schwarze Würfel zur Verfügung. Das Spiel endet, sobald ein Spieler keine Steine mehr hat oder nicht mehr ziehen kann. Auch ein Remis ist möglich, wenn restliche Steine so von Barragoonen umzingelt sind, das nur noch effektlose Bewegungen stattfinden.
Das Material ist solide: Wertige Holzsteine, Pappbrett mit aufgedruckter Startaufstellung, gute Regel, die keine Fragen offen lässt. Die Nutzung der Barragoone ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Man muss sich klar machen, dass sie alle in gewisser Hinsicht blockieren, da sie nicht nur die Weiterfahrt regeln, sondern damit meist auch Hinfahrt. Damit lassen sich Türen öffnen, andere wieder schließen. Die Frage, die Anfänger oft stellen, warum reiche denn nicht die reine Blockadefunktion, erübrigt sich nach den ersten Zügen. Sieht man seinen 2er-Stein von einem gegnerischen 3er-Stein bedroht, muss man nicht wegziehen, sondern kann durch Schlagen und Einsetzen eines Barragoon-Würfels den Gegner nach rechts oder links lotsen oder den Weg vor ihm zu einer Einbahnstraße machen und damit die Bedrohung für ihn erhöhen. Die Vielfalt von Möglichkeiten, die sich durch den geschickten Einsatz der Barragoone ergeben, macht den besonderen Reiz aus, aber auch erforderlich, dass es Eingewöhnungsrunden gibt, damit die Partner die Untiefen nutzen und erkennen können. Dann sind wir auch in der Situation, in der die Runden mindestens 60 Minuten dauern, bis dann meist ein Blockadeende eintritt.
Ob es BARRAGOON je zur Legendenbildung schaffen wird, darf bezweifelt werden. Schachliebhaber machen aber einen Fehler, wenn sie die Hände von diesem Spiel lassen. Das Autorenduo Robert Witter und Frank Warneke sollte übrigens einmal überlegen, wie viele Reiskörner ihnen bei ihren 7x9 Feldern durch das eine fehlende Feld entgehen!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BARRAGOON
Verlag: WiWa Spiele
Autoren: Robert Witter und Frank Warneke
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: mindestens 60 Minuten, manchmal 2 Stunden (gleichwertige Gegner vorausgesetzt)
Preis: 30 Euro
Moeraki-Kemu
Neuseeländische Kugelfelsen als Spielanlass
Gründe für Spielentwicklungen sind vielfältig. Bei dem Kehlheimer Spieleautor Stefan Kiehl war es eine Neuseelandreise. Fasziniert von den kugelförmigen Moeraki-Felsen an der Koekohe Beach auf der Südinsel Neuseelands, erfand er ein spannendes Spiel mit Glasmurmeln, das er 2010 beim größten deutschen Spieleautoren-Wettbewerb in Bochum einreichte. Dort wurde es als bestes Zweipersonenspiel gekürt. Trotz dieser Auszeichnung wollte kein Spielverlag sich seiner Idee annehmen, da der Autor hohe Ansprüche an dessen Umsetzung legte.
Der Markt für strategische Spiele für zwei Personen ist jenseits von Schach und Dame in Deutschland nicht sehr groß. Stefan Kiehl sah keinen anderen Ausweg als selbst Kleinverleger zu werden, um seine Idee nun im Kiehly-Verlag in edler Holzfassung mit hochwertigen Materialien zu produzieren.
