Donnerstag, 22. Dezember 2016
SCHILDKRÖTE & HASE
Asmodee und Purple Brain Creations haben in diesem Jahr eine kompakte Märchenspielreihe gestartet, deren Ideen bisher zumindest erstaunlich anspruchsvoll daherkommen. ROTKÄPPCHEN habe ich in der letzten spielbox (Heft 7/2016) rezensiert, an dieser Stelle beschäftige ich mich mit der spielerischen Umsetzung der Fabel SCHILDKRÖTE & HASE, deren deutsche Märchenvariante HASE UND IGEL es ja schon zu allerhöchsten Spieleehren gebracht hat. Das Schöne an der Reihe von Purple Brain Creations ist, dass die Erzähltexte in einer gut aufbereiteten Beilage Teil des Spiels sind, in diesem Fall die Fassungen von Äsop, La Fontaine und La Flaque. Der koreanische Spielautor Gary Kim, der eigentlich Gun-Hee Kim heißt (SIMSALA … BUMM u.a.), bietet Kindern ab sieben Jahren zwei Spielvarianten an.
Kim erfindet für seine Ideen eine Fabelfassung eines Benoît de La Flaque (Benoît von der Pfütze) analog zum Jean von der Quelle, in der nicht nur Hase und Schildkröte im Wettstreit sind, sondern weitere klassische Fabeltiere wie Wolf, Fuchs und Lamm mitmischen. So kann es zu einem richtigen Wettrennen mit Wettelementen kommen.
Am Anfang wird eine Rennstrecke aus 11 Streckenteilen aufgebaut, zwei davon zeigen ein Wasserhindernis. Außerdem erhält jeder zufällig eine Wettkarte zugeteilt und sucht sich eine weitere aus sieben Rennkarten aus. Jeder startet also mit sechs Karten für das Rennen und zwei Wetteinsätzen für den Rennausgang.
Die Rennkarten lösen keine sofortige Vorwärtsbewegung der Tiere aus, sondern werden am Anfang neben dem Nachziehstapel abgelegt. Gespielt werden dürfen ein bis vier Karten, die sich allerdings nur auf ein Tier beziehen dürfen. Nach dem Ausspielen werden die Handkarten erneut auf sechs ergänzt. Wenn acht Karten ausliegen oder vier eines Tieres, startet das Rennen oder es wird fortgesetzt.
Die Besonderheit dieses Wettlaufs besteht in den Eigenarten der Tiere. Das ist zu Beginn für Kinder arg gewöhnungsbedürftig, macht aber nach Anfangsschwierigkeiten durchaus Spaß, da es natürlich auch das Ablegeverhalten der Spielkarten prägt. Sobald ein bis vier Hasenkarten in der Auswertungsauslage sind, läuft der Hase immer zwei Streckenteile voran. Wenn er allerdings in Führung liegt und es werden vier Karten gespielt, dann macht er wie in der Fabel ein Nickerchen. Entsprechend gemächlich aber kontinuierlich geht es bei der Schildkröte vorwärts, sie wandert mindestens ein Rennfeld vor, es sei denn, es liegen vier Schildkröten aus, dann verdoppelt sie ihre Geschwindigkeit. Das Gute bei ihr, auch wenn keine Schildkröte gespielt ist, schleicht sie weiter. Der Fuchs ist gar nicht so listig, wie sonst in der Fabelwelt, sein Vorwärtskommen entspricht exakt der Zahl seiner ausliegenden Karten. Mit dem Wolf kommt Gefahr ins Spiel. Er läuft deshalb eher gebremst. Bei ein oder zwei Karten wandert er wie die Schildkröte ein Feld voran, bei drei bis vier Wolfskarten wird immer ein Bewegungspunkt abgezogen. Wird allerdings ein heulender Wolf, von denen es drei Karten gibt, ausgespielt, verstecken sich alle anderen und nur Meister Isegrim kommt voran. Bleibt das Lamm, das scheinbar die günstigste Ausgangssituation besitzt, denn es ein richtiges Lauf-Lamm, das stets ein Feld mehr geht, als Karten seiner Art ausliegen. Ausgebremst wird es nur durch die beiden Wasserläufe, hier kann es nicht widerstehen und muss sich erst einmal an dem köstlichen Nass laben.
Sobald drei Tiere die Ziellinie überschritten haben, wird gewertet. Für den ersten Platz gibt es fünf Siegpunkte, für den zweiten immerhin noch drei und für den dritten Platz zwei Punkte. Wer für seine beiden Wetten nun die meisten Punkte erreicht hat, gewinnt das Spiel.
Ganz schön anspruchsvoll sind für ein Kinderspiel diese ungleichen Voraussetzungen der Rennbeteiligten. Hinzukommt, dass auch die Kartenanzahl unterschiedlich ist und in einer Bandbreite zwischen 18 (Hase) und 15 Karten (Fuchs und Schaf) verteilt ist. Beim Rennverlauf berücksichtigt werden muss zusätzlich noch, dass es immer die gleiche Zugreihenfolge mit dem Hasen am Anfang und dem Lamm am Ende gibt. Der Hase hat dadurch fast immer gute Karten. Beim Lamm geht es mit guter Rennplanung und Einbindung der beiden Hindernisse auch sehr schnell. Kommen mehrere Tiere gleichzeitig ins Ziel, hat das Wolltier aber das Nachsehen. Um den Sieg mitstreiten will oft auch der Fuchs. Für ihn wird es nur schwer, wenn der Wolf dreimal mit seinen Heulkarten zum Zuge kommt. Das ist aber meist nicht der Fall, da auf Isegrim selten freiwillig gewettet wird und daher sein Geheul gar nicht zum Tragen kommt, da seine Karten zurückgehalten oder gemeinsam in einer Runde gespielt werden. Ein Spitzenplatz für die Schildkröte ist fast unmöglich, zum Podestplatz reicht es aber manchmal.
Wetten lohnen daher vor allem auf Hase, Lamm und Fuchs. Da es aber am Anfang ja eine zufällige Wettkarte gibt und die zweite natürlich auch von der Kartenauswahl abhängt, orientiert sich der Rennverlauf oft auch an den jeweiligen Gegebenheiten. Insgesamt eher ein Familien- als ein Kinderspiel, das seinen Reiz aus der Unausgewogenheit der Rennbeteiligten erzielt. Beim Material hätte ich mir Holztiere statt der Pappaufsteller gewünscht, grafisch ist es comichaft gefällig, die Regel ist ganz ordentlich. Hilfreich ist die Übersicht über die Bewegungsoptionen der einzelnen Tiere. Die Variante für jüngere Spieler mit identischer Kartenverteilung und ohne Bewegungsregeln führt nicht zu Begeisterungsstürmen, dient aber der Heranführung an das anspruchsvollere Spiel.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SCHILDKRÖTE & HASE
Autor: Gary Kim (Gun-Hee Kim)
Verlag: Purple Brain Creations / Asmodee
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2- 5
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
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