Samstag, 27. Juli 2019
TWISTY
Faouzi Boughida lebt in der Nähe von Lyon und arbeitet als Narrative Designer im dortigen Osome Studio, das für elektronische Spielentwicklungen bekannt ist. Game Design hat er u.a. an der Gamgora Universität in Lyon studiert.
Von einem Autor mit diesem Hintergrund erwartet man eigentlich kein völlig abstraktes Spiel. Aber TWISTY, sein erstes analoges Spiel, das der französische Verlag Djeco herausgebracht hat, kommt völlig ohne narrative Elemente aus und folgt im Bewegungsmechanismus dem Klassiker SCHACH.
Auf einem 7x7 Felder großen Spielbrett liegen 28 Holzmarker in sieben Farben aus, zusätzlich sind noch 16 Spezialmarker im Spiel, die meist der Bewegung dienen. Die Eckfelder und das mittlere Feld bleiben frei. Aus den Ecken starten die Spielfiguren der zwei bis vier Spieler. Diese haben passend zu den Markerfarben auf dem Brett eine zufällig gemischte Farbreihe von sieben Pappmarkern vor sich, die sie im Laufe des Spiels von vorn nach hinten abarbeiten.
Liegt der gelbe Marker vorn, muss zuerst ein gelber Holzmarker auf dem Spielbrett erreicht und eingesammelt werden. Die Fortbewegung ist für Schachspieler simpel. Die Figuren folgen nämlich dem Rösselsprung oder einem “L“ über drei Felder, wie die Spielregel es erläutert. Wenn Zielfelder nicht direkt erreicht werden, können Sonderfelder zu zusätzlichen Bewegungen genutzt werden. Manchmal sind drei oder sogar vier Züge nötig, bis der vorgegebene Marker eingesammelt wird.
Für die Planung gilt es, einerseits den Spielplan zu lesen, andererseits die Wegeplanung der Mitspieler zu berücksichtigen, denn die können zwischendurch auch als Diebe auftreten und schon erworbene Marker stibitzen, sofern diese vorn auf ihrer Agenda stehen. Um das zu verhindern, macht der Besuch eines Sicherheitsmarkers Sinn, denn dann werden alle zuvor erworbenen Scheiben auf die entsprechenden Kartonmarker gesetzt und können so nicht mehr abhandenkommen.
Wer alle sieben Farbmarker sammeln konnte, eilt zum leeren Mittelfeld und gewinnt das Spiel, sofern er nicht auf dem Weg dorthin überfallen wird. TWISTY ist ganz schön verwirrend und anspruchsvoll. Auf dem bunten Spielplan, der mit den bonbonfarbenen Chips belegt ist, muss jeder sich erst einmal orientieren. Wer es schnell schafft, einen Überblick für seine günstigste Wegeplanung hinzubekommen, hat Chancen auf den Sieg, wenn da nicht die Überfälle wären.
TWISTY ist eine interaktive strategische Herausforderung, die zu zweit sehr gut funktioniert, die zu viert aber ziemlich unberechenbar wird. Außerhalb der Duellform besteht durchgängig auch ein Königsmacherproblem. Wer die opulenten Ausstattungen von Djeco-Spielen kennt, wird eher enttäuscht sein durch die einfachen Papp- und Holzchips. Auch das der abstrakten Idee angepasste Cover bleibt eher blass. Daher reizt mich TWISTY nur zu zweit morgen wieder, mit mehr Spielern kann ich ruhig noch ein paar Wochen warten.
Wertung: Gerne morgen wieder, aber nur zu zweit
Titel: TWISTY
Autor: Faouzi Boughida
Grafik/Design: Regis Lejonc
Verlag: Djeco
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4, am besten zu zweit
Spielzeit: 20 - 30 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 49/2019
Donnerstag, 11. Juli 2019
FUCHS UND HASE
Wer die Umsetzung kreativer Ideen sucht, wird von dem Verlag MeterMorphosen meistens gut bedient. Seit 20 Jahren produziert er am Meterband laufend Ideen. Gestartet sind Jordi Guasti, Florian Koch, Michael Knäbe, Ingo Kollmann, und Christoph Kremer vor 20 Jahren mit einem handelsüblichen Zollstock, den sie mit Blick auf die Jahrtausendwende in einen HISTORISCHEN ZOLLSTOCK verwandelten. Vom nicht nur nationalen Erfolg überrollt, setzten die Macher aus Frankfurt auf weitere Zollstöcke und abgedrehte Geschenkideen wie DIE KUNSTKRITIK-SCHEIBE oder die PHRASEN DRESCHMASCHINE.
