Samstag, 12. September 2015
Warschauer Verstrickungen
Schatten der Vergangenheit
In "Warschauer Verstrickungen" schafft Autor Miloszewski ein fast klassisches Ambiente: Mord in einem ehemaligen Kloster, quasi geschlossene Räume, eine überschaubare Zahl von Verdächtigen. Solide Ermittlungsverfahren könnten hier für den Staatsanwalt Teodor Szacki zur schnellen Klärung des Falls beitragen.
Aber nichts ist, wie es scheint. Der Mord an einem Druckereiinhaber geschah während eines Therapie-Wochende nach einer sogenannten Familienaufstellung. Alle Beteiligten schildern vergleichbare Abläufe, ein Täter innerhalb der Gruppe scheint unwahrscheinlich. Szacki setzt sich mit dem Psychodrama auseinander und macht sich auf die Suche nach dem großen Unbekannten, der zwar nicht anwesend war, aber doch irgendwie die Konstellation der Gruppe mit bestimmt hat.
Die Suche führt ihn weit zurück in die polnische Vergangenheit, in die Vorwendezeit, ins kommunistische Polen, zu dessen Stasistrukturen, die auch nach der Jahrtausendwende großen Einfluss besitzen und nun seine Arbeit bedrohen. Was beginnt, ist eine Gratwanderung zwischen Klärung des Falls und Schutz der eigenen Person, der Familie und seiner Freundin.
Die Klärung erfolgt, wie die Geschichte begann, im Kloster, in einer jetzt von Szacki vorgenommenen Familienaufstellung. Es ist keine endgültige Klärung, aber eine, die den Fall zum Abschluss bringt.
Miloszewski schreibt nicht nur einen überzeugenden Kriminalroman, er bietet Einblick in die polnischen Ermittlungsverfahren weit über den eigentlichen Fall hinaus, und in den polnischen Alltag. Das familiäre Umfeld Szackis, seine zaghaften Beziehungen, die er zu einer jungen Journalistin anknüpft, werden sensibel entwickelt. Geschickt versteht es der Autor auch, das über Szacki schwebende Damokles-Schwert der alten Mächte von Zeit zu Zeit aufblitzen zu lassen. Ein Bedrohungsszenario, das anfangs diffus bleibt, mit der Zeit aber immer konkreter wird.
Ein lesenswertes Buch.
Wertung: *****
Titel: Warschauer Verstrickungen
Verlag: Berlin Verlag
Autor: Zygmunt Miloszewski
Seiten: 448 Seiten
Preis: 9,99 Euro
Glut und Asche
Sprachgewaltiger Autor
Manch deutschem Erfolgsautor wünschte ich nur die Hälfte der Ausdruckskraft von James Lee Burke, dann wären die Herren Fitzek, Etzold und Wolf stilistisch vielleicht zu ertragen. Burke versetzt seine Leser in eine malerische texanisch-mexikanische Grenzlandschaft hinein, deren Naturstimmung stets in Korrelation zu den dort Handelnden steht. Denn das kann er auch, Charaktere entwickeln, die glaubhaft in ihrer Boshaftigkeit, aber auch in ihrer Geradlinigkeit sind.
Da wird eine zerstückelte Leiche im Grenzland auf dem Gebiet Danny Boy Lorcas gefunden. Ein bemitleidenswerter Mensch, der dort nach Sauriereiern gräbt und die Ermordung mit ansehen musste. Bald wird klar, ein mexikanischer Kopfgeldjäger, einst in den Diensten des amerikanischen Staates, sucht den Bekannten des Zerstückelten. Aber nicht nur er, die amerikanische Waffenindustrie hat eine ganze Truppe auf ihn angesetzt, da er wohl Drohnenmissbrauch in die Weltöffentlichkeit tragen will. Kein Wunder, dass auch das FBI auf der Bildfläche erscheint und verbranntes Land hinter sich lässt. Da wird en passant die Hütte eines Massenmörders angezündet, wobei der Soziopath nun zu einem neuen Rachefeldzug antritt. Dem nicht genug, zusätzlich spielt ein ultrakonservativer Reverend noch den Grenzwächter und auch ein russischer Gangster taucht auf.
All dies spielt sich im Gebiet des alt gewordenen ehemaligen Korea-Krieg-Teilnehmers Sheriff Hackberry Holland ab, der wegsieht, wenn Flüchtlinge die Grenze passieren, aber keine wirklichen Verbrechen in seinem Distrikt übersieht. Ähnlich unverbogen ist die Asiatin Anton Ling, die zwischen den Fronten in Gefahr gerät, da sie dem Gesuchten Unterschlupf gewährte, sowie sie auch keinem über die Grenze kommenden Mexikaner die Tür weist.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich Glut und Asche , der dritte Roman der Hackberry-Holland-Reihe, von denen allerdings erst zwei auf Deutsch erschienen sind (2014, Regengötter). Wer bisher nur Burkes Romane um Dave Robicheaux kannte, sollte unbedingt sich den auf die achtzig zugehenden Holland anschauen. Hackberry ist selbst nicht frei von Schuld, hat eine Vergangenheit, die ihn oft belastet, aber genau das positioniert ihn ideal in den Ungerechtigkeiten dieses Grenzlandes.
Eindrucksvoller Roman!
Wertung: *****
Titel: Glut und Asche
Verlag: Heyne
Autor: James Lee Burke
Seiten: 704 Seiten
Preis: 17,99 Euro
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