Der Kampf zweier Maori-Stämme um das heilige Gebiet von MOERAKI-KEMU wird unblutig durch ein Kopfduell auf dem Holzbrett entschieden. Die Gegner versuchen, durch abwechselndes Setzen von Markierungskugeln möglichst viel Land für ihren Stamm einzunehmen. 56 Mulden können dabei besetzt werden, die 57. Mulde wird im Zentrum mit einer neutralen Moeraki-Kugel aus Jade belegt. Meistens läuft ein Duell solange, bis das ganze Land unter den beiden Kontrahenten aufgeteilt ist. Immer wenn ein kleines, meist quadratisches Stück mehrheitlich eingekreist ist, wird es vom jeweiligen Besitzer markiert. Wenn das ganze Land besetzt ist, hat man dadurch einen schnellen Überblick, wer Sieger ist. Auch wenn ein Gebiet verloren ist, muss der Gegner sich engagieren, dafür sorgen weitere Siegbedingungen. Sollte es nämlich einem Spieler gelingen, ein quadratisches Feld mit vier Kugeln zu umschließen, gewinnt er sofort, das gilt auch, wenn er einen sogenannten Fluss oder Weg erschließt, das heißt, eine Diagonale von Spielfeldrand zu Spielfeldrand oder die vier Mulden des äußeren Randes belegen kann. Die kürzeste Diagonale ist in den abgeschrägten Ecken des Planes nur drei Felder lang, da kommt es anfangs oft zu schnellen Siegen. Aber nur am Anfang - geübte Stammeskrieger belagern sich fast immer bis zum Schluss. Sie wissen auch den Gewinn von halben Feldern mit nur zwei Kugeln zu schätzen, der zwar nur halbe Punkte zählt, aber auch zur siegreichen Endbilanz beiträgt. In der Meister-Variation gibt es zusätzlich noch Möglichkeiten durch Einsatz eines Maori-Kriegers.
Die Spieldauer hängt ganz stark von der Spielstärke der Kontrahenten ab. Schäferzüge, das Aufbauen von Zwickmühlen gelingen meist nur am Anfang. Routiniers kämpfen bis zu einer knappen halben Stunde, bis jeder seine 28 Kugeln platzieren konnte. Die Herausforderung bleibt groß, da Kiehls unterschiedliche Siegbedingungen immer im Blick zu behalten sind. Da bleibt jede Partie spannend und erfordert ständige Aufmerksamkeit. Das gilt besonders für die Meisterstufe, da hier durch die Drohung eines Maori-Kriegers eine zusätzliche gedankliche Anforderung auf die Kontrahenten zukommt. Der Einsatz des Kriegers vernichtet dauerhaft Stammesplättchen – auch eigene – über ganze Feldreihen hinweg.
Nicht nur die Idee begeistert, zum Wiederspielwert trägt ganz wesentlich die gediegene Umsetzung bei. Jedes Spielbrett ist ein aus Crottendorf im Erzgebirge stammendes Unikat; Halbedelsteine, Glasmurmeln und handgefertigte Tonfiguren als Maori-Krieger unterstützen den haptischen Spielgenuss. Die Zählplättchen aus Pappe fallen dabei etwas ab, sind aber zweckdienlich. Die Spielregel ist vorzüglich ausgearbeitet und das Cover führt atmosphärisch stimmig in das Duell am Strand der Kugelfelsen ein. Stefan Kiehl konnte dafür seinen Neffen Florian Buchner gewinnen, der die gesamte Produktion hilfreich unterstützt hat.
Die Hintergrundgeschichte ist zwar rein fiktiv, das raffinierte Duell um Quadrat- oder Liniengewinn lebt aber von der neuseeländischen Atmosphäre, die der Autor kongenial umsetzen konnte. Die Regeln sind einfach, passen sich sogar dem jeweiligen Spielanspruch an. Für Stefan Kiehl sind diese Urlaubserinnerungen, die ihren spielerischen Ausdruck gefunden haben, inzwischen zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Kleinverlag wie Kiehly verschwinden meist nach ein oder zwei Jahren von der Bildfläche, die Nachfrage nach seinem Spiel hält aber inzwischen im fünften Jahr an. Wer einmal zum Glaskugel-Duell in Moeraki angetreten ist, weiß warum!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MOERAKI-KEMU
Verlag: Kiehly, Vertriebspartner: Tac Verlag
Autor: Stefan Kiehl
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer ca. 5 bis 25 Minuten
Preis ca. 59 €
(Seite 1 von 1, insgesamt 3 Einträge)