Vor gut zehn Jahren erweiterte der Verlag sein Programm durch Spiele, anfangs hauptsächlich MEMO-Varianten rund um verdrehte Wortpaare in der Reihe GEMISCHTES DOPPEL. Dem MEMO-Prinzip blieben auch die meisten spielerischen Folgeprodukte treu, stets aber mit einem raffinierten Schlenker, der aus der einfachen Idee etwas Besonderes machte, so in der Detailzerlegung von Alltagsgegenständen in DIE KUNST, AUFZURÄUMEN. Da wird ein wunderschöner Blumenstrauß zu in Reih und Glied stehenden Blüten, Blättern und Stängeln.
Mit der Kinderbuchautorin und Illustratorin Antje Damm hat sich der Verlag schon zum zweiten Mal eine Ideengeberin ins Boot geholt, die jenseits der MEMO-Spiele agiert. Im STADTSPIEL greift sie dabei auf den Klassiker DOMINO zurück und ganz aktuell hat die hessische Autorin mit FUCHS UND HASE ein „FlächenSuchSpiel“ erfunden.
Damms Spiel besteht aus 24 quadratischen Pappkarten, die beidseitig bedruckt sind. Auf der einen Seite ist stets ein Fuchs zu sehen, umgedreht ein Hase. Alle Karten bieten einen Durchblick oder mehrere Ausstanzungen, zu denen Aufgabenvorgaben formuliert sind. Da schläft der Hase unter einer karierten Bettdecke, der Fuchs mag sie aber lieber gestreift. Der Fuchs lutscht gern Zitronenbonbons, der Hase mag keine Erbsen. Um die Vorgaben zu erfüllen, müssen Kinder ihre Umgebung nach passenden Flächen absuchen.
Damm hält die Regeln sehr kurz. Im Spiel zu zweit übernimmt einer die Rolle Reinekes, der andere spielt Meister Lampe. Abwechselnd suchen die Kinder so viele Flächen wie möglich. Wer die meisten Punkte erhält, gewinnt. Regeltechnisch hätte der geübte Spieler sich hier natürlich eine maximale Vorgabe von Karten oder eine zu erreichende Punktzahl gewünscht. Autorin und Verlag lassen das offen und verweisen darauf, dass man auch eigene Regeln erfinden könne. Bei mehr als zwei Spielern zieht jeder pro Runde eine Karte und muss jeweils eine Fläche für Fuchs&Hase finden. Schafft er das, darf er die Karte behalten. Klappt es nicht, kommt die Karte auf den Ablagestapel. Wenn alle 24 Karten im Einsatz waren, gewinnt das Kind mit den meisten korrekten Fundergebnissen.
Altersspezifisch sind für die ganz kleinen Spieler ab drei Jahren eigentlich nur die Karten mit Farbvorgaben zu gebrauchen, den Rest sollte man aussortieren. Die Anforderungen wachsen nämlich, wenn weicher Stoff oder Leder gesucht werden muss oder etwas, was sich glatt oder rau anfühlt. Kinder werden dann ganz schön in der Wahrnehmung ihrer Umwelt gefordert. Sie müssen dabei durchaus kreativ sein, wenn sie auf die Suche nach einem sauberen oder dreckigen Lätzchen gehen oder gar ein „lustiges“ T-Shirt finden müssen.
Antje Damm knüpft mit ihrer Idee an die spielerische Aufforderung des Klassikers „Ich sehe was, was du nicht siehst“ an. Die Achtsamkeitsübung ist das typische Spiel für Zwischendurch im Warte- oder Wohnzimmer, wenn nichts anderes bei der Hand ist. Das kann mit FUCHS UND HASE nun deutlich aufgepeppter geschehen. Die Vorderseite der Spielregel sollte man dabei immer mitspielen lassen, denn die „verspiegelte Brille“ lässt sich sonst eher nicht darstellen.
Nicht nur Kindergartenkinder sind angetan von dieser Spielidee, auch die Jury für den Designpreis GRAF LUDO um Arno Miller und Willi Weber hat dieses Konzept überzeugt. Neben MONSIEUR CARROUSEL, GO GECKO GO! und drei anderen Spielen ist FUCHS UND HASE auf der diesjährigen Auswahlliste des Leipziger Preises gelandet.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FUCHS UND HASE
Autor: Antje Damm
Grafik/Design: Antje Damm
Verlag: MeterMorphosen GmbH
Alter: ab 3 Jahren
Spielerzahl: 1 -
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 46/2019